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13 October, 2023
Order
ORD_580110/2023 Luxembourg (LU)
Regel 271 VerfO
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ORD_580110/2023
UPC_CoA_320/2023
13 October, 2023
Order

Summary
(AI generated)

Parties

Sanofi-Aventis Deutschland GmbH,
Sanofi-Aventis Groupe S.A.,
Sanofi Winthrop Industrie S.A.,
Regeneron Pharmaceuticals Inc.
v. Amgen, Inc.

Registry Information
Registry Number:

APL_572929/2023

Court Division:

Luxembourg (LU)

Type of Action:

Appeal RoP220.2

Language of Proceedings:

DE

Cited Legal Standards
Regel 13.1 (a) bis (p) VerfO
Regel 13.1 VerfO
Regel 13.2 VerfO
Regel 16.2 VerfO
Regel 16.5 VerfO
Regel 16 VerfO
Regel 19.1 bzw. 23 VerfO
Regel 270 VerfO
Regel 271.8 VerfO
Regel 271 VerfO
Regel 4 VerfO
Regel 9.2 VerfO
Regel 9.3 VerfO
Rule 13.1
Rule 13.1 RoP
Rule 13.2
Rule 13.2.
Rule 13.2 RoP
Rule 16.2 RoP
Rule 16.5 RoP
Rule 16 RoP
Rule 270 RoP
Rule 271.8 RoP
Rule 271 RoP
Rule 353.
Rule 4
Rule 9.2
Rule 9.3 RoP
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ORD_580110/2023

EPG Berufungsgericht UPC_CoA_320/2023 APL_572929/2023

Anordnung

des Berufungsgerichts des Einheitlichen Patentgerichts

erlassen am 13 Oktober 2023 betreffend Berufung gegen Ablehnung einer Verfahrensanordnung

LEITSATZ:

    1. Nach Regel 271 VerfO kann eine Klageschrift, auch wenn in ihr auf Anlagen Bezug genommen oder deren spätere Vorlage angekündigt wird, dem Beklagten wirksam zugestellt werden, auch wenn die Anlagen nicht gleichzeitig zugestellt wurden, sofern die Klageschrift es dem Beklagten auch ohne die Anlagen ermöglicht, seine Rechte in Gerichtsverfahren vor den Gerichten des EPG geltend zu machen.
    1. Angesichts des Zwecks der Regel 13.2 VerfO ist einem Antrag des Beklagten auf Verlängerung der in den Regeln 19.1 und 23 VerfO genannten Fristen zur Erhebung eines Einspruchs und zur Klageerwiderung bereits dann zu entsprechen, wenn ein Kläger die Anlagen nicht gleichzeitig mit der Klageschrift in das CMS hochgeladen hat und damit Regel 13.2 VerfO nicht eingehalten hat, und dies zur Folge hat, dass diese nicht verfügbar sind, wenn der Vertreter des Beklagten mit dem Zugangscode, welcher in der Mittelung enthalten ist, auf das CMS zugreift. Auf die Art und/oder den Inhalt der Anlagen kommt es nicht an.
    1. Sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls, die vom Kläger dargelegt werden müssen, eine andere Frist rechtfertigen, sind die in den Regeln 19.1 und 23 VerfO genannten Fristen um den Zeitraum zu verlängern, in dem die Anlagen entgegen Regel 13.2 VerfO nicht zur Verfügung standen.

SCHLAGWÖRTER:

Zustellung der Klageschrift ohne in Bezug genommene oder angekündigte Anlagen; Fristverlängerung

BERUFUNGSKLÄGERINNEN:

Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Sanofi-Aventis Groupe S.A. Sanofi Winthrop Industrie S.A. Regeneron Pharmaceuticals Inc.

vertreten durch: Niels Hölder (Hoffmann Eitle)

BERUFUNGSBEKLAGTE:

Amgen Inc.

vertreten durch: Johannes Heselberger (Bardehle Pagenberg)

SPRUCHKÖRPER UND BESETZUNG:

