
Lokalkammer Düsseldorf
Anordnung des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts Lokalkammer Düsseldorf erlassen am 18. Oktober 2023
betreffend EP 2 546 134 B1
Leitsätze:
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- Wird eine gerichtliche Anordnung durch eine Partei nicht befolgt, kann der erstinstanzliche Spruchköper der betreffenden Kammer auf Antrag der anderen Partei oder von Amts wegen über die Festsetzung der in der Anordnung vorgesehenen Zwangsgelder entscheiden. Maßgebliches Kriterium für die Bestimmung der Höhe des Zwangsgeldes ist dabei die Bedeutung der Anordnung und damit letztlich das Interesse des Gläubigers an deren Durchsetzung, welches beispielsweise darin bestehen kann, die patentierten Produkte zu vertreiben.
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- Das Zwangsgeld soll den Schuldner verlässlich von zukünftigen Verstößen und Verletzungen abhalten und besitzt daher in erster Linie eine Beugefunktion. Daneben stellt das Zwangsgeld jedoch auch eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots dar, weshalb die Verhängung von Zwangsgeldern als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal auch ein Verschulden des Schuldners voraussetzt.
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- Der doppelte Zweck des Zwangsgeldes erfordert es, die Bemessung des Zwangsgeldes jedenfalls in erster Linie mit Blick auf den Schuldner und dessen Verhalten vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglichen künftigen Verletzungshandlungen für den Verletzten.
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- Das Verhalten des Schuldners in der Vergangenheit stellt ein maßgebliches, wenn auch nicht zwingend das alleinige Indiz für die Höhe des zu verhängenden Zwangsgeldes dar. Je häufiger und intensiver der Schuldner gegen das ihm auferlegte Unterlassungsgebot verstoßen hat, desto klarer hat er seinen Unwillen zum Ausdruck gebracht, sich der Unterlassungsanordnung zu beugen. Dem hat die Bemessung des Zwangsgeldes Rechnung zu tragen: Hat der Schuldner in der Vergangenheit bereits mehrfach gegen die Unterlassungsanordnung verstoßen, erhöht sich der notwendige Druck, um ihn zukünftig zu einem anordnungsgemäßen Verhalten zu zwingen. Entsprechend höher muss daher das betreffende Zwangsgeld ausfallen. Hat sich der Schuldner demgegenüber ernsthaft darum bemüht, der Unterlassungsanordnung Folge zu leisten, ist dies zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
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- Der Begriff des Angebots im Sinne von Art. 25 (a) EPGÜ ist im Patentrecht rein wirtschaftlich zu verstehen. Er umfasst bei einem Erzeugnis jede im Geltungsbereich des in Rede stehenden Europäischen Patents begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert den Gegenstand der Nachfrage in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt. Daher ist das Ausstellen von Waren auf einer im Geltungsbereich des jeweiligen Patents stattfindenden Messe ein Anbieten im Sinne dieser Vorschrift.
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- Für ein Anbieten müssen nicht alle Merkmale des Patentanspruchs in der Werbung und damit auch auf einem Messestand gezeigt sein, wenn bei objektiver Betrachtung der im Streitfall tatsächlich gegebenen Umstände davon ausgegangen werden muss, dass das dargestellte Erzeugnis in seiner technischen Gestaltung dem Gegenstand des Patents entspricht. Es kommt darauf an, ob die patentgemäße Gestaltung aus dem Vorliegen von sonstigen objektiven Umständen zuverlässig geschlossen werden kann. Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist hierbei die Sicht der angesprochenen Verkehrskreise über den unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu ermittelnden objektiven Erklärungswert der Werbung.
