
Lokalkammer München
Leitsätze:
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- Für eine ausreichend sichere Überzeugung des Gerichts von der Gültigkeit eines Patentes ist im Rahmen einer Anordnung einstweiliger Maßnahmen nach Art. 62 EPGÜ eine überwiegende Wahrscheinlichkeit notwendig, aber auch ausreichend.
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- Im Falle eines Einheitspatentes ist zur Feststellung eines möglicherweise unangemessenen Zuwartens bei der Beantragung einstweiliger Maßnahmen nach Art. 62 EPGÜ zunächst zu fragen, seit wann der Antragsteller Kenntnis von der (drohenden) Patentverletzung hat; ausgehend davon ist der Zeitpunkt zu ermitteln, ab dem die Beantragung einstweiliger Maßnahmen vor dem EPG möglich war.
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- Die Durchsetzung eines Europäischen Patentes ohne einheitliche Wirkung hat in allen betroffenen Mitgliedsstaaten gesondert zu erfolgen und ist deshalb im Verletzungsfall gegenüber der Durchsetzung eines Einheitspatentes vor dem EPG kein gleichwertiges Mittel der Rechtsdurchsetzung.
Entscheidung und Anordnungen des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts in dem Verfahren auf Erlass einstweiliger Maßnahmen betreffend das EP 4 108 782 Verfahrensnummer UPC CFI 2/2023 erlassen am: 19/09/ 2023
Datum des Eingangs der Antragsschrift: 01/06/2023
NanoString Technologies Inc.
(Antragsgenerin) - 530 Fairview Ave N - 98109 - Seattle (WA) - US
Schriftliches Verfahren zugestellt am 15/06/2023
NanoString Technologies Germany GmbH
(Antragsgegnerin) - Birketweg 31 - 80639 - Munich - DE
Schriftliches Verfahren zugestellt am 20/06/2023
NanoString Technologies Netherlands B.V.
(Antragsgegnerin) - Paasheuvelweg 25 - 1105BP - Amsterdam - NL
Schriftliches Verfahren zugestellt am 20/06/2023
ANTRAGSTELLER
1) |
10x Genomics, Inc. (Antragstellerin) - 6230 Stoneridge Mall Road - 94588-3260 - Pleasanton - US |
Vertreten durch: Tilman Müller- Stoy |
2) |
President and Fellows of Harvard College (Antragsteller) - Suit 727E, 1350 Massachussetts Avenue - 02138 - Massachusetts - US |
Vertreten durch: Tilman Müller- Stoy |
ANTRAGSGEGNER
NanoString Technologies Germany
GmbH
(Antragsgegnerin) - Birketweg 31 - 80639
Vertreten durch:
Oliver Jan Jüngst
NanoString Technologies Netherlands
B.V.
(Antragsgegnerin) - Paasheuvelweg 25 - 1105BP - Amsterdam - NL
Vertreten durch:
Oliver Jan Jüngst
STREITGEGENSTÄNDLICHES PATENT
Patentnr. |
Inhaber |
EP4108782 |
President and Fellows of Harvard College |
ENTSCHEIDENDE RICHTER
ZUSAMMENSETZUNG DES SPRUCHKÖRPERS - VOLLSTÄNDIGE ZUSAMMENSETZUNG
Vorsitzender Richter Berichterstatter Rechtlich qualifizierter Richter Technisch qualifizierter Richter
Matthias Zigann Tobias Pichlmaier András Kupecz Eric Enderlin
VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch
MÜNDLICHE VERHANDLUNG VOM: 05/09/2023 und 06/09/2023
VERKÜNDET AM: 19/09/2023
Sachverhalt und Anträge der Parteien
Die Antragstellerinnen haben am 1. Juni 2023 beim Einheitlichen Patentgericht (Lokalkammer München) die Anordnung einstweiliger Maßnahmen beantragt; sie behaupten, das Einheitspatent EP 4 108 782 (Streitpatent) werde von den Antragsgegnerinnen unmittelbar und mittelbar verletzt.
Das Streitpatent wurde unter dem Titel
'Compositions and methods for analyte detection'
am 27. April 2022 angemeldet. Am 21. April 2023 hat die Antragstellerin zu 2) beim EPA einen Antrag auf Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung des Streitpatents im Hinblick auf die bevorstehende Einführung des Einheitspatents eingereicht. Die einheitliche Wirkung des Verfügungspatents wurde am 9. Mai 2023 beim Europäischen Patentamt beantragt. Am 11. Mai 2023 wurde das Streitpatent erteilt. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung datiert vom 7. Juni 2023. Anspruch 1 des Streitpatents lautet:
A method for detecting a plurality of analytes in a cell or tissue sample, comprising:
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(a) mounting the cell or tissue sample on a solid support;
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(b) contacting the cell or tissue sample with a composition comprising a plurality of detection reagents, the plurality of detection reagents comprising a plurality of subpopulations of detection reagents;
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(c) incubating the cell or tissue sample together with the plurality of detection reagents for a sufficient amount of time to allow binding of the plurality of detection reagents to the analytes; wherein each subpopulation of the plurality of detection reagents targets a different analyte, wherein each of the plurality of detection reagents comprises: a probe reagent targeting an analyte of the plurality of analytes and one or a plurality of pre-determined subsequences, wherein the probe reagent and the one or the plurality of pre-determined subsequences are conjugated together;
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(d) detecting in a temporally-sequential manner the one or the plurality of pre-determined subsequences, wherein the detecting comprises:
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(i) hybridizing a set of decoder probes with a subsequence of the detection reagents, wherein the set of decoder probes comprises a plurality of subpopulations of decoder probes and wherein each subpopulation of the decoder probes comprises a detectable label, each detectable label producing a signal signature;
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(ii) detecting the signal signature produced by the hybridization of the set of decoder probes;
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(iii) removing the signal signature; and
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(iv) repeating (i) and (iii) using a different set of decoder probes to detect other subsequences of the detection reagents, thereby producing a temporal order of the signal signatures unique for each subpopulation of the plurality of detection reagents; and
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(e) using the temporal order of the signal signatures corresponding to the one or the plurality of the pre-determined subsequences of the detection reagent to identify a subpopulation of the detection reagents, thereby detecting the plurality of analytes in the cell or tissue sample.
Das Streitpatent ist eine Teilanmeldung zur EP 18173059.9, bei der es sich ihrerseits um eine Teilanmeldung zur EP 12860433.7 handelt. Bei der Stammanmeldung handelt es sich um eine internationale Anmeldung vom 21. Dezember 2012 (PCT/US2012/071398), die die Priorität vom 22. Dezember 2011 (US 201161579265 P) beansprucht. Bezüglich des deutschen Teils des Stammpatents ist eine Nichtigkeitsklage mit dem Aktenzeichen 3 Ni 20/22 (EP) beim deutschen Bundespatentgericht (BPatG) anhängig. In seinem qualifizierten Hinweis vom 7. Februar 2023 legt der 3. Senat des BPatG seine vorläufige Auffassung dar, wonach das Stammpatent im Umfang von Hilfsantrag 1 bestandsfähig ist.
Die der Patentfamilie zugrundeliegende Forschung wurde auch mit öffentlichen Mitteln des US-amerikanischen National Institute of Health (NIH) finanziert. Aus dieser Förderung ergeben sich vertragliche Verpflichtungen der Antragstellerin zu 2) gegenüber dem NIH, über deren konkreten Umfang zwischen den Parteien des hiesigen Anordnungsverfahrens unterschiedliche Ansichten bestehen.
Die Antragstellerinnen haben die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2) aus dem deutschen Teil des Stammpatents vor dem Landgericht München I unter den Aktenzeichen
7 O 2693/22 und 7 O 5812/22 erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Urteile datieren vom 17. Mai 2023.
Die Antragsgegnerin zu 1) hat am 18. Juli 2023 gegen die Erteilung des Streitpatents Einspruch beim EPA eingelegt.
Die Antragstellerin zu 2) ist als Inhaberin des Streitpatentes eingetragen. Sie hat der Antragstellerin zu 1) mit Wirkung zum 14. Februar 2023 eine ausschließliche Lizenz am Verfügungspatent für das Territorium der Bundesrepublik Deutschland und mit Wirkung zum 30. Mai 2023 eine ausschließliche Lizenz am Verfügungspatent für das Territorium der übrigen UPC-Mitgliedstaaten eingeräumt. Die Parteien dieses Anordnungsverfahrens vertreten unterschiedliche Auffassung dazu, ob diese Lizenzen rechtswirksam sind.
Die Antragsgegnerin zu 1) ist ein amerikanisches Unternehmen. Sie ist die Muttergesellschaft einer Gruppe von Unternehmen, die unter der Bezeichnung 'NanoString' auftreten. Die Antragsgegnerin zu 2) ist die deutsche Vertriebs- und Marketinggesellschaft in dieser Unternehmensgruppe. Die Antragsgegnerin zu 3) ist das europäische Headquarter des Konzerns.
Die Antragsgegnerinnen bieten neben den Analysesystemen 'nCounter® Analysis System', 'GeoMx® Digital Spatial Profiler' (DSP) und 'Spatial Molecular Imager' (SMI) das streitgegenständliche Produkt 'CosMx Spatial Molecular Imager', abgekürzt 'CosMx SMI' (nachfolgend als " angegriffene Ausführungsform 1 " bezeichnet) an.
Die angegriffene Ausführungsform 1 ermöglicht eine hochempfindliche, subzelluläre Bildgebung einer Vielzahl von RNAs oder Proteinen direkt aus einzelnen Zellen in morphologisch intakten Gewebeproben. Mit der angegriffenen Ausführungsform 1 können Proben, insbesondere biologische Proben wie zum Beispiel fixierte Zellen und Gewebeschnitte, automatisiert auf das Vorhandensein bestimmter Analyten, nämlich RNA und Proteine, untersucht werden. Das Produkt wird nach dem Vortrag der Antragsgegnerinnen seit Dezember 2022 auf dem Markt angeboten. Es wird auch im sogenannten CX-Lab der Antragsgegnerinnen in Amsterdam angewendet. Dies ergibt sich aus der Vorstellung des CX-Labs auf der Internetseite https://nanostring.com/about-us/cxlabs/cxlab-amsterdam/; im Abschnitt 'Platforms Designed to Accelerate Sample to
Discovery' werden die Produkte benannt, die im Labor in Amsterdam vorhanden sind, darunter auch die angegriffene Ausführungsform 1.
Bei der angegriffenen Ausführungsform 2 handelt es sich um ein Nachweisreagenz. Dieses kann nur für den Nachweis von RNA verwendet werden. Die angegriffene Ausführungsform 2 wird in einem Kit als sogenanntes 'CosMx RNA Panel' in einer Standardvariante ('off-the-shelf RNA Add-On') sowie nach Kundenspezifikation ('Custom RNA Add-On Probes') vertrieben.
Bei der angegriffenen Ausführungsform 3 handelt es sich um eine Sonde, die als Sekundärsonde an die Primärsonde bindet, die bereits an ihren Analyten (RNA oder Protein) gebunden hat; die angegriffene Ausführungsform 3 wird in sogenannten 'CosMx RNA Imaging Trays' vertrieben. Diese Produkte sind für den Nachweis von 100 RNAs (100-plex) oder 1000 RNAs (1000-plex), jeweils für 2 oder 4 Objektträger erhältlich. Die angegriffene Ausführungsform 3 kann sowohl für den Nachweis von RNA als auch für den Nachweis von Proteinen verwendet werden.
Die angegriffenen Ausführungsformen werden auch kombiniert angeboten. Sie sind etwa an das Max Delbrück Center in Berlin geliefert worden, welches unter Nennung des Nanostring-CosMx verfügbare Dienstleistungen und Technologien anbietet.
Die Antragsgegnerinnen haben hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen in der zweiten Aprilhälfte 2023 eine Werbetour durch Europa durchgeführt (European Summit, Anlage BP 18, darunter auch Veranstaltungen in Hannover und Würzburg). Die Antragsgegnerinnen führen zahlreiche weitere Veranstaltungen an Forschungseinrichtungen zur Vorführung der angegriffenen Ausführungsformen durch und planen solche auch für die nächsten Wochen und Monate (Veranstaltungsankündigungen als Anlagen BP 19 bis BP 19c).
Die Antragsgegnerseite hat die Antragstellerin zu 2) wiederholt aufgefordert, ihr im Hinblick auf das Streitpatent ein Lizenzangebot zu angemessenen Bedingungen zu unterbreiten.
Die Antragstellerinnen haben unter dem Datum vom 31. August 2023 wegen der Verletzung des Streitpatentes eine Verletzungsklage beim EPG (Lokalkammer München) eingereicht.
Die Antragstellerinnen behaupten, bei den von den Antragsgegnerinnen angebotenen und angewandten und von ihren Abnehmern ebenfalls angewandten 'CosMx Spatial Molecular Imager' (sowie wesensgleicher Modelle) und den zugehörigen Nachweisreagenzien und Decodersonden handele es sich um Vorrichtungen zur Durchführung des mit dem Streitpatent geschützten Verfahrens.
Die Antragstellerinnen beschreiben den Kern der streitpatentgemäßen Erfindung dahin, dass diese im Vergleich zum Stand der Technik einen fundamental anderen Ansatz wähle. Während nämlich die Verfahren zur in situ-Analyse gemäß dem Stand der Technik Fluorophore kombinierten, um die Anzahl der detektierbaren Analyten zu erhöhen, werde bei der streitpatentgemäßen Erfindung eine Sonde nicht direkt mit einem Fluorophor markiert; vielmehr werde eine Nukleinsäuresequenz (sogenannte vorbestimmte Teilsequenz) an der Sonde befestigt.
Die Antragstellerin zu 2) sei als eingetragene Inhaberin des Streitpatentes antragsberechtigt. Die Registereintragung sei auch maßgeblich. Unabhängig davon habe die Antragstellerin zu 2) im Zusammenhang mit der hier im Streit stehenden Erfindung alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Dies gelte insbesondere für die sich aus dem BayhDole Act ergebenden Anforderungen. Die Antragstellerin zu 2) habe gegenüber der NIH rechtzeitig die Erfindung offenbart, das Recht an der Erfindung entsprechend den Vorgaben des Bayh-Dole Acts beansprucht und die Erfindung zum Patent angemeldet. Die NIH habe bis heute keine Einwände erhoben. Dies werde durch die eidesstattliche Versicherung von Frau Karen Sinclair, Director of Intellectual Property bei der Antragstellerin zu 2), bewiesen.
Die Antragstellerinnen beantragen im Hinblick darauf, dass die angegriffene Ausführungsform 2 (Nachweisreagenzien) nur im Rahmen des Nachweises von RNA eingesetzt werden kann, während die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 3 sowohl für den Einsatz im Rahmen des Nachweises von RNA als auch im Rahmen des Nachweises von Proteinen eingesetzt werden können, ein unbeschränktes Verbot nur bezüglich des Anbietens und Durchführens des patentverletzenden Verfahrens (Antragsziffer A.I.) sowie des Anbietens und Lieferns der angegriffenen Ausführungsform 2 (Antragsziffer A.III.).
Im Hinblick auf das Anbieten und Liefern der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 3 beantragen die Antragstellerinnen hingegen nur das Anbringen eines Warnhinweises betreffend das Streitpatent und die Verpflichtung der Antragsgegnerinnen zum Abschluss einer mit einer Vertragsstrafe bewährten Unterlassungsvereinbarung mit ihren Abnehmern im Hinblick auf die Verwendung der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 3 für den Nachweis von RNA (Antragsziffern A.II. und A.IV.).
Die Antragstellerinnen haben für den Anordnungsantrag vom 1. Juni 2023 eine Fassung gewählt, die wörtlich Anspruch 1 des Streitpatentes entspricht und sich räumlich 'auf die teilnehmenden Mitgliedsstaaten' bezog. Aufgrund des Vortrags im Einspruch vom 21. Juli 2023 haben die Antragstellerinnen ihren Antrag dahin angepasst, dass die Vertragsstaaten des EPGÜ im Antrag namentlich genannt werden und der Passus 'eine oder' vor 'eine Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen' gestrichen wurde.
Die Lokalkammer hat in der mündlichen Verhandlung am 5. September 2023 darauf hingewiesen, dass die Frage der Gültigkeit des Streitpatentes (Rechtsbestand) nach der Vorberatung offen und daher mit den Parteien zu erörtern ist; die Lokalkammer hat in diesem Zusammenhang auch darauf aufmerksam gemacht, dass im Parallelverfahren betreffend das Stammpatent (UPC_CFI_17/2023) die Anordnungsanträge in einer den Patentanspruch des Stammpatentes einschränkenden Fassung gestellt wurden. Diesen Hinweis aufgreifend haben die Antragstellerinnen ihren Hauptantrag um einen Hilfsantrag ergänzt. Die Lokalkammer hat in der mündlichen Verhandlung weiter darauf hingewiesen, dass die Angabe 'in Schriftgröße 12' in den Anordnungsanträgen II. und IV. unbestimmt sein könnte, da offenbleibt, welche Schrifttype betroffen ist; die Antragstellerinnen haben dem folgend diesen Passus jeweils gestrichen. Die Lokalkammer hat in der mündlichen Verhandlung ferner darauf hingewiesen, dass eine Zuständigkeit der Lokalkammer München des EPG für die Bestimmung der Angemessenheit der in den Anordnungsanträgen II. und IV. genannten Vertragsstrafen fraglich sein könnte; die Antragstellerinnen haben den Passus 'Lokalkammer München' daraufhin durch das 'zuständige Gericht' ersetzt. Hinsichtlich der Nennung der Antragstellerin zu 2) in den Anordnungsanträgen II. und IV. (dort jeweils (1) und (2)) haben die Antragstellerinnen erklärt, dies sei so zwischen den Antragstellerinnen vereinbart worden.
Die zuletzt gestellten Anträge der Antragstellerinnen lauten danach:
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A. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben in den Hoheitsgebieten der Republik Österreich, des Königreichs Belgien, der Republik Bulgarien, des Königreichs Dänemark, der Republik Estland, der Republik Finnland, der Französischen Republik, der Bundesrepublik Deutschland, der Italienischen Republik, der Republik Lettland, der Republik Litauen, des Großherzogtums Luxemburg, der Republik Malta, des Königreichs der Niederlande, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien und/oder des Königreichs Schweden, Folgendes zu unterlassen und abzustellen
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I. ein Verfahren zum Nachweisen einer Vielzahl von Analyten in einer Zelloder Gewebeprobe, umfassend
-
(a) Anbringen (Mounting) der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger;
-
(b) Kontaktieren der Zell- oder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung, die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst, wobei die Vielzahl der Nachweisreagenzien eine Vielzahl von Teilpopulationen der Nachweisreagenzien umfasst;
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(c)
-
Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe zusammen mit der Vielzahl von Nachweisreagenzien für eine ausreichende Zeitdauer, um Binden der Vielzahl von Nachweisreagenzien an die Analyten zu ermöglichen; wobei jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien auf einen unterschiedlichen Analyten zielt, wobei jedes der Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst: ein Sondenreagenz, das auf einen Analyten der Vielzahl von Analyten zielt, und eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen, wobei das Sondenreagenz und die Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen miteinander konjugiert sind;
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(d) Nachweisen der Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen in einer zeitlich sequentiellen Weise, wobei das Nachweisen umfasst:
-
(i) Hybridisieren eines Satzes von Decodersonden mit einer Teilsequenz der Nachweisreagenzien, wobei der Satz von Decodersonden eine Vielzahl von Teilpopulationen von Decodersonden umfasst, und wobei jede Teilpopulation der Decodersonden eine nachweisbare Markierung umfasst, wobei jede nachweisbare Markierung eine Signalsignatur produziert;
-
(ii) Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur;
-
(iii) Entfernen der Signalsignatur; und
-
(iv) Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist; und
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(e) Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von Analyten in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird,
im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter A. genannten Staaten anzuwenden oder zur Anwendung im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter A. genannten Staaten anzubieten;
(unmittelbare Verletzung von Anspruch 1 des EP 4 108 782)
- II. Vorrichtungen, die dazu geeignet sind, ein Verfahren zum Nachweisen einer Vielzahl von RNAs in einer Zell- oder Gewebeprobe durchzuführen, umfassend
- (a) Anbringen (Mounting) der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger;
- (b) Kontaktieren der Zell- oder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung, die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst, wobei die
Vielzahl der Nachweisreagenzien eine Vielzahl von Teilpopulationen der Nachweisreagenzien umfasst;
-
(c)
-
Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe zusammen mit der Vielzahl von Nachweisreagenzien für eine ausreichende Zeitdauer, um Binden der Vielzahl von Nachweisreagenzien an die RNAs zu ermöglichen; wobei jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien auf eine unterschiedliche RNA zielt, wobei jedes der Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst: ein Sondenreagenz, das auf eine RNA der Vielzahl von RNAs zielt, und eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen, wobei das Sondenreagenz und die Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen miteinander konjugiert sind;
-
(d) Nachweisen der Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen in einer zeitlich sequentiellen Weise, wobei das Nachweisen umfasst:
-
(i) Hybridisieren eines Satzes von Decodersonden mit einer Teilsequenz der Nachweisreagenzien, wobei der Satz von Decodersonden eine Vielzahl von Teilpopulationen von Decodersonden umfasst, und wobei jede Teilpopulation der Decodersonden eine nachweisbare Markierung umfasst, wobei jede nachweisbare Markierung eine Signalsignatur produziert;
-
(ii) Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur;
-
(iii) Entfernen der Signalsignatur; und
-
(iv) Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist; und
-
(e) Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von RNAs in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird,
im Hoheitsgebiet eines der unter A. genannten Staaten zur Benutzung des Verfahrens im Hoheitsgebiet eines der unter A. genannten Staaten oder in den Hoheitsgebieten mehrerer dieser Staaten zur Anwendung im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter A. genannten Staaten anzubieten und/oder zu liefern
ohne
- (1) auf jedem Angebot, auf der ersten Seite der Bedienungsanleitung, in den Lieferpapieren sowie auf der Verpackung ausdrücklich, unübersehbar und blickfangmäßig herausgestellt darauf hinzuweisen, dass die Vorrichtungen nicht ohne Zustimmung der Antragstellerin zu 2) als Inhaberin des EP 4 108 782 zum Nachweis von RNA in einem Verfahren gemäß Ziffer A.I. verwendet werden dürfen und ohne Zustimmung der Antragstellerin zu 2) ein Verwenden zum Nachweis von RNA zu unterlassen ist,
- (2) den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Antragstellerin zu 2) zu zahlenden angemessenen, von der Antragstellerin zu 2) zu bestimmenden, notfalls von dem zuständigen Gericht zu überprüfenden Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Vorrichtungen nicht ohne eine vorherige Zustimmung der Antragstellerin zu 2) für den Nachweis von RNA zu verwenden;
(mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des EP 4 108 782)
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III. Nachweisreagenzien, die dazu geeignet sind, ein Verfahren zum Nachweisen einer Vielzahl von Analyten in einer Zell- oder Gewebeprobe durchzuführen, umfassend
-
(a) Anbringen (Mounting) der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger;
-
(b) Kontaktieren der Zell- oder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung, die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst, wobei die Vielzahl der Nachweisreagenzien eine Vielzahl von Teilpopulationen der Nachweisreagenzien umfasst;
-
(c)
-
Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe zusammen mit der Vielzahl von Nachweisreagenzien für eine ausreichende Zeitdauer, um Binden der Vielzahl von Nachweisreagenzien an die Analyten zu ermöglichen; wobei jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien auf einen unterschiedlichen Analyten zielt, wobei jedes der Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst: ein Sondenreagenz, das auf einen Analyten der Vielzahl von Analyten zielt, und eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen, wobei das Sondenreagenz und die Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen miteinander konjugiert sind;
-
(d) Nachweisen der Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen in einer zeitlich sequentiellen Weise, wobei das Nachweisen umfasst:
-
(i) Hybridisieren eines Satzes von Decodersonden mit einer Teilsequenz der Nachweisreagenzien, wobei der Satz von Decodersonden eine Vielzahl von Teilpopulationen von Decodersonden umfasst, und wobei jede Teilpopulation der Decodersonden eine nachweisbare Markierung umfasst, wobei jede nachweisbare Markierung eine Signalsignatur produziert;
-
(ii) Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur;
-
(iii) Entfernen der Signalsignatur; und
-
(iv) Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine
zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist; und
- (e) Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von Analyten in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird,
im Hoheitsgebiet eines der unter A. genannten Staaten zur Benutzung des Verfahrens im Hoheitsgebiet eines der unter A. genannten Staaten oder in den Hoheitsgebieten mehrerer dieser Staaten zur Anwendung im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter A. genannten Staaten anzubieten und/oder zu liefern;
(mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des EP 4 108 782)
- IV. Decodersonden, die dazu geeignet sind, ein Verfahren zum Nachweisen einer Vielzahl von RNAs in einer Zell- oder Gewebeprobe durchzuführen, umfassend
- (a) Anbringen (Mounting) der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger;
- (b) Kontaktieren der Zell- oder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung, die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst, wobei die Vielzahl der Nachweisreagenzien eine Vielzahl von Teilpopulationen der Nachweisreagenzien umfasst;
- (c) Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe zusammen mit der Vielzahl von Nachweisreagenzien für eine ausreichende Zeitdauer, um Binden der Vielzahl von Nachweisreagenzien an die RNAs zu ermöglichen; wobei
jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien auf eine unterschiedliche RNA zielt, wobei jedes der Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst: ein Sondenreagenz, das auf eine RNA der Vielzahl von RNAs zielt, und
eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen, wobei das Sondenreagenz und die Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen miteinander konjugiert sind;
- (d) Nachweisen der Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen in einer zeitlich sequentiellen Weise, wobei das Nachweisen umfasst:
- (i) Hybridisieren eines Satzes von Decodersonden mit einer Teilsequenz der Nachweisreagenzien, wobei der Satz von Decodersonden eine Vielzahl von Teilpopulationen von Decodersonden umfasst, und wobei jede Teilpopulation der Decodersonden eine nachweisbareMarkierung umfasst, wobei jede nachweisbare Markierung eine Signalsignatur produziert;
- (ii) Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur;
- (iii) Entfernen der Signalsignatur; und
- (iv) Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist; und
- (e) Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von RNAs in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird,
im Hoheitsgebiet eines der unter A. genannten Staaten zur Benutzung des Verfahrens im Hoheitsgebiet eines der unter A. genannten Staaten oder in den Hoheitsgebieten mehrerer dieser Staaten im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter A. genannten Staaten anzubieten und/oder zu liefern, ohne
- (1) auf jedem Angebot, auf der ersten Seite der Bedienungsanleitung, in den Lieferpapieren sowie auf der Verpackung ausdrücklich, unübersehbar und blickfangmäßig herausgestellt darauf hinzuweisen, dass die Decodersonden nicht ohne Zustimmung der Antragstellerin zu 2) als Inhaberin des EP 4 108 782 zum Nachweis von RNA in einem Verfahren gemäß Ziffer A.I. verwendet werden dürfen und ohne Zustimmung der Antragstellerin zu 2) ein Verwenden zum Nachweis von RNA zu unterlassen ist,
- (2) den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Antragstellerin zu 2) zu zahlenden angemessenen, von der Antragstellerin zu 2) zu bestimmenden, notfalls von dem zuständigen Gericht zu überprüfenden Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Decodersonden nicht ohne eine vorherige Zustimmung der Antragstellerin zu 2) für den Nachweis von RNA zu verwenden;
(mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des EP 4 108 782)
hilfsweise zu A.I. bis A.IV.