Diese Anordnung wurde erlassen durch den zweiten Spruchkörper des Berufungsgerichts in nachfolgender Besetzung:

Rian Kalden, Vorsitzende Richterin und Berichterstatterin Ingeborg Simonsson, rechtlich qualifizierte Richterin Patricia Rombach, rechtlich qualifizierte Richterin

VERFAHRENSSPRACHE:

Deutsch, Sprache der mündlichen Verhandlung: Englisch

BEANSTANDETE ENTSCHEIDUNG ODER ANORDNUNG DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

□ Datum: 29 August 2023

□ Aktenzeichen des Gerichts erster Instanz: UPC_CFI_14/2023; ORD_566193/2023

GEGENSTAND DER RECHTSSACHE

Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift und Fristverlängerung

VERFAHRENSGEGENSTAND UND ZULÄSSIGKEIT

Im vorliegenden Verfahren wenden sich die Berufungsklägerinnen (Sanofi) mit ihrer Berufung gegen die Verfahrensanordnung Nr. ORD_566193/2023 (VA) der Lokalkammer München (LKM) vom 29. August 2023.

Die Berufung ist statthaft, da die LKM in ihrer VA die Berufung zugelassen hat. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.

BEGRÜNDUNG DER ENTSCHEIDUNG

Die angegriffene Entscheidung und die Berufungsanträge Sanofis

    1. In der VA hat die LKM den Antrag von Sanofi abgelehnt, anzuordnen, dass die Klage als am 10. August 2023 eingereicht und zugestellt gilt, so dass die Fristen für den Einspruch am 11. September 2023 und für die Klageerwiderung am 10. November 2023 ablaufen.
    1. Die LKM hat entschieden, dass die maßgeblichen Zustellzeitpunkte für die Berufungsklägerinnen zu 1) bis 3) der 11. Juli 2023 und für die Berufungsklägerin zu 4) der 19. Juli 2023 sind. Die LKM stellte fest, dass die Einspruchsfrist folglich am 11. bzw. 19. August endete. Die LKM gab dem (Hilfs-)Antrag von Sanofi statt, die Frist für die Klageerwiderung für

die Berufungsklägerinnen zu 1) bis 3) an die für die Berufungsklägerin zu 4) laufende Frist anzugleichen, und damit auf den 19. Oktober 2023 1 .

Datum der Zustellung der Klageschrift im Sinne der Regeln 19.1 und 23 VerfO

    1. Sanofi hat den Antrag, den 10. August 2023 als maßgebliches Datum für den Beginn der Einspruchsfrist und zur Einreichung der Klageerwiderung festzulegen, hauptsächlich damit begründet, dass unstreitig die in der Klageschrift angekündigten Unterlagen erst an diesem Tag eingereicht wurden. Sanofi ist der Auffassung, dass eine Klageschrift nicht vollständig sei, wenn die Anlagen, auf die sie Bezug nimmt oder deren Vorlage in ihr angekündigt werden (im Folgenden für beides: Anlagen), zum Zeitpunkt der Zustellung nicht beigefügt sind. Daher habe eine vollständige Klageschrift erst mit Eingang der Anlagen am 10. August 2023 vorgelegen, und die in den Regeln 19.1 und 23 der Verfahrensordnung (VerfO) genannten Fristen hätten erst ab diesem Datum zu laufen begonnen.
    1. Die LKM ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Die LKM hat angenommen, die Klage sei den Beklagten gemäß Regel 271 VerfO auch ohne die Anlagen wirksam zugestellt worden. Das Berufungsgericht folgt insoweit der Auffassung der LKM.
    1. Gemäß Art. 24(1)(a) des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) stützt das EPG seine Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten, in denen es angerufen wird, auf das Unionsrecht. Dazu gehören die Verordnung (EU) 2020/1784 (Zustellungsverordnung) und die Auslegung ihrer Bestimmungen durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). Die Verfahrensordnung ist daher im Lichte der Bestimmungen der Zustellungsverordnung und der ständigen Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung dieser Bestimmungen 2 auszulegen.
    1. Danach kann gemäß Regel 271 VerfO eine Klageschrift, auch wenn in ihr auf Anlagen Bezug genommen oder deren spätere Vorlage angekündigt wird, dem Beklagten wirksam zugestellt werden, sofern die Klageschrift, auch wenn die Anlagen nicht gleichzeitig zugestellt wurden, es dem Beklagten auch ohne die Anlagen ermöglicht, seine Rechte in Gerichtsverfahren vor den Gerichten des EPG geltend zu machen. Der Klageschrift müssen sich daher mit Bestimmtheit zumindest Gegenstand und Grund des Antrags entnehmen lassen. Anlagen, die lediglich eine Beweisfunktion haben und für das Verständnis von Gegenstand und Grund des Antrags nicht unerlässlich sind, sind kein integrierender Bestandteil der verfahrenseinleitenden Klageschrift im Sinne der Zustellungsverordnung und der Regel 271 VerfO 3 .