Schlagwörter:
Einstweilige Maßnahmen, Unterlassungsanordnung, Verstoß, Zwangsvollstreckung, Zwangsgeld, Androhung, Festsetzung, Höhe, Verschulden, Angebot, Messe, Instagram-Account, verkaufsoffener Sonntag, Sicherheitsleistung
Gläubigerin:
myStromer AG, Freiburgstraße 798, 3173 Oberwangen b Bern, Schweiz,
vertreten durch:
Rechtsanwalt Klaus Haft, Kanzlei Hoyng, ROKH, Monegier, Steinstraße 20, 40212 Düsseldorf,
elektronische Zustelladresse:
…
Schuldnerin:
Revolt Zycling AG, Allmendstraße 15, 8320 Fehraltdorf, Schweiz,
vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Jan Phillip Rektorschek, Kanzlei Taylor Wes- sing PartG mbB, Isartorplatz 8, 80331 München,
elektronische Zustelladresse:
…
unter Mitwirkung von:
Europäischer und Schweizer Patentanwalt Dr. Theodore Choi, Kanzlei Schaad Balass Menzl & Partner AG, Bellerivestraße 20, 8034 Zürich, Schweiz,
Verfügungspatent:
Europäisches Patent EP 2 546 134 B1
Spruchkörper/Kammer:
Spruchkörper der Lokalkammer Düsseldorf
Mitwirkende Richter:
Diese Anordnung wurde erlassen durch den Vorsitzenden Richter Thomas, die rechtlich qualifizierte Richterin Dr. Thom und den rechtlich qualifizierten Richter Kupecz.
KURZE DARSTELLUNG DES SACHVERHALTS:
Die Gläubigerin ist gemeinsam mit der Fairy Bike Manufacturing Co. Ltd. (nachfolgend: Fairy Bike) Mitinhaberin des Europäischen Patents EP 2 546 134 B1 (nachfolgend: Verfügungspatent). Das Verfügungspatent steht zum aktuellen Zeitpunkt in Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein sowie in der Schweiz und den Niederlanden in Kraft. Es wurde am 11. Oktober 2011 unter Inanspruchnahme der Priorität einer taiwanesischen Patentanmeldung vom 11. Juli 2011 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatents wurde am 25. März 2015 veröffentlicht. Gegen die Erteilung des Verfügungspatents wurde kein Einspruch eingelegt. Auch wurde nach Ablauf der Einspruchsfrist kein nationales Nichtigkeitsverfahren angestrengt.
Das Verfügungspatent stellt eine 'Kombinationsstruktur aus Fahrradrahmen und Motornabe' unter Schutz. Mit einem Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen vom 22. Juni 2023 richtete sich die Gläubigerin gegen Speed-Pedelecs der 'OPIUM'-Serie (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform), deren Auslieferung die Schuldnerin auf ihrer Internetseite zunächst für April 2023 in Aussicht gestellt hatte. Die Auslieferung verzögerte sich jedoch, wobei es nach den Informationen der Gläubigerin im Vorfeld des vorgenannten Antrages zu keiner Auslieferung gekommen ist. Allerdings konnte die angegriffene Ausführungsform ab dem 21. Juni 2023 auf der Messe 'Eurobike 2023' in Frankfurt am Main Probe gefahren werden. Darüber hinaus war über die Internetseite der Schuldnerin sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch ein Bestellformular abrufbar, über welches die angegriffene Ausführungsform über die auf dieser Internetseite aufgelisteten Fachhändler bestellt werden konnte.
Die Lokalkammer Düsseldorf hat die von der Gläubigerin begehrte Anordnung noch am gleichen Tag erlassen (ORD_526778/2023 zum Az.: ACT_525740/2023; UPC_CFI_177/2023) und der Schuldnerin unter anderem aufgegeben,
- I. es zu unterlassen, Kombinationsstrukturen aus Fahrradrahmen und Motornabe,
- in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und/oder Italien anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wobei die Kombinationsstruktur umfasst:
einen Fahrradrahmen, beinhaltend eine erste Gabel und eine zweite Gabel, die gegenüberliegend angeordnet sind, wobei die erste Gabel mit einem Durchgangsloch bereitgestellt ist, während die zweite Gabel eine Vertiefung mit einem Innengewindeloch
aufweist, das axial dem Durchgangsloch entspricht, und die erste Gabel an ihrer Innenseite, angrenzend an das Durchgangsloch, mit einer Positioniernut bereitgestellt ist; eine Motornabe, die in ihrer Mitte mit einer Muffe bereitgestellt ist, die in Bezug auf ein Positionierende ein Ende aufweist, das dergestalt ist, dass das Positionierende mit der Positioniernut der ersten Gabel eingreifbar und an ihr anschlagbar ist; und eine längliche Welle, die ein vorderes Ende und ein hinteres Ende aufweist, wobei das hintere Ende ein Außengewinde aufweist; die längliche Welle durch das Durchgangsloch der ersten Gabel und die Muffe der Motornabe hierdurch gelangen kann, und wobei das Außengewinde des hinteren Endes entsprechend im Innengewindeloch der zweiten Gabel im Eingriff steht und an ihm befestigt ist;
[…]
- III. die auf der Messe 'Eurobike 2023' in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziff. I. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Antragstellerin zu benennenden Gerichtsvollzieher auf ihre Kosten herauszugeben, um deren weiteres Inverkehrbringen und Umlauf auf den Vertriebswegen während der Messe 'Eurobike 2023' zu verhindern.