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Aa. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben in den Hoheitsgebieten der Republik Österreich, des Königreichs Belgien, der Republik Bulgarien, des Königreichs Dänemark, der Republik Estland, der Republik Finnland, der Französischen Republik, der Bundesrepublik Deutschland, der Italienischen Republik, der Republik Lettland, der Republik Litauen, des Großherzogtums Luxemburg, der Republik Malta, des Königreichs der Niederlande, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien und/oder des Königreichs Schweden, Folgendes zu unterlassen und abzustellen
-
Ia. ein Verfahren zum Nachweisen einer Vielzahl von Analyten in einer Zelloder Gewebeprobe, das in der (i) Immunhistochemie und/oder FluoreszenzIn-Situ-Hybridisierung verwendet wird, umfassend
-
(a) Anbringen (Mounting) der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger;
-
(b) Kontaktieren der Zell- oder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung, die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst, wobei die Vielzahl der Nachweisreagenzien eine Vielzahl von Teilpopulationen der Nachweisreagenzien umfasst;
-
(c)
-
Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe zusammen mit der Vielzahl von Nachweisreagenzien für eine ausreichende Zeitdauer, um Binden der Vielzahl von Nachweisreagenzien an die Analyten zu ermöglichen; wobei jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien auf einen unterschiedlichen Analyten zielt, wobei jedes der Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst: ein Sondenreagenz, das auf einen Analyten der Vielzahl von Analyten zielt, und eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen, wobei das Sondenreagenz und die Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen miteinander konjugiert sind;
-
(d) Nachweisen der Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen in einer zeitlich sequentiellen Weise, wobei das Nachweisen umfasst:
-
(i) Hybridisieren eines Satzes von Decodersonden mit einer Teilsequenz der Nachweisreagenzien, wobei der Satz von Decodersonden eine Vielzahl von Teilpopulationen von Decodersonden umfasst, und wobei jede Teilpopulation der Decodersonden eine nachweisbare Markierung umfasst, wobei jede nachweisbare Markierung eine Signalsignatur produziert;
-
(ii) Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur;
-
(iii) Entfernen der Signalsignatur; und
-
(iv) Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die
für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist; und
- (e) Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von Analyten in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird, wobei
die Analyten ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus Proteinen, Peptiden und Nucleinsäuren, wobei die Nucleinsäuren ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus zellulärer RNA, MessengerRNA, MikroRNA, ribosomaler RNA und jedweden Kombinationen davon im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter Aa. Genannten Staaten anzuwenden oder zur Anwendung im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter Aa. genannten Staaten anzubieten;
(unmittelbare Verletzung von Anspruch 1 des EP 4 108 782)
- IIa. Vorrichtungen, die dazu geeignet sind, ein Verfahren zum Nachweisen einer Vielzahl von RNAs in einer Zell- oder Gewebeprobe durchzuführen, das in der (i) Immunhistochemie und/oder Fluoreszenz-In-Situ-Hybridisierung verwendet wird, umfassend
- (a) Anbringen (Mounting) der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger;
- (b) Kontaktieren der Zell- oder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung, die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst, wobei die Vielzahl der Nachweisreagenzien eine Vielzahl von Teilpopulationen der Nachweisreagenzien umfasst;
- (c) Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe zusammen mit der Vielzahl von Nachweisreagenzien für eine ausreichende Zeitdauer, um Binden der Vielzahl von Nachweisreagenzien an die RNAs zu ermöglichen; wobei
jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien auf eine unterschiedliche RNA zielt, wobei jedes der Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst: ein Sondenreagenz, das auf eine RNA der Vielzahl von RNAs zielt, und genz und die Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen miteinander eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen, wobei das Sondenreakonjugiert sind;
- (d) Nachweisen der Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen in einer zeitlich sequentiellen Weise, wobei das Nachweisen umfasst:
- (i) Hybridisieren eines Satzes von Decodersonden mit einer Teilsequenz der Nachweisreagenzien, wobei der Satz von Decodersonden eine Vielzahl von Teilpopulationen von Decodersonden umfasst, und wobei jedeTeilpopulation der Decodersonden eine nachweisbare Markierung umfasst, wobei jede nachweisbare Markierung eine Signalsignatur produziert;
- (ii) Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur;
- (iii) Entfernen der Signalsignatur; und
- (iv) Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist; und
- (e) Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von RNAs in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird, wobei
die Analyten ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus Proteinen, Peptiden und Nucleinsäuren, wobei die Nucleinsäuren
ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus zellulärer RNA, Messenger-RNA, MikroRNA, ribosomaler RNA und jedweden Kombinationen davon im Hoheitsgebiet eines der unter Aa. genannten Staaten zur Benutzung des Verfahrens im Hoheitsgebiet eines der unter Aa. Genannten Staaten oder in den Hoheitsgebieten mehrerer dieser Staaten zur Anwendung im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter Aa. genannten Staaten anzubieten und/oder zu liefern,
ohne
- (1) auf jedem Angebot, auf der ersten Seite der Bedienungsanleitung, in den Lieferpapieren sowie auf der Verpackung ausdrücklich, unübersehbar und blickfangmäßig herausgestellt darauf hinzuweisen, dass die Vorrichtungen nicht ohne Zustimmung der Antragstellerin zu 2) als Inhaberin des EP 4 108 782 zum Nachweis von RNA in einem Verfahren gemäß Ziffer A.Ia. verwendet werden dürfen und ohne Zustimmung derAntragstellerin zu 2) ein Verwenden zum Nachweis von RNA zu unterlassen ist,
- (2) den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Antragstellerin zu 2) zu zahlenden angemessenen, von der Antragstellerin zu 2) zu bestimmenden, notfalls von dem zuständigen Gericht zu überprüfenden Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Vorrichtungen nicht ohne eine vorherige Zustimmung der Antragstellerin zu 2) für den Nachweis von RNA zu verwenden;
(mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des EP 4 108 782)
-
IIIa. Nachweisreagenzien, die dazu geeignet sind, ein Verfahren zum Nachweisen einer Vielzahl von Analyten in einer Zell- oder Gewebeprobe durchzuführen, das in der (i) Immunhistochemie und/oder Fluoreszenz-In-Situ-Hybridisierung verwendet wird, umfassend
-
(a) Anbringen (Mounting) der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger;
-
(b) Kontaktieren der Zell- oder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung, die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst, wobei die Vielzahl der Nachweisreagenzien eine Vielzahl von Teilpopulationen der Nachweisreagenzien umfasst;
-
(c)
-
Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe zusammen mit der Vielzahl von Nachweisreagenzien für eine ausreichende Zeitdauer, um Binden der Vielzahl von Nachweisreagenzien an die Analyten zu ermöglichen; wobei jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien auf einen unterschiedlichen Analyten zielt, wobei jedes der Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst: ein Sondenreagenz, das auf einen Analyten der Vielzahl von Analyten zielt, und eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen, wobei das Sondenreagenz und die Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen miteinander konjugiert sind;
-
(d) Nachweisen der Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen in einer zeitlich sequentiellen Weise, wobei das Nachweisen umfasst:
-
(i) Hybridisieren eines Satzes von Decodersonden mit einer Teilsequenz der Nachweisreagenzien, wobei der Satz von Decodersonden eine Vielzahl von Teilpopulationen von Decodersonden umfasst, und wobei jede Teilpopulation der Decodersonden eine nachweisbare Markierung umfasst, wobei jede nachweisbare Markierung eine Signalsignatur produziert;
-
(ii) Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur;
-
(iii) Entfernen der Signalsignatur; und
-
(iv) Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die
für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist; und
- (f) Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von Analyten in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird, wobei die Analyten ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus Proteinen, Peptiden und Nucleinsäuren, wobei die Nucleinsäuren ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus zellulärer RNA, Messenger-RNA, MikroRNA, ribosomaler RNA und jedweden Kombinationen davon
im Hoheitsgebiet eines der unter Aa. genannten Staaten zur Benutzung des Verfahrens im Hoheitsgebiet eines der unter Aa. Genannten Staaten oder in den Hoheitsgebieten mehrerer dieser Staaten zur Anwendung im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter Aa. genannten Staaten anzubieten und/oder zu liefern;
(mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des EP 4 108 782)
- IVa. Decodersonden, die dazu geeignet sind, ein Verfahren zum Nachweisen einer Vielzahl von RNAs in einer Zell- oder Gewebeprobe durchzuführen, das in der (i) Immunhistochemie und/oder Fluoreszenz-In-Situ-Hybridisierung verwendet wird, umfassend
- (a) Anbringen (Mounting) der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger;
- (b) Kontaktieren der Zell- oder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung, die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst, wobei die Vielzahl der Nachweisreagenzien eine Vielzahl von Teilpopulationen der Nachweisreagenzien umfasst;
- (c) Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe zusammen mit der Vielzahl von Nachweisreagenzien für eine ausreichende Zeitdauer, um Binden der Vielzahl von Nachweisreagenzien an die RNAs zu ermöglichen; wobei
jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien auf eine unterschiedliche RNA zielt, wobei jedes der Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst: ein Sondenreagenz, das auf eine RNA der Vielzahl von RNAs zielt, und genz und die Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen miteinander eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen, wobei das Sondenreakonjugiert sind;
- (d) Nachweisen der Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen in einer zeitlich sequentiellen Weise, wobei das Nachweisen umfasst:
- (i) Hybridisieren eines Satzes von Decodersonden mit einer Teilsequenz der Nachweisreagenzien, wobei der Satz von Decodersonden eine Vielzahl von Teilpopulationen von Decodersonden umfasst, und wobei jede Teilpopulation der Decodersonden eine nachweisbare Markierung umfasst, wobei jede nachweisbare Markierung eine Signalsignatur produziert;
- (ii) Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur;
- (iii) Entfernen der Signalsignatur; und
- (iv) Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist; und
- (e) Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von RNAs in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird, wobei
die Analyten ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus Proteinen, Peptiden und Nucleinsäuren, wobei die Nucleinsäuren
ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus zellulärer RNA, Messenger-RNA, MikroRNA, ribosomaler RNA und jedweden Kombinationen davon im Hoheitsgebiet eines der unter Aa. genannten Staaten zur Benutzung des Verfahrens im Hoheitsgebiet eines der unter Aa. Genannten Staaten oder in den Hoheitsgebieten mehrerer dieser Staaten zur Anwendung im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter Aa. genannten Staaten anzubieten und/oder zu liefern,
ohne
- (1) auf jedem Angebot, auf der ersten Seite der Bedienungsanleitung, in den Lieferpapieren sowie auf der Verpackung ausdrücklich, unübersehbar und blickfangmäßig herausgestellt darauf hinzuweisen, dass die Decodersonden nicht ohne Zustimmung der Antragstellerin zu 2) als Inhaberin des EP 4 108 782 zum Nachweis von RNA in einem Verfahren gemäß Ziffer A.Ia. verwendet werden dürfen und ohne Zustimmung der Antragstellerin zu 2) ein Verwenden zum Nachweis von RNA zu unterlassen ist,
- (2) den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Antragstellerin zu 2) zu zahlenden angemessenen, von der Antragstellerin zu 2) zu bestimmenden, notfalls von dem zuständigen Gericht zu überprüfenden Vertragsstrafe für jeden Fall derZuwiderhandlung die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Decodersonden nicht ohne eine vorherige Zustimmung der Antragstellerin zu 2) für den Nachweis von RNA zu verwenden;
(mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des EP 4 108 782)
- B. Im Falle jeder Zuwiderhandlung gegen die Anordnungen nach Ziffer A.I. bis A.IV. hat die jeweilige Antragsgegnerin ein (ggf. wiederholtes) Zwangsgeld an das Gericht zu zahlen, in Höhe von bis zu 250.000 EUR pro Zuwiderhandlung (R. 354.3 RoP).
- C. Die Antragsgegnerinnen haben vorläufig die Kosten zu erstatten.
- D. Diese Anordnung ist sofort vollstreckbar.
Die Antragsgegnerinnen haben beantragt,
-
- den auf den 1. Juni 2023 datierten Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen in der Fassung vom 5. September 2023 sowie den Hilfsantrag vom 5. September 2023 als unzulässig und/oder jedenfalls unbegründet zurückzuweisen;
-
- 1.1. den Antragsgegnern die Fortsetzung der vermeintlichen Verletzungshandlungen gegen die Beibringung einer Sicherheitsleistung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch € 1.000.000,- nicht überschreiten sollte, zu erlauben;
-
- 1.2. den Erlass einstweiliger Maßnahmen von der Beibringung einer Sicherheitsleistung durch die Antragsteller, deren Höhe durch das Gericht zu bestimmen ist, jedoch nicht unter € 20.000.000 liegen sollte, abhängig zu machen.
-
- den Antragstellern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen
-
- Diese Anordnung ist sofort vollstreckbar.
Die Antragsgegner haben unter dem Datum vom 2. Juni 2023 eine Schutzschrift hinterlegt. Ferner haben sie auf die Antragsschrift mit Einspruch vom 21. Juli 2023 und auf die Replik der Antragstellerseite vom 11. August 2023 mit Schriftsatz vom 24. August 2023 erwidert.
- -Die Antragsgegner machen die Unzuständigkeit der Lokalkammer München des EPG geltend.
Da in Deutschland zwei erstinstanzliche Urteile des Landgerichts München I (Aktenzeichen 7 O 5812/22 und 7 O 2693/22) zeitlich vor der hiesigen Antragstellung ergangen sind und vollstreckt werden, sei zumindest der Angriff gegen den Antragsgegner zu 2) ersichtlich unbegründet, da relevante Verletzungshandlungen in Deutschland infolge der Beachtung des vom Landgericht München I ausgesprochenen Verbots nicht schlüssig dargetan seien. Das angegriffene Verfahren werde in Deutschland nicht von den Antragsgegnern durchgeführt. Es gebe daher keinen relevanten Bezug zu Deutschland.
Da der Antrag in Bezug auf Deutschland und die Antragstellerin zu 2) offensichtlich unbegründet sei, sei die angerufene Kammer auch unzuständig; ein ersichtlich unbegründeter Antrag gegen eine Partei - die ganz klar keine Verletzungshandlung durchführe - nur um eine örtliche Zuständigkeit über Art. 33 b) EPGÜ bei mehreren Beklagten/Antragsgegner gewissermaßen im Wege des 'Forum shopping' betreiben zu können, sei nicht schutzwürdig und nicht im Sinne des Gesetzes.
- -Die Antragsgegner halten den Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen für unzulässig .
Der Antrag genüge den zwingenden Verfahrensvorschriften der Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts nicht, da er die nach Regel 206 Nr. 2 a), c), d) und e) VerfO erforderlichen Angaben nicht enthalte. Die Antragstellerseite habe insbesondere nicht den Nachweis erbracht, zur Einleitung des Verfahrens berechtigt zu sein. Zum Rechtsbestand habe die Antragstellerseite entgegen Regel 206 Nr. 2 d) VerfO erstmals mit der Replik vorgetragen.
Für die Erfüllung der zwingenden Antragsvoraussetzung nach Regel 206 Nr. 2 (e) VerfO sei es zudem unzureichend, dass eine mögliche Hauptsacheklage in der Replik vom 11.08.2023 letztendlich nur unverbindlich angekündigt werde. Bei der bloßen Ankündigung einer Hauptsacheklage handele es sich auch nicht um eine 'kurze Beschreibung' der Hauptsacheklage, welche laut der Verfahrensordnung jedoch erforderlich sei.
- -Die Antragsgegner wenden die fehlende Aktivlegitimation (Antragsberechtigung) der Antragssteller ein.
Da das Streitpatent Teil einer Patentfamilie sei, deren zugrundeliegende Forschung in ganz erheblichem Umfang mit öffentlichen US-Mitteln des US National Institute of Health (NIH) finanziert wurde, seien bestimmte gesetzliche Anforderungen einzuhalten gewesen.
Die Antragstellerin zu 2) habe es versäumt, bestimmte Anforderungen des so genannten Bayh-Dole-Gesetzes, namentlich Art. 35 USC 2002 (c), zu erfüllen; daher seien die Rechte an der Erfindung an die US-Regierung übergegangen.
Die US-Förderung sei an die Bedingung geknüpft gewesen, dass nicht-exklusive Lizenzen für die daraus resultierenden Technologien und Innovationen an Dritte vergeben würden - und zwar auch in Bezug auf die EPG-Staaten. Infolgedessen sei die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz an den Antragsteller zu 1) ohnehin ausgeschlossen. Der Antragstellerin zu 1) sei aber auch keine einfache Lizenz rechtswirksam eingeräumt worden, da die mit Anlage PB 1 vorgelegten Vereinbarungen nach dem insofern maßgeblichen deutschen Recht (Art. 7 Abs. 3 VO (EU) 1257/2012 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 EPÜ) nichtig seien. Die Nichtigkeit folge aus dem Abschluss einer exklusiven Lizenzvereinbarung zwischen den beiden Antragstellerinnen in kollusivem Zusammenwirken der Vertragsparteien und unter Verstoß gegen die Förderbedingungen des NIH; diese Ansicht werde auch durch das Urteil des Landgerichts München I (Az. 7 O 2693/22) bestätigt.
- -Die Antragsgegner sind der Ansicht, das Streitpatent sei nicht rechtsbeständig.
Die Gültigkeit des Streitpatentes könne nicht aufgrund seiner Erteilung vermutet werden. Dies folge hier schon daraus, dass die Erteilung des Patents - wie aus der EPA-Akte ersichtlich - ohne nachvollziehbare Prüfung erfolgt sei: Von der Einreichung der Teilanmeldung am 27.04.2022 bis zur Ausstellung der Erteilungsabsicht vom 06.04.2023 sei weniger als ein Jahr vergangen - die Prüfung des Patents sei also offensichtlich nicht intensiv durchgeführt worden; besonders relevanter Stand der Technik (D6, D8, D12, D13, D27) sei nicht gesehen worden; mit gerade einmal zwei Sätzen würden in der Stellungnahme des EPA Neuheit und erfinderische Tätigkeit abgehandelt. Ferner machten die Antragsteller eine beschränkte - und damit in jeder Hinsicht ungeprüfte Fassung - des Patents geltend. Hierfür könne schon denklogisch zwingend keine 'Vermutung' bestehen.
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatentes sei in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen der vorherigen Anmeldungen (zum Stammpatent und zu EP `063)nicht unmittelbar und eindeutig offenbart und damit unzulässig erweitert. Es mangele auch an Neuheit erfinderischer Tätigkeit. Das Streitpatent offenbare die Erfindung auch nicht so klar und vollständig, dass sie von einer Fachperson ausgeführt werden könne.
- o Die unzulässige Erweiterung betreffe einerseits die die im Anspruchswortlaut nicht spezifisch geforderte Wiederholung von Schritt (ii). In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen sei demgegenüber eine Wiederholung von Schritt (ii) beinhaltet gewesen. Somit sei die Wiederholung nur der Hybridisierungs- und Signalentfernungsschritte (i) und (iii) ohne den anspruchsgemäßen Schritt (ii) nicht direkt und eindeutig in den vorherigen Anmeldungen offenbart. Anspruch 1 gehe daher unter Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 EPÜ über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.
In der Anmeldung zum Stammpatent identifiziere die zeitliche Reihenfolge die Nachweisreagenzien aktiv , während in Anspruch 1 des Streitpatents die Reihenfolge passiv verwendet werde ('Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen […] zum Identifizieren einer Teilpopulation der
Nachweisreagenzien"). Die letztgenannte Formulierung sei weiter gefasst, da sie potenziell die Möglichkeit einschließe, dass die zeitliche Abfolge der Signalsignaturen zwar in irgendeiner Weise im Identifizierungsprozess verwendet wird, dass aber auch andere Komponenten oder Schritte in die Identifizierung einbezogen werden (und notwendig sein) könnten.
-
o Die Antragsgegner berufen sich auch auf eine mangelnde Neuheit des beanspruchten Verfahrens.
-
▪ Der im Prüfungsverfahren nicht berücksichtigte Artikel von Göransson et al. (D6) offenbare den beanspruchten Gegenstand durch die zu diesem Zweck verwendete Nachweismethode für amplifizierte Einzelmoleküle (ASM). In Göransson würden bestimmte Abschnitte der genomischen DNA (über ASM), also eine Vielzahl von Analyten in einer Probe nachgewiesen. Gemäß der Beschreibung des Streitpatents umfasse der Begriff 'Zell- oder Gewebeprobe" sowohl nicht intakte als auch vorbehandelte oder aufbereitete Proben; diese Vorbehandlung könne daher auch die Isolierung von genomischer DNA umfassen. Für eine Fachperson sei offensichtlich, dass das generische Decodierschema von Göransson et al. (D6) völlig unabhängig davon funktioniere, was für einen Analyten man detektieren möchte. Zu den Einzelheiten des Vortrags wird auf die Ausführungen der Antragsgegner im Einspruch (Textziffern 304 bis 377) und der Duplik (Textziffern 139 bis 158) verwiesen.
-
▪ Das beanspruchte Verfahren sei aber auch angesichts der am 17. Juni 2010 veröffentlichten US 2010/0151472 (D12) nicht neu. Zu den Einzelheiten des Vortrags wird auf die Ausführungen der Antragsgegner im Einspruch (Textziffern 378 bis 448) und der Duplik (Textziffern 182 bis 189) verwiesen.
-
o Die Anspruchsgegner machen hinsichtlich des beanspruchten Verfahrens auch geltend, dieses beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit . Als relevanten Stand der Technik haben die Antragsgegner insofern folgende Druckschriften benannt:
-
▪ Duose et al. 2010 (D8); zu den Einzelheiten des Vortrags, einschließlich der geltend gemachten Kombination (D8/D6), wird auf die Ausführungen der Antragsgegner im Einspruch (Textziffern 456 bis 569) und in der Duplik (Textziffern 159 bis 175) verwiesen.
-
▪ Duose et al. 2011 (D27); zu den Einzelheiten des Vortrags, einschließlich der geltend gemachten Kombination (D27 in Kombination mit D6 und/oder D8), wird auf die Ausführungen der Antragsgegner im Einspruch (Textziffern 570 bis 607) und der Duplik (Textziffern 176 bis 181) verwiesen.
-
▪ WO 03/003810 (D23) (D6); zu den Einzelheiten des Vortrags, einschließlich der geltend gemachten Kombination (D23 in Kombination mit D6 und/oder D8), wird auf die Ausführungen der Antragsgegner im Einspruch (Textziffern 608 bis 633) verwiesen.
-
▪ Göransson et al. (D6); zu den Einzelheiten des Vortrags, einschließlich der geltend gemachten Kombination (D6 in Kombination mit D19, D13, D10, D11, D13 und D24), wird auf die Ausführungen der Antragsgegner im Einspruch (Textziffern 634 bis 669) und der Duplik (Textziffern 144 bis 158) wird verwiesen.
-
▪ US 2010/0151472 (D12); zu den Einzelheiten des Vortrags, einschließlich der geltend gemachten Kombination (D12 in Kombination mit D6), wird auf die Ausführungen der Antragsgegner im Einspruch (Textziffern 670 bis 672) und der Duplik (Textziffern 182 bis 189) verwiesen.
-
o Der Gegenstand der Ansprüche des Streitpatentes ist nach Ansicht der Antragsgegner auch nicht so vollständig offenbart, dass eine Fachperson die Erfindung ausführen könne ( unzureichende Offenbarung ).
-
▪ Das Patent lehre nicht, wie ungebundene Nachweisreagenzien vor dem Nachweisschritt entfernt werden und ohne eine solche Entfernung aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden können; der Fachperson sei aus dem allgemeinen Fachwissen nicht bekannt, wie das Verfahren ohne einen Schritt zur Entfernung von ungebundenem Nachweisreagenz durchgeführt werden könne.
-
▪ Es werde im Patent nicht gelehrt, wie eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen erreicht werden solle, wenn der Nachweisschritt nicht zusammen mit den Hybridisierungs- und Signalentfernungsschritten wiederholt werde; da dieser Schritt aber nach der Anspruchsformulierung gerade nicht wiederholt werden solle, sei das Streitpatent unzweifelhaft nicht ausführbar.
-
▪ Die beanspruchte Erfindung sei nicht ausführbar, wenn extrem kurze Decodersonden für die Hybridisierung verwendet würden. Das Streitpatent besage in Absatz [0059], dass die Decodersonde beliebig lang sein könne. Wenn eine Decodersonde nur ein einziges Nukleotid lang ist, könne sie aber nicht mit der Nucleinsäuremarkierung bzw. einer vorbestimmten Teilsequenz des Nachweisreagenzes hybridisieren; die Ausführung des beanspruchten Verfahrens mit Decondersonden von nur einem Nukleotid wäre somit nicht möglich. Der Fachperson werde durch das Patent keine Anleitung bereitgestellt, wie dennoch eine Decodersonde mit nur einem einzigen Nucleotid durch Hybridisieren zur Detektion verwendet werden könne.
-
▪ Das Streitpatent enthalte auch kein einziges Beispiel einer in situ 'high-plex'-Detektion, obwohl die Antragstellerseite zum Stammpatent geltend mache, dass das beanspruchte Verfahren im Vergleich zum Stand der Technik eine (angeblich bessere) Highplex-Analyse ermögliche.
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o Auch der vorläufige und aus Sicht der Antragsgegnerinnen zutreffende Hinweis des BPatG zum Stammpatent stütze den Rechtsbestand des hier relevanten Patents nicht. Unstreitig erachte das BPatG nämlich das Stammpatent wie erteilt als nicht rechtsbeständig und widerlege damit gerade eine vermeintliche Vermutung. Der zu erwartende Widerruf des Streitpatents werde eindrucksvoll bestätigt durch ein Gutachten des 'PRV-Swedish Intellectual Property Office' vom 3. Juli 2023.
-
-Die Antragsgegner behaupten, das Streitpatent werde durch die angegriffenen Produkte nicht verletzt.
Die angegriffenen Ausführungsformen seien so ausgestaltet, dass wesentliche Verfahrensschritte (Erstellung einer zeitlichen Reihenfolge von Signalsignaturen, Identifikation des Analyten) nicht auf dem Gerät selbst, sondern auf einem computergestützten System (Cloud-Computing-Plattform AtoMx Spatial Informatics) im Ausland und damit außerhalb des Anwendungsbereichs des EPGÜ durchgeführt würden. Der Anordnungsantrag sei also schon deshalb unbegründet, weil der zentrale Schritt des angegriffenen Verfahrens und damit der patentgemäß angestrebte Vorteil im Ausland ausgeführt werde.
Das mit dem Patent beanspruchte Verfahren werde auch in technischer Hinsicht nicht realisiert. Folgende Anspruchsmerkmale würden mit dem Verfahren, welches mit den angegriffenen Produkten durchgeführt werden könne, nicht verwirklicht:
- ○ jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien zielt auf einen unterschiedlichen Analyten;
- ○ Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird;
- ○ Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der einen oder der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von Analyten in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird.
Eine 'Teilpopulation' der Nachweisreagenzien, die jeweils an den gleichen Analyten binden, müsse patentgemäß auf molekularer Ebene identisch sein; dies ergebe sich auch aus der Beschreibung, etwa [0138]. Das sei aber nicht der Fall, da hier verschiedene Sondenreagenzien an dieselben Analyten binden würden.
Auch die jeweiligen Sondenreagenzien müssten allerdings identisch sein, um derselben Teilpopulation zugeordnet werden zu können.
Nach richtigem Verständnis des geltend gemachten Anspruchs des Streitpatentes seien Wiederholungen für die gleichen Teilsequenzen gedanklich ausgeschlossen; durch den Begriff 'thereby producing' existiere eine unmittelbare Kausalität zwischen den Wiederholungen der Schritte (i) und (iii) für unterschiedliche vorbestimmte Teilsequenzen und der Erzeugung der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen. Die Erstellung der zeitlichen Reihenfolge beruhe daher auf nichts anderem als der exklusiven Wiederholung der Schritte (i) und (iii) für andere Teilsequenzen. Da diese zeitliche Reihenfolge im Verfahren der Antragsgegner nicht bestimmt werde, werde sie auch nicht mit den Signalsignaturen für eine Teilpopulation der Nachweisreagenzien verglichen. Der Patentanspruch setze aber voraus, dass durch die zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen die Analyten nachgewiesen werden.
- -Die Antragsgegnerinnen sind der Ansicht, mit den Anordnungsanträgen werde eine Anspruchsmodifikation vorgenommen, die in der Verfahrensordnung nicht vorgesehen sei .
Mit den Anordnungsanträgen werde Anspruch 1 des Streitpatentes durch die Streichung des Passus 'eine oder' vor 'eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen' modifiziert und dadurch beschränkt. Die somit geltend gemachte Anspruchsfassung sei weder erteilt noch in einem Rechtsbestandsverfahren anhängig. Regel 211 Nr. 2 VerfO schreibe demgegenüber eindeutig vor, dass das Patent gültig sein müsse. Eine Möglichkeit, mit dem Anordnungsanspruch (hilfsweise) eine von der erteilten Fassung abweichende Fassung des Patentanspruchs geltend zu machen, werde in der VerfO nicht erwähnt. Die von der Antragstellerseite mit den Anordnungsanträgen geltend gemachte Anspruchsfassung sei inexistent. Die fragliche Änderung der Antragsfassung habe auch Folgen für den Rechtsbestand des Patentes (Neuheit und erfinderische Tätigkeit; siehe hierzu Duplik Textziffern 210 bis 222).
- -Aus Sicht der Antragsgegnerinnen besteht jedenfalls keine Notwendigkeit für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen.
Die beantragten Maßnahmen seien auch weder zeitlich dringlich noch notwendig, da die Antragsteller in den relevanten Jurisdiktionen seit März 2022 nicht aus dem Stammpatent gegen die angegriffenen Produkte vorgegangen seien, wie dies in Deutschland geschehen sei; der Internetauftritt https://www.nanostring.com sei seit März 2022 bekannt gewesen.
Auch der am 21. April 2023 beim EPA eingereichte Antrag auf Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung des Verfügungspatents im Hinblick auf die bevorstehende Einführung des Einheitspatents sei bei der Beurteilung der Dringlichkeit zu berücksichtigen und führe dazu, dass diese verneint werden müsse.
Zu berücksichtigen sei auch, dass den Antragstellern kein außerordentlicher Schaden drohe, dessen Ersatz diese nicht gegebenenfalls im Wege einer Hauptsacheklage verfolgen könnten. Vielmehr drohe den Antragsgegnern ein massiver, aktuell nicht bezifferbarer und vor allem nicht wiedergutzumachender wirtschaftlicher Schaden sowie ein erheblicher Reputationsschaden, sollten sie im Wege einer vorläufigen Maßnahme gezwungen werden, die angegriffenen Produkte vom Markt zu nehmen. Angesichts des langen Produktzyklus und der erheblichen verbleibenden Patentlaufzeit (bis zum 31.12.2032) sei für diese Auseinandersetzung allein eine Hauptsache angemessen.
Gegen die Anordnung einstweiliger Maßnahmen spreche ferner, dass ein durchsetzbarer Anspruch der Antragsgegner auf eine (einfache) Lizenz am Streitpatent bestehe; dies werde mit dem nach Regel 181 Nr. 1 VerfO vorgelegten Gutachten von Professor C., einem der renommiertesten Professoren im Bereich des USLizenzrechts, belegt. Die Antragsgegner seien lizenzwillig und hätten die Antragstellerin zu 2) daher wiederholt zur Abgabe eines fairen und angemessenen Lizenzangebotes aufgefordert, was diese aber ignoriert habe. Der Lizenzanspruch ergebe sich
- o einerseits daraus, dass nach den NIH-Förderbedingungen ein Vertrag zwischen dem NIH und dem Antragsgegner 2 begründet worden sei, mit dem eine entsprechende Verpflichtung zur (einfachen) Lizenzierung einhergehe,
auf welche sich auch die Antragsgegner als Drittbegünstigte berufen könnten; das US-Gericht in Delaware habe einen solchermaßen begründeten Lizenzanspruch zu Unrecht verneint, diese Entscheidung sei nicht rechtskräftig;
- o ferner daraus, dass der Antragsteller zu 2) gegen die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem NIH verstoßen habe, indem er
- ▪ den Antragsgegnern keine Lizenz eingeräumt habe,
- ▪ der Antragstellerin zu 1) unter kollusivem Bruch der Förderbedingungen des NIH eine exklusive Lizenz gewährt habe und
damit gegen US-Kartellrecht und das US-Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verstoßen habe; Rechtsfolge dieser Verstöße sei ein Anspruch der Antragsgegner auf eine weltweite Lizenz am Streitpatent. Im Gutachten C. (deutsche Übersetzung) heißt es:
'Wenn nachgewiesen wird, dass Harvard oder 10x Genomics Handlungen vorgenommen haben, die gegen US-Kartellrecht oder das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verstoßen oder anderweitig als Beweis für 'unclean hands' in Bezug auf die durch die NOH geförderten Patente zu werten ist, hat NanoString Anspruch auf eine Lizenz im Hinblick auf diese Patente.'
- o nach Maßgabe des europäischen Kartellrechts; die Antragsteller nutzten das Streitpatent, um unter Verstoß gegen vertragliche Abreden der Förderung mit dem NIH den Markt zu monopolisieren; deshalb sei jedenfalls eine einstweilige Anordnung auch nach Maßgabe des europäischen Kartellrechts ausgeschlossen.
Die Antragstellerseite habe der Antragsgegnerseite die Information vorenthalten, dass sich die Antragstellerin zu 2) im Gegenzug zur Bereitstellung der NIH-Fördermittel bereit erklärt habe, an Dritte offene, nicht-exklusive Lizenzen zu vergeben. Hätten die Antragsteller diese Unterlagen hingegen rechtzeitig zur Verfügung gestellt, oder sich einfach an die Förderbedingungen gehalten und damit
gesetzeskonform gehandelt, gäbe es keinen Grund für den vorliegenden Rechtsstreit.
Auch die Missachtung zwingender Verfahrensvorschriften (Regel 206 Nr. 2 VerfO) und der fehlende Vortrag in der Antragsschrift zu allen bekannten und nach dem deutschen Parallelverfahren zum Stammpatent vorhersehbaren Themen von der Aktivlegitimation über die Nichtverletzung bis hin zum Rechtsbestand belege die fehlende Dringlichkeit. (u.a. Nichtvorlage von Beweismitteln)
-Anordnung einstweiliger Maßnahmen nur gegen Sicherheitsleistung
Wenn überhaupt müsse eine Sicherheitsleistung der Antragsgegner festgesetzt werden, um die Fortsetzung der angeblichen Verletzungshandlung zu ermöglichen (siehe auch Regel 206 Nr. 2 (c) VerfO), denn das Interesse der Antragsteller sei rein finanzieller Natur.
-Ungeeignetheit des Verfahrensgegenstandes für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen
Der Verfahrensgegenstand sei für einstweilige Maßnahmen - insbesondere eine Unterlassungsanordnung - ersichtlich ungeeignet, da das Streitpatent und der angegriffene Gegenstand nicht nur eine hoch-komplexe Technologie betreffe, sondern die aufgeworfenen Fragen die Zulässigkeit, Zuständigkeit, Aktivlegitimation, US-Recht sowie allgemeine Fragen einer mittelbaren Patentverletzung und des Rechtsbestands beträfen.
-Kein Rechtsschutzbedürfnis
Da die Antragsteller aufgrund der Titel des Landgerichts München I betreffend das Stammpatent die Möglichkeit hätten, mit dem Ordnungsmittelantrag ein einfacheres und kostengünstigeres Verfahren zur Durchsetzung ihrer vermeintlichen Rechte - jedenfalls in Deutschland - einzuleiten als durch die Verfolgung eines angeblichen materiellrechtlichen Unterlassungsanspruchs im Rahmen des vorliegenden Verfahrens, bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis.
-Verhältnismäßigkeit
Die Antragsgegnerinnen sind der Ansicht, die Anordnung einstweiliger Maßnahmen - insbesondere einer Unterlassungsanordnung - sei unverhältnismäßig, da die Interessenabwägung nach Art. 62 Abs. 2 EPGÜ klar zugunsten der Antragsgegnerinnen ausfalle. Selbst wenn man annähme, dass das Patent verletzt werde und rechtbeständig sei und auch kein durchsetzbarer Lizenzanspruch bestehe, müssten Restzweifel bei der Ermessensausübung zur Abweisung des Antrags führen. Besonders schwer wiege in diesem Zusammenhang der unwiederbringliche Schaden, der den Antragsgegnerinnen bei einem Verbot drohe; für die Antragsgegnerinnen bestehe die Gefahr, endgültig bzw. jedenfalls sehr lange vom europäischen Markt ausgeschlossen zu werden. Die Antragstellerinnen könnten demgegenüber ohne finanzielle oder sonstige unternehmerische Einbußen den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abwarten.
Selbst wenn man eine Zuständigkeit der Lokalkammer, die Aktivlegitimation, eine Begehungsgefahr in Deutschland, eine Verletzung, einen hinreichend gesicherten Rechtsbestand, eine 'Notwendigkeit' und eine Dringlichkeit bejahen wolle, bliebe eine Unterlassungsanordnung unverhältnismäßig, da
- -es sich in jedem Fall um ein völlig untergeordnetes Teil eines größeren, komplexen Produkts handele (die angegriffene Ausführungsform 1 bestehe aus 2394 Einzelteilen und werde von einer Vielzahl von Patenten und Patentanmeldungen der Antragsgegnerinnen, etwa für chemische Verfahren, erfasst, enthalte aber auch speziell entwickelte fluidische und optische Systeme und Datenanalyseverfahren; ihre Technologie gehe weit über die Methode des Streitpatents hinaus), für das Entwicklungskosten von über 93.000.000 $ entstanden seien,
- -die Antragstellerin zu 2) als Non-Practicing Entity ("NPE") überhaupt kein schutzwürdiges Interesse an der Durchsetzung einer Unterlassungsanordnung habe und
- -sich die Unverhältnismäßigkeit einer Unterlassungsanordnung auch daraus ergäbe, dass die angegriffenen Ausführungsformen von unersetzlicher Bedeutung für die Erforschung einer Vielzahl von schweren, lebensbedrohlichen
Krankheiten und die Entwicklung von Therapien gegen diese in den EPGVertragsstaaten seien, da sie nicht durch eine alternative auf dem Markt erhältliche Analysemethode ersetzt werden könnten.
Nicht außer Acht gelassen werden dürfe dabei auch, dass die Antragstellerinnen ein rechtswidriges Patentdickicht aufbauen würden: Mit dem Stammpatent, sowie EP 3 425 063 und dem Streitpatent gebe es zwei Familienmitglieder, die alle auf der regionalen Phase der internationalen Anmeldung WO 2013/096851 beruhten; die Antragstellerinnen versuchten also, mit drei ungültigen Patenten ihre durch die Erteilung erlangten formalen Positionen durchzusetzen.
Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit könne nur durch die Versagung einer Unterlassungsanordnung hinreichend berücksichtigt werden.
Im Hinblick auf weitere Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf deren schriftsätzliches Vorbringen und auf ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Begründung der Entscheidung und Anordnungen
Die Lokalkammer München des Einheitlichen Patentgerichts (nachfolgend 'EPG') ist zur Entscheidung über den hier gegenständlichen Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen zuständig. Der Hauptantrag ist zulässig und weitgehend begründet.

A.
- I. Die Lokalkammer München des EPG ist für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen zuständig .
Grundlage der Zuständigkeit der Lokalkammer München des EPG ist Art. 33 Absatz 1 a) EPGÜ. Die Antragstellerinnen haben gemäß Artikel 32 Absatz 1 a) EPGÜ einen Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen wegen der Verletzung des Streitpatentes durch die Antragsgegnerinnen unter anderem in Deutschland geltend gemacht.
Die Antragstellerinnen haben vorgetragen, dass patentverletzende Produkte über den Internetauftritt unter der URL https://nanostring.com angeboten werden. Dieses Angebot zum sofortigen Versand ('Shipping now') bezieht sich unter anderem auf sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union, also auch die EPG-Vertragsstaaten und damit auch Deutschland. In der Rubrik 'Legal' der Internetseite wird im Rahmen der Verkaufsbedingungen insbesondere ein Versand in die Mitgliedstaaten der europäischen Union angesprochen. Dort heißt es ('Sales Terms', abrufbar unter https://nanostring.com/about-us/legal/termsofsale/#sales-of-products):
'Unless otherwise set forth in writing by NanoString or otherwise agreed by the parties, all shipments are made EXW (Incoterms 2010) NanoString's manufacturing facility, except for shipments to member countries of the European Union, the United Kingdom, and Canada, which are made DDP (Incoterms 2010) excluding VAT.' (Unterstreichung durch das Gericht)
Entgegen dem Vortrag der Antragsgegnerinnen handelt es sich dabei nicht nur um 'allgemeine Informationen', sondern um patentrechtlich relevante Angebote zur Lieferung.
Die angegriffenen Ausführungsformen sind nach dem Vortrag der Antragstellerinnen auch nach Deutschland, etwa an das Max Delbrück Center in Berlin, geliefert worden. Die Antragsgegnerinnen haben ferner in der zweiten Aprilhälfte 2023 eine Werbetour für die angegriffenen Produkte in Europa durchgeführt; auch in Deutschland (Hannover und Würzburg) fanden Veranstaltungen statt. Die Antragsgegnerinnen führen zahlreiche weitere Veranstaltungen an Forschungseinrichtungen zur Vorführung der angegriffenen Ausführungsformen durch und planen solche auch für die nächsten Wochen und Monate (Veranstaltungsankündigungen als Anlagen BP 19 bis BP 19c).
Die Angebote sind auch allen Antragsgegnerinnen zuzurechnen. Zwar heißt es im schriftsätzlichen Vortrag der Antragsgegnerinnen bisweilen, die Antragsgegnerin zu 1) biete die streitgegenständlichen Produkte an (so etwa in Textziffer 52 des Einspruchs); an anderer Stelle heißt es demgegenüber, es handele sich um Produkte bzw. ein Verfahren 'der Antragsgegner' (so etwa in den Ziffern 48, 159, 178, 198, 206 oder 207 des Einspruchs). Die Lokalkammer geht daher mit den Antragstellerinnen davon aus, dass die angegriffenen Ausführungsformen und deren Angebot in Europa sämtlichen Antragsgegnerinnen zuzurechnen sind.
Damit ist die Zuständigkeit der Lokalkammer München des EPG begründet. Dabei ist für die Frage der Zuständigkeit nicht relevant, ob aus der schlüssig vorgetragenen Behauptung nach rechtlicher Würdigung durch das Gericht auch eine Patentverletzung folgt. Die rechtliche Beurteilung der Behauptung einer in Deutschland erfolgten Handlung als Patentverletzung ist nicht Gegenstand der Zuständigkeitsprüfung; insoweit ist schlüssiger Vortrag ausreichend.
II. Der Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen ist zulässig .
Zwar weisen die Antragsgegnerinnen zutreffend darauf hin, dass auch ein Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen durch Versäumnisentscheidung als unzulässig abgewiesen werden kann, wenn die Antragsschrift bestimmte Formerfordernisse nicht erfüllt; dies ergibt sich aus den Regeln 206 Nr. 2, 208 Nr. 1, 16 Nr. 2, 3, 4 und 5 der VerfO und gilt für die dort in Bezug genommenen Formerfordernisse. Seitens der zur Prüfung dieser Formerfordernisse zuständigen Kanzlei (Regel 208 Nr. 1 Satz 1 VerfO) wurden allerdings entsprechende Mängel des
Antrags nicht festgestellt. Aufgrund dessen erfolgte auch keine Aufforderung zur Mängelbeseitigung nach Regel 16 Nr. 3 VerfO und auch keine Richtervorlage nach Regel 16 Nr. 5 VerfO. Auch der nach Regel 355 VerfO erforderliche Antrag auf Erlass einer Versäumnisentscheidung wurde nicht gestellt.
Unabhängig davon liegen die von den Antragsgegnerinnen beanstandeten Mängel auch allesamt nicht vor.
Für die Prüfung der Formerfordernisse der Antragsschrift durch die Kanzlei gilt, dass allein maßgeblich ist, ob die nach der VerfO erforderlichen Angaben formaliter vorhanden sind. Ob die Angaben auch inhaltlich richtig sind, ist der richterlichen Prüfung vorbehalten; insofern gilt Regel 211 Nr. 2 VerfO. Dies vorausgeschickt, ist zu den einzelnen Formalbeanstandungen Folgendes auszuführen:
-
- Die Antragstellerin zu 2) hat mit der Antragsschrift vorgetragen, Inhaberin des Streitpatentes zu sein und der Antragstellerin zu 1) eine ausschließliche Lizenz am Streitpatent eingeräumt zu haben. Damit ist den Formerfordernissen nach Regeln 206 Nr. 2 (a), 13 Nr. 1 (f) VerfO Genüge getan. Die Rechtswirksamkeit der Patent- bzw. Lizenzinhaberschaft ist nicht im Rahmen der Formalprüfung von der Kanzlei zu beurteilen, sondern Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichts in der Sache. Eine Abweisung des Antrags nach Regel 206 Nr. 2 (a), 13 Nr. 1 (f), 16 VerfO als unzulässig erfolgt daher auch dann nicht, wenn das Gericht die Stellung als Patentinhaber oder (exklusiver) Lizenznehmer materiell-rechtlich verneint.
-
- Mag die Antragstellerseite in der Antragsschrift nach Ansicht der Antragsgegnerinnen auch nur floskelhaft zur Notwendigkeit einstweiliger Maßnahmen vorgetragen haben, so sind damit die formalen Anforderungen nach Regel 206 Nr. 2 (c) VerfO erfüllt. Regel 206 Nr. 2 (c) VerfO ist nicht Gegenstand der Formalprüfung durch die Kanzlei. Für das Prüfprogramm der Kanzlei gelten die Regeln 208 Nr. 1, 16 VerfO; dort wird Regel 206 Nr. 2 (c) VerfO (entsprechend den nach Regel 13 Nr. 1 (n) VerfO in der Klageschrift im Hauptsacheverfahren zu nennenden Gründen) nicht genannt.
Regel 206 Nr. 2 (c) VerfO erfordert nur die Angabe von Gründen für die Notwendigkeit der beantragten Maßnahmen; ob diese Angaben das Gericht inhaltlich
überzeugen, ist nicht Gegenstand der Prüfung der formalen Antragserfordernisse, sondern der Entscheidungsfindung des Gerichts in der Sache. Eine Abweisung des Antrags als unzulässig, weil die fraglichen Angaben floskelhaft oder 'nicht nachvollziehbar' sind, kommt daher nicht in Betracht.
- Auch die Beanstandung hinsichtlich Regel 206 Nr. 2 (d) VerfO greift nicht durch.
- Tatsachenvortrag und Beweismittelvorlage sind - wie auch im Falle einer Klageschrift im Hauptsacheverfahren (Regel 13 (m) VerfO) - nicht Gegenstand der Formalprüfung durch die Kanzlei nach den Regeln 208 Nr. 1, 16 VerfO.
- a. Die Antragstellerinnen haben ihren Antrag auf bestimmte Beweismittel (Anlagenkonvolut BP 1 etc.) gestützt und deren Vorlage für den Zeitpunkt der Möglichkeit der elektronischen Zustellung an die Antragsgegnerinnen angekündigt; die Anordnung einstweiliger Maßnahmen ohne Anhörung der Gegner (Regel 209 Nr. 4 VerfO) wurde nicht beantragt. Unabhängig davon, dass die Beweismittel schließlich übermittelt wurden, kommt eine Abweisung des Antrags als unzulässig wegen der im Zeitpunkt der Einreichung des Antrags ausstehenden Vorlage der Beweismittel schon deshalb nicht in Betracht, weil nach Regel 211 Nr. 2 VerfO ausdrücklich vorgesehen ist, dass das Gericht dem Antragsteller auferlegen kann, die verfügbaren Beweismittel vorzulegen, wenn dies nicht bereits mit der Antragstellung geschehen ist.
Soweit die Antragsgegnerinnen monieren, die Anlagen seien erst in Reaktion auf die schriftliche Verfahrensanordnung des Berichterstatters vom 27. Juni 2023 eingereicht worden, führt auch dies nicht zur Unzulässigkeit des Verfügungsantrages. Zumindest in der hier relevanten Anfangsphase der Tätigkeit des EPG ging der Vertreter der Antragstellerinnen und die Lokalkammer davon aus, dass für das Hochladen von Dokumenten im Case Management System des EPG die Eröffnung eines workflow durch das Gericht erforderlich ist; deshalb erging die genannte Verfahrensanordnung des Berichterstatters, um der Antragstellerseite das Hochladen der Anlagen zu ermöglichen.
- b. Auch die von den Antragstellerinnen im Hinblick auf Regel 206 Nr. 2 (d) VerfO als in der Antragsschrift fehlend beanstandeten Ausführungen zum Rechtsbestand führen nicht zur Unzulässigkeit des Antrags.
Zutreffend ist, dass sich Regel 206 Nr. 2 (d) VerfO auch auf die Gültigkeit (Validität) des Streitpatentes bezieht; dies ergibt sich schon aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf Regel 211 Nr. 2 VerfO.
Die Antragstellerinnen haben in ihrem Anordnungsantrag mitgeteilt, dass bezüglich des deutschen Teils des Stammpatents eine Nichtigkeitsklage mit dem Aktenzeichen 3 Ni 20/22 (EP) beim deutschen Bundespatentgericht (BPatG) anhängig ist und dieses in seinem qualifizierten Hinweis vom 7. Februar 2023 seine vorläufige Auffassung dargelegt hat, wonach das Stammpatent im Umfang von Hilfsantrag 1 bestandsfähig ist. Entsprechende Ausführungen zum Streitpatent konnten mangels im Zeitpunkt der Antragstellung laufender Rechtsbestandverfahren nicht erwartet werden; der Einspruch gegen die Erteilung des Streitpatentes datiert vom 18. Juli 2023.
Angesichts der für den Vortrag zum Rechtsbestand - zumindest in einem wie hier zweiseitig geführten Verfahren - ausgehend von Artikel 54 EPGÜ geltenden Grundsätzen zur Darlegungs- und Beweislast (siehe dazu eingehend unten A. IV. 3.) dürfen die nach Regel 206 Nr. 2 (d) VerfO statuierten Anforderungen an den Vortrag zur Gültigkeit des Streitpatentes nicht überspannt werden. Indem die Antragstellerinnen die auch für das Streitpatent mittelbar relevanten Tatsachen zum Stammpatent (Nichtigkeitsklage; qualifizierter Hinweis des BPatG) vorgetragen haben, haben sie den formalen Anforderungen aus Regel 206 Nr. 2 (d) VerfO im Hinblick auf Darlegungen zum Rechtsbestand des Streitpatentes genügt.
-
- Auch die Beanstandung hinsichtlich Regel 206 Nr. 2 (e) VerfO (Erfordernis der kurzen Beschreibung der in der Hauptsache einzureichenden Klage bereits im Anordnungsantrag) greift nicht durch.
Die entsprechenden Angaben sind wiederum nicht Gegenstand der Formalprüfung nach Regeln 208 Nr. 1, 16 VerfO; eine Beanstandung durch die Kanzlei und eine Richtervorlage nach Regel 16 Nr. 5 VerfO erfolgten daher nicht.
Ungeachtet dessen kann Regel 206 Nr. 2 (e) VerfO ihrem Sinn nach nicht für Anträge auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen nach Art. 62 Abs. 1 EPGÜ gelten, da sich in diesem Fall das Antragsziel (Unterlassung) nicht von der endgültigen Verfügung in der Hauptsache (Art. 63 Abs. 1 Satz 1 EPGÜ) unterscheidet;
es wäre bloße Förmelei, vom Antragsteller die Mitteilung zu fordern, dass er die Klage in der Hauptsache auf dieselben Tatsachen und Beweismittel stützen wird, wie den Anordnungsantrag nach Art. 62 Abs. 1 EPGÜ. Ihrem Sinn nach betrifft Regel 206 Nr. 2 (e) VerfO offensichtlich Anträge nach Art. 60 und 61 EPGÜ, die einer Einleitung eines Hauptsacheverfahrens vorgeschaltet sein können; in diesen Fällen ist es in der Tat sinnhaft, die nachfolgende Hauptsacheklage entsprechend Regel 206 Nr. 2 (e) VerfO kurz zu beschreiben. Regel 206 Nr. 2 (e) VerfO ist insofern teleologisch dahin zu reduzieren, dass Anträge nach Art. 62 Abs. 1 EPGÜ von diesem Erfordernis nicht betroffen sind.
-
- Der Antrag kann auch entgegen der Ansicht der Antragsgegnerinnen (Einspruch, Textziffer 89 ff.) nicht wegen evidenter Unbegründetheit als unzulässig abgewiesen werden. Ob der Vortrag der Antragstellerinnen inhaltlich überzeugt, ist nicht Gegenstand der Formalprüfung, sondern der Entscheidungsfindung in der Sache. Es handelt sich folglich um keine Frage der Zulässigkeit des Antrags.
-
- Soweit die Antragsgegnerinnen unter Hinweis auf eine zum deutschen Recht ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH NJW-RR 2015, 541) die Unzulässigkeit des Antrags mit einem aus Sicht der Antragsgegnerinnen fehlenden Rechtsschutzbedürfnis begründen, greift auch dieses Argument nicht durch.
Es kann dahinstehen, ob die Vollstreckung eines in einem der Vertragsstaaten des EPGÜ bereits ergangenen Urteils zu einem anderen Schutzrecht (hier das Stammpatent) eine einfachere Rechtsdurchsetzung ermöglicht, als das Erwirken einer Entscheidung des EPG. Denn während die Vollstreckung eines Urteils des Gerichts eines Vertragsstaates des EPGÜ nur Verstöße gegen das Urteil in diesem Vertragsstaat betrifft, gelten Entscheidungen des EPG im Falle eines Europäischen Patentes mit einheitlicher Wirkung in sämtlichen Vertragsstaaten des EPGÜ. Damit besteht mit Blick auf den räumlichen Geltungsbereich von Entscheidungen des EPG im Verhältnis zu Entscheidungen der Gerichte in den Vertragsstaaten generell ein Bedürfnis zur Anrufung des EPG. Hinzu kommt, dass die Antragstellerinnen vor dem Landgericht München I das Stammpatent geltend gemacht haben, so dass es sich um einen anderen Streitgegenstand handelt.
III. Beide Antragstellerinnen sind antragsberechtigt .
Beide Antragstellerinnen sind angesichts ihrer Rechtsstellung auch berechtigt, das EPG wegen der geltend gemachten Patentverletzung anzurufen.
-
- Die Antragstellerin zu 2) ist ausweislich des Streitpatentes dessen Inhaberin. Ihre Antragsberechtigung folgt damit aus Art. 47 Abs. 1 EPGÜ.
Zwar haben die Antragsgegnerinnen in ihrer Einspruchsschrift die Rechtswirksamkeit der Inhaberschaft der Antragstellerin zu 2) im Hinblick auf mögliche Verstöße gegen US-Recht, namentlich den Bayh-Dole Act , bestritten. Den darauf bezogenen Vortrag der Antragstellerin zu 2) in ihrer Replik, sie habe die entsprechenden, sich aus dem Bayh-Dole Act ergebenden Anforderungen eingehalten, insbesondere gegenüber der NIH rechtzeitig die Erfindung offenbart, das Recht an der Erfindung entsprechend den Vorgaben des Bayh-Dole Acts beansprucht und die Erfindung zum Patent angemeldet, haben die Antragsgegnerinnen nicht bestritten, zumal die Antragstellerin zu 2) insofern eine eidesstattliche Versicherung von Frau Karen Sinclair, Director of Intellectual Property bei der Antragstellerin zu 2), vorgelegt hat. Die Lokalkammer betrachtet den Vortrag der Antragstellerin zu 2) zur Einhaltung der Anforderungen des Bayh-Dole Acts daher als unstreitig. Angesichts dessen kann die Frage, ob die zunächst von den Antragsgegnerinnen behaupteten Verstöße nach dem maßgeblichen US-Recht überhaupt dazu führen, dass die Antragstellerin zu 2) die Stellung als Patentinhaberin verloren hat, offen bleiben. Offen bleiben kann damit ferner die Frage, ob für die Berechtigung nach Art. 47 Abs. 1 EPGÜ die formale Rechtsposition entsprechend dem Registereintrag ausreicht, oder ob letztlich die materielle Berechtigung entscheidend ist.
-
- Die Antragstellerin zu 1) ist zumindest nach Art. 47 Abs. 3 EPGÜ als Inhaberin einer nicht ausschließlichen Lizenz antragsberechtigt.
- a. Die Lokalkammer kann offen lassen, ob zwischen den Antragstellerinnen - wie von diesen behauptet - rechtswirksam eine exklusive Lizenz zugunsten der Antragstellerin zu 1) vereinbart wurde. Erforderlich wäre insofern nach Art. 62 Abs. 4 EPGÜ eine ausreichend sichere Überzeugung des Gerichts davon, dass die
Antragstellerin zu 1) Inhaberin einer wirksamen ausschließlichen Lizenz gemäß Art. 47 Abs. 2 EPGÜ ist und insofern in gleicher Weise wie die Antragstellerin zu 2) wegen der Verletzung des Streitpatentes das Gericht anrufen kann. Es bestehen allerdings aufgrund des als Anlage B 15 vorgelegten Urteils des US District Court for the District of Delaware (nachfolgend 'District Court of Delaware') Zweifel daran, dass die Antragstellerin zu 2) der Antragstellerin zu 1) eine ausschließliche Lizenz rechtswirksam einräumen konnte, da sich die Antragstellerin zu 2) nach Ansicht des District Court of Delaware gegenüber der NIH verpflichtet hat,
- '…to offer non-exclusive patent licenses…'
Für den Fall, dass sich die Antragstellerin zu 2) hinsichtlich des Streitpatentes gegenüber der NIH zur Einräumung nicht-exklusiver Patentlizenzen verpflichtet hat, kann die Lokalkammer im summarischen Verfahren nicht mit ausreichender Sicherheit davon überzeugt sein, dass eine dieser Verpflichtung widersprechende Einräumung einer ausschließlichen Lizenz möglich war; diese Frage bleibt daher für den Fall ihrer Entscheidungserheblichkeit einer eingehenden Prüfung des einschlägigen US-Rechts im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Auch der Vortrag der Antragstellerinnen, wonach die Vergabe einer ausschließlichen Lizenz nach dem Bayh-Dole Act nicht ausgeschlossen gewesen sei, überzeugt das Gericht angesichts der Entscheidung des District Court of Delaware nicht.
Auch der einfache Lizenznehmer ist nach Art. 47 Abs. 3 und 4 EPGÜ berechtigt, im eigenen Namen einen Unterlassungsanspruch nach Art. 62 EPGÜ geltend zu machen; entscheidend ist nach Art. 47 Abs. 3 EPGÜ insoweit nur, dass die Lizenzvereinbarung mit dem Patentinhaber dies zulässt. Dies ist hier offensichtlich der Fall.
- b. Eine Antragsberechtigung der Antragstellerin zu 1) ergibt sich zur sicheren Überzeugung des Gerichts allerdings nach Art. 47 Abs. 3 EPGÜ.
Nach Art. 47 Abs. 3 EPGÜ ist auch der Inhaber einer nicht ausschließlichen Lizenz antragsberechtigt, wenn der Patentinhaber über die Anrufung des Gerichts durch diesen unterrichtet wurde und die Lizenzvereinbarung die Anrufung des Gerichts ausdrücklich zulässt. Beides ist hier zur Überzeugung des Gerichts der Fall: Die Antragstellerin zu 2) war über die Anrufung des Gerichts durch die
Antragstellerin zu 1) unterrichtet; der Antrag wurde zusammen mit der Antragstellerin zu 1) eingereicht. Beide Antragstellerinnen sind sich ausweislich des Vortrags im Schriftsatz vom 11. August 2023 auch einig, dass zwischen ihnen eine zumindest nicht-ausschließliche Lizenzvereinbarung betreffend das Streitpatent besteht, welche es zulässt, dass die Antragstellerin zu 1) das Gericht im Sinne des geltend gemachten Antrags anruft. Es ist auch weder ersichtlich noch von der Antragsgegnerseite vorgetragen, dass etwaige sich aus der Vergabe einer exklusiven Lizenz ergebenden Verstöße gegen Förderbedingungen des NIH eine spätere Vereinbarung über eine einfache Lizenz hindern.
IV. Die Lokalkammer ist vom Rechtsbestand des Streitpatentes überzeugt .
Die Lokalkammer ist auch mit der nach Art. 62 Abs. 4 EPGÜ und Regel 211 Nr. 2 VerfO erforderlichen 'ausreichenden Sicherheit', nämlich mit sogar deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit (ausreichend ist aus Sicht der Lokalkammer schon eine 'überwiegende Wahrscheinlichkeit'; zum erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad siehe ausführlich unter A. IV. 4.) davon überzeugt, dass das Streitpatent rechtsbeständig ist.
Zwar wird die Gültigkeit des Patents in Art. 62 Abs. 4 EPGÜ im Unterschied zu Regel 211 Nr. 2 VerfO nicht ausdrücklich als Gegenstand der Überzeugungsbildung genannt; als Rechtsinhaber im Sinne von Art. 62 Abs. 4 EPGÜ kann aber nur gelten, wer sich auf ein Patent beruft, das nach ausreichend sicherer Überzeugung des Gerichts gültig ist.
1. Gegenstand des Streitpatents
Gegenstand des Streitpatentes ist, so heißt es schon einleitend im Anspruchssatz, ein Verfahren zum Nachweis einer Vielzahl von Analyten in einer Zell- oder Gewebeprobe.
- a. Das Streitpatent erläutert zunächst, dass es in der Biologie die Notwendigkeit für Multiplexing-Verfahren zur Untersuchung biologischer Proben gebe, weil biologische Proben wertvoll seien, häufig unklar sei, wonach eigentlich genau gesucht werde oder die fragliche Information aus der Probe extrahiert werden müsse (Absatz [0002]). Abschließend heißt es in Absatz [0002] (Unterstreichung diesseits):
'Hence, it is desirable for clinicians and researcher to subject each sample to a large set of probes.'
Eben diesen Wunsch, so berichtet das Streitpatent in seiner Beschreibung, erfülle der Stand der Technik nicht zufriedenstellend. Da nur eine begrenzte Zahl von Farben zum optischen Auslesen einer Probe zur Verfügung stehe, sei eine Möglichkeit, die Untersuchung der Probe mehrfach zu wiederholen (Absatz [0006]). Dies wird exemplarisch wie folgt beschrieben:
'For example, the assay can involve probing the sample with 4 different antibodies at a time and imaging after every assay. If the test requires probing the sample with a total of 64 antibodies, the 4-probe procedure would have to be repeated 16 times using the sample.'
Dazu müsse die Untersuchung aber bisweilen hinsichtlich der verschiedenen Zielanalyten einer Probe priorisiert werden, da bestimmte Analyten während der sukzessiven Beprobung zerfallen können. Im Sinne einer patentgemäßen Aufgabenstellung heißt es sodann (Unterstreichung diesseits):
'Accordingly, there is still a strong need for accurate and sensitive methods with a high throughput for detection, identification, and/or quantification of target molecules in a sample, e.g., complex mixtures.' (Absatz [0006]).
Im sich anschließenden Absatz [0007] der Beschreibung heißt es zur patentgemäßen Lösung schließlich (Unterstreichung diesseits):
'The present invention is defined in the appended claims. Embodiments provided herein are based on, at least in part, the development of a multiplexed biological assay and readout, in which a multitude of detection reagents comprising one or more probes and/or probe types are applied to a sample, allowing the detection reagents to bind target molecules or analytes, which can then be identified in a temporally-sequential manner. Accordingly, provided herein are methods, for detecting multiple analytes in a sample.'
- b. Ausgehend davon lässt sich die beanspruchte Erfindung auf Basis von Patentanspruch 1 des Streitpatentes wie folgt beschreiben:
Nachdem die zu untersuchende Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger angebracht wird, erfolgt der bezweckte Nachweis in einem Verfahren, welches sich grob in zwei Abschnitte gliedern lässt:
In einem ersten Verfahrensabschnitt (' Bindung des Analyten ') wird die Zelloder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung in Verbindung gebracht ('kontaktiert'), die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien enthält. Um die Vielzahl der Analyten, die sich mutmaßlich in der Probe befinden und nachgewiesen werden sollen, tatsächlich nachweisen zu können, bedarf es anspruchsgemäß auch einer Vielzahl von Nachweisreagenzien, die in diesem ersten Verfahrensschritt an die Vielzahl der in der Probe enthaltenen Analyten binden sollen.
Anspruchsgemäß besteht ein Nachweisreagenz aus einem Sondenreagenz sowie einem oder mehreren vorbestimmten Teilsequenzen. Beide sind miteinander verbunden ('konjugiert'). Bildlich lässt sich das wie folgt darstellen (Abbildung aus dem Anordnungsantrag vom 1. Juni 2023, Seite 43):

Für den ersten Verfahrensabschnitt ist das Sondenreagenz bedeutsam, während die Teilsequenzen der einzelnen Nachweisreagenzien erst in einem zweiten Verfahrensabschnitt ('Nachweis des Analyten') relevant werden. Ein Sondenreagenz hat die Aufgabe, auf einen der vielen Analyten zu zielen (auch dies zeigt die vorstehende Abbildung). Die Vielzahl der Nachweisreagenzien, deren Sondenreagenzien auf die Bindung mit verschiedenen Analyten abzielen, werden in Gruppen eingeteilt, sogenannten Teilpopulationen. Anspruchsgemäß zielt jede
Teilpopulation aus der Gesamtgruppe der Nachweisreagenzien auf einen bestimmten Analyten ab, so wie auch ein jedes Sondenreagenz auf einen bestimmten Analyten abzielt. Folglich sind die Sondenreagenzien für die Zugehörigkeit zu einer Teilpopulation bestimmend.
Für das im Streitpatent solchermaßen zum Zwecke des Bindens beschriebene Abzielen einer Vielzahl von Teilpopulationen aus der Gesamtmenge der Nachweisreagenzien auf eine Vielzahl von Analyten in der Probe spielt auch das Zeitmoment eine Rolle: Der Vorgang des Bindens braucht ausreichend Zeit, welche im Rahmen des Inkubierens der Probe mit den Nachweisreagenzien ermöglicht wird.
Nach dem ersten Verfahrensabschnitt finden sich in der Probe eine Vielzahl von Nachweisreagenzien, die an eine Vielzahl von Analyten gebunden sind. Im nun folgenden (zweiten) Verfahrensabschnitt werden die Nachweisreagenzien über ihre Teilsequenzen nachgewiesen. Dies geschieht durch den Einsatz von Decodersonden, die spezifisch mit entsprechenden Teilsequenzen von Nachweisreagenzien hybridisieren. Auch diese Decodersonden sind patentgemäß wieder in Teilpopulationen untergliedert. Jede Decodersonden-Teilpopulation hybridisiert mit einer spezifischen Teilsequenz eines Nachweisreagenzes. Zu diesem Zwecke produziert jede Decodersonden-Teilpopulation mittels einer nachweisbaren Markierung eine Signalsignatur.
Nach Nachweis und Entfernung der Signalsignatur wird der Vorgang des Hybridisierens mit einem neuen Satz von Decodersonden 'in einer zeitlich sequentiellen Weise' wiederholt, damit andere Teilsequenzen nachgewiesen werden können. Dadurch wird eine zeitliche Reihenfolge von Signalsignaturen produziert. Diese ist für jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig; daraus folgt, dass die Nachweis-reagenzien einer spezifischen Teilpopulation (zB Teilpopulation A) hinsichtlich ihrer Teilsequenzen identisch sein müssen.
Die dadurch produzierte zeitliche Reihenfolge von Signalsignaturen wird schließlich zum Identifizieren der Nachweisreagenzien und damit zum Nachweis der jeweiligen Analyten verwendet.
-
- Anspruch 1 lässt sich in der deutschen Übersetzung des Streitpatentes wie folgt gliedern (Farbgebung/Unterstreichung diesseits):
Verfahren zum Nachweisen einer Vielzahl von Analyten in einer Zell- oder Gewebeprobe, umfassend
-
- (a) Anbringen (Mounting) der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger;
-
2.1. (b) Kontaktieren der Zell- oder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung, die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst,
-
2.1.1 wobei die Vielzahl der Nachweisreagenzien eine Vielzahl von Teilpopulationen der Nachweisreagenzien umfasst;
-
2.2 (c) Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe zusammen mit der Vielzahl von Nachweisreagenzien für eine ausreichende Zeitdauer, um Binden der Vielzahl von Nachweisreagenzien an die Analyten zu ermöglichen; wobei
-
2.2.1 jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien auf einen unterschiedlichen Analyten zielt, wobei
-
2.2.2 jedes der Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst: ein Sondenreagenz, das auf einen Analyten der Vielzahl von Analyten zielt, und
-
2.2.3 eine oder eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen, wobei das Sondenreagenz und die eine oder die Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen miteinander konjugiert sind;
-
3.1 (d) Nachweisen der einen oder der Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen in einer zeitlich sequentiellen Weise, wobei das Nachweisen umfasst:
-
3.1.1 (i) Hybridisieren eines Satzes von Decodersonden mit einer Teilsequenz der Nachweisreagenzien,
-
3.1.1.1 wobei der Satz von Decodersonden eine Vielzahl von Teilpopulationen von Decodersonden umfasst, und wobei
-
3.1.1.2 jede Teilpopulation der Decodersonden eine nachweisbare Markierung umfasst, wobei
-
3.1.1.3 jede nachweisbare Markierung eine Signalsignatur produziert;
-
3.1.2 (ii) Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur;
-
3.1.3 (iii) Entfernen der Signalsignatur; und
-
3.1.4 (iv) Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist; und
-
- (e) Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der einen oder der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von Analyten in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird.
-
- Die Bedeutung einzelner Begriffe und Merkmale des Patentanspruchs ist zwischen den Parteien umstritten, so dass diese der Auslegung bedürfen.
-
a. Ausgehend davon, dass Gegenstand des Streitpatentes ein Verfahren zum Nachweis einer Vielzahl von Analyten in einer Zell- oder Gewebeprobe ist, ist zunächst klärungsbedürftig, was das Streitpatent unter einer Zell- oder Gewebeprobe versteht. Für die Fachperson, die den Patentanspruch im Lichte der Beschreibung und unter Berücksichtigung ihres allgemeinen Fachwissens liest, ist damit klar, dass es sich bei der anspruchsgemäßen 'Zell- oder Gewebeprobe' um eine Probe handelt, die noch als Zelle oder Gewebe erkennbar ist.
Zutreffend weist die Antragsgegnerseite darauf hin, dass im Patentanspruch nicht von einer intakten Zell- oder Gewebeprobe die Rede ist, eine entsprechende Beschränkung mithin nach dem Wortlaut nicht zu bestehen scheint; ferner können anspruchsgemäße Zell- oder Gewebeproben unbehandelt oder vorbehandelt sein, denn ausgehend vom Wortlaut des Patentanspruches besteht auch insofern keine Beschränkung. Das rechtfertigt aber nicht den Schluss, dass jeder zu einer Zelle gehörende Bestandteil auch eine Zell- oder Gewebeprobe im Sinne von Anspruch 1 ist. Der Anspruch fordert darüber hinaus auch das Anbringen ('mounting') der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger. Dies bedeutet, dass die Probe in jedem Fall nicht so weit vorbehandelt sein darf, dass es sich tatsächlich nicht mehr um eine Zell- oder Gewebeprobe handelt.
In der Beschreibung wird zur Vorbehandlung folgendes erläutert:
'[0048] In some embodiments, the method described herein can further comprise processing the sample before contacting with the composition comprising a plurality of detection reagents described herein. Depending on the types and/or natures of the samples and/or analytes, different sample processing techniques can be used with the methods described herein. Exemplary sample processing techniques include, but are not limited to, mechanical processing of a sample (e.g., without limitations, homogenizing, centrifuging, vortexing, sectioning and shearing), addition of at least one reagent to a sample (e.g., without limitations, lysis buffers, RNA or DNA extraction reagents, RNA or DNA digestion reagents, enzyme inhibitors, fixing agents, organic solvents, antibodies, permeabilizing agents and immunohistochemistry agents), separation of a sample (e.g., without limitations, filtering, centrifuging, electrophoresis, western blot, and Northern blot), mounting a sample on a solid support (e.g., a microscopic slide), and any combinations thereof.
[0049] By way of example only, if a sample is a tissue from a subject (e.g., a biopsy for immunostaining), sample processing can include, but are not limited to, tissue sectioning, mounting on a solid support, fixing the tissue, permeabilizing the tissue (if intracellular proteins are to be detected), blocking non-specific reactions with the detection reagents.'
Die Frage, in welchem Maße eine Zelle oder ein Gewebe noch als solche in der Probe vorhanden sein muss, kann aus Sicht der Lokalkammer offenbleiben; für die hier gegenständliche Betrachtung entscheidend ist, dass nach dem Anspruchswortlaut ausgeschlossen ist, einen aus einer Zelle isolierten und amplifizierten Teil der genomischen DNA als anspruchsgemäße Zell- oder Gewebeprobe zu qualifizieren, denn für den Fachmann ist das keine Zell- oder Gewebeprobe. Dieses Verständnis wird in den von den Antragsgegnerinnen vorgelegten Gutachten bestätigt. Im PRV Gutachten (B10) wird anerkannt, dass eine Zelloder Gewebeprobe nicht dasselbe ist wie ein ' genomic DNA sample '. Dr. Furneaux erklärt auf S. 12 seines Gutachtens:
' It is clearly understood that DNA fixed on a slide differs in some obvious respects to DNA present in a fixed tissue sample on a slide '.
Mit anderen Worten: Anspruchsgemäß ist nicht die Untersuchung eines aus einer Zell- oder Gewebeprobe isolierten genomischen DNA, sondern die Untersuchung von Zell- oder Gewebeproben, die solche Analyten enthalten. Der Ansicht der
Antragsgegnerseite, die Vorbehandlung einer Probe könne patentgemäß auch die Isolierung von genomischer DNA umfassen, kann daher nicht gefolgt werden. Obwohl eine solche Vorbehandlung einer Probe nach der Beschreibung nicht ausgeschlossen ist, spricht der Fachmann nach einer solchen Behandlung nicht mehr von einer Zell- oder Gewebeprobe.
- b. Klärungsbedürftig ist auch die anspruchsgemäße Zuordnung eines Nachweisreagenzes zu einer bestimmten Teilpopulation .
Anders als man bei flüchtigem Lesen des Anspruchswortlauts ('Vielzahl von Analyten', 'Vielzahl von Nachweisreagenzien') annehmen könnte, finden sich in der anspruchsgemäßen Zusammensetzung nicht zwingend ebensoviele Nachweisreagenzien wie Analyten. Vielmehr besteht die Korrelation zwischen der Anzahl der nachzuweisenden Analyten in der Zell- oder Gewebeprobe und der Anzahl der Teilpopulationen der Vielzahl der Nachweisreagenzien. Dies ergibt sich daraus, dass die Vielzahl von Nachweisreagenzien anspruchsgemäß als eine Gesamtheit (Gesamtmenge) betrachtet wird, die wiederum eine Vielzahl sogenannter 'Teilpopulationen' (Teilmengen) aufweist. Jede dieser Teilpopulationen zielt jeweils auf einen unterschiedlichen Analyten, womit die Korrespondenz zwischen der Vielzahl der Analyten und der Vielzahl der Teilpopulationen von Nachweisreagenzien hergestellt ist. Der Antragsgegnerseite ist folglich zuzustimmen, dass es sich bei einer anspruchsgemäßen Teilpopulation um eine Teilmenge aus einer Gesamtmenge (nämlich der Vielzahl von Nachweisreagenzien) handelt; zutreffend ist weiter, dass sich eine Teilpopulation dadurch auszeichnet, dass bestimmte Eigenschaften der Elemente einer Teilpopulation identisch sind. Nicht gefolgt werden kann der Antragsgegnerseite allerdings hinsichtlich der Ansicht, sowohl das Sondenreagenz als auch die vorbestimmten Teilsequenzen der einer Teilpopulation zugehörigen Nachweisreagenzien müssten identisch sein, um einund derselben Teilpopulation zugeordnet werden zu können. Anspruch 1 des Streitpatents selbst definiert die Zuordnung eines Nachweisreagenzes zu einer Teilpopulation dahin, dass das Reagenz auf den gleichen Analyten abzielt wie die anderen Reagenzien dieser Teilpopulation. Dafür ist eine Identität der Sondenreagenzien nicht notwendig, denn das Sondenreagenz kann - wie die
Antragsgegnerseite mit der nachfolgend eingeblendeten Abbildung selbst vorträgt - an verschiedenen Abschnitten eines Analyten binden.

Für die Zugehörigkeit der Nachweisreagenzien zu einer bestimmten Teilpopulation von Nachweisreagenzien ist also die Identität ihrer Sondenreagenzien nicht erforderlich, da auch unterschiedliche Sondenreagenzien an denselben Analyten binden können. Entscheidend ist anspruchsgemäß nicht, an welchen Abschnitt eines Analyten gebunden wird, sondern nur, an welchen Analyten gebunden wird. Jede Teilpopulation von Nachweisreagenzien zielt anspruchsgemäß auf einen bestimmten Analyten; Teilpopulation A zielt auf den Analyten A, Teilpopulation B zielt auf den Analyten B usw..
Zutreffend muss nach diesem Verständnis des Streitpatentes davon gesprochen werden, dass X Teilpopulationen der Gesamtheit von Nachweisreagenzien auf die Bindung an X Analyten abzielen. Element einer Teilpopulation von Nachweisreagenzien sind nach Anspruch 1 alle Nachweisreagenzien, die auf den gleichen Analyten zielen. Entscheidend für diesen Bindungsvorgang ist das sogenannte Sondenreagenz, welches Bestandteil jedes Nachweisreagenzes ist und die Funktion hat, auf einen bestimmten Analyten zu zielen. Das Streitpatent fordert mit Blick auf das Abzielen auf einen bestimmten Analyten allerdings keine Identität der einer Teilpopulation zuzurechnenden Sondenreagenzien; nach dem Wortlaut des Patentanspruches ist ausreichend, dass diese auf den gleichen Analyten abzielen - aus der Sicht einer Fachperson müssen sie dazu nicht identisch sein.
- c. Klärungsbedürftig ist weiter, was nach Merkmal 3.1.4 Gegenstand einer Wiederholung ist.
Nach dem Wortlaut des Patentanspruches scheinen in den folgenden Nachweissequenzen nur die Hybridisierung der Decodersonden mit den Teilsequenzen (i) und das Entfernen der Signalsignatur (iii) wiederholt werden zu müssen, nicht aber jeweils auch der Nachweis der jeweils produzierten Signalsignatur (ii); wörtlich heißt es im Anspruch: ' Wiederholen von (i) und (iii) '. Der daraus von den Antragsgegnern gezogenen Schluss, das Patent offenbare insofern, dass nur in der ersten der mehreren sequentiellen Nachweisrunden der Nachweis der Signalsignatur erfolgen müsse, während dieser in den weiteren Runden nicht mehr erfolgen solle, ist technisch ersichtlich sinnwidrig. Das fachmännische Bestreben geht dahin, einem Patent einen sinnvollen Gehalt zu entnehmen.
Wird der Nachweis der Signalsignatur nur in der ersten Runde anspruchsgemäß vorgenommen, wäre die nach dem Anspruch erforderliche 'Verwendung der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen' nicht mehr möglich. Auch das Anspruchsmerkmal, welches diesen Wiederholungsvorgang beschreibt, formuliert daher: 'Wiederholen…, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird…'. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn die Signalsignaturen auch bei jeder Wiederholung nachgewiesen werden.
- d. Klärungsbedürftig ist zuletzt die Bedeutung von Merkmal 4, dem Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen zum Identifizieren der Nachweisreagenzien und damit zum Nachweis der Analyten.
Der Wortlaut des Patentanspruches ('…Verwenden der zeitlichen Reihenfolge … zum Identifizieren…') ist eindeutig dahin zu verstehen, dass die zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen das patentgemäße Mittel zur Identifikation der Teilpopulation von Nachweisreagenzien ist. Weitere Mittel werden nicht genannt. Der Anspruch gibt auch schon deshalb keinen Anhalt für die Annahme, dass weitere Identifikationsmittel im Spiel oder gar notwendig sein könnten, da er der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen die Qualität zuschreibt, eindeutig ('unique') zu sein.
4. Maßstab der 'ausreichenden Sicherheit' hinsichtlich der Gültigkeit des Streitpatentes
Weder im EPGÜ noch in der Verfahrensordnung wird näher konkretisiert, welcher Grad an Überzeugung erforderlich ist, wenn diese mit Blick auf die Gültigkeit des Streitpatentes 'ausreichend sicher' sein soll. In Betracht kommt insofern grundsätzlich jeder Wahrscheinlichkeitsgrad ('gewisse Wahrscheinlichkeit', 'überwiegende Wahrscheinlichkeit', 'erhebliche Wahrscheinlichkeit' (Art. 55 Abs. 2 EPGÜ), 'hohe Wahrscheinlichkeit', 'an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit', um nur einige Wahrscheinlichkeitsgrade beispielhaft zu nennen). Das richtige Verständnis des Terminus der 'ausreichenden Sicherheit' hat vom konkreten Zweck der Überzeugungsbildung auszugehen. Dabei ist im Falle von Art. 62 Abs. 4 EPGÜ und Regel 211 Nr. 2 VerfO insbesondere zu berücksichtigen, dass es um die Anordnung nach Regel 213 VerfO zeitlich befristeter einstweiliger Maßnahmen in einem summarischen Verfahren (Regel 205 VerfO), nicht also um endgültige Verfügungen im Sinne des Art. 63 EPGÜ geht. Mit Blick auf die Einstweiligkeit der Maßnahmen und die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten eines summarischen Verfahrens im Verhältnis zu einem Hauptsacheverfahren ergibt sich, dass der Wahrscheinlichkeitsmaßstab herabgesetzt sein muss. Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit wird man daher nicht verlangen können. Letztlich ist für eine ausreichend sichere Überzeugung der Gültigkeit des Streitpatentes eine überwiegende Wahrscheinlichkeit notwendig, aber auch ausreichend. Es muss für eine ausreichend sichere Überzeugung des Gerichts also wahrscheinlicher sein, dass das Patent Bestand hat, als dass es nicht Bestand hat.
Sofern sich die Antragsgegnerinnen darauf berufen, dass die Vernichtung des Patents nach der deutschen Rechtsprechung zur Prognose des Rechtsbestands im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht überwiegend wahrscheinlich, sondern aufgrund des Nichtigkeitsvortrags des Antragsgegners nur möglich sein müsse, ist diese zu nationalen Verfahrensvorschriften ergangene Rechtsprechung im Anwendungsbereich des EPGÜ und der VerfO nicht relevant.
Soweit die Antragsgegnerinnen im Zusammenhang mit dem Maßstab zur Prüfung des Rechtsbestandes darauf hinweisen, dass der Rechtsbestand des
Streitpatentes eigenständig zu würdigen sei, bewegt sich dieser Hinweis vollständig auf der Linie des EPGÜ und der VerfO; insbesondere Regel 211 Nr. 2 VerfO spricht ausdrücklich davon, dass sich das Gericht davon überzeugen können muss, dass das betreffende Patent gültig ist. Auch Regel 209 Nr. 2 (a) VerfO zeigt - wenn auch in anderem Zusammenhang (Ermessensausübung nach Regel 209 Nr. 1 VerfO) -, dass der Rechtsbestand des konkret im Streit stehenden Patentes maßgeblich ist. Gerade im Rahmen der Überzeugungsbildung hinsichtlich der Gültigkeit des Streitpatentes ist daher entsprechend Regel 209 Nr. 2 (a) VerfO von Bedeutung, ob 'das Patent' in einem Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt aufrechterhalten wurde oder Gegenstand des Verfahrens vor einem anderen Gericht war; mit Blick auf das Streitpatent ist all dies allerdings nicht der Fall, so dass dieser Umstand zur Überzeugungsbildung des Gerichts nichts beitragen kann. In Deutschland war das Stammpatent Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen den Parteien, wobei die Auswirkungen auf das hiesige Verfahren von den Parteien unterschiedlich bewertet werden.
Soweit die Antragsgegnerinnen ausführlich zu den 'hohen Vernichtungsquoten erteilter Patente' (Einspruch, Textziffer 267) vortragen und daraus ableiten, diesen hohen Vernichtungsquoten müsse auch im hiesigen Verfahren Rechnung getragen werden, folgt die Lokalkammer dem nicht. Zunächst ist festzustellen, dass sich aus den von den Antragsgegnerinnen vorgelegten Zahlen allenfalls eine hohe Vernichtungsquote der mit einem Einspruch oder einer Nichtigkeitsklage angegriffenen Patente ergibt; das ist allerdings allenfalls ein kleiner Teil der erteilten Patente. Das Gericht hat nach Regel 211 Nr. 2 VerfO mit Blick auf den Rechtsbestand eine Einzelfallentscheidungen bezogen auf das konkret geltend gemachte Patent zu treffen. Aus der Notwendigkeit einer Einzelfallbeurteilung folgt, dass allgemein-statistische Erkenntnisse zur Vernichtungshäufigkeit nicht zu berücksichtigen sind.
3. Vortrags- und Beweislast zum Rechtsbestand
-
a. Die Beweislast für Tatsachen, die den fehlenden Rechtsbestand des Streitpatents betreffen, trägt nach dem in Art. 54 Satz 1 EPGÜ statuierten Grundsatz die Antragsgegnerseite, denn diese beruft sich darauf, das Streitpatent werde für nichtig erklärt werden müssen. Damit korrespondiert auch die
-
b.
Beweislastverteilung im Nichtigkeitsverfahren und im Falle einer Nichtigkeitswiderklage. Soweit in Art. 62 Abs. 4 EPGÜ bzw. Regel 211 Nr. 2 VerfO geregelt ist, dass das Gericht dem Antragsteller auferlegen kann, Beweise für die Gültigkeit des Patents vorzulegen, bedeutet dies keine Abkehr von diesem Grundsatz im Sinne einer abweichenden Beweislastregelung für das Verfügungsverfahren. Es handelt sich bei Art. 62 Abs. 4 EPGÜ bzw. Regel 211 Nr. 2 VerfO um 'Kann'Vorschriften, so dass dem Gericht ein Ermessen zusteht. Das Gericht wird dieses Ermessen insbesondere dann ausüben und dem Antragsteller die Vorlage von Beweisen für den Rechtsbestand auferlegen, wenn es den Rechtsbestand des Streitpatentes durch den Vortrag der grundsätzlich für den mangelnden Rechtbestand beweisbelasteten Gegenpartei als gefährdet ansieht. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Entscheidung C-44/21, Textziffer 41 unter Hinweis auf die Entscheidung C-307/18, Textziffer 48; zur Bindungswirkung von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für das EPG siehe Art. 21 EPGÜ). Die nach dieser Rechtsprechung bestehende Vermutung der Gültigkeit erteilter europäischer Patente kann durch den Vortrag der Antragsgegnerseite erschüttert werden, so dass dann Anordnungen zur Beweisvorlage gegenüber dem Antragsteller gerechtfertigt sein können.
Aus der dargelegten Systematik der Beweislastverteilung ergibt sich, dass die Antragstellerseite - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerinnen - zumindest initial nicht die Beweislast für die Gültigkeit des Streitpatentes trägt.
- Ungeachtet der dargestellten Grundsätze zur Beweislastverteilung waren die Antragstellerinnen nach Regel 206 Nr. 2 (d) i.V.m. Regel 211 Nr. 2 VerfO verpflichtet, bereits mit der Antragsschrift zum Rechtsbestand vorzutragen (dazu oben A. II. 3. b.). Die Verpflichtung zu entsprechendem Vortrag ist nicht auf das Streitpatent beschränkt, sondern erstreckt sich auch - wie hier - auf andere für die Rechtsbestandsprüfung des Streitpatentes relevante Patente aus der Patentfamilie des Streitpatentes, sofern diese Gegenstand eines Rechtsbestandsangriffs sind. Die Verpflichtung zu entsprechendem Vortrag gilt selbstverständlich auch dann, wenn diese Angriffe bislang nicht zur Vernichtung geführt haben. Diese für Anträge auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen bestehende, vom Hauptsacheverfahren abweichende Verpflichtung ist schon deshalb gerechtfertigt, weil
einstweilige Maßnahmen auch ohne Anhörung des Antragsgegners erlassen werden können.
4. Fachperson
Die zur Beurteilung des Rechtsbestandes hier heranzuziehende Fachperson ist aus Sicht der Lokalkammer ein Chemiker oder Biologe mit einem Hochschulabschluss auf dem Gebiet der Biochemie, welcher über Erfahrung auf dem Gebiet der Nachweisstrategien für Biomoleküle verfügt. Dies entspricht den Ausführungen der Antragsgegnerinnen zur maßgeblichen Fachperson. Die Lokalkammer ist mit einem einschlägig technisch qualifizierten Richter besetzt. Auch einer der juristisch qualifizierten Richter verfügt über einen Hochschulabschluss (MSc) als Molekularbiologe.
Ausgehend von den vorstehend dargelegten Grundsätzen zur Beweislast und dem der Überzeugungsbildung zugrunde zu legenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab gilt hinsichtlich des Streitpatentes aus Sicht der hier maßgebliche Fachperson Folgendes:
-
- Die Lokalkammer ist überzeugt, dass das Streitpatent nicht wegen unzulässige r Erweiterung vernichtet werden wird.
Jede Änderung an den die Offenbarung betreffenden Teilen einer europäischen Patentanmeldung oder eines europäischen Patents (der Beschreibung, der Patentansprüche und der Zeichnungen) unterliegt dem in Art. 123 Abs. 2 EPÜ statuierten zwingenden Erweiterungsverbot und darf daher unabhängig vom Kontext der vorgenommenen Änderung nur im Rahmen dessen erfolgen, was die Fachperson der Gesamtheit dieser Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens - objektiv und bezogen auf den Anmeldetag - unmittelbar und eindeutig entnehmen kann.
Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab ist hier aus Sicht einer Fachperson Folgendes festzustellen:
- a. Soweit die Antragsgegner eine unzulässige Erweiterung darin sehen, dass das Streitpatent im Anspruchswortlaut (Merkmal 3.1.4) nicht ausdrücklich die
Wiederholung von Schritt (ii) ('Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur') statuiert, folgt die Lokalkammer dem nicht.
Nach richtigem Verständnis des Anspruchs ist der nach Merkmal 3.1.2 beschriebene Nachweis in jeder Wiederholung erforderlich, da andernfalls keine 'zeitliche Reihenfolge von Signalsignaturen produziert' (Merkmal 3.1.4) werden könnte. Ein anderes Verständnis wäre ersichtlich unvereinbar mit dem technischen Sinn des anspruchsgemäßen Verfahrens, welcher durch dessen Wortlaut eindeutig zum Ausdruck kommt: Der Patentanspruch weist mehrfach (Merkmale 3.1.4 und 4) ausdrücklich darauf hin, dass der Nachweis durch Feststellung der zeitlichen Reihenfolge der durch mehrfach wiederholte Hybridisierungen produzierten Signalsignaturen erbracht wird. Angesichts dessen ist es technisch-funktional unabdingbar, dass für alle mit einer Hybridisierung erzeugten Signalsignaturen auch ein Nachweis erfolgt (Merkmal 3.1.2); dem ist auch die Antragsgegnerseite im Rahmen der Erörterung dieser Frage in der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten. Ein Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 EPÜ ist daher nicht erkennbar.
- b. Soweit die Antragsgegner eine unzulässige Erweiterung darin sehen, dass in der Anmeldung zum Stammpatent die zeitliche Reihenfolge die Nachweisreagenzien aktiv identifiziert, während in Anspruch 1 des Streitpatents die Reihenfolge passiv verwendet werde ('Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen […] zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien"), liegt hierin ebenfalls keine unzulässige Erweiterung.
Da der Wortlaut des Patentanspruches ('…Verwenden der zeitlichen Reihenfolge … zum Identifizieren…') - wie im Rahmen der Anspruchsauslegung ausgeführt - eindeutig dahin zu verstehen ist, dass die zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen das patentgemäße Mittel zur Identifikation der Nachweisreagenzien ist und sich die Identifikation ohne weitere Analyseschritte aus dieser anspruchsgemäß produzierten Reihenfolge ergibt, resultiert kein Unterschied daraus, ob dieses Merkmal sprachlich aktivisch oder (vermeintlich) passivisch formuliert ist.
-
- Eine Nichtigerklärung des Streitpatentes mangels Neuheit ist nach der sicheren Überzeugung der Lokalkammer nicht zu erwarten.
Die Lokalkammer ist überzeugt, dass das Streitpatent nicht wegen mangelnder Neuheit vernichtet werden wird. Die Lokalkammer geht vielmehr mit ausreichender Sicherheit im Hinblick auf die für die Patenterteilung erforderliche Neuheit von der Gültigkeit des Streitpatentes aus.
Um auf fehlende Neuheit erkennen zu können, muss sich der Gegenstand der Erfindung klar, eindeutig und unmittelbar aus dem Stand der Technik ergeben. Dies gilt für sämtliche Anspruchsmerkmale. Dabei ist der Maßstab für den Offenbarungsgehalt einer Veröffentlichung, was von einer Durchschnittsfachperson auf dem entsprechenden Fachgebiet an Kenntnissen und Verständnis erwartet werden kann und darf.
Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab ist hier Folgendes festzustellen:
- a. Soweit die Antragsgegnerinnen die Neuheit des Streitpatentes unter Hinweis auf Göransson (D6) in Abrede stellen, hält das Gericht diese Entgegenhaltung nicht für neuheitsschädlich.
Gegenstand des Nachweises in der D6 sind entgegen dem Anspruchswortlaut des Streitpatentes keine Zell- oder Gewebeproben, sondern sogenannte einzelne amplifizierte Moleküle ('amplified single molecules' oder ASMs), die aus 'padlock or selector probes' gewonnen werden, mit denen isolierte genomische DNA-Fragmente von Zellen nachgewiesen wurden. ASM sind daher keine Analyten von Zell- oder Gewebeproben im Sinne des Streitpatentes.
Soweit es das Bundespatentgericht (BPatG) in seinem qualifizierten Hinweis vom 7. Februar 2023 (Anlage BP6) für möglich hält, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Stamm patents durch Göransson (im hiesigen Verfahren 'D6', beim BPatG 'NK12') neuheitsschädlich vorweggenommen ist, lässt sich dieser Befund nicht auf das Streit patent übertragen; denn im Gegensatz zum Wortlaut der maßgeblichen Ansprüche des Stammpatentes, welche den Begriff 'Probe' allein verwenden (zum Begriff 'Probe' siehe Ziffer 3.2 des qualifizierten Hinweises des BPatG), findet sich in Anspruch 1 des Streitpatentes der demgegenüber
ersichtlich eingeschränkte Begriff der ' Zell- oder Gewebe probe'. Während also 'amplified single molecules' (ASM), wie sie der Betrachtung in Göransson zugrunde liegen, als 'Proben' im Sinne des Stammpatentes qualifiziert werden können, handelt es sich dabei nach Ansicht der Lokalkammer nicht um Zell- oder Gewebeproben im Sinne des Streitpatentes.
Das Gericht geht im Übrigen, wie bereits in der mündlichen Verhandlung angedeutet, auch davon aus, dass das Streitpatent nach Anspruch 1 auch die Anbringung (mounting) der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger voraussetzt. Im Fall von Göransson hingegen sind es ASMs, die auf einem festen Träger montiert sind; auch insofern kann Göransson aus Sicht des Gerichts nicht neuheits-schädlich sein.
Die Lokalkammer geht ferner, wie bereits in der mündlichen Verhandlung angedeutet, davon aus, dass das Streitpatent ausweislich seines Anspruches 1 auch das Fortbestehen der durch Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe mit den Nachweisreagenzien hergestellten Bindung zwischen Analyt und Nachweisreagenz während des zweiten Verfahrensabschnittes voraussetzt; dies liest das Gericht insbesondere aus Merkmal 2.2 ('…ausreichende Zeitdauer, um Binden … zu ermöglichen…') und der Tatsache, dass eine Auflösung dieser Bindung in Anspruch 1 des Streitpatents weder angesprochen wird noch technisch sinnhaft erscheint. Bei Göransson wird die Bindung zwischen Analyt und Reagenz demgegenüber jeweils ('after each imaging') gelöst ('Dehybridization of ASMs'); auch insofern kann Göransson aus Sicht des Gerichts nicht neuheitsschädlich sein.
- b. Auch soweit die Antragsgegnerinnen die Neuheit des Streitpatentes unter Hinweis auf die US 2010/0151472 (D12) in Abrede stellen, folgt das Gericht der Argumentation der Antragsgegner nicht.
Die D12 ist schon deshalb nicht neuheitsschädlich, weil sie (auch in ihrem Beispiel 2) nicht zeigt, dass in zeitlich sequentieller Weise durch wiederholtes Hybridisieren (eines Satzes von Dekodersonden mit den Teilsequenzen der jeweiligen Nachweisreagenzien) eine zeitliche Reihenfolge von Signalsignaturen betreffend dieselben Nachweisreagenzien erzeugt wird, um diese zu identifizieren. In Beispiel 2 der D12 werden zwar auch zwei Hybridisierungsrunden
durchgeführt; Gegenstand sind aber in der ersten Runde andere Nachweisreagenzien (konkret: HLA-DR-Antikörper und CD24-Antikörper) als in der zweiten Hybridisierungsrunde (CD44-Antikörper und CD66-Antikörper).
-
- Auch eine Nichtigerklärung des Streitpatentes wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit ist nach der sicheren Überzeugung der Lokalkammer nicht zu erwarten.
Nach Art. 56 EPÜ gilt eine Erfindung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
Der zur Feststellung mangelnder erfinderischer Tätigkeit heranzuziehende (nächstliegende) Stand der Technik ist in der Regel ein Dokument des Stands der Technik, das einen Gegenstand offenbart, der zum gleichen Zweck oder mit demselben Ziel entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung und die wichtigsten technischen Merkmale mit ihr gemein hat, der also die wenigsten strukturellen Änderungen erfordert. Ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des erfolgversprechendsten Ausgangspunkts ist die Ähnlichkeit der technischen Aufgabe. Dabei sollte Aspekten wie der Bezeichnung des Gegenstands der Erfindung, der Formulierung der ursprünglichen Aufgabe und der beabsichtigten Verwendung sowie der zu erzielenden Wirkungen generell mehr Gewicht beigemessen werden als einer Höchstzahl identischer technischer Merkmale.
Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab ist die Lokalkammer im Hinblick auf die von den Antragsgegnerinnen vorgelegten Dokumente nicht davon überzeugt, dass das Streitpatent mangels erfinderischer Tätigkeit für nichtig erklärt werden wird.
- a. Soweit die Antragsgegner Duose et al. 2010 (D8) als Stand der Technik heranziehen wollen, um den Mangel an erfinderischer Tätigkeit des Streitpatentes zu belegen, kann das Gericht nicht erkennen, dass mit diesem Dokument die patentgemäße Erfindung nahegelegt wird.
Gegenstand der D8 ist das 'in situ imaging of molecular markers' (D8; Introduction, erster Satz). Dabei geht es um das Problem, dass die Anzahl der Marker
(analytes) in einer biologischen Probe die Anzahl der Nachweismittel (im Falle der D8 eine Kombination aus einem sog. 'Targeting Agent', einem sog. 'Catalyst' und einem Substrat mit Fluorophor) übersteigt, die gleichzeitig für den Nachweis verwendet werden können. Der Ansatz der D8 zur Lösung dieses Problems ist es, das Substrat nach einem ersten Durchlauf unter besonders milden Verarbeitungsbedingungen zu entfernen, um es anschließend in einem weiteren Durchlauf erneut einsetzen zu können, um einen anderen Marker nachzuweisen ('…remove fluorescent probes …such that new markers …could be labeled and detected using the same fluorescent reporting molecules.'). Ungeachtet dessen, dass sich die D8 ausdrücklich von der Benutzung der in-situ-Hybridisierungsprobes abgrenzt (Seite 2327, Introduction, 2. und 3. Absatz), wird der Fachperson das anspruchsgemäße Verfahren mit der D8 auch deshalb nicht nahegelegt, weil sich die Lösungsprinzipien erheblich unterscheiden: Während nach dem Lösungsprinzip der D8 ein- und dieselbe Farbmarkierung nach zwischenzeitlicher Ablösung ('remove fluorescent probes') in einem zweiten Durchgang zum Nachweis eines anderen Analyten (Marker) eingesetzt werden soll, wird nach dem anspruchsgemäßen Lösungsprinzip in den weiteren Hybridisierungsrunden ein unterschiedlicher Satz von Decodersonden (also nicht derselbe) eingesetzt, um für denselben Analyten (also nicht wie im Falle der D8 einen anderen Marker) eine zeitliche Reihenfolge von Signalsignaturen zu produzieren, mit denen dann die Vielzahl von Analyten in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird.
Das Prinzip der D8 lässt sich folglich dahin beschreiben, dass dasselbe Substrat in einem ersten Durchgang zum Nachweis eines Markers (Analyt) A genutzt wird, während es in einem zweiten Durchgang dem Nachweis eines Markers (Analyt) B dienen soll. Diese Idee der Mehrfachnutzung eines farbgebenden Substrates zum Nachweis verschiedener Analyten ist weit vom anspruchsgemäßen Prinzip entfernt, einen Analyten, an den ein Nachweisreagenz gebunden hat, durch die Produktion einer zeitlichen Reihenfolge von Signalsignaturen an diesem Nachweisreagenz nachzuweisen - und legt die Erfindung daher nicht nahe.
Soweit die Antragsgegnerinnen vortragen, für eine Fachperson wäre die Erfindung zumindest durch eine Kombination der D8 mit Göransson (D6) naheliegend gewesen, sieht die Lokalkammer keinen konkreten technischen Grund hierfür; es
lässt sich auch nicht aus dem Vortrag der Antragsgegnerinnen ableiten, warum die Fachperson motiviert gewesen sein sollte, von der in Duose (D8) gelehrten Lösung für eine in situ-Analyse für Zell- oder Gewebeproben abzuweichen und stattdessen eine grundlegend andere Methode aus einem grundlegend anderen Kontext anzuwenden, um mehr Analyten nachweisen zu können, wie es in Göransson (D6) gelehrt wird. Die D8 lehrt daher aus den vorstehend genannten Gründen von der beanspruchten Erfindung weg.
- b. Auch durch die von derselben Forschergruppe wie D8 stammende Druckschrift Duose et al. 2011 (D27) wird der Fachperson die patentgemäße Erfindung nicht nahegelegt. Die D27 basiert auf demselben Prinzip wie die D8, so dass auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden kann. Auch im Rahmen der D27 werden die Markierungen entfernt, um sie dann in einer zweiten Markierungsrunde für 'neue Komplexe' einzusetzen; die Nachweisziele (targets) der ersten Runde heißen hier TS1 und TS2, in der zweiten Runde TS3 und TS4.
Soweit die Antragsgegnerinnen vortragen, für eine Fachperson wäre die Erfindung zumindest durch eine Kombination der D27 mit der D8 und/oder D6 naheliegend gewesen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis; insofern gelten die Ausführungen zur D8 entsprechend.
-
c. Soweit die Antragsgegnerinnen die WO 03/003810 (D23) als Stand der Technik heranziehen wollen, um den Mangel an erfinderischer Tätigkeit des Streitpatentes zu belegen, folgt die Lokalkammer dem ebenfalls nicht. D23 betrifft ein Nachweisverfahren, mit dem zeitgleich verschiedene Analyten durch sog. Multiplexfärbung detektiert werden und dadurch voneinander unterscheidbar sein sollen. Dabei bleibt schon nach dem Vortrag der Antragsgegner offen, 'wie genau diese Unterscheidung zu erfolgen hat'. Für die Lokalkammer ist nicht erkennbar, wie die relevante Fachperson ausgehend von der D23 dazu hätte kommen sollen, ein zeitlich-sequentielles Vorgehen in Betracht zu ziehen, wie es mit dem Streitpatent gelehrt wird. Das Gericht kann auch keinen sich für die Fachperson aus der D23 ergebenden Anlass erkennen, die Druckschriften D6 und/oder D8 mitzulesen.
-
d. Auch soweit die Antragsgegner Göransson als Stand der Technik heranziehen wollen, um den Mangel an erfinderischer Tätigkeit des Streitpatentes zu belegen, folgt das Gericht dem nicht.
Die Fachperson hätte Göransson mit Blick auf die patentgemäße Aufgabenstellung nicht als realistische Ausgangsbasis, geschweige denn als nächstliegenden Stand der Technik herangezogen. Göransson ist gerade nicht darauf gerichtet, eine Vielzahl von Analyten in einer Zell- oder Gewebeprobe nachzuweisen (D6, Zusammenfassung). Gegenstand der Betrachtung in Göransson sind vielmehr ASMs auf 'a new random array format'. Göransson offenbart zwar eine ähnliche "Kodierungs- und Dekodierungsmethode", wie sie im Streitpatent verwendet wird, allerdings in einem ganz anderen Zusammenhang, nämlich bei ASMs auf einem Array. Diese Methode würde die Fachperson ohne rückschauende Betrachtung nicht ohne konkrete Veranlassung von einem Array mit ASMs zu einer (auf einem festen Träger angebrachten) Zell- oder Gewebeprobe "transportieren". Zu einer solchen Veranlassung ist allerdings zur Überzeugung der Lokalkammer nichts vorgetragen. Der bloße Verweis auf " in situ " in Göransson in Bezug auf ASM, die in früheren Genotypisierungstechniken verwendet wurden, ist dafür nicht ausreichend. Wie auch das Bundespatentgericht meint, geht es hier nicht um die Anwendung der Göransson -Lehre in einem in-situKontext.
Schließlich und der Vollständigkeit halber, stellt die Lokalkammer fest, dass die Fachperson, selbst wenn sie ausgehend von Göransson zur Anwendung auf eine Zell- und Gewebeprobe übergegangen wäre, dadurch nicht zu der beanspruchten Erfindung gelangt wäre, da der Anspruch verlangt, dass die Nachweisreagenzien an die Analyten gebunden bleiben und nicht bei jedem Schritt für den Nachweis in zeitlich aufeinander folgender Weise der Teilsequenzen dieser Reagenzien erneuert werden. Göransson gibt keinen Anlass, diese Maßnahme anzupassen. Bei Göransson wird die Bindung zwischen Analyten und Reagenzien demgegenüber jeweils ('after each imaging') gelöst (D6, Seite 3, Absätze 'Hybridisierung von ASM' und 'Dehybridisierung von ASM').
Auch eine Kombination mit Gunderson et al. 2004 (D13) bringt die Fachperson nicht zur beanspruchten Erfindung. Es ist nicht zu erkennen, warum die Fachperson zu den Lehren von Gunderson , die sich ebenfalls mit der Microarray-
Technologie befasst, in der Zeit "zurückgehen" und so zur Erfindung gelangen sollte. Hinzu kommt, dass auch im Gutachten von F. eingeräumt wird, dass es "obvious differences" zwischen " DNA fixed on a slide" (d.h. einem Microarray) und "a fixed tissue sample on a slide" (dem Patentanspruch) gibt.
Darüber basiert F.'s These, die darauf hinausläuft, dass der Fachmann keine unüberwindbaren Einwände gegen die Anwendung der Lehre aus Göransson auf eine Zell- oder Gewebeprobe hätte (und damit eine 'very high expectation of success' sähe), auf einer rückschauenden Betrachtung ( ex post facto analysis) in Kenntnis der Erfindung; selbst wenn man dieser folgen wollte, ergibt sich daraus aber nicht ohne weiteres, dass die Fachperson dies auch tatsächlich getan hätte, was allerdings zur Feststellung einer fehlenden erfinderischen Tätigkeit erforderlich wäre.
- e. Soweit die Antragsgegner die US 2010/0151472 (D12) als Stand der Technik heranziehen wollen, um den Mangel an erfinderischer Tätigkeit des Streitpatentes zu belegen, folgt die Lokalkammer dem ebenfalls nicht. Die darin enthaltene Lehre ist aus den zur Neuheit genannten Gründen weit von der patentierten Lösung entfernt.
Eine Fachperson hätte die D12 mit Blick auf die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabenstellung nicht als Ausgangspunkt ihrer Überlegungen gewählt; damit sind auch die von den Antragsgegnerinnen in diesem Zusammenhang zur Diskussion gestellten Kombinationen nicht relevant.
-
- Die patentgemäße Erfindung ist so vollständig offenbart , dass eine Fachperson die Erfindung ausführen kann.
Ein erfolgreicher Einwand unzureichender Offenbarung setzt ernsthafte und durch nachprüfbare Tatsachen erhärtete Zweifel daran voraus, dass ein fachkundiger Leser des Patents anhand seines allgemeinen Fachwissens nicht in der Lage wäre, die Erfindung auszuführen.
Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab ist hier Folgendes festzustellen:
- a. Soweit die Antragsgegnerinnen behaupten, das Patent lehre nicht, wie ungebundene Nachweisreagenzien vor dem Nachweisschritt entfernt werden und ohne eine solche Entfernung aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden können, kann dem angesichts der eindeutigen Hinweise hierzu in der Beschreibung des Streitpatentes nicht gefolgt werden. In Absatz [0011] heißt es unmißverständlich:
'As described herein, the method can further comprise removing any unbound detection reagents before detection of the pre-determined subsequences in a temporally-sequential manner.'
Auch Absatz [0050] liefert ausreichende Hinweise, um - soweit erforderlich - ungebundene Nachweisreagenzien zu entfernen.
- b. Soweit die Antragsgegnerinnen auch im Hinblick auf die Ausführbarkeit (wie bereits zur unzulässigen Erweiterung) vortragen, es werde im Patent nicht gelehrt, wie eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen erreicht werden solle, wenn der Nachweisschritt nicht zusammen mit den Hybridisierungs- und Signalentfernungsschritten wiederholt wird, wird auf die entsprechenden Ausführungen zum Thema unzulässige Erweiterung (oben 5.a.) verwiesen.
- c. Soweit die Antragsgegnerinnen ferner vortragen, die Erfindung sei mit extrem kurzen Decodersonden nicht ausführbar und der Fachperson würde durch das Patent auch keine Anleitung bereitgestellt, wie dennoch eine Decodersonde mit nur einem einzigen Nucleotid zur Detektion verwendet werden könne, erkennt das Gericht hierin keine unzureichende Offenbarung.
Die Fachperson weiß aufgrund ihres allgemeinen Fachwissens und auch aus der Patentbeschreibung (Absatz [0059]), dass es Decodersonden unterschiedlicher Länge gibt; auch auf der Grundlage des Anspruchs und der Beschreibung des Streitpatents haben die Antragsgegnerinnen keinen Anlass zu Zweifeln daran dargelegt, dass eine Fachperson der Lage ist, eine angemessene Sequenzlänge für die Umsetzung des patentierten Verfahrens zu wählen.
- d. Soweit die Antragsgegnerinnen geltend machen, das Streitpatent enthalte kein einziges Beispiel einer in situ 'highplex'-Detektion, obwohl die Antragstellerseite zum Stammpatent geltend mache, dass das beanspruchte Verfahren im Vergleich zum Stand der Technik eine (angeblich bessere) Highplex-Analyse ermögliche, ist aus Sicht der Lokalkammer lediglich zu bemerken, dass ausgehend vom Patentanspruch eine in situ 'highplex'-Detektion als Anspruchsmerkmal nicht zu diskutieren ist.
- V. Die Lokalkammer ist mit ausreichender Sicherheit, nämlich mit mindestens hoher Wahrscheinlichkeit, davon überzeugt, dass die Antragsgegnerinnen das Streitpatent sowohl unmittelbar als auch mittelbar verletzen .
-
- Die Antragsgegnerinnen verletzen das Verbotsrecht der Antragstellerinnen auf unmittelbare Benutzung des patentgeschützten Verfahrens.
Nach Art. 25 lit. b) EPGÜ (Recht auf Verbot der unmittelbaren Benutzung der Erfindung) gewährt ein Patent seinem Inhaber das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden, oder, falls der Dritte weiß oder hätte wissen müssen, dass die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten, in denen dieses Patent Wirkung hat, anzubieten.
Die Antragsgegnerinnen verletzen die sich nach Art. 25 lit. b) EPGÜ aus dem Streitpatent ergebenden Rechte unmittelbar, indem sie das durch das Verfügungspatent geschützte Verfahren in ihrem Labor in Amsterdam selbst anwenden und Dritten anbieten, es anzuwenden; entsprechende Handlungen im Hoheitsgebiet des EPG sind Gegenstand des Anordnungsantrages A. I. .
-
a. Das Verfahren der Antragsgegnerinnen dient unstreitig dem Nachweis einer Vielzahl von Analyten in einer Zell- oder Gewebeprobe.
-
b. Das Verfahren der Antragsgegnerinnen umfasst unstreitig das Anbringen der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger (Mounting).
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c. Das Verfahren der Antragsgegnerinnen umfasst unstreitig das Kontaktieren der Zell- oder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung, die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst. Die Antragsgegnerinnen bestreiten auch nicht, dass in ihrem Verfahren die Vielzahl der Nachweisreagenzien eine Vielzahl von Teilpopulationen der Nachweisreagenzien umfasst (Merkmal 2.1.1); die Antragsgegnerinnen bestreiten vielmehr die Verwirklichung von Merkmal 2.2.1 (Merkmal 3.1.1 nach der Gliederung der Antragsgegnerinnen; siehe hierzu nachfolgend e.)
-
d. Das Verfahren der Antragsgegnerinnen umfasst unstreitig das Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe zusammen mit der Vielzahl von Nachweisreagenzien für eine ausreichende Zeitdauer, um das Binden der Vielzahl von Nachweisreagenzien an die Analyten zu ermöglichen.
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e. Soweit aus Sicht der Antragsgegnerinnen beim angegriffenen Verfahren das Anspruchsmerkmal 2.2.1, nach dem
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'…jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien … auf einen unterschiedlichen Analyten [zielt]…'
nicht verwirklicht werde, kann dem bei richtiger Auslegung des Patentanspruchs (siehe dazu oben A. IV. 3. b.) nicht gefolgt werden.
Die Antragsgegnerinnen vertreten die Ansicht, sowohl das Sondenreagenz als auch die vorbestimmten Teilsequenzen der einer Teilpopulation zugehörigen Nachweisreagenzien müssten identisch sein, um ein- und derselben Teil-population zugeordnet werden zu können. Dies sei bei dem angegriffenen Verfahren indes nicht der Fall, da dort verschiedene Teilpopulationen von ISH-Sonden auf denselben Analyten zielten; es handele sich deshalb um verschiedene Teilpopulationen, weil sich die Sonden in ihrem Sondenreagenz unterschieden. Die Antragsgegnerinnen haben dies mit folgender Abbildung illustriert:

Aus Sicht der Antragsgegnerinnen ist somit für eine Zuordnung zu einer Teilpopulation entscheidend, dass die Reagenzien auf molekularer Ebene identisch sind, was auch für das Sondenreagenz gelten müsse.
Nach dem Verständnis der Antragstellerinnen zeichnet sich eine anspruchsgemäße Teilpopulation allerdings nicht zwingend durch eine Identität im Sondenreagenz, sondern anspruchsgemäß allein dadurch aus, dass jedes derselben Teilpopulation zugehörige Nachweisreagenz an denselben Zielanalyt bindet. Dafür sei eine Identität des Sondenreagenzes nicht erforderlich.
Die Auslegung der Antragstellerinnen ist zutreffend (siehe dazu schon oben A. IV. 3. b.): Element einer Teilpopulation sind nach dem klaren Wortlaut des Patentanspruches alle Nachweisreagenzien, die auf den gleichen Analyten zielen. Entscheidend für diesen Bindungsvorgang ist dabei in der Tat das sogenannte Sondenreagenz, welches Bestandteil jedes Nachweisreagenzes ist und die Funktion hat, auf einen bestimmten Analyten zu zielen. Das Streitpatent fordert mit Blick auf das Abzielen auf einen bestimmten Analyten allerdings keine Identität der betreffenden Sondenreagenzien; nach dem Wortlaut des Patentanspruches ist ausreichend, dass diese auf den gleichen Analyten abzielen - aus fachmännischer Sicht müssen sie dazu nicht identisch sein. Dies zeigt auch die vorstehend eingeblendete Abbildung. Folglich können einer anspruchsgemäßen Teilpopulation auch Nachweisreagenzien mit unterschiedlichen (und daher an verschiedene Abschnitte des Analyten bindende) Sondenreagenzien angehören. Dieses Verständnis des Begriffs 'Teilpopulation' entspricht dem in Rede stehenden Anspruchsmerkmal, nach dem für die Zugehörigkeit zu einer Teilpopulation allein entscheidend ist, dass auf denselben Analyten abgezielt wird. Finden sich also
beispielsweise in einer Gewebeprobe die Analyten A, B, C und D, werden die in einer patentgemäßen Zusammensetzung enthaltenen Nachweisreagenzien dadurch einer Teilpopulationen (A) zugeordnet, dass sie auf den Analyten A zielen und zwar unabhängig davon, an welchem Abschnitt des Analyten die Bindung erfolgt. Jedes Nachweisreagenz, das auf den Analyten A zielt, gehört folglich zur Teilpopulation A.
Die in der obigen Abbildung dargestellten ISH-Sonden gehören daher alle derselben Teilpopulation an, weil sie anspruchsgemäß an denselben Analyten binden; dass die ISH-Sonden an verschiedene Abschnitte desselben Analyten binden, ist nach dem Patentanspruch nicht relevant und führt nicht dazu, die dargestellten ISH-Sonden unterschiedlichen Teilpopulationen zuzuordnen.
Beim Verfahren der Antragsgegnerinnen zielt daher anspruchsgemäß jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien auf einen unterschiedlichen Analyten.
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e. Jedes der Vielzahl von Nachweisreagenzien im Verfahren der Antragsgegnerinnen umfasst unstreitig ein Sondenreagenz, das auf einen Analyten der Vielzahl von Analyten zielt, und eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen, wobei das Sondenreagenz und die eine oder die Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen miteinander konjugiert sind.
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f. Das Verfahren der Antragsgegnerinnen umfasst unstreitig auch ein Nachweisen der Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen in einer zeitlich sequentiellen Weise.
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g. Der Nachweisschritt umfasst im Verfahren der Antragsgegnerinnen unstreitig zunächst
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-das Hybridisieren eines Satzes von Decodersonden mit einer Teilsequenz der Nachweisreagenzien, wobei der Satz von Decodersonden eine Vielzahl von Teilpopulationen von Decodersonden umfasst, und wobei jede Teilpopulation der Decodersonden eine nachweisbare Markierung umfasst, wobei jede nachweisbare Markierung eine Signalsignatur produziert (i),
-
-das Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur (ii) und
-
-das Entfernen der Signalsignatur (iii).
Im Verfahren der Antragsgegnerinnen umfasst das Nachweisen entgegen der Behauptung der Antragsgegnerinnen aber auch das Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist.
Die Antragsgegnerinnen haben insofern vorgebracht, in ihrem Verfahren erfolge die Auswertung auf andere Weise; die Reihenfolge der Signalsignaturen werde auf eine völlig andere Weise erzeugt. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Vortrag der Antragsgegnerinnen beruht auf einer unzutreffenden Auslegung von Anspruch 1 des Streitpatents (zur Auslegung siehe oben A. IV. 3. c.).
- aa. Die Antragsgegnerinnen tragen vor, in ihrem Verfahren werde in jeder Hybridisierungsrunde ein anspruchsgemäßer Detektionsschritt (ii) (Aufnahme eines Bildes des Objektträgers nach Färbung der Decodersonden) durchgeführt. Nach dem Patentanspruch finde demgegenüber nur eine Wiederholung der Schritte (i) und (iii) statt.
Den Antragsgegnerinnen ist zuzugeben, dass nach dem Wortlaut des Merkmals 3.1.4 nur von einer Wiederholung der Schritte (i) und (iii) die Rede ist. Die Antragsgegner übersehen allerdings, dass es in Merkmal 3.1.4 nicht nur heißt
- '…Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden,…',
sondern weiter:
'… um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen…'
Damit ist klar, dass auch Merkmal 3.1.2 ('(ii) Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur') in jeder
Hybridisierungsrunde erfolgen muss, denn nur dann kann die durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierte Signalsignatur nachgewiesen werden. Ohne die Vornahme des mit Merkmal 3.1.2 statuierten Nachweises wäre eine Hybridisierungsrunde gänzlich sinnfrei. Die anspruchsgemäße Erforderlichkeit von (ii) in jeder Hybridisierungsrunde wird daher eindeutig in dem Satz
'… um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen…'
zum Ausdruck gebracht.
- bb. Soweit die Antragsgegnerinnen behaupten, bei ihrem Verfahren würden die Analyten nicht durch die mittels Wiederholen der Schritte (i) und (iii) erzeugte zeitliche Reihenfolge von Signalsignaturen identifiziert, folgt die Lokalkammer dem ebenfalls nicht.
Die Antragsgegnerinnen haben vorgetragen, in ihrem Verfahren würde ein Hybridisierungszyklus (im Beispiel unter Textziffer 213 des Einspruchs finden sich in jedem Zyklus 16 Hybridisierungsrunden) mehrfach identisch wiederholt (im Beispiel acht Mal, also acht Zyklen). Nur so könne ein zuverlässiges und korrektes Ergebnis erzielt werden. Die zeitliche Abfolge etwaiger Signalsignaturen in den einzelnen Zyklen (d.h. nach Runde 1 bis 16) werde weder bestimmt ("dadurch erzeugt") noch zur Identifizierung von Analyten verwendet. Eine solche zeitliche Reihenfolge (nur die Runden 1 bis 16 eines Zyklus) wäre auch nicht für jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig. Die zeitliche Abfolge der Signalsignaturen der einzelnen Testrunden würde keine hinreichend genaue Identität eines Analyten liefern. Deshalb werde im Verfahren der Antragsgegnerinnen anstelle der bloßen zeitlichen Reihenfolge eine zyklusbasierte Reihenfolge berechnet und nur diese zyklusbasierte Reihenfolge zur Identifizierung von Analyten verwendet, um ein zuverlässiges und korrektes Ergebnis zu erhalten. Die " zeitliche Reihenfolge " der einzelnen 16 Testrunden per se sei hingegen für einen Analyten nicht eindeutig und werde für die Identifikation des Analyten nicht unmittelbar verwendet.
Die Antragsgegnerinnen gestehen damit zu, dass in ihrem Verfahren mit der Durchführung mehrerer patentgemäßer Hybridisierungsrunden eine zeitliche Reihenfolge von Signalsignaturen produziert wird; dabei erfolgt wiederholend in
jeder Runde der Nachweis der Signalsignatur. Soweit die Antragsgegnerinnen vortragen, die Hybrisierungsrunden würden in acht Zyklen wiederholt, um ein möglichst zutreffendes Ergebnis zu erhalten, welches am Ende des letzten Zyklus festgestellt werde, ist dies für die Verwirklichung des Patentanspruches unschädlich. Die Antragsgegnerinnen tragen damit lediglich vor, den anspruchsgemäßen Vorgang insgesamt mehrfach zu wiederholen, um ein möglichst sicheres Ergebnis zu erhalten.
Unschädlich ist auch, dass im Verfahren der Antragsgegnerinnen die bloße zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen aus den einzelnen Zyklen nicht als ausreichendes Endergebnis betrachtet wird, sondern auf Grundlage aller Zyklen eine sogenannte zyklusbasierte Reihenfolge (sozusagen ein Mittelwert der Signaltreffer aus allen Zyklen) berechnet wird. Damit geht das Verfahren der Antragsgegnerinnen zwar einen Schritt weiter als von Anspruch 1 des Streitpatentes gefordert; dies aber nicht, ohne vorher die anspruchsgemäßen Verfahrensschritte verwirklicht zu haben. Für das anspruchsgemäße Verfahren wird auch nicht gefordert, dass die zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen immer richtig ist, jede einzelne Hybridisierung also fehlerfrei erfolgt und die richtige Signalsignatur produziert; sie muss nur eindeutig sein. Das Modell der Antragsgegnerinnen unter Textziffer 213 des Einspruchs (Abbildung nachstehend)

suggeriert zwar, dass die Reihenfolge der Signalsignaturen in keinem Zyklus zutreffend ist (keiner der Zyklen zeigt die zutreffende Reihenfolge Rot/Grün/Gelb/Blau von Signalsignaturen). Die Antragsgegnerinnen haben aber
nicht behauptet, dass ihr Verfahren in der Praxis (also unabhängig von einem theoretischen Modell, wie es in Textziffer 213 des Einspruchs gezeigt wird) bezogen auf die einzelnen Zyklen niemals eine zeitliche Reihenfolge von Signalsignaturen produziert, die für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist, so dass sie zur Identifikation einer solchen Teilpopulation und damit des entsprechenden Analyten verwendet werden kann.
Nach allem umfasst das mit den angegriffenen Produkten durchgeführte Verfahren auch das Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der einen oder der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von Analyten in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird.
- h. Sofern die Antragsgegner der Ansicht sind, dass die Durchführung bestimmter Verfahrensschritte mit einer cloudbasierten Lösung außerhalb des Anwendungsbereiches des EPG erfolge und insofern eine Verletzung zu verneinen sei, teilt die Lokalkammer diese Ansicht nicht.
- aa. Zunächst ist festzustellen, dass die zeitliche Reihenfolge von Signalsignaturen , deren Erstellung die Antragsgegner der cloudbasierten Lösung zuschreiben, nicht durch eine Datenanalyse, sondern - anspruchsgemäß und so auch beim angegriffenen Verfahren - durch die mit Anspruchsmerkmal 3.1.4 beschriebenen Wiederholungen produziert wird. Es handelt sich dabei um nichts anderes als die Folge des sequentiellen Vorgehens. Einer Datenanalyse bedarf es insoweit nach dem für die Verletzungsprüfung maßgeblichen Patentanspruch nicht; lediglich für die weiteren, nicht anspruchsgemäßen Verfahrensschritte im Verfahren der Antragsgegnerinnen mag eine Datenanalyse notwendig sein. Die Produktion der zeitlichen Reihenfolge von Signalsignaturen ist damit Gegenstand des Verfahrensablaufs in dem im Hoheitsgebiet des EPG durchgeführten und angebotenen Verfahren der Antragsgegnerinnen.
Sofern eine Datenverarbeitung beim angegriffenen Verfahren deshalb notwendig ist, weil die in den einzelnen Zyklen jeweils anspruchsgemäß produzierte Reihenfolge von Signalsignaturen als nicht ausreichend erachtet wird und deshalb
mehrere Zyklen durchgeführt werden, die schließlich mit der Berechnung einer zyklusbasierten Reihenfolge abgeschlossen werden, folgt daraus nichts anderes. Eine Patentverletzung kann nicht verneint werden, weil der Verletzer neben den anspruchsgemäßen Verfahrensschritten weitere Verfahrensschritte durchführt, die einer Datenverarbeitung bedürfen, welche außerhalb des Geltungsbereichs des Patentes vorgenommen werden.
- bb. Soweit die Antragsgegnerinnen behaupten, die Identifikation des Analyten werde bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht auf dem Gerät selbst, sondern auf einem computergestützten System (Cloud-Computing-Plattform AtoMxTM Spatial Informatics) im Ausland und damit außerhalb des Anwendungsbereichs des EPG durchgeführt, kann auch mit dieser Begründung eine Verletzung nicht verneint werden.
Anspruchsmerkmal 4 sieht vor, dass die zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen zum Identifizieren einer Teilpopulation von Nachweisreagenzien und damit zum Nachweis der Analyten verwendet wird. Dieses Anspruchsmerkmal lässt sich damit als bloßer Hinweis darauf verstehen, welchem Zweck die nach dem anspruchsgemäßen Verfahren (Anspruchsmerkmale 1 bis 3.1.4) produzierte Reihenfolge von Signalsignaturen eigentlich dient, ohne dass damit in der Sache ein eigenständiger Verfahrensschritt zum Ausdruck gebracht wird. Anspruchsmerkmal 4 stellt somit keinen substantiellen Verfahrensschritt, sondern der Sache nach lediglich eine Zweckangabe dar, der keine neue, über die vorangegangenen Anspruchsmerkmale hinausgehende technische Information immanent ist. Dies zeigt die nachfolgende Merkmalsanalyse, in der gezeigt wird, welche Teilmerkmale von Anspruchsmerkmal 4 bereits in den vorangegangenen Anspruchsmerkmalen verwirklicht sein müssen:
Verfahren zum Nachweisen einer Vielzahl von Analyten in einer Zell- oder Gewebeprobe, umfassend
…
3.1.4 (iv) Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die für jede Teilpopulation von der
Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist (und sie dadurch identifiziert); und
-
- (e) Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von Analyten in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird.
Damit wird deutlich, dass Merkmal 4 keinen eigenständigen technischen Gehalt aufweist, da die wesentlichen Merkmalselemente bereits in den anderen Merkmalen mindestens implizit enthalten sind, so dass die Verwirklichung jenes Merkmals schon unmittelbar aus der Verwirklichung der anderen Merkmale folgt. Es ist nicht zu erkennen, dass sich aus dieser sprachlich anders gefassten Formulierung eine zusätzliche technische Bedeutung, insbesondere ein weiterer Verfahrensschritt, ergibt, die nicht schon in den anderen Merkmalen Ausdruck gefunden hat. Mit Merkmal 4 wird aus der Sicht des fachkundigen Lesers daher lediglich das Ergebnis des Verfahrens, also die mit der Anwendung des Verfahrens angestrebte Wirkung beschrieben.
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- Die Antragsgegnerinnen verletzen auch das Verbotsrecht der Antragstellerinnen auf mittelbare Benutzung des patentgeschützten Verfahrens.
Nach Art. 26 Abs. 1 EPGÜ (Recht auf Verbot der mittelbaren Benutzung der Erfindung) gewährt ein Patent seinem Inhaber das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten, in denen dieses Patent Wirkung hat, anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung in diesem Gebiet anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder hätte wissen müssen, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
- a. Die Antragsgegnerinnen verletzen das Streitpatent dadurch mittelbar, dass sie die angegriffene Ausführungsform 2 (Nachweisreagenzien) im Hoheitsgebiet des EPG zur Nutzung des anspruchsgemäßen Verfahrens anbieten und liefern; entsprechende Handlungen sind Gegenstand des Anordnungsantrags A. III . Es ist für die Antragsgegnerinnen offensichtlich, dass die angegriffene Ausführungsform 2 dazu geeignet und bestimmt ist, von ihren Abnehmern für ein Verfahren
gemäß Patentanspruch 1 in Deutschland und anderen EPG-Vertragsstaaten eingesetzt zu werden, denn bei der angegriffenen Ausführungsform 2 handelt es sich um einen Gegenstand, mit dem eine unmittelbare Benutzungshandlung die Anwendung des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 - verwirklicht werden kann, also um ein Mittel, das objektiv zur unmittelbaren Patentbenutzung geeignet ist.
- b. Die Antragsgegnerinnen verletzen das Streitpatent ferner dadurch, dass sie die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 3 im Hoheitsgebiet des EPG zur Nutzung des anspruchsgemäßen Verfahrens anbieten und liefern; entsprechende Handlungen sind Gegenstand der Anordnungsanträge A. II. (angegriffene Ausführungsform 1) und A. IV. (angegriffene Ausführungsform 3).
Es ist für die Antragsgegnerinnen offensichtlich, dass die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 3 grundsätzlich dazu geeignet und bestimmt sind, von ihren Abnehmern für ein Verfahren gemäß Patentanspruch 1 in Deutschland und anderen EPG-Vertragsstaaten eingesetzt zu werden, denn bei den angegriffenen Ausführungsformen 1 und 3 handelt es sich um Gegenstände, mit denen eine unmittelbare Benutzungshandlung - die Anwendung des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 - verwirklicht werden kann, also um Mittel, die objektiv zur unmittelbaren Patentbenutzung geeignet sind.
Die Antragsgegnerinnen wissen, dass die von ihnen gelieferten Verletzungsgegenstände auf die Anwendung des patentgemäßen Verfahrens zugeschnitten sind. Sie werden sowohl in den Anlage BP 3, BP 4 und BP 11, als auch auf der Internetseite https://nanostring.com/products/cosmxspatial-molecular-imager/single-cell-imaging-overview/ für die anspruchsgemäße Benutzung beworben. Dementsprechend werden sie von Abnehmern der Antragsgegnerinnen zur patentverletzenden Verwendung - wie von den Antragsgegnerinnen vorgesehen - bestimmt.
Da die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 3 allerdings nicht nur für den Einsatz im Rahmen des Nachweises von RNA, sondern auch im Rahmen des Nachweises von Proteinen eingesetzt werden können, war hinsichtlich dieser Ausführungsformen kein unbeschränktes Verbot anzuordnen. Die Antragstellerinnen
haben insofern auch nur ein durch das Anbringen eines Warnhinweises eingeschränktes Verbot beantragt.
Die von den Antragstellerinnen in diesem Zusammenhang weiter beantragte Verpflichtung der Antragsgegnerinnen, die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 3 nur dann anzubieten und zu liefern, wenn mit den Abnehmern jeweils eine mit einer Vertragsstrafe bewehrte Unterlassungsvereinbarung geschlossen wird, ist aus Sicht der Lokalkammer ein geeignetes und den Antragsgegnerinnen zumutbares Mittel, um mögliche Rechtsverletzungen durch Abnehmer der Antragsgegnerinnen zu verhindern oder zumindest durch eine finanzielle Entschädigung abzusichern.
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- Ohne Erfolg haben die Antragstellerinnen beantragt, die Anwendung des patentgemäßen Verfahrens bzw. dessen Angebot nicht nur zu unterlassen, sondern auch 'abzustellen'. Soweit damit eine die Antragsgegnerinnen zum Rückruf verpflichtende Folgenbeseitigung zum Gegenstand des Antrags gemacht werden sollte, besteht dafür nach dem EPGÜ keine Rechtsgrundlage. Die Lokalkammer hat den Anordnungsantrag daher insoweit abgewiesen; eine Entscheidung über die Hilfsanträge war durch diese Teilabweisung nicht veranlasst, da die Hilfsanträge nur für den Fall gestellt wurden, dass die Lokalkammer das Streitpatent nur in einer beschränkten Anspruchsfassung für gültig hält.
- VI. Der geltend gemachte Anordnungsantrag steht im Einklang mit der Verfahrensordnung.
-
- Die Formulierung der Anordnungsanträge ist nicht zu beanstanden; sie verstößt insbesondere nicht gegen die Verfahrensordnung.
Nach Art. 62 Abs. 1 EPGÜ kann das Gericht im Wege einer Anordnung Verfügungen erlassen, um die Fortsetzung einer Verletzung einstweilig zu untersagen. Ein Vergleich mit der auf potentiell rechtsverletzende Erzeugnisse bezogenen und damit deutlich konkreter gefassten Maßnahme des Art. 62 Abs. 3 EPGÜ zeigt, dass das Übereinkommen dem Gericht bei der Anordnung von Maßnahmen nach Art. 62 Abs. 1 EPGÜ in der Formulierung der Anordnung einen weiten Spielraum gewährt, um die Fortsetzung von Rechtsverletzungen zu untersagen. Eine
Beschränkung der Anordnung auf die konkrete Bezeichnung oder Beschreibung der angegriffenen Produkte lässt sich Art. 62 Abs. 1 EPGÜ nicht entnehmen. Es ist daher zulässig, die nach Art. 62 Abs. 1 EPGÜ zu untersagende Handlung unter Zuhilfenahme des Patentanspruches zu formulieren. Dies steht insbesondere auch im Einklang mit Art. 25 EPGÜ, nach dem für die zu verbietende Nutzung der Gegenstand des Patents maßgeblich ist; dieser findet sich in den jeweils betroffenen Patentansprüchen.
Angesichts dessen ist nicht zu beanstanden, dass die Anordnungsanträge zur Beschreibung der zu verbietenden Handlung auf den Wortlaut von Anspruch 1 des Streitpatentes zurückgreifen. Damit wird klar und bestimmt zum Ausdruck gebracht, welche Handlungen untersagt werden sollen.
Soweit die Antragsgegnerinnen beanstanden, dass sich in den Anordnungsanträgen durch die Streichung des Passus 'eine oder' Modifikationen des Patentanspruches vorgenommen würden und damit eine beschränkte, so nicht erteilte und damit inexistente Anspruchsfassung geltend gemacht werde, ist auch hierin weder ein Verstoß gegen das EPGÜ noch gegen die Verfahrensordnung zu sehen. Sieht ein Patentanspruch - wie hier - mehrere Alternativen für die Gestaltung eines anspruchsgemäßen Erzeugnisses oder Verfahrens vor, ist es zulässig, im Anordnungsantrag diejenige zu wählen, welche Gegenstand der angegriffenen Ausführungsform bzw. des angegriffenen Verfahrens ist. Eine entsprechend beschränkte Formulierung des Anordnungsantrages konkretisiert lediglich die zu untersagende Verletzung, bedeutet aber nicht die Geltendmachung des Streitpatentes in einer beschränkten bzw. nicht erteilten Fassung. Ein entsprechend eingeschränkter Anordnungsantrag muss schon deshalb möglich sein, weil der Antragsteller im Antrag statt der Wiedergabe des Patentanspruches auch die konkrete Verletzungsform beschreiben könnte; in diesem Fall wäre der Verzicht auf die Beschreibung einer Anspruchsalternative, die die Verletzungsform nicht aufweist, zwingend.
-
- Soweit die Antragstellerinnen in der mündlichen Verhandlung nicht weiter schriftlich begründete Hilfsanträge gestellt haben und damit einer Anregung der Lokalkammer gefolgt sind, um damit gegebenenfalls nach der Erörterung der Frage der Gültigkeit des Streitpatentes in der mündlichen Verhandlung noch
bestehende Zweifel der Lokalkammer auszuräumen, sieht die Lokalkammer hierin keinen Verstoß gegen die Verfahrensordnung oder gegen höherrangiges Recht. Der von der Lokalkammer gegebene Hinweis steht im Einklang mit Art. 42 EPGÜ und Regel 210 Nr. 2 VerfO; einem gerichtlichen Hinweis, welcher auch die Antragsfassung betrifft, durch die Stellung eines entsprechenden Hilfsantrages zu begegnen, kann nicht als Verstoß gegen die Verfahrensordnung bewertet werden. Letztlich kommt es hierauf aber nicht an, da über den Hilfsantrag nicht zu entscheiden war.
VII. Die Anordnung einstweiliger Maßnahmen ist auch notwendig .
Aus dem nach Regel 206 Nr. 2 (c) VerfO bestehenden Begründungserfordernis für die einstweilige Maßnahme folgt, dass für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen eine Notwendigkeit bestehen muss. Die bloße Feststellung einer (drohenden) Patentverletzung, welche auch Voraussetzung für eine endgültige Verfügung nach Art. 63 EPGÜ ist, kann folglich für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen nicht ausreichend sein.
Für die Notwendigkeit der Anordnung einstweiliger Maßnahmen sind nach der VerfO sowohl zeitliche als auch sachliche Umstände von Bedeutung. Die Relevanz zeitlicher Umstände ergibt sich neben Regel 209 Nr. 2 (b) VerfO ('Dringlichkeit') insbesondere auch aus Regel 211 Nr. 4 VerfO, wonach das Gericht ein unangemessenes Zuwarten bei der Beantragung einstweiliger Maßnahmen berücksichtigt. Die Relevanz sachlicher Umstände für die Notwendigkeit des Erlasses einstweiliger Maßnahmen ergibt sich etwa aus Regel 211 Nr. 3 VerfO, wonach bei der Entscheidung über den Anordnungsantrag insbesondere auch der mögliche Schaden, der dem Antragsteller erwachsen kann, zu berücksichtigen ist (während der mögliche Schaden des Antragsgegners bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist).
-
- Aufgrund der hier gegebenen Umstände ist der Erlass der beantragten einstweiligen Maßnahmen in zeitlicher Hinsicht notwendig.
Der bei der Lokalkammer gestellte Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen erfolgte zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Nach Ansicht der Lokalkammer
kann den Antragstellerinnen auch nicht zugemutet werden, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die Antragsgegnerinnen bieten die angegriffenen Ausführungsformen in den Vertragsstaaten des EPGÜ weiter an; auch die durch das Landgericht München I am 17. Mai 2023 ergangenen Urteile haben hieran nichts geändert.
- a. Die Antragstellerinnen haben den Anordnungsantrag zum frühestmöglichen Zeitpunkt gestellt.
Zur Feststellung eines möglicherweise unangemessenen Zuwartens bei der Antragstellung ist zunächst zu fragen, seit wann die Antragstellerinnen Kenntnis von der (drohenden) Patentverletzung haben; ausgehend davon ist der Zeitpunkt zu ermitteln, ab dem die Beantragung einstweiliger Maßnahmen wegen der Verletzung des geltend gemachten Einheitspatents vor dem EPG möglich war.
Die Antragsteller machen mit ihrem Anordnungsantrag vom 1. Juni 2023 die Verletzung eines am 11. Mai 2023 erteilten Europäischen Patentes mit einheitlicher Wirkung geltend. Das EPG, das für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen wegen der Verletzung eines Europäischen Patentes mit einheitlicher Wirkung ausschließlich zuständig ist (Art. 32 Nr. 1 (c) EPGÜ), hat am 1. Juni 2023 seine Tätigkeit aufgenommen. Mit Blick auf die Aufnahme der Tätigkeit des EPG war eine Antragstellung vor dem 1. Juni 2023 beim EPG nicht möglich. Ein Zuwarten bei der Antragstellung (Regel 211 Nr. 4 VerfO) kann folglich unter diesem Gesichtspunkt (Möglichkeit der Antragstellung beim EPG) nicht vorliegen.
- b. Soweit die Antragsgegnerinnen der Ansicht sind, die Antragstellerinnen hätten durch ihr Verhalten vor dem 1. Juni 2023 - insbesondere im Hinblick auf die aus Sicht der Antragsgegnerinnen nachlässig betriebene Durchsetzung des Stammpatentes - gezeigt, dass die Anordnung einstweiliger Maßnahmen wegen einer etwaigen Verletzung des Streitpatents nicht dringlich ist, folgt die Lokalkammer dieser Argumentation nicht.
Es hätte der Errichtung des EPG und eines Europäischen Patentes mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) nicht bedurft, wenn bereits auf Basis Europäischer (Bündel-)Patente ( ohne einheitliche Wirkung) eine adäquate Rechtsdurchsetzung möglich gewesen wäre. Aus den Erwägungsgründen des EPGÜ ergibt sich
aber gerade, dass sich die Durchsetzung Europäischer Patente ohne einheitliche Wirkung wegen des fragmentierten Patentmarktes und der beträchtlichen Unterschiede zwischen den nationalen Gerichtssystemen schwierig gestaltet und mit erheblichen Nachteilen verbunden ist. Mit der Einrichtung des EPG und der Schaffung des Einheitspatentes sollte dieser zutreffend als nachteilig beschriebene Zustand verbessert und dadurch die Rechtssicherheit gestärkt werden. Die Durchsetzung eines Europäischen Patentes ohne einheitliche Wirkung, welche in allen Mitgliedsstaaten gesondert zu erfolgen hat, ist deshalb im Verletzungsfall gegenüber der Durchsetzung eines Einheitspatentes vor dem EPG kein gleichwertiges Mittel der Rechtsdurchsetzung. Nach Wortlaut und Systematik bezieht sich Regel 211 Nr. 4 VerfO dementsprechend allein auf die Beantragung einstweiliger Maßnahmen nach dem EPGÜ und vor dem EPG. Anhaltspunkte dafür, dass auch die Beantragung einstweiliger Maßnahmen in den einzelnen Vertragsstaaten aufgrund eines Bündelpatentes oder nationaler Patente zu berücksichtigen sein könnten, bestehen nicht.
Soweit die Antragsgegnerinnen dennoch geltend machen, die Antragstellerinnen hätten bei der Durchsetzung des Stammpatentes (Europäisches Patent ohne einheitliche Wirkung) nachlässig agiert, indem sie in den betroffenen Vertragsstaaten trotz Kenntnis der angeblichen Verletzung entweder gar keine Durchsetzungsmaßnahmen ergriffen oder jedenfalls nicht die Anordnung einstweiliger Maßnahmen in den einzelnen Vertragsstaaten beantragt haben, obwohl dies bereits deutlich vor dem 1. Juni 2023 möglich gewesen wäre, greift diese Argumentation nicht durch. Den Antragstellerinnen standen vor dem 1. Juni 2023 - wie gezeigt - keine mit dem hier gestellten Anordnungsantrag gleichwertigen und damit zur Erreichung desselben Ziels (einheitliche Durchsetzung des Patentschutzes im gesamten betroffenen Hoheitsgebiet) zumutbaren Durchsetzungsmaßnahmen zu Gebote. Die Rechtsdurchsetzung eines Europäischen Bündelpatentes im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist unabhängig davon, dass sie in jedem betroffenen Vertragsstaat gesondert zu erfolgen hat, mit teilweise beträchtlichen weiteren Hindernissen verbunden; das gilt insbesondere für die Rechtsdurchsetzung in der Bundesrepublik Deutschland, in der die maßgeblichen Verletzungsgerichte zumindest bis zur EuGH-Entscheidung in der Sache C44/21 (Phoenix/Harting) den Erlass einstweiliger Maßnahmen davon abhängig
gemacht haben, dass das Patent ein kontradiktorisches Bestandsverfahren zumindest erstinstanzlich mit Erfolg durchlaufen hat. Angesichts dessen ist nachvollziehbar, dass die Antragstellerinnen gestützt auf das Stammpatent in der Bundesrepublik Deutschland 'nur' ein Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht München I angestrengt haben; dies kann angesichts der aufgezeigten Rechtsprechungspraxis nicht als nachlässig gewertet werden. Deshalb und auch im Hinblick auf die dargelegte Zunahme der Vermarktungsaktivitäten der Antragsgegnerinnen im Zeitraum vor dem 1. Juni 2023 (insbesondere die Werbetour durch Europa in der zweiten Aprilhälfte 2023 'European Summit', Anlage BP 18), kann den Antragstellerinnen nicht mit Erfolg vorgehalten werden, die Durchsetzung des Stammpatentes und auch des Streitpatentes nachlässig betrieben zu haben.
Angesichts der mit einem Einheitspatent gegenüber einem Bündelpatent bestehenden Durchsetzungsmöglichkeiten kann der Antragstellerin zu 2) auch nicht vorgeworfen werden, die Rechtsdurchsetzung durch den am 21. April 2023 beim Europäischen Patentamt gestellten Antrag auf Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung des Verfügungspatents im Hinblick auf die bevorstehende Einführung des Einheitspatents verzögert zu haben. Daraus ergibt sich jedenfalls kein Zuwarten bei der Beantragung einstweiliger Maßnahmen vor dem EPG, denn einstweilige Maßnahmen konnten beim EPG frühestens am 1. Juni 2023 beantragt werden, was die Antragstellerinnen getan haben. Durch die mit dem beantragten Einheitspatent bestehenden Möglichkeit einer einheitlichen Rechtsdurchsetzung hat die Antragstellerin zu 2) die Rechtsdurchsetzung letztlich beschleunigt und nicht verzögert.
- c. Den Antragstellerinnen kann auch nicht zugemutet werden, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Auch nach dem Vortrag der Antragsgegnerinnen ist davon auszugehen, dass durch die Abweisung des Anordnungsantrages und die dadurch fortbestehende Möglichkeit der Antragsgegnerinnen, patentgemäße Produkte in den Markt zu bringen, eben diese Produkte den Platz der Produkte der Antragstellerin zu 1) einnehmen und den Markt insofern dauerhaft blockieren. Selbst wenn die Antragstellerinnen trotz der als patentverletzend gerügten Handlungen der Antragsgegnerinnen und Dritter aktuell mit ihren Produkten Profite im
Markt erzielen sollten, bedeutet dies nicht, dass die angegriffenen Handlungen der Antragsgegnerinnen bei den Antragsstellerinnen nicht die beschriebenen (langfristigen) Schäden verursachen. Die Vermarktungsaktivitäten der Antragsgegnerinnen sind folglich geeignet, den Antragstellerinnen (ob nun als Lizenzgeber oder Lizenznehmer des Streitpatentes) erhebliche, insbesondere langfristige Schäden zu verursachen. Für die Notwendigkeit der Anordnung einstweiliger Maßnahmen gegenüber den Antragsgenerinnen kommt es nach Art. 62 EPGÜ auch nicht darauf an, ob und inwieweit den Antragstellerinnen auch durch die Handlungen Dritter Schäden drohen, zumal konkreter Vortrag zu diesen Handlungen (Verletzungsgegenstand, Verbreitungsgebiet, Marktbedeutung etc.) fehlt und damit unklar bleibt, ob und inwieweit solche nicht näher spezifizierten Handlungen weiterer Marktteilnehmer gleichbedeutend und damit gleich zu behandeln sind.
2. Die Anordnung einstweiliger Maßnahmen ist auch in sachlicher Hinsicht notwendig.
Die Notwendigkeit ergibt sich aus dem Schaden, der den Antragstellerinnen durch das rechtsverletzende Produktangebot der Antragsgegnerinnen droht. Die Antragsgegnerinnen wenden gegen die Anordnung einstweiliger Maßnahmen auch ohne Erfolg die angebliche Missachtung zwingender Verfahrensvorschriften ein. Der Anordnung einstweiliger Maßnahmen steht auch der von den Antragsgegnerinnen geltend gemachte Lizenzanspruch gegenüber der Antragstellerin zu 2) nicht entgegen, denn das Bestehen eines solchen Lizenzanspruches ist nicht zur Überzeugung der Lokalkammer dargetan.
- a. Die Antragstellerinnen haben vorgetragen, ihnen würde ein nicht wiedergutzumachender Schaden drohen, wenn sie darauf verwiesen würden, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der Markt um die patentgemäßen Produkte sei sehr jung und befinde sich in einer initialen Phase, in der sich entscheide, an welche Anbieter sich Abnehmer von high-multiplex in-situ Imaging-Systemen für die nächste Dekade binden. Dieser Vortrag wird sich durch die Werbemaßnahmen der Antragsgegnerinnen bestätigt.
Die Streitparteien gehen mit Blick auf die im Streit stehenden Produkte übereinstimmend von einem langjährigen Produktlebenszyklus aus (Anordnungsantrag S. 99; Einspruch Tz. 873). Die Antragstellerinnen haben vorgetragen, dass sich Abnehmer aufgrund der Anschaffung des Verletzungsgegenstandes 1 über viele Jahre an den Bezug der Nachweisreagenzien und Decodersonden an die Antragsgegnerinnen binden würden. Dieser Einschätzung entspricht - umgekehrt der Vortrag der Antragsgegnerinnen, wonach der Markt durch eine Unterlassungsanordnung zu Lasten der Antragsgegnerinnen auf Jahre verschlossen würde, weil sich die Kunden durch eine Anschaffung auf Jahre festlegen würden. Zutreffend spricht Professor S. in dem von den Antragsgegnerinnen vorgelegten Gutachten daher von einem spiegelbildlichen Risiko, welches sich aus der langfristigen Kundenbindung ergibt.
Damit beschreiben die Parteien übereinstimmend eine Situation, in der entweder den Antragsgegnerinnen aus dem Erlass der Verfügung möglicherweise ein Schaden erwächst oder - spiegelbildlich - den Antragstellerinnen aus der Abweisung des Antrags ein entsprechender Schaden erwachsen kann:
- -Werden die Antragsgegnerinnen durch eine Verbotsanordnung einstweilen vom Markt ausgeschlossen, hat dies zur Folge, dass verpasste Geschäftschancen aus der Phase des Ausschlusses auch im Falle einer späteren Zulassung zum Markt (etwa durch eine Entscheidung zugunsten der Antragsgegnerinnen im Hauptsacheverfahren) angesichts der langen Lebensdauer der Produkte unwiderbringlich vertan sein dürften;
- -müssen die Antragstellerinnen im Falle der Abweisung des Anordnungsantrages dulden, dass die Antragsgegnerinnen zumindest einstweilen die Möglichkeit erhalten, mit den von beiden Parteien übereinstimmend beschriebenen langfristigen Folgen Teile des Marktes zu besetzen, kann auch dies angesichts der Besonderheiten der betroffenen Produkte und des nachgelagerten Absatzmarktes für die angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 faktisch kaum rückgängig gemacht werden. Soweit die Antragsgegnerinnen meinen, die Antragstellerinnen hätten die Möglichkeit, von den Antragsgegnerinnen gewonnene Marktanteile durch die Rückabwicklung entsprechender Verträge der Antragsgegnerinnen mit ihren Kunden
zurückzuerwerben, so ist dies den Antragstellerinnen schon deshalb nicht zuzumuten, da sie insofern gegen eigene und auch potentielle Kunden vorgehen müssten; ungeachtet des damit zu betreibenden Aufwandes würde damit auch die Reputation der Antragstellerinnen im Verhältnis zu ihren Kunden geschädigt. All dies gilt im Übrigen auch für die lizenzgebende Antragstellerin zu 2) im Hinblick auf die Erlöse aus der Lizenz.
Das beschriebene Schadensrisiko betrifft folglich die Antragsgegnerinnen nicht einseitig. Ausgehend davon wiegt nach Ansicht der Lokalkammer das Interesse des Rechtsinhabers, nicht in seinen Rechten verletzt zu werden, höher als das Interesse des potentiellen Rechtsverletzers, sich bereits jetzt durch die Fortsetzung der Rechtsverletzung Marktanteile zu sichern, die er über einen etwaigen Lizenzabschluss später nicht mehrt erlangen kann. Der den Antragstellerinnen durch eine Fortsetzung der rechtsverletzenden Handlungen durch die Antragsgegnerinnen potentiell entstehende Schaden kann auch nur schwer finanziell ausgeglichen werden, da es um langfristig wirkende Erwerbsvorgänge geht; deren Rückabwicklung ist für die Antragstellerinnen im Vergleich zu den an diesen Vorgängen vertraglich beteiligten Antragsgegnerinnen ungleich schwieriger.
- b. Die Antragsteller haben bei der Antragstellung auch keine Verfahrensvorschriften missachtet; diesbezüglich kann auf die Ausführungen unter A. II. verwiesen werden. Die Lokalkammer kann daher offen lassen, ob - wie die Antragsgegnerinnen vorbringen - die Missachtung von Verfahrensvorschriften die fehlende Notwendigkeit für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen belegt.
- c. Die Antragsgegnerinnen konnten das Gericht auch nicht davon überzeugen, dass ihnen gegen die Antragstellerin zu 2) ein Lizenzanspruch zusteht, welcher der beantragten Unterlassungsanordnung entgegengehalten werden kann.
- aa. Ein nach US-Recht bestehender Lizenzanspruch ist nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt.
- (1.) Sofern die Antragsgegnerinnen vorbringen, der Lizenzanspruch ergebe sich unmittelbar aus dem Vertrag zwischen dem NIH und der Antragsgegnerin 2) , steht dem entgegen, dass sich die Antragsgegnerinnen auf eine etwaige Verpflichtung der Antragstellerin zu 2) zur Erteilung einfacher Lizenzen nicht als
Drittbegünstigte berufen können. Der District Court of Delaware ist in seiner als Memorandum opinion and order bezeichneten Entscheidung vom 10. Juli 2023 zu Folgendem Ergebnis gekommen:
- '…NanoString has not plausibly alleged that it is a third-party beneficiary of the NIH grant agreement.'
Den nachvollziehbar begründeten Ausführungen des US-Gerichts folgt die Lokalkammer, welche selbst keine vertiefte Expertise im US-Recht hat.
Die hiergegen unter Vorlage zweier Gutachten von Professor C. vorgebrachten Argumente der Antragsgegnerinnen vermögen demgegenüber nicht zu überzeugen. Zwar ist mit den Antragsgegnerinnen davon auszugehen, dass gegen die endgültige Entscheidung des US-Gerichts (das Memorandum scheint eine vorläufige Entscheidung über die Zulassung verschiedener Anträge zu sein) Rechtsmittel möglich sind. Nach Ansicht der Lokalkammer hat das US-Gericht den Lizenzanspruch allerdings zu Recht verneint.
Dabei kann offenbleiben, ob zum Beleg einer Rechtsbehauptung (hier: Bestehen eines Lizenzanspruches nach US-Recht) vorgelegte Rechtsgutachten überhaupt einen Sachverständigenbeweis im Sinne der Regel 181 VerfO darstellen (nach Art. 54 EPGÜ sind Gegenstand des Beweises Tatsachen).
Offen bleiben kann letztlich auch, ob es sich im Falle der Gutachten von Professor C. um eine nach Regel 181 Nr. 2 VerfO unabhängige und objektive Begutachtung handelt; zumindest aufgrund der etwas befremdlichen und nicht veranlassten Auseinandersetzung des Gutachters mit dem Internetauftritt der Antragstellervertreter (Gutachten vom 23. August 2023, dort Ziffer 3.) und der insgesamt tendenziell einseitigen Rechtsausführungen zugunsten der Antragsgegnerinnen sind insofern erhebliche Zweifel angezeigt.
Entscheidend ist aber, dass sich aus den Gutachten von Professor C. über die bloße Rechtsbehauptung hinaus nicht ergibt, warum die Antragsgegnerinnen im konkreten Fall Drittbegünstigte sein sollen; die Gutachten erschöpfen sich insofern im wesentlichen in allgemeinen Ausführungen, zeigen aber die konkrete Anwendung der (meist allenfalls in Fußnoten genannten) einschlägigen US-amerikanischen Regelungen auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht auf
(Gutachten vom 17. Juli 2023, Textziffer 65 ff.). Mit den Gutachten wird ausgeführt, andere US-Gerichte hätten in vergleichbaren Fällen eine Drittbegünstigung erkannt (Gutachten vom 17. Juli 2023, ab Textziffer 64). Sodann werden Ausführungen zu FRAND-Konstellationen gemacht, ohne darzulegen, dass es sich auch im hier zu beurteilenden Fall um eine entsprechende FRAND-Konstellation handelt und die jeweiligen Entscheidungen insofern überhaupt einschlägig sind (Gutachten vom 17. Juli 2023, Textziffer 68 ff. und nochmals bei Textziffer 81). Auch die Ausführungen zu federal funding agencies (Gutachten vom 17. Juli 2023, Textziffer 73 ff.) sind in diesem Zusammenhang nicht zielführend, da die Antragsgegner offensichtlich keine solche Institution darstellen.
- (2.) Ein Lizenzanspruch , welcher das Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedsstaaten des EPGÜ miteinschließt, ergibt sich zur Überzeugung der Lokalkammer auch nicht als Folge etwaiger Verstöße der Antragstellerinnen gegen vertragliche Verpflichtungen gegenüber dem NIH aus US-Wettbewerbs- oder US-Kartellrecht .
Eine zugunsten der Antragsgegnerinnen ergangene Entscheidung eines US-Gerichts, die den behaupteten Lizenzanspruch aus US-Wettbewerbs- oder Kartellrecht zum Gegenstand hat und im Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedsstaaten des EPGÜ anerkennungsfähig und vollstreckbar ist, ist nicht vorgetragen.
Die Antragsgegnerinnen stellen lediglich die Rechtsbehauptung auf, einen Lizenzanspruch zu haben, wenn das Verhalten der Antragsteller US-Kartellrecht oder US-Wettbewerbsrecht ('unfair competition') verletze oder sonst im Hinblick auf die 'unclean hands'-Rechtsprechung relevant sei. Der Gutachter führt aus (deutsche Übersetzung):
'Wenn nachgewiesen wird, dass Harvard oder 10x Genomics Handlungen vorgenommen haben, die gegen US-Kartellrecht oder das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verstoßen oder anderweitig als Beweis für 'unclean hands' in Bezug auf die durch die NOH geförderten Patente zu werten ist, hat Nano-String Anspruch auf eine Lizenz im Hinblick auf diese Patente.'
Sodann folgen wiederum allgemeine Ausführungen zum US-Recht und den Möglichkeiten von US-Gerichten (Gutachten vom 17. Juli 2023, Textziffer 100 ff., 108 ff.); es fehlt allerdings die Nennung konkreter Regelungen des US-Kartellrechts
oder des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb und deren konkrete Anwendung auf den zugrundegelegten Sachverhalt. Es fehlt auch jede Darlegung dazu, welche Auswirkungen eine mögliche Entscheidung eines US-Gerichts für das Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedsstaaten des EPGÜ haben und nach welchen Regelungen des US-Rechts sich eine solche Entscheidung überhaupt auf dieses Territorium erstrecken können sollte.
- bb. Auch der Einwand eines nach europäischem Recht bestehenden Lizenzanspruchs der Antragsgegnerinnen gegenüber der Antragstellerin zu 2) greift nicht. Die Antragsgegnerinnen können sich nicht auf eine nach europäischem Recht bestehende Verpflichtung der Antragstellerin zu 2) zur Einräumung einer Lizenz am Streitpatent berufen. Die Antragsgegnerinnen halten den Antragstellerinnen insoweit ohne Erfolg den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung entgegen. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerinnen kann schon nicht von einer marktbeherrschenden Stellung der Antragstellerinnen ausgegangen werden; selbst wenn man eine marktbeherrschende Stellung der Antragstellerinnen annehmen wollte, ist deren Missbrauch nicht ersichtlich.
- (1.) Es kann - soweit dies in einem summarischen Verfahren und unter Zugrundelegung des knappen schriftsätzlichen Vortrags der Parteien hierzu überhaupt verlässlich beurteilt werden kann - nicht von einer marktbeherrschenden Stellung der Antragstellerinnen ausgegangen werden.
Ein verbotener Missbrauch von Marktmacht erfordert im europäischen Recht (Art. 102 AEUV) das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung. Der EuGH versteht darunter
'die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens …, die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten' (siehe etwa die Entscheidung des EuGH in der Sache C-549/10 P).
Zur Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung muss zunächst der relevante Markt in sachlicher und räumlicher Hinsicht abgegrenzt werden, ehe festgestellt werden kann, ob auf diesem Markt eine marktbeherrschende Stellung
besteht. Dies gilt grundsätzlich auch für Sachverhalte mit Bezug zu Immaterialgüterrechten. Entsprechend dem herrschenden Bedarfsmarktkonzept ist somit nach der Nachfragesubstituierbarkeit der Produkte oder Leistungen, d. h. danach zu fragen, ob die Produkte aus Abnehmersicht marktgleich austauschbar sind. Eine andere Frage ist, ob jede immaterialgüterrechtlich geschützte Leistung einen eigenen sachlichen Markt bildet. Das kann nur angenommen werden, wenn eine geschützte Leistung aus Nachfragersicht nicht mit anderen Leistungen austauschbar ist. Im Ergebnis enthebt selbst die Existenz eines bedeutsamen Schutzrechts den Rechtsanwender nicht von der Verpflichtung, bei der Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung sämtliche relevanten Marktbedingungen in ihren Wirkungen im Einzelnen zu würdigen, um eine ausreichend fundierte Feststellung hinsichtlich der Fähigkeit des Schutzrechtsinhabers, sich weitgehend unabhängig von Wettbewerbern und Nachfragern im betroffenen Markt zu verhalten, treffen zu können. Im Bereich der patentgeschützten Technologie ist eine Verengung des sachlichen Marktes auf das Patent und damit die Vermittlung von Marktbeherrschung durch das Patent dann denkbar, wenn keine andere marktgleiche Technologie vorhanden ist. Marktbeherrschung können auch Defacto-Standards vermitteln, die zwar - anders als im Falle standartessenzieller Patente - nicht auf einer vereinbarten Norm, sondern auf einer tatsächlichen Durchsetzung gegenüber anderen technischen Lösungen beruhen. Fehlende Standardessenzialität eines Patents steht der Annahme einer Marktbeherrschung durch den Patentinhaber folglich nicht notwendig entgegen. Die Marktbeherrschung kann sich auch allein aus der Überlegenheit der patentgeschützten Technologie ergeben.
Die Darlegungs- und Beweislast für eine marktbeherrschende Stellung der Antragstellerinnen tragen nach Art. 54 EPGÜ die Antragsgegnerinnen, welche sich gegenüber dem geltend gemachten Verbotsantrag auf einen Lizenzanspruch nach europäischem Kartellrecht berufen.
- (a.) Die Antragsgegnerinnen tragen allerdings vor, das Streitpatent sei nicht valide, die Antragstellerinnen würden vielmehr unter anderem mit dem Streitpatent ein rechtswidriges Dickicht aus ungültigen Patenten aufbauen. Damit fehlt es schon an schlüssigem Vortrag zu einer marktbeherrschenden Stellung der
Antragstellerinnen, denn ungültige Patente vermögen im Hinblick darauf, dass sie auf Antrag eines Wettbewerbers für nichtig erklärt werden können, grundsätzlich keine marktbeherrschende Stellung ihres Inhabers und in der Folge auch keinen Lizenzanspruch gegenüber dem Patentinhaber zu begründen.
- (b.) Geht man indes - wie die Lokalkammer - von der Gültigkeit des Streitpatentes aus (dazu oben IV.) und berücksichtigt bei der Beurteilung der kartellrechtlichen Lage auch den Vortrag der Antragstellerinnen, ergibt sich Folgendes:
Die Antragsstellerinnen haben vorgetragen, die patentierte Erfindung erlaube erstmalig die Detektion von 1000 und mehr Analyten in einer Probe in situ , während es auf Basis des Standes der Technik allenfalls möglich gewesen sei, maximal 6 bis 10 Analyten in situ in einer Probe zu detektieren. Es handele sich also um einen Technologiesprung , der vor allem Forschungseinrichtungen quantitativ und qualitativ zuvor unerreichbare Erkenntnisse ermögliche. Damit legt der Vortrag der Antragstellerinnen die Annahme einer Marktbeherrschung aufgrund der Überlegenheit der patentgeschützten Technologie zumindest nahe.
Allerdings haben die Antragsgegnerinnen ihrerseits vorgetragen, die angegriffene Ausführungsform sei technologisch einzigartig; Forschungseinrichtungen und pharmazeutische Unternehmen seien für ihre Arbeit auf die angegriffenen Ausführungsformen angewiesen und können sie nicht durch eine alternative auf dem Markt erhältliche Analysemethode ersetzen (Einspruch vom 21. Juli 2023, Textziffer 933). Im Vergleich zu allen anderen auf dem Markt erhältlichen In-situ-Profiling-Instrumenten könnten die angegriffenen Ausführungsformen die größte Anzahl von RNA-Molekülen in einer Probe nachweisen. Die mit dem Produkt zur Anwendung gebrachten Verfahren seien durch Patente aus mindestens 9 Patentfamilien geschützt.
Damit ergibt sich aus dem Parteivortrag, dass beide Seiten für den relevanten Produktmarkt jeweils auf einzigartige, nicht-substituierbare und patentgeschützte Technologien verweisen, die potentiell eine marktbeherrschende Stellung begründen. Aus dem Vortrag ergeben sich damit aufgrund der jeweils behaupteten technologische Stärke der Marktteilnehmer Anhaltspunkte für das Bestehen einer
wechselseitigen Abhängigkeit. Auch danach kann nicht ohne weiteres von einer einseitig bestehenden Marktmacht der Antragstellerinnen ausgegangen werden.
- (c.) Eine vollständige und abschließende Beurteilung der Frage der Marktbeherrschung ist der Lokalkammer allerdings im summarischen Verfahren wegen des insoweit knappen Parteivortrags nicht möglich.
- (2.) Selbst dann aber, wenn man von einer marktbeherrschenden Stellung der Antragstellerinnen ausgehen wollte, fehlt es an deren Missbrauch durch die Antragstellerinnen.
Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache C 170/13 (Huawei./.ZTE) -entschieden, dass Art. 102 AEUV dahin auszulegen ist, dass der Inhaber eines standardessenziellen Patents (SEP), der sich gegenüber der Standardisierungsorganisation unwiderruflich verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen (sogenannte FRAND-Bedingungen) zu erteilen, seine marktbeherrschende Stellung nicht durch eine Unterlassungsklage missbraucht, wenn er den angeblichen Verletzer vor Erhebung der Klage auf die Patentverletzung hingewiesen hat, dieser daraufhin eine entsprechende Lizenzwilligkeit zum Ausdruck gebracht hat und der Patentinhaber dem Patentverletzer daraufhin ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu diesen Bedingungen unterbreitet hat, mit dem insbesondere die Lizenzgebühr angegeben wurde. Der Inhaber eines SEP handelt daher missbräuchlich, wenn er einem lizenzwilligen Lizenzsucher kein konkretes schriftliches Lizenzangebot unterbreitet.
Diese Rechtsprechung bezieht sich allerdings nur auf standardessenzielle Patente. Der Europäische Gerichtshof begründet die dem Patentinhaber auferlegte Angebotsverpflichtung ausdrücklich damit, dass sich der Patentinhaber gegenüber der Standardisierungsorganisation verpflichtet hat, jedem Dritten zu FRAND-Bedingungen eine Lizenz für dieses Patent zu erteilen. Diese Verpflichtung ist gewissermaßen die Gegenleistung des Patentinhabers für die Aufnahme seiner patentgeschützten Erfindung in den Standard.
Der Europäische Gerichtshof hat allerdings nicht darüber entschieden, ob die Verpflichtung zu einem Lizenzangebot gleichermaßen auch in anderen Fällen -
etwa im Falle eines de-facto-Standards - gilt. Geht man entsprechend den vorstehenden Ausführungen von einer möglichen marktbeherrschenden Stellung der Antragstellerinnen aus, ist der maßgebliche Unterschied zu der vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen SEP-Konstellation insbesondere das dort vom Patentinhaber abgegebene, drittbegünstigende Lizenzierungsversprechen . An einem solchen fehlt es nach dem auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt anwendbaren US-Recht (siehe die Entscheidung des District Court of Delaware ).
Im Gegensatz zu SEP-Konstellationen, in denen eine drittbegünstigende Angebotsverpflichtung des Patentinhabers besteht, ist der marktbeherrschende Patentinhaber grundsätzlich nicht verpflichtet, selbst die Gestattung der Benutzung der Erfindung anzubieten. Erforderlich ist deshalb ein konkretes Lizenzangebot des Lizenzsuchers zu nicht behindernden oder diskriminierenden Bedingungen. Lehnt der Patentinhaber dieses ab, missbraucht er seine marktbeherrschende Stellung.
Die Antragstellerinnen haben bis zur mündlichen Verhandlung kein konkretes Lizenzangebot abgegeben, sondern lediglich - dies allerdings mehrfach - um die Abgabe eines Lizenzangebotes der Antragstellerin zu 2) ersucht (siehe Duplik, Textziffer 321). Die Antragstellerin zu 2) war allerdings nicht verpflichtet, die Benutzung des Streitpatents durch Unternehmen zu dulden, die nicht bereit sind, den Abschluss eines entsprechenden Lizenzvertrages selbst anzubieten.
Soweit die Antragsgegnerinnen der Antragstellerin zu 2) in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf die Anlage BP 1 (Exklusiver Lizenzvertrag zwischen den Antragstellerinnen) ein Lizenzangebot unterbreitet haben, erfolgte dieses Angebot mit Blick auf die zu treffende Anordnung zu spät, da sich die Antragstellerin zu 2) hierauf im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht einlassen konnte. Hinzu kommt, dass die BP 1 lediglich eine Lizenz am deutschen Teil des Stammpatentes ('…license under the German national part of EP 2 794 928…') bzw.
'…under the German national part of any divisional patent of EP'928…'
betrifft und damit keine Lizenzierung des Streitpatentes darstellen kann, welches als Einheitspatent keine nationalen Teile hat. Hinzu kommt weiter, dass es sich
bei dem Angebot in der mündlichen Verhandlung auch deshalb nicht um ein annahmefähiges Angebot zu angemessenen Bedingungen handelt, weil das Angebot nur in die Zukunft gerichtet ist, ohne auch die bereits erfolgte Nutzung des Streitpatentes in der Vergangenheit durch entsprechende Abrechnungs- und Zahlungszusagen abzubilden.
VIII. Zuletzt ist der Erlass der beantragten Anordnung auch nach der vorzunehmenden I nteressenabwägung (Art. 62 Abs. 2 EPGÜ, Regel 211 Nr. 3 VerfO) veranlasst.
Nach Maßgabe von Art. 62 Abs. 2 EPGÜ (Regel 211 Nr. 3 VerfO) hat das Gericht nach Ermessen die Interessen der Parteien im Hinblick auf den Erlass der Anordnung oder die Abweisung des Antrags gegeneinander abzuwägen; dabei sind alle relevanten Umstände in die Abwägung einzustellen, insbesondere auch die möglichen Schäden, die den Parteien durch den Erlass der Anordnung oder die Abweisung des Anordnungsantrages erwachsen können. Für die Ausübung des Ermessens ist dabei auch der Wahrscheinlichkeitsgrad, zu dem das Gericht vom Vorliegen der einzelnen in die Abwägung einzustellenden Umstände überzeugt ist, maßgeblich. Je sicherer die Überzeugung des Gerichts davon ist, dass der Rechtsinhaber die Verletzung eines gültigen Patents geltend macht, aufgrund sachlicher und zeitlicher Umstände die Notwendigkeit zum Anordnungserlass besteht und dem auch mögliche Schäden des Gegners oder sonstige berechtigte Einwendungen nicht entgegenstehen, desto eher ist der Erlass einer Untersagung gerechtfertigt. Je eher hingegen hinsichtlich einzelner der für die Interessenabwägung maßgeblichen Umstände relevante Unsicherheiten bestehen, die der Überzeugung des Gerichts abträglich sind, wird das Gericht als mildere Maßnahme die an eine Sicherheitsleistung geknüpfte Zulassung der Fortsetzung der angeblichen Verletzung oder gar die Abweisung des Antrags in Betracht zu ziehen haben.
Ausgehend davon kommt die Lokalkammer zu folgendem Abwägungsergebnis:
Die antragsberechtigten Antagstellerinnen werden durch die im Streit stehenden Handlungen der Antragsgegnerinnen in ihren sich aus dem Streitpatent ergebenden Rechten verletzt; davon geht die Lokalkammer mit sehr hoher
Wahrscheinlichkeit aus. Die Lokalkammer ist auch mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass das Streitpatent gültig ist; diese Überzeugung wird auch durch den auf Anregung der Lokalkammer von den Antragstellerinnen in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag, mit dem das Streitpatent in beschränkter Fassung geltend gemacht wird, nicht verringert. Die Lokalkammer ist auch der klaren Überzeugung, dass einstweilige Maßnahmen aufgrund der Verletzung eines gültigen Patentes notwendig sind, und zwar sowohl in sachlicher und auch zeitlicher Hinsicht. Die Antragstellerinnen können der begehrten Unterlassungsanordnung nach der Überzeugung der Lokalkammer insbesondere nicht entgegenhalten, es bestehe ein Lizenzanspruch gegenüber der Antragstellerin zu 2). Auch die Möglichkeit langfristiger Schäden durch die Anordnung der einstweiligen Maßnahmen bzw. deren Abweisung sieht die Lokalkammer nicht einseitig zu Lasten der Antragsgegnerinnen.
Es bestehen auch keine weiteren im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände, die gegen eine Unterlassungsanordnung sprechen:
- -Soweit die Antragsgegnerinnen vorbringen, eine Unterlassungsanordnung sei in jedem Fall unverhältnismäßig, weil es sich bei dem angegriffenen Verfahren 'um ein völlig untergeordnetes Teil eines größeren, komplexen Produkts' handele, vermag die Lokalkammer schon nicht festzustellen, wie das mit den angegriffenen Ausführungsformen ausführbare Verfahren als 'Teil' eines Produkts beschrieben werden kann oder welcher quotale Anteil ihm zuzuschreiben sein soll; es handelt sich hier jedenfalls offensichtlich nicht um eines der von den Antragsgegnerinnen mit 2394 Stück angegebenen Einzelteilen. Die Lokalkammer kann auch im Rahmen eines summarischen Verfahrens nicht verlässlich feststellen, welche weiteren Patente oder - mit möglicherweise hohem finanziellen Aufwand entwickelten - Systeme in den angegriffenen Ausführungsformen Verwendung finden, wie werthaltig diese sind und wie sie sich im Verhältnis zum Streitpatent darstellen. Es besteht im Anwendungsbereich des EPGÜ auch kein Rechtsgrundsatz dahin, dass die Rechte Dritter mit einem komplexen Produkt ohne die Folge einer Unterlassungsanordnung verletzt werden können, wenn zur Entwicklung des betroffenen Produktes ein hoher finanzieller Aufwand betrieben wurde. Es
fehlt auch jeder konkrete Vortrag dazu, warum keine (technische) Möglichkeit besteht, die nach dem Vortrag der Antragsgegnerinnen offenbar multifunktionale Ausführungsform 1 ohne ihre patentverletzende Funktion anzubieten. Hinzu kommt, dass sich die Antragsgegnerinnen auch durch das vom Landgericht München I im Hinblick auf die hier streitigen Produkte ausgesprochene Verbot offenbar nicht veranlasst gesehen haben, ihrerseits mit einem Lizenzangebot auf die Antragsgegnerin zu 2) zuzugehen, um eine mögliche Unterlassungsanordnung abzuwenden.
- -Soweit die Antragsgegnerinnen zur Verhältnismäßigkeit einer Unterlassungsanordnung weiter vorbringen, die Antragstellerin zu 2) habe als NonPracticing-Entity ("NPE") überhaupt kein schutzwürdiges Interesse an der Durchsetzung einer Unterlassungsanordnung, da sie als Lizenzgeberin nur monetäre Interessen verfolge, folgt die Lokalkammer auch dieser Argumentation nicht. Nach Art. 62 Abs. 2 EPGÜ kann auch und gerade ein möglicher finanzieller Schaden die Anordnung eines Verbots rechtfertigen; die Lokalkammer geht davon aus, dass die Antragstellerin zu 2) einen solchen als Patentinhaberin und Lizenzgeberin mit langfristigen Folgen erleiden wird, wenn weitere Verletzungen durch die Antragsgegnerinnen nicht verhindert werden. Auch Art. 47 EPGÜ zeigt, dass der Status als NPE für sich genommen für die Antragsberechtigung keine Bedeutung hat.
- -Soweit sich die Antragsgegnerinnen darauf berufen, die Unverhältnismäßigkeit einer Unterlassungsanordnung ergäbe sich auch daraus, dass die angegriffenen Ausführungsformen nicht-substituierbar und damit von unersetzlicher Bedeutung für die Erforschung einer Vielzahl von schweren, lebensbedrohlichen Krankheiten und die Entwicklung von Therapien gegen diese in den EPG-Vertragsstaaten seien, verfängt auch dieses Argument nicht: Die Antragstellerinnen haben vorgetragen, es handele sich im Verhältnis zu den Produkten der Antragstellerin zu 1) um Konkurrenzprodukte . Dies bestätigt die Antragsgegnerseite in ihrer Duplik vom 24. August 2023 (Textziffer 341), wenn sie ausführt, dass es sich
'…bei der angegriffenen Ausführungsform 1 wie auch dem Konkurrenzprodukt von Antragsteller 1 um einen Gegenstand mit sehr langer
Produktlebensdauer ('…Produkt, das für die Nutzung über viele Jahre bzw. Dekaden überspannend …angeschafft wird') [handelt]. Genau das führt dazu, dass eine einstweilige Unterlassungsanordnung den Antragsgegnern dauerhaft den Markt blockieren würde. …' (Unterstreichung durch die Lokalkammer)
Handelt es sich aber um Konkurrenzprodukte und substituieren die Produkte der Antragstellerin zu 1) diejenigen der Antragsgegnerinnen derart, dass für die Produkte der Antragsgegnerinnen sogar im Falle der Aufhebung einer ergangenen Unterlassungsanordnung der Markt blockiert wäre, kann nicht gleichzeitig angenommen werden, es handele sich bei den angegriffenen Ausführungsformen um auf dem Markt nicht ersetzbare Produkte.
Der Vortrag der Antragsgegnerinnen zu etwaigen Folgen einer Unterlassungsanordnung für die Forschungstätigkeit Dritter stellt sich als bloße Behauptung dar, zu der konkrete, nachprüfbare und einlassungsfähige Umstände nicht vorgetragen sind. Unklar ist insbesondere, welche konkreten Forschungsvorhaben und -ergebnisse in Gefahr gebracht würden. Der Vortrag nimmt in diesem Zusammenhang auch keinerlei Bezug auf die nach Art. 27 EPGÜ bestehenden Ausnahmeregelungen.
-
-Die Lokalkammer kann im Rahmen der Möglichkeiten eines summarischen Verfahrens auch nicht feststellen, dass die Antragstellerinnen - wie von den Antragsgegnerinnen behauptet - ein rechtswidriges Dickicht nicht rechtsbeständiger Patente aufbauen. Insoweit kann zumindest nicht festgestellt werden, dass sämtliche der von den Antragstellerinnen im Zusammenhang mit den angegriffenen Ausführungsformen geltend gemachten Patente ungültig sind. Zumindest für das Streitpatent geht die Lokalkammer von der Gültigkeit aus; nach vorläufiger Ansicht des Bundespatentgerichts ist auch der deutsche Teil des Stammpatents zumindest im Hilfsantrag rechtsbeständig. Die Beurteilung weiterer Patente ist der Lokalkammer auch angesichts des allenfalls pauschalen Vortrags der Antragsgegnerinnen hierzu verwehrt. Von einem 'rechtswidrigen Patentdickicht' kann jedenfalls nach derzeitiger Einschätzung der Lokalkammer nicht ausgegangen werden.
-
-Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist auch - entgegen der von der Antragsgegnerseite geäußerten Ansicht - für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen nicht ungeeignet . Die Lokalkammer sieht mit Blick auf die Regelungen im EPGÜ und der VerfO keine Anhaltspunkte dafür, dass das EPG im Falle hochkomplexer Technologien und wegen der Vielzahl der zu behandelnden Themen (hier: Zulässigkeit, Zuständigkeit, Aktivlegitimation, Rechtsbestand, US-Recht, Kartellrecht, unmittelbare/mittelbare Patentverletzung) von der Anordnung einstweiliger Maßnahmen absehen sollte. In seinen Erwägungsgründen bringt das EPGÜ gerade zum Ausdruck, dass das EPG in der Lage sein sollte, rasche und hochqualifizierte Entscheidungen sicherzustellen.
Unter Berücksichtigung und Würdigung all dieser Umstände kommt die Lokalkammer zu dem Ergebnis, dass die beantragten Maßnahmen - dem Anordnungsantrag im wesentlichen folgend - ohne Sicherheitsleistung anzuordnen sind und eine Fortsetzung der Verletzung gegen die Stellung von Sicherheiten nicht angemessen wäre. Auch aus den darüber hinaus von den Antragsgegnerinnen vorgebrachten Argumente führen zu keinem abweichenden Ergebnis.

B.
Rechtsgrundlage für die Anordnung, wonach die jeweilige Antragsgegnerin im Falle jeder Zuwiderhandlung gegen die Anordnungen nach Ziffer A.I. bis A.IV. ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR pro Zuwiderhandlung an das Gericht zu zahlen, ist Regel 354 Nr. 3 VerfO. Die Angabe eines Höchstbetrages ist im Hinblick auf den Verkaufswert der angegriffenen Ausführungsformen zu 1 angemessen und lässt dem Gericht im Falle anderer Ausführungsformen den notwendigen Spielraum zur Festsetzung eines angemessenen Zwangsgeldes nach Regel 354 Nr. 4 VerfO.
C.
Der Antrag war insoweit abzuweisen, als die Antragstellerinnen neben der Unterlassung auch die Abstellung der rechtsverletzenden Handlungen beantragt haben.

D.
Die weitgehend unterlegenen Antragsgegnerinnen haben nach Art. 69 Abs. 1 und 2 EPGÜ die Kosten des Verfahrens zu erstatten. Aus der geringfügigen Abweisung des Anordnungsantrages ergibt sich keine Kostenfolge.
E.
Die sofortige Vollstreckbarkeit der Anordnungen ergibt sich aus Regel 350 Nr. 2, 354 Nr. 1 VerfO; danach sind die hier getroffenen Anordnungen ab dem Tag ihrer Zustellung in jedem Vertragsmitgliedstaat unmittelbar vollstreckbar.
F.
Der Antrag der Antragsgegnerinnen, den Erlass einstweiliger Maßnahmen von der Beibringung einer Sicherheitsleistung durch die Antragstellerinnen für die Vollstreckung abhängig zu machen, war abzuweisen.
Nach Regel 211 Nr. 5 VerfO kann das Gericht anordnen, dass der Antragsteller für die im Falle der Aufhebung der Anordnung einstweiliger Maßnahmen durch das Gericht eventuell von ihm zu leistende angemessene Entschädigung des Antragsgegners für den Schaden, den dieser wahrscheinlich erleiden wird, angemessene Sicherheit zu leisten hat.
Für die Lokalkammer bestehen nach dem Vortrag der Parteien keine Anhaltspunkte dafür, dass im Falle einer etwa notwendigen Vollstreckung eines Entschädigungsanspruches der Antragsgegnerinnen gemäß Regel 211 Nr. 5 VerfO gegen die Antragstellerinnen in den USA Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Vollstreckung zu erwarten sind, die eine Sicherheitsleistung erfordern; dies gilt sowohl mit Blick auf die wirtschaftliche Verfassung der Antragstellerinnen als auch mit Blick auf das US-Vollstreckungsrecht.
Aus diesen Gründen erlässt die Lokalkammer München des EPG durch den Vorsitzenden Richter Dr. Zigann, die rechtlich qualifizierten Richter Kupecz und Pichlmaier sowie den technisch qualifizierten Richter Enderlin folgende
Entscheidung und Anordnungen
- A. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben in den Hoheitsgebieten der Republik Österreich, des Königreichs Belgien, der Republik Bulgarien, des Königreichs Dänemark, der Republik Estland, der Republik Finnland, der Französischen Republik, der Bundesrepublik Deutschland, der Italienischen Republik, der Republik Lettland, der Republik Litauen, des Großherzogtums Luxemburg, der Republik Malta, des Königreichs der Niederlande, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien und/oder des Königreichs Schweden, Folgendes zu unterlassen
- I. ein Verfahren zum Nachweisen einer Vielzahl von Analyten in einer Zelloder Gewebeprobe, umfassend
- (a) Anbringen (Mounting) der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger;
- (b) Kontaktieren der Zell- oder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung, die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst, wobei die Vielzahl der Nachweisreagenzien eine Vielzahl von Teilpopulationen der Nachweisreagenzien umfasst;
- (c) Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe zusammen mit der Vielzahl von Nachweisreagenzien für eine ausreichende Zeitdauer, um Binden der Vielzahl von Nachweisreagenzien an die Analyten zu ermöglichen; wobei
jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien auf einen unterschiedlichen Analyten zielt, wobei jedes der Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst: ein Sondenreagenz, das auf einen Analyten der Vielzahl von Analyten zielt, und
eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen, wobei das Sondenreagenz und die Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen miteinander konjugiert sind;
- (d) Nachweisen der Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen in einer zeitlich sequentiellen Weise, wobei das Nachweisen umfasst:
- (i) Hybridisieren eines Satzes von Decodersonden mit einer Teilsequenz der Nachweisreagenzien, wobei der Satz von Decodersonden eine Vielzahl von Teilpopulationen von Decodersonden umfasst, und wobei jede Teilpopulation der Decodersonden eine nachweisbare Markierung umfasst, wobei jede nachweisbare Markierung eine Signalsignatur produziert;
- (ii) Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur;
- (iii) Entfernen der Signalsignatur; und
- (iv) Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist; und
- (e) Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von Analyten in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird,
im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter A. genannten Staaten anzuwenden oder zur Anwendung im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter A. genannten Staaten anzubieten;
(unmittelbare Verletzung von Anspruch 1 des EP 4 108 782)
-
II. Vorrichtungen, die dazu geeignet sind, ein Verfahren zum Nachweisen einer Vielzahl von RNAs in einer Zell- oder Gewebeprobe durchzuführen, umfassend
-
(a) Anbringen (Mounting) der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger;
-
(b) Kontaktieren der Zell- oder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung, die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst, wobei die Vielzahl der Nachweisreagenzien eine Vielzahl von Teilpopulationen der Nachweisreagenzien umfasst;
-
(c)
-
Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe zusammen mit der Vielzahl von Nachweisreagenzien für eine ausreichende Zeitdauer, um Binden der Vielzahl von Nachweisreagenzien an die RNAs zu ermöglichen; wobei jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien auf eine unterschiedliche RNA zielt, wobei jedes der Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst: ein Sondenreagenz, das auf eine RNA der Vielzahl von RNAs zielt, und eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen, wobei das Sondenreagenz und die Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen miteinander konjugiert sind;
-
(d) Nachweisen der Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen in einer zeitlich sequentiellen Weise, wobei das Nachweisen umfasst:
-
(i) Hybridisieren eines Satzes von Decodersonden mit einer Teilsequenz der Nachweisreagenzien, wobei der Satz von Decodersonden eine Vielzahl von Teilpopulationen von Decodersonden umfasst, und wobei jede Teilpopulation der Decodersonden eine nachweisbare Markierung umfasst, wobei jede nachweisbare Markierung eine Signalsignatur produziert;
-
(ii) Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur;
-
(iii) Entfernen der Signalsignatur; und
-
(iv) Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist; und
-
(e) Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von RNAs in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird,
im Hoheitsgebiet eines der unter A. genannten Staaten zur Benutzung des Verfahrens im Hoheitsgebiet eines der unter A. genannten Staaten oder in den Hoheitsgebieten mehrerer dieser Staaten zur Anwendung im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter A. genannten Staaten anzubieten und/oder zu liefern ohne
- (1) auf jedem Angebot, auf der ersten Seite der Bedienungsanleitung, in den Lieferpapieren sowie auf der Verpackung ausdrücklich, unübersehbar und blickfangmäßig herausgestellt darauf hinzuweisen, dass die Vorrichtungen nicht ohne Zustimmung der Antragstellerin zu 2) als Inhaberin des EP 4 108 782 zum Nachweis von RNA in einem Verfahren gemäß Ziffer A.I. verwendet werden dürfen und ohne Zustimmung der Antragstellerin zu 2) ein Verwenden zum Nachweis von RNA zu unterlassen ist,
- (2) den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Antragstellerin zu 2) zu zahlenden angemessenen, von der Antragstellerin zu 2) zu bestimmenden, notfalls von dem zuständigen Gericht zu überprüfenden Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Vorrichtungen nicht ohne eine vorherige Zustimmung der Antragstellerin zu 2) für den Nachweis von RNA zu verwenden;
(mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des EP 4 108 782)
-
III. Nachweisreagenzien, die dazu geeignet sind, ein Verfahren zum Nachweisen einer Vielzahl von Analyten in einer Zell- oder Gewebeprobe durchzuführen, umfassend
-
(a) Anbringen (Mounting) der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger;
-
(b) Kontaktieren der Zell- oder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung, die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst, wobei die Vielzahl der Nachweisreagenzien eine Vielzahl von Teilpopulationen der Nachweisreagenzien umfasst;
-
(c)
-
Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe zusammen mit der Vielzahl von Nachweisreagenzien für eine ausreichende Zeitdauer, um Binden der Vielzahl von Nachweisreagenzien an die Analyten zu ermöglichen; wobei jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien auf einen unterschiedlichen Analyten zielt, wobei jedes der Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst: ein Sondenreagenz, das auf einen Analyten der Vielzahl von Analyten zielt, und eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen, wobei das Sondenreagenz und die Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen miteinander konjugiert sind;
-
(d) Nachweisen der Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen in einer zeitlich sequentiellen Weise, wobei das Nachweisen umfasst:
-
(i) Hybridisieren eines Satzes von Decodersonden mit einer Teilsequenz der Nachweisreagenzien, wobei der Satz von Decodersonden eine Vielzahl von Teilpopulationen von Decodersonden umfasst, und wobei jede Teilpopulation der Decodersonden eine nachweisbare Markierung umfasst, wobei jede nachweisbare Markierung eine Signalsignatur produziert;
-
(ii) Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur;
-
(iii) Entfernen der Signalsignatur; und
-
(iv) Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist; und
-
(e) Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von Analyten in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird,
im Hoheitsgebiet eines der unter A. genannten Staaten zur Benutzung des Verfahrens im Hoheitsgebiet eines der unter A. genannten Staaten oder in den Hoheitsgebieten mehrerer dieser Staaten zur Anwendung im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter A. genannten Staaten anzubieten und/oder zu liefern;
(mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des EP 4 108 782)
- IV. Decodersonden, die dazu geeignet sind, ein Verfahren zum Nachweisen einer Vielzahl von RNAs in einer Zell- oder Gewebeprobe durchzuführen, umfassend
- (a) Anbringen (Mounting) der Zell- oder Gewebeprobe auf einem festen Träger;
- (b) Kontaktieren der Zell- oder Gewebeprobe mit einer Zusammensetzung, die eine Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst, wobei die Vielzahl der Nachweisreagenzien eine Vielzahl von Teilpopulationen der Nachweisreagenzien umfasst;
- (c) Inkubieren der Zell- oder Gewebeprobe zusammen mit der Vielzahl von Nachweisreagenzien für eine ausreichende Zeitdauer, um Binden der Vielzahl von Nachweisreagenzien an die RNAs zu ermöglichen; wobei
jede Teilpopulation der Vielzahl von Nachweisreagenzien auf eine unterschiedliche RNA zielt, wobei jedes der Vielzahl von Nachweisreagenzien umfasst: ein Sondenreagenz und die Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen miteinander genz, das auf eine RNA der Vielzahl von RNAs zielt, und eine Vielzahl vorbestimmter Teilsequenzen, wobei das Sondenreakonjugiert sind;
- (d) Nachweisen der Vielzahl von vorbestimmten Teilsequenzen in einer zeitlich sequentiellen Weise, wobei das Nachweisen umfasst:
- (i) Hybridisieren eines Satzes von Decodersonden mit einer Teilsequenz der Nachweisreagenzien, wobei der Satz von Decodersonden eine Vielzahl von Teilpopulationen von Decodersonden umfasst, und wobei jede Teilpopulation der Decodersonden eine nachweisbareMarkierung umfasst, wobei jede nachweisbare Markierung eine Signalsignatur produziert;
- (ii) Nachweisen der durch die Hybridisierung des Satzes von Decodersonden produzierten Signalsignatur;
- (iii) Entfernen der Signalsignatur; und
- (iv) Wiederholen von (i) und (iii) unter Verwendung eines unterschiedlichen Satzes von Decodersonden, um andere Teilsequenzen der Nachweisreagenzien nachzuweisen, wodurch eine zeitliche Reihenfolge der Signalsignaturen produziert wird, die für jede Teilpopulation von der Vielzahl von Nachweisreagenzien eindeutig ist; und
- (e) Verwenden der zeitlichen Reihenfolge der Signalsignaturen, die der Vielzahl der vorbestimmten Teilsequenzen des Nachweisreagenzes entspricht, zum Identifizieren einer Teilpopulation der Nachweisreagenzien, wodurch die Vielzahl von RNAs in der Zell- oder Gewebeprobe nachgewiesen wird,
im Hoheitsgebiet eines der unter A. genannten Staaten zur Benutzung des Verfahrens im Hoheitsgebiet eines der unter A. genannten Staaten oder in
den Hoheitsgebieten mehrerer dieser Staaten im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer der unter A. genannten Staaten anzubieten und/oder zu liefern, ohne
- (1) auf jedem Angebot, auf der ersten Seite der Bedienungsanleitung, in den Lieferpapieren sowie auf der Verpackung ausdrücklich, unübersehbar und blickfangmäßig herausgestellt darauf hinzuweisen, dass die Decodersonden nicht ohne Zustimmung der Antragstellerin zu 2) als Inhaberin des EP 4 108 782 zum Nachweis von RNA in einem Verfahren gemäß Ziffer A.I. verwendet werden dürfen und ohne Zustimmung der Antragstellerin zu 2) ein Verwenden zum Nachweis von RNA zu unterlassen ist,
- (2) den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Antragstellerin zu 2) zu zahlenden angemessenen, von der Antragstellerin zu 2) zu bestimmenden, notfalls von dem zuständigen Gericht zu überprüfenden Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Decodersonden nicht ohne eine vorherige Zustimmung der Antragstellerin zu 2) für den Nachweis von RNA zu verwenden;
(mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des EP 4 108 782)
- B. Für jede einzelne Zuwiderhandlung gegen die Anordnungen nach Ziffer A.I. bis A.IV. hat die jeweilige Antragsgegnerin ein (ggf. wiederholtes) Zwangsgeld in Höhe von bis zu 250.000 EUR an das Gericht zu zahlen.
- C. Im Übrigen wird der Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen abgewiesen.
- D. Die von den Antragsgegnerinnen gestellten Anträge werden abgewiesen.
- E. Die Antragsgegnerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu erstatten.
- F. Dies oben aufgeführten Anordnungen sind sofort wirksam und vollstreckbar.
- G. Der Streitwert wird auf 7 Mio. EUR festgesetzt.
INFORMATIONEN ZUR BERUFUNG
Gegen die vorliegende Entscheidung kann durch jede Partei, die ganz oder teilweise mit ihren
Anträgen erfolglos war, binnen zwei Monaten ab Zustellung der Entscheidung beim Berufungsgericht Berufung eingelegt werden (Art. 73 (1) EPGÜ, R. 220.1 (a), 224.1 (a) VerfO).
INFORMATIONEN ZUR VOLLSTRECKUNG (ART. 82 EPGÜ, ART. ART. 37(2) EPGS, R. 118.8, 158.2, 354, 355.4 VERFO):
Eine beglaubigte Kopie der vollstreckbaren Entscheidung wird vom Hilfskanzler auf Antrag der vollstreckenden Partei ausgestellt, Regel 69 RegR.
ANGABEN ZUR ENTSCHEIDUNG UND DEN ANORDNUNGEN
Verfahrensnummer: UPC_CFI_2/2023
Nummer des dazugehörigen Verfahrensantrags: ACT 459746/2023 Art des Antrags: Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen
Nummer des weiteren Verfahrensworkflows: App 528389/2023
Art des Verfahrensworkflows: Ladung zur mündlichen Verhandlung
Dr. Zigann
Vorsitzender Richter
Pichlmaier Berichterstatter
Kupecz
rechtlich qualifizierter Richter
Enderlin
technisch qualifizierter Richter
Schmidt Clerk