1 Bei den wiedergegebenen Daten handelt es sich um die gemäß Anordnung ORD_569369/2023 vom 28. September gemäß Regel 353 berichtigten Daten.

2 Vgl. EuGH Urteil vom 8. Mai 2008, C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 - Ingenieurbüro Weiss.

3 aaO. Rn. 73

    1. Nur solche Anlagen, die zum Verständnis des Gegenstands und des Klagegrundes unerlässlich sind, müssen dem Beklagten zusammen mit der Klageschrift zugestellt (und ggf. übersetzt) werden.
    1. Regel 13.1 VerfO, die in den Absätzen (a) bis (q) festlegt, welche Angaben eine Klageschrift enthalten muss, dient dazu, sicherzustellen, dass die Klageschrift den Anforderungen der Zustellungsverordnung entspricht.
    1. Dass nur solche Anlagen, die zum Verständnis des Gegenstands und des Klagegrundes unerlässlich sind, zugestellt werden müssen spiegelt sich in Regel 271.8 VerfO wider, die vorsieht, dass der Kläger zumindest Übersetzungen der Klageschrift und der nach Regel 13.1 (a) bis (p) VerfO erforderlichen Angaben einreichen muss. Eine Übersetzung von Anlagen ist nicht unbedingt erforderlich.
    1. Das Berufungsgericht vermag der Auffassung von Sanofi nicht zu folgen, dass der Begriff 'Klageschrift' in Regel 271 VerfO durch Regel 13.2 VerfO in dem Sinne definiert werde, dass die Nichteinhaltung dieser Regel die Klageschrift 'unvollständig' mache und daher nicht als Klageschrift im Sinne der Regeln 19.1 und 23 VerfO angesehen werden könne. Regel 270 VerfO sieht ausdrücklich vor, dass für die Zustellung der Klageschrift innerhalb der Vertragsstaaten die Zustellungsverordnung gilt. Eine Klageschrift, die die Anforderungen der Bestimmungen dieser Verordnung nach der Rechtsprechung des EuGH erfüllt, was nicht immer die Beifügung der Anlagen voraussetzt, gilt daher als 'vollständige' Klageschrift im Sinne der Regeln 19.1 und 23 VerfO.
    1. Der Wortlaut der Regeln 13.1 und 13.2 VerfO bestätigt dies. Wie Amgen zu Recht geltend macht, ist der Inhalt der Klageschrift in Regel 13.1 VerfO abschließend geregelt, dies gilt auch für die Liste der Dokumente, auf die in der Klageschrift Bezug genommen wird (vgl. Regel 13.1 (q). Regel 13.2 schreibt vor, dass zudem je eine Kopie aller Unterlagen, auf die in der Klageschrift Bezug genommen wird, beizufügen ist. Daraus folgt, dass diese Unterlagen nicht als Bestandteil der Klageschrift angesehen werden.
    1. Dies ergibt sich auch aus den in Regel 16.5 VerfO vorgesehenen Auswirkungen eines Verstoßes gegen Regel 13.2. Daraus lässt sich keine (geschweige denn eine automatische) Folge entnehmen, dass eine Klageschrift als 'unvollständig' gilt, wenn ihr die Anlagen noch nicht beigefügt sind, und dass dies verhinderte, dass die in den Regeln 19.1 und 23 genannten Fristen auch nach einer wirksamen Zustellung einer solchen Klageschrift gemäß der Zustellungsverordnung zu laufen beginnen.
    1. Die Systematik der Verfahrensordnung steht in vollem Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH 4 und den Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Verfahrens. Regel