Zugleich drohte die Lokalkammer Düsseldorf der Schuldnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu 250.000,- EUR an.
Diese Anordnung wurde der Schuldnerin durch die zuständige Gerichtsvollzieherin am 23. Juni 2023 um 15:30 Uhr auf der Messe 'Eurobike 2023' zugestellt (Anlage Ast 12). Gleichwohl blieb der Messestand der Schuldnerin in der Messehalle bis 18:00 Uhr geöffnet. Zudem wurde der Internetauftritt der Schuldnerin zwar relativ zeitnah abgeschaltet und war in der Nacht nach der Zustellung nicht mehr abrufbar. Jedoch konnte auf den Instagram-Account der Schuldnerin, auf welchem unter anderem die Möglichkeit der Buchung von Testfahrten mit den streitgegenständlichen E-Bikes bestand, in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 2023 unverändert zugegriffen werden. Am 28. Juni 2023 versandte die Schuldnerin darüber hinaus ein als 'Confirmation' betiteltes Schreiben an ihre belgischen Vertragshändler, in dem es unter anderem heißt:
'Selling the 'OPIUM' on site to end customers from DE, NL, FR and IT remains permitted.'
Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2023 hat die Gläubigerin daher einen Antrag auf Festsetzung von Zwangsgeld gestellt, den sie zunächst mit den vorgenannten (vermeintlichen) Verstößen gegen den Unterlassungstenor entsprechend Ziffer I. der Anordnung begründet hat.
Trotz des laufenden Zwangsvollstreckungsverfahrens präsentierte das Unternehmen 'Fahrrad Fischer' (nachfolgend: 'Fahrrad Fischer') in 72818 Trochtelfingen, Deutschland, am 24. September 2023 im Rahmen eines verkaufsoffenen Sonntags ein streitgegenständliches E-Bike, welches die Schuldnerin zu diesem Zwecke kurz zuvor bereitgestellt hatte.
ANTRÄGE DER PARTEIEN:
Die Gläubigerin ersucht die Lokalkammer Düsseldorf unter Berücksichtigung von Artikel 82 (4) EPGÜ und R. 354. 4 VerfO i.V.m. R. 264 VerfO,
die Schuldnerin wegen Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot gemäß Ziffer I. der Anordnung einstweiliger Maßnahmen der Lokalkammer Düsseldorf des Einheitlichen Patentgerichts vom 22. Juni 2023 (Az. UPC_CFI_177/2023, Antragsnummer 525740/2023) mit einem an das Gericht zu zahlenden, angemessenen Zwangsgeld zu belegen, wobei die Höhe des Zwangsgelds in das Ermessen der Lokalkammer Düsseldorf gestellt wird;
der Schuldnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Schuldnerin beantragt, den Antrag der Gläubigerin, zurückzuweisen.
der Gläubigerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
TATSÄCHLICHE UND RECHTLICHE STREITPUNKTE:
Nach Auffassung der Gläubigerin verstieß die Schuldnerin in vierfacher Hinsicht gegen die Unterlassungsanordnung vom 22. Juni 2023.
Da nicht nur der Messestand der Schuldnerin auf der Freifläche, sondern insbesondere auch derjenige auf dem Innengelände nach Zustellung der Unterlassungsanordnung über mehrere Stunden geöffnet und dem Messepublikum zugänglich gewesen sei, habe für eine Vielzahl von Messebesuchern in dieser Zeit die Möglichkeit bestanden, sich über die streitgegenständlichen E-Bikes zu informieren. Diese seien daher entgegen der Unterlassungsanordnung weiter angeboten worden. Dass die Schuldnerin das in ihrer Schutzschrift als Drehmomentsensor ('torque sensor') bezeichnete Bauteil - unstreitig - von drei der auf dem Messestand ausgestellten E-Bikes entfernt habe, stehe dem daraus resultierenden Verstoß gegen die Unterlassungsanordnung nicht entgegen. Die so modifizierten E-Bikes seien ohne den Drehmomentsensor nicht fahrtauglich. Da die Motornabe nicht fest mit der Gabel verankert sei, fehle die erforderliche Stabilität der Fahrradkonstruktion. Zudem sei eine Leistungsabgabe an den das Hinterrad antreibenden Riemen unmöglich.
Des Weiteren habe die Schuldnerin ihren Internetauftritt relativ zeitnah nach Zustellung der Unterlassungsanordnung abgeschaltet. Jedoch sei ihr Instagram-Account - unstreitig - in der Nacht vom 23. Juni 2023 auf den 24. Juni 2023 unverändert und damit insbesondere einschließlich der Möglichkeit der Buchung von Testfahrten abrufbar gewesen.
Überdies habe die Schuldnerin mit ihrem als 'Confirmation' betitelten Schreiben vom 28. Juni 2023 an ihre Vertragshändler nicht nur die reibungslose Lieferung aus der Schweiz nach Belgien garantiert, sondern die dortigen Händler auch zur weiteren Lieferung an Kunden aus Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden ermuntert. In diesem Schreiben informiere die Schuldnerin nicht nur darüber, dass die streitgegenständlichen E-Bikes in Belgien, wo das Verfügungspatent nicht validiert sei, vertrieben werden könnten. Vielmehr bringe das Schreiben auch zum Ausdruck, dass die Schuldnerin den Vertrieb in den von der Anordnung umfassten Ländern (Deutschland, Niederlande, Frankreich und Italien) mit ihren Lieferungen nach Belgien bewusst und willentlich mitverursache. Ein 'Verkauf' durch die belgischen Händler an Endverbraucher, beispielsweise aus Deutschland, liege auch dann vor, wenn derartige Kunden das E-Bike im Ladengeschäft in Belgien bestellten und es anschließend durch belgische Händler oder die Schuldnerin nach Deutschland liefern ließen. Ein nach individuellem Kundenwunsch konfiguriertes E-Bike, welches beim Händler nicht bereits aufgrund einer vorausgegangenen 'Pre-Order' vorrätig sei und somit bei der Schuldnerin separat bestellt werden müsse, werde oftmals nicht vor Ort abgeholt, sondern direkt
durch den belgischen Händler oder die Schuldnerin an den etwa in Deutschland ansässigen Kunden geliefert. Die vorstehend zitierte Passage des Schreibens sei auch in diesem Szenario einschlägig, da auch hier unabhängig von den Lieferbedingungen ein 'Verkauf' vor Ort beim belgischen Händler erfolge. Ein hinreichend deutliches, klarstellendes Verbot einer solchen Lieferung finde sich in dem Schreiben nicht. Vor diesem Hintergrund habe die Schuldnerin davon ausgehen müssen, dass die belgischen Händler als Adressaten dieses Schreibens die streitgegenständlichen E-Bikes auch an Endverbraucher in Deutschland liefern bzw. durch die Schuldnerin selbst liefern lassen, in denen die Unterlassungsanordnung Wirkung entfalte.
Schließlich habe die Gläubigerin am 25. September 2023 Kenntnis davon erlangt, dass das patentverletzende E-Bike am Vortag im Rahmen eines verkaufsoffenen Sonntags durch den Händler 'Fahrrad Fischer' in 72818 Trochtelfingen, Deutschland, ausgestellt worden sei. Weitere Nachforschungen seitens der Gläubigerin hätten ergeben, dass die Schuldnerin das dort ausgestellte E-Bike eine Woche vor dem verkaufsoffenen Sonntag als Einzellieferung aus der Schweiz nach Trochtelfingen geliefert habe, wobei das E-Bike auch nach der Veranstaltung bei 'Fahrrad Fischer' zu besichtigen gewesen sei. Ferner habe sich herausgestellt, dass 'Fahrrad Fischer' bereits Bestellungen des E-Bikes entgegengenommen habe. Das ausgestellte E-Bike sei gegenüber der auf der Eurobike ausgestellten Version unverändert geblieben und habe weiterhin die patentverletzende Hinterachskonstruktion aufgewiesen.
Die Schuldnerin ist dem Vorbringen der Gläubigerin entgegengetreten.
Sie behauptet, sie habe den auf der Freifläche befindlichen Messestand bereits um 13:00 Uhr aus freien Stücken geschlossen. Auch wenn der Messestand im Innenbereich (zunächst) noch geöffnet gewesen sei, sei es dort zu keinen wie auch immer gearteten Angebotshandlungen der Schuldnerin mehr gekommen. Die dort ausgestellten E-Bikes hätten weder über einen Drehmomentsensor noch über eine Steckachse verfügt. Da die patentgemäße Vorrichtung nicht mehr Teil der vorhandenen Räder gewesen sei, scheide ein Verstoß gegen die Unterlassungsanordnung durch den Weiterbetrieb des Messestandes aus. Insbesondere habe die Schuldnerin entgegen der Auffassung der Gläubigerin auch keine fahruntauglichen Fahrräder mit einer patentgemäßen Vorrichtung angeboten. Den angesprochenen Verkehrskreisen sei das technische Detail, welches in der patentgemäßen Vorrichtung verwirklicht worden sei, nicht wichtig. Dieses sei durch die Schuldnerin auch zu keinem Zeitpunkt hervorgehoben worden.
Soweit sich die Gläubigerin weiterhin auf den Instagram-Account der Schuldnerin beziehe, sei auch unter diesem Gesichtspunkt kein schuldhafter Verstoß gegen die Unterlassungsanordnung erkennbar. Nachdem der Geschäftsführer der Schuldnerin den Messestand gemeinsam mit seinem Team geschlossen und abgebaut habe, sei er um ca. 20:00 Uhr in seinem Hotelzimmer eingetroffen, wo er sofort damit begonnen habe, alle weiteren Maßnahmen einzuleiten, um der Unterlassungsanordnung Folge zu leisten. So seien alle Mitarbeiter, Kunden und Vertragshändler in den betreffenden Ländern zu unterrichten gewesen. Nachdem der CEO der Schuldnerin die Umstellung des Internetauftritts organisiert habe, habe er die Social Media Beraterin der Schuldnerin noch in der Nacht angeschrieben und ihr mitgeteilt, dass sie den Instagram-Account stilllegen solle. Bereits am Morgen des Folgetages sei der Instagram-Account nicht mehr abrufbar gewesen. Der CEO der Schuldnerin habe daher nicht eine Minute mit dieser Aktion 'zugewartet', sondern alles Erforderliche nach und nach abgearbeitet. Abgesehen davon sei auf dem Instagram-Account zwar das streitgegenständliche E-Bike als solches, nicht aber die patentgemäße Vorrichtung beworben worden. Überdies sei es den mit dem Instagram-Account angesprochenen potenziellen Kunden auch gleichgültig, ob die gezeigten oder zu einer Probefahrt angebotenen E-Bikes mit der patentgemäßen Technologie versehen gewesen seien oder nicht.
Darüber hinaus habe die Schuldnerin in dem durch die Gläubigerin angesprochenen Schreiben an ihre belgischen Vertragshändler lediglich darauf hingewiesen, dass E-Bikes mit der patentgemäßen Vorrichtung an Endverbraucher aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Italien verkauft werden dürfen, was zutreffend sei. Dass die E-Bikes an entsprechende Endverbraucher in den genannten Ländern verkauft werden dürften, schreibe die Schuldnerin nicht. Die Händler in Belgien hätten darauf hingewiesen, dass sie ihre Produkte teilweise auch an Endverbraucher aus den genannten Ländern verkaufen, wobei die Händler nicht wissen könnten, wo jeder einzelne Kunde, der ihren Laden betrete, wohne. Es sei daher sinngemäß bei der Schuldnerin angefragt worden, ob man sich zukünftig den Personalausweis jedes einzelnen Kunden zeigen lassen müsse. Diese Anfrage habe die Schuldnerin wie aus dem Schreiben ersichtlich beantwortet, wobei sich dort auch der folgende ergänzende Hinweis finde:
'The only restriction: The 'OPIUM' should not be advertised or offered on websites that can be accessed by Internet users from DE, NL, FR and IT.'
Gerade dieser Hinweis sei der Schuldnerin wichtig gewesen, da sie ihre eigene Internetseite bereits entsprechend modifiziert gehabt habe und ihre Händler in Belgien habe darauf aufmerksam machen wollen, dass deren Angebote aufgrund der Anordnung auch nicht in den genannten Ländern abrufbar sein dürften.
Die in Rede stehenden E-Bikes würden auch nicht nach Deutschland geliefert. Gerade wegen ihrer Größe, ihres Gewichts (rund 37 kg) und insbesondere auch ihres Preises (ca. 10.000,- EUR) würden diese ausnahmslos nicht an Kunden geliefert, sondern ausschließlich persönlich im Ladengeschäft übergeben, wo die Kunden in den Gebrauch der E-Bikes eingewiesen würden (was bei einer Lieferung nach Deutschland nicht möglich gewesen sei). Eine solche Lieferung nach Deutschland oder in ein anderes Land außerhalb Belgiens habe daher zu keinem Zeitpunkt gedroht und habe es in der Vergangenheit auch noch nie gegeben. Dies sei der Schuldnerin bekannt, da die streitgegenständlichen Produkte auch einer Zulassung und eines Kennzeichens bedürften, um sie im Straßenverkehr zu benutzen. Daher kenne die Schuldnerin die Vertriebs- und Lieferwege jedes einzelnen Produktes.
Im Hinblick auf den Vorwurf einer Missachtung der Anordnung im Zusammenhang mit dem verkaufsoffenen Sonntag bei 'Fahrrad Fischer' habe die Gläubigerin den Sachverhalt weitgehend korrekt wiedergegeben. Der Inhaber der Fahrrad Fischer GmbH sei mit dem Geschäftsführer der Schuldnerin persönlich bekannt. Bereits Anfang dieses Jahres habe 'Fahrrad Fischer' vier 'OPIUM'-Fahrräder bei der Schuldnerin geordert und inzwischen bezahlt. Diese hätten aufgrund der Anordnung der Lokalkammer allerdings nicht ausgeliefert werden können. Herrn ... sei jedoch von der Schuldnerin versichert worden, dass stattdessen technisch geänderte Fahrräder ohne die angeblich patentverletzende Technologie ('neue Modelle') geliefert würden, sobald die Entwicklung abgeschlossen sei. Diese Entwicklung habe sich jedoch verzögert, so dass zu dem verkaufsoffenen Sonntag der Firma Fischer noch keine neuen Modelle zur Verfügung gestanden hätten. Da Herr ... auf bereits gedruckte Einladungsflyer verwiesen habe, sei der Geschäftsführer der Schuldnerin nach Rücksprache mit Herrn ... spontan auf die Idee verfallen, ihm kurzfristig ein privates Testfahrrad, welches die angeblich patentverletzende Technologie aufgewiesen habe, für den verkaufsoffenen Sonntag zur Verfügung zu stellen. Das Testfahrrad des Geschäftsführers, bei dem es sich um einen fahrbaren, unverkäuflichen und im Eigentum der Schuldnerin stehenden Prototyp ohne deutsche Zulassung gehandelt habe, sei 'Fahrrad Fischer' ein paar Tage vor dem verkaufsoffenen Sonntag von einem Mitarbeiter der Schuldnerin übergeben und inzwischen absprachege-
mäß auch wieder abgeholt worden. Die von der Gläubigerin in Bezug genommenen vier Bestellungen seien alle bereits geraume Zeit vor dem verkaufsoffenen Sonntag erfolgt. Im Nachgang des verkaufsoffenen Sonntags seien bei 'Fahrrad Fischer' keine weiteren Bestellungen eingegangen. Zu dem durch die Gläubigerin angesprochenen und durch diese arrangierten Verkaufsgespräch sei es nur gekommen, weil es sich bei dem Testkäufer um einen ehemaligen Mitarbeiter der Firma Kalkhoff gehandelt habe, der Herrn ... aus der diesbezüglichen Geschäftsbeziehung bekannt gewesen sei und der sich am 26. September 2023 noch als '...' vorgestellt habe. Nach einem fachlichen Austausch habe dieser sodann gefragt, ob er nicht ein E-Bike für seine Frau testen könne.
Ergänzend wird auf den weiteren Vortrag der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
GRÜNDE DER ANORDNUNG:
Der gemäß Art. 82 (3) und (4) EPGÜ i.V.m. R. 354.4 VerfO zulässige Zwangsmittelantrag der Gläubigerin hat in der Sache überwiegend Erfolg. Die Schuldnerin hat der Unterlassungsanordnung der Lokalkammer Düsseldorf wiederholt, allerdings nicht in allen von der Gläubigerin angesprochenen Fällen zuwidergehandelt, weshalb gegen sie ein Zwangsgeld in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zu verhängen war.
I.
Das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung steht zwischen den Parteien zu Recht nicht in Streit. Die durch die Lokalkammer am 22. Juni 2023 erlassene Unterlassungsanordnung wurde dem CEO der Schuldnerin am 23. Juni 2023 um 15:30 Uhr auf der Messe 'Eurobike 2023' in Frankfurt am Main zugestellt (Anlage Ast 12) und damit vollstreckt, wobei der Schuldnerin unter Ziffer III. der Anordnung auch bereits ein Zwangsgeld von bis zu 250.000,- EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht wurde.
Ausweislich Ziffer VI. der Unterlassungsanordnung war diese (zunächst) auch ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die sodann innerhalb einer Frist von 10 Tagen ab der Zustellung der Anordnung zu leistende Sicherheit in Höhe von 500.000,- EUR hat die Schuldnerin am 26. Juni 2023 durch Hinterlegung bei der Gerichtskasse Frankfurt am Main erbracht (Anlage ASt 13).
II.
Die Schuldnerin hat im Sinne von R. 354.4 VerfO gegen die ihrem Geschäftsführer zugestellte Unterlassungsanordnung verstoßen, indem sie die streitgegenständlichen E-Bikes auch nach Zustellung der Anordnung auf der Messe 'Eurobike 2023' angeboten hat. Ebenso stellt die verzögerte Löschung des Instagram-Accounts der Schuldnerin einen Verstoß gegen die Unterlassungsanordnung dar. Überdies handelt es sich bei der Ausstellung eines Testfahrrades durch 'Fahrrad Fischer' im Rahmen eines verkaufsoffenen Sonntags um ein patentverletzendes Angebot der streitgegenständlichen E-Bikes. Da die Schuldnerin das durch 'Fahrrad Fischer' präsentierte Testfahrrad zur Verfügung gestellt hat, ist ihr Verhalten als weiterer Verstoß gegen die Unterlassungsanordnung der Lokalkammer zu werten. Das darüber hinaus von der Gläubigerin bemängelte Schreiben der Schuldnerin an ihre belgischen Vertragshändler begründet hingegen keinen Verstoß gegen das durch die Lokalkammer ausgesprochene Unterlassungsgebot.
Indem die Schuldnerin ihren Messestand am 23. Juni 2023 auch nach Zustellung der Unterlassungsanordnung offengehalten hat, hat sie unabhängig vom Inhalt konkreter Verkaufsgespräche gegen das ihr auferlegte Unterlassungsgebot verstoßen. Bereits der Messestand als solcher lässt sich als patentverletzendes Angebot klassifizieren. Dass die auf dem Messestand ausgestellten E-
Bikes nach deren Modifikation weder über einen Drehmomentsensor noch über eