
Lokalkammer München
App_557291/2023 zu UPC_CFI_15/2023 vorläufige Entscheidung über Fristverlängerungsantrag des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts vom 01 /08/2023
Antragsteller

1) Meril Gmbh
(Antragstellerin) DE
- Bornheimer Straße 135-137 - 53119 - Bonn -
Parteien
- Edwards Lifesciences Corporation (Klagepartei)
- 1 Edwards Way - 92614 - Irvine - US
2) Meril Gmbh
(Beklagte zu 1) DE
- Bornheimer Straße 135-137 - 53119 - Bonn -
Vertreten durch
Vertreten durch
Klagezustellung am 07/07/2023
Vertreten durch
3) Meril Life Sciences Pvt Ltd.
(Beklagte zu 2) - M1?M2, Meril Park, Survey No 135/2/B & 174/2 Muktanand Marg, Chala, Vapi - 396 191 Gujarat - Vapi - IN
Klagepatent
Patent N r.
EP3646825
Inhaber
Edwards Lifesciences Corporation
BERICHTERSTATTER
Vorsitzender Richter
Matthias Zigann
VERFAHRENSSPRACHE:
Deutsch
ANTRAG DER ANTRAGSTELLERIN ZU 1 VOM 31.07.2023
Es wird beantragt, die Frist für den Einspruch gemäß Regel 19.1 VerfO um vier Wochen bis zum 4. September 2023 zu verlängern (Regel 9.3 lit. a) VerfO).
SACHVERHALT
Die Antragstellerin zu 1) (= Beklagte zu 1) macht u.a. geltend, dass am Tag der Zustellung per EMail an ihren registrierten Vertreter am 7.7.2023 noch kein Zugang zur Klageschrift über das Fallbearbeitungssystem (CMS) möglich gewesen sei. Dieser Zugang sei erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich gewesen. Ferner befände sich der registrierte Vertreter derzeit im Urlaub. Die Klagepartei habe gegen die Beklagten wegen eines anderen Patents einen Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen eingereicht. Darüber hinaus sei die E-Mail-Zustellung an die Beklagte zu 2), die Meril Life Sciences Pvt Ltd., aus von den Beklagten nicht zu vertretenen Gründen noch nicht erfolgt. Mithin drohten unterschiedliche Zeitläufe für die Einspruchsfrist, ein Gleichlauf sei aber dringend geboten.
Klagezustellung am 01/08/2023
Vertreten durch
GRÜNDE
-
- Die Einspruchsfrist gem. Regel 19.1 VerfO beträgt einen Monat nach Zustellung. Der Tag der Zustellung ist bei Zustellungen in elektronischer Form der Tag, an dem die elektronische Nachricht versandt wurde (Regel 271.6(a) VerfO). Nimmt ein Vertreter gem. Regel 8.1 VerfO die elektronische Zustellung für die Partei entgegen, so kann die Zustellung gem. Regel 271.2 VerfO innerhalb des geschlossenen elektronischen Systems des EPG-Fallbearbeitungssystem (CMS) vorgenommen werden. Dies bedeutet, dass nicht die Klageschrift samt Anlagen selbst in elektronischer Form versandt werden, sondern ein Zugangscode zum CMS. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass die Kanzlei einem Vertreter gem. Regel 8.1 VerfO nach Eingabe der übermittelten Zugangscodes den vollständigen Zugang zum CMS erst noch durch einen weiteren Arbeitsschritt gestatten muss. Hierbei handelt es sich um einen Schutzmechanismus, der sicherstellen soll, dass sich nur der vom Gericht bestimmte Adressat in das CMS einloggt. Diese Zugangsgestattung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kanzlei erfolgt regelmäßig noch am selben Tag oder am darauffolgenden Werktag, so dass die zeitliche Lücke regelmäßig zu vernachlässigen ist. Auch die Antragstellerin zu 1) teilt nicht mit, wann genau sie vollständigen Zugang erlangt hat. Ihrem Antrag kann aber entnommen werden, dass nunmehr ein vollständiger Zugang besteht. Mithin endet die nicht verlängerte Einspruchsfrist für die Beklagte zu 1) spätestens am 7.8.2023.
In Bezug auf die Beklagte zu 2) wurde eine Zustellung erst heute, am 01.08.2023, vom CMS festgestellt, nachdem sich der registrierte Vertreter mit Hilfe der am 31.07.2023 per E-Mail übermittelten Codes in das CMS eingeloggt hatte. Die automatisch erzeugte Benachrichtigung über eine Zustellung vom 1.8.2023 ist dahingehend zu verstehen, dass nicht an die Meril GmbH, sondern an die Meril Life Sciences Pvt Ltd. zugestellt worden ist. Denn sämtliche weitere Verfahrenshandlungen des registrierten Vertreters beziehen sich auf die Beklagte zu 2), so zum Beispiel die Vorbereitung einer Klageerwiderung. Die Einspruchsfrist endet daher für die Beklagte zu 2) spätestens am 04.09.2023. Das CMS scheint im Übrigen für den Fristanfang auf das tatsächliche Einloggen abzustellen und nicht, wie gem. Regel 271.6 VerfO geboten, auf die Möglichkeit des Einloggens.
Mithin würden die beiden Fristen erheblich voneinander abweichen.
Die Verhinderung einer solchen Abweichung ist aber, anders als die Antragstellerin zu 1) meint, nicht per se geboten. Zum einen geht mit einer Verlängerung der Einspruchsfrist nicht notwendig eine Verlängerung der Klageerwiderungsfrist einher. Denn wie Regel 19.6 zeigt, wird der Lauf der Klageerwiderungsfrist nicht einmal durch die Einspruchseinlegung beeinflusst, soweit der Berichterstatter keine anderweitige Entscheidung trifft. Zum anderen betrifft der Einspruch allein die Fragen nach der Zuständigkeit des Gerichts, der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung nach Regel 5 VerfO, die Zuständigkeit der Kammer und die Verfahrenssprache. Diese Themen können per se schnell und für unterschiedliche Beklagte auch unterschiedlich zu beantworten sein. Ferner ist auch ein rechtliches Interesse der anderen Partei anzuerkennen, über diese Fragen, auch in Bezug auf individuelle Beklagte, so bald als möglich Gewissheit zu haben.
Die weiteren vorgetragenen Gründe, Urlaub des registrierten Vertreters sowie dessen sonstige Belastung mit anderen Verfahren rechtfertigen vor diesem Hintergrund keine Verlängerung.
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- Allerdings ist festzustellen, dass die Arbeit mit dem neuen Verfahrensrecht und dem Fallbearbeitungssystem (CMS) sämtliche Beteiligte vor erhebliche Herausforderungen stellt.
Daher ist in der Anfangszeit eine praktikable Handhabung der sich stellenden Herausforderungen geboten. Der Berichterstatter übt daher das von der Verfahrensordnung eingeräumte Ermessen dahingehend aus, dem Antrag ausnahmsweise zu entsprechen.
BEABSICHTIGTE VERFÜGUNG
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- Die Frist für den Einspruch wird für die Antragstellerin zu 1) (= Beklagte zu 1) bis zum 4. September 2023 verlängert.
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- Die automatisch erzeugte Benachrichtigung über eine Zustellung vom 1.8.2023 ist dahingehend zu verstehen, dass nicht an die Meril GmbH, sondern an die Meril Life Sciences Pvt Ltd. zugestellt worden ist.
ANORDNUNGEN FÜR DIE PARTEIEN UND DIE KANZLEI
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- Die Klagepartei kann zu dieser vorläufigen Anordnung bis 02.08.2023 Stellung nehmen.
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- Die Beklagten können bis zum 03.08.2023 Stellung nehmen.

DR. ZIGANN VORSITZENDER RICHTER UND BERICHTERSTATTER