4 aaO, Rn. 65, 69, 75, 76

  • 13.1 stellt sicher, dass die Klageschrift alle Angaben enthält, die unerlässlich sind, um es dem Beklagten zu ermöglichen, die gegen ihn erhobene Klage zu verstehen. Regel 13.2 lässt es zu, dass die Anlagen bei der Zustellung nicht der Klageschrift beigefügt sind, sondern separat aber gleichzeitig in dem CMS hochgeladen werden. Auf diese Weise sind sie dem Beklagten unmittelbar nach Zustellung der Klageschrift zugänglich, mit der er die Mitteilung mit dem Zugangscode erhällt.
    1. Das Berufungsgericht stimmt daher mit der LKM darin überein, dass die Tatsache, dass die Anlagen nicht zusammen mit der Klageschrift an Sanofi zugestellt wurden, für die Bestimmung des Zustellungsdatums im vorliegendem Fall unerheblich ist. Sanofi hat nicht dargetan, dass die Klageschrift (ohne Anlagen) den Anforderungen der Zustellungsverordnung und Regel 13.1 nicht entsprach. Gemäß den Regeln 19.1 und 23 VerfO begann die Frist zur Einlegung eines Einspruchs bzw. zur Klageerwiderung daher mit dem Datum der Zustellung der Klageschrift am 11. bzw. 19. Juli 2023.

Antrag auf Verlängerung

    1. Zur Begründung des Antrags, anzuordnen, dass die Klage als am 10. August 2023 (dem Tag der Übermittlung der Anlagen an Sanofi) zugestellt gilt, so dass die Frist für den Einspruch am 11. September bzw. 10. November 2023 abläuft, hat Sanofi jedoch ausdrücklich auch auf die allgemeinen Grundsätze der Fairness und der Waffengleichheit verwiesen. Der Antrag von Sanofi muss daher auch als Antrag auf Fristverlängerung gemäß Regel 9.3 VerfO verstanden werden.
    1. Das Berufungsgericht weist darauf hin, dass dies auch dem Verständnis der LKM entspricht. In der angegriffenen Entscheidung wird ausführt: 'Dem Erfordernis, der beklagten Partei hinreichend rechtliches Gehör auch mit Blick auf später eingereichte Anlagen zu gewähren, ist gegebenenfalls durch Feinjustierungen des Fristenregimes zu begegnen.' Aus Rn. 5 der Klageerwiderung geht auch hervor, dass der Antrag von Sanofi auch von Amgen in diesem Sinne verstanden wurde. Er wurde auch in der mündlichen Verhandlung auf dieser Grundlage erörtert.
    1. Dieser Antrag auf Fristverlängerung wurde von der LKM abgelehnt. Sie war der Auffassung: 'Auch der zeitliche Verzug bei der Zugänglichmachung der Anlagen rechtfertigt vorliegend keine Fristverlängerung. Die meisten Anlagen betreffen die angegriffene Ausführungsform oder Parallelverfahren mit Beteiligung der Beklagten, liegen der Beklagte also bereits vor. Die restlichen Anlagen betreffen, bis auf die Merkmalsgliederung, das Klagepatent. Diese sind öffentlich abrufbar. Die Merkmalsgliederung ist bereits in der Klageschrift wiedergegeben.'
    1. Das Berufungsgericht stimmt mit Sanofi darin überein, dass diese Erwägung auf einer Auslegung von Regel 13.2 VerfO beruht, die ihrem Wortlaut und Zweck sowie der Systematik der Verfahrensordnung widerspricht.
    1. Regel 13.2 lautet: 'Der Kläger hat zudem je eine Kopie aller Unterlagen beizufügen, auf die in der Klageschrift Bezug genommen wird.' Die englische Sprachfassung lautet: 'The claimant shall at the same time supply a copy of each of the documents referred to in the Statement of claim.' In der französischen Sprachfassung heißt es: 'Le demandeur fournit, simultanément, une copie de chacun des documents visés au mémoire en demande.'
    1. Regel 4 VerfO schreibt vor, dass Schriftsätze und andere Unterlagen in elektronischer Form einzureichen sind. Zu diesem Zweck verwendet das EPG das Fallbearbeitungssystem (Case Management System, CMS). Sobald eine Klageschrift im CMS eingereicht worden ist, stellt die Kanzlei sie dem Beklagten gemäß Regel 271 VerfO zu. Zusammen mit der Zustellung der Klageschrift erhält der Beklagte eine E-Mail oder ein Schreiben (je nachdem, ob die Zustellung elektronisch oder auf anderem Wege, z. B. per Post, erfolgt, nachstehend 'Mitteilung' genannt), das einen Code enthält, mit dem ein Vertreter des Beklagten auf die Sache im CMS zugreifen kann (Zugangscode).
    1. Mit dieser Bestimmung wird sichergestellt, dass der Vertreter des Beklagten die Anlagen unmittelbar nach der Zustellung mit Hilfe des in der Mitteilung übermittelten Zugangscodes auf diese Anlagen zugreifen kann. Infolgedessen hat der Beklagte einen vollen Monat bzw. drei Monate Zeit, um einen Einspruch bzw. eine Klageerwiderung gemäß Regel 19.1 bzw. 23 VerfO vorzubereiten.
    1. Das Berufungsgericht stellt in diesem Zusammenhang fest, dass Regel 13.2 VerfO einem anderen Zweck dient als die Vorschriften der Zustellungsverordnung.
    1. Wie bereits erwähnt, verlangt die Zustellungsverordnung (nur), dass es dem Beklagten ermöglicht wird, der Klageschrift den Gegenstand und den Klagegrund zu entnehmen. Auf diese Weise kann der Beklagte rechtzeitig für seine Verteidigung sorgen, indem er einen Vertreter bestellt, der in der Lage ist, vor Gericht aufzutreten und sich gegen die Klage in seinem Namen angemessen zu verteidigen. Wenn Regel 13.1 VerfO eingehalten wird ist es daher nicht erforderlich, dass alle Anlagen dem Beklagten zum Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift zur Verfügung gestellt werden.
    1. Regel 13.2 VerfO soll es dem Beklagten dagegen ermöglichen, auf das gesamte in der Klageschrift enthaltene Vorbringen und alle Anlagen, auf die sich der Kläger zur Stützung seiner Klage bezieht, zu erwidern. Mit dieser Bestimmung wird sichergestellt, dass die Grundsätze der Fairness und Billigkeit, die durch Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Parteien sichergestellt werden müssen (siehe Präambel 5 der VerfO), ausreichend beachtet werden.

Angesichts dieses Zwecks gilt die Verpflichtung nach Regel 13.2 für alle Unterlagen, die sich bereits im Besitz des Klägers befinden und auf die er in der Klageschrift Bezug nimmt bzw. deren Vorlage er in der Klageschrift ankündigt.

    1. Die Bedeutung der Einhaltung von Regel 13.2 VerfO wird durch die Tatsache unterstrichen, dass dies Gegenstand der von der Kanzlei gemäß Regel 16.2 VerfO durchzuführenden formellen Prüfungen ist. Angesichts der unbestrittenen Tatsache, dass die Anlagen nicht gleichzeitig mit der Klageschrift, sondern erst am 10. August 2023 in das CMS hochgeladen wurden, hat die LKM die Beanstandung eines Mangels durch die Kanzlei wegen des Fehlens der Anlagen im Rahmen der Prüfung der Formerfordernisse nach Regel 16 VerfO zu Unrecht als unberechtigt angesehen. Die Beanstandung war wegen der Nichteinhaltung der eindeutigen Verpflichtung nach Regel 13.2 VerfO durch Amgen berechtigt, und die LKM hätte prüfen müssen, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.
    1. Zur Auslegung von Regel 13.2 VerfO ist festzustellen, dass sich zwar aus der deutschen Sprachfassung nicht eindeutig ergibt, dass die Anlagen zusammen mit der Klageschrift in das CMS einzureichen sind, wie dies in der englischen Sprachfassung ('at the same time') und der französischen Sprachfassung ('simultanément') der Fall ist, dass aber Wortlaut, Zweck und Systematik der Verfahrensordnung deutlich machen, dass Regel 13.2 VerfO in diesem Sinne zu verstehen ist. Dies ergibt sich insbesondere aus der Tatsache, dass die Einhaltung von Regel 13.2 VerfO Gegenstand der Prüfung der Formerfordernisse ist.
    1. Gemäß Regel 16.5 VerfO kann ein Richter der Kammer die Klage als unzulässig abweisen, wenn ein Kläger die von der Kanzlei festgestellten Mängel (einschließlich der Nichteinhaltung von Regel 13.2 VerfO) nicht behebt. Die Verwendung des Wortes 'kann' deutet darauf hin, dass die Abweisung einer Klage als unzulässig in das Ermessen des Richters gestellt ist. Nach Regel 9.2 VerfO kann das Gericht auch Unterlagen unberücksichtigt lassen, die nicht innerhalb der geltenden Frist eingereicht wurden. Übt das Gericht sein Ermessen jedoch dahin aus, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen, so muss es dennoch auf begründeten Antrag einer Partei auf Fristverlängerung wie im vorliegenden Verfahren sicherstellen, dass die allgemeinen Grundsätze der Fairness und der Billigkeit beachtet werden.
    1. Angesichts des oben dargelegten Zwecks der Regel 13.2 VerfO ist einem Antrag des Beklagten auf Verlängerung der in den Regeln 19.1 und 23 VerfO genannten Fristen zur Erhebung eines Einspruchs und zur Klageerwiderung bereits dann zu entsprechen, wenn ein Kläger die Anlagen nicht gleichzeitig mit der Klageschrift in das CMS hochgeladen hat und damit Regel 13.2 VerfO nicht eingehalten hat, und dies zur Folge hat, dass diese nicht verfügbar sind, wenn der Vertreter des Beklagten mit dem Zugangscode, welcher in der Mittelung enthalten ist, auf das CMS zugreift. Auf die Art und/oder den Inhalt der Anlagen kommt es nicht an.
    1. Nach Regel 16.2 VerfO ist die Kanzlei verpflichtet, die Einhaltung (unter anderem) von Regel 13.2 VerfO zu überprüfen. Bei allen aufgelisteten Anforderungen, die der formellen Prüfung unterliegen, handelt es sich um Tatsachen, die leicht und objektiv und ohne Kenntnis des Inhalts des Verfahrensgegenstandes überprüft werden können. Dies macht deutlich, dass nicht beabsichtigt ist, die Feststellung der Einhaltung von Regel 13.2 von der Art und/oder Bedeutung der nicht eingereichten Anlagen abhängig zu machen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Bezugnahme eines Klägers auf eine Unterlage zur Stützung seines Vorbringens an sich schon ein deutlicher Hinweis auf dessen Bedeutung für das Verfahren ist. Auch wenn bestimmte Unterlagen als dem Beklagten bereits bekannt oder allgemein zugänglich angesehen werden können, ist es dennoch wichtig, dass zweifelsfrei feststeht, auf welches bestimmte Dokument sich der Kläger beruft und welchen genauen Inhalt es hat, was nur dann zweifelsfrei festgestellt werden kann, wenn dieses durch Hochladen in das CMS zur Verfügung gestellt wird.
    1. Darüber hinaus ist es unbillig, die Beweislast für die Relevanz der Anlagen für die Vorbereitung der Verteidigung dem Beklagten aufzubürden, wenn der Grund für den Antrag auf Fristverlängerung die Nichteinhaltung von Regel 13.2 durch den Kläger ist.
    1. Die LKM hat daher zu Unrecht und entgegen der Systematik der Verfahrensordnung die von den Berufungsklägerinnen beantragte Fristverlängerung mit folgender Begründung für nicht gerechtfertigt gehalten: 'Die meisten Anlagen betreffen die angegriffene Ausführungsform oder Parallelverfahren mit Beteiligung der Beklagten, liegen der Beklagte also bereits vor. Die restlichen Anlagen betreffen, bis auf die Merkmalsgliederung, das Klagepatent. Diese sind öffentlich abrufbar. Die Merkmalsgliederung ist bereits in der Klageschrift wiedergegeben.'
    1. Sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls, die vom Kläger dargelegt werden müssen, eine andere Frist rechtfertigen, sind die in den Regeln 19.1 und 23 VerfO genannten Fristen um den Zeitraum zu verlängern, in dem die Anlagen entgegen Regel 13.2 VerfO nicht zur Verfügung standen.
    1. Die Tatsache, dass eine solche Fristverlängerung eine Verzögerung verursacht und (in einem Verletzungsstreit regelmäßig) den Interessen des Klägers zuwiderläuft, kann nicht zu einer anderen Schlussfolgerung führen. Es liegt in der Macht des Klägers, Regel 13.2 einzuhalten. Dementsprechend sollten die mit der Nichteinhaltung der Regelung verbundenen Nachteile alleine den Kläger treffen und nicht den Beklagten.
    1. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen hätte die LKM auf den Antrag von Sanofi auf Verlängerung der in den Regeln 19.1 und 23 VerfO genannten Fristen hin entscheiden müssen, dass die in den Regeln 19.1 und 23 VerfO genannten Fristen von einem Monat bzw. drei Monaten ab dem Datum des Hochladens der Anlagen durch Amgen zu berechnen sind, das laut

der 'Mitteilung über ein positives Ergebnis einer Formalprüfung' der 10. August 2023 war, und daher am 11. September 2023 bzw. 10. November 2023 endeten.

Sonstige Argumente und Anträge

    1. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen bedürfen die anderen von Sanofi vorgebrachten Angriffe gegen die VA der LKM keiner Prüfung durch das Berufungsgericht.
    1. Es besteht keine Notwendigkeit anzuordnen, dass das gegen die Berufungskläger (als Beklagte) vor der LKM anhängige Verletzungsverfahren (UPC_CFI_14/2023, ACT_459916/2023) bis zur Berufungsentscheidung ausgesetzt wird, da diese Entscheidung vor dem 17. Oktober 2023 ergeht und sofortige Wirkung hat. Dieser Antrag wird deshalb abgelehnt.

ENTSCHEIDUNG UND ANORDNUNGEN

Das Berufungsgericht:

  • -hebt die VA des LKM vom 29. August 2023 auf;
  • -ordnet an, dass die Fristen zur Einreichung eines Einspruchs und zur Klageerwiderung im Verfahren in der Sache unter dem Aktenzeichen UPC_CFI_14/2023, ACT_459916/2023 verlängert wird und für alle Berufungskläger (Beklagte im Verfahren in der Sache unter dem Aktenzeichen UPC_CFI_14/2023, ACT_459916/2023) am 11. September bzw. 10. November 2023 enden;
  • -ordnet an, dass die vorliegende Entscheidung sofortige Wirkung hat;
  • -weist alle weiteren Berufungsanträge zurück.

Diese Entscheidung wurde mündlich und ohne Begründung am 13. Oktober 2023 nach der mündlichen Verhandlung verkündet. Die Entscheidung mit Gründe lag am 16. Oktober 2023 in schriftlicher Form vor.

Rian Kalden, Vorsitzende Richterin und Berichterstatterin

Ingeborg Simonsson, rechtlich qualifizierte Richterin

Dr. Patricia Rombach, rechtlich qualifizierte Richterin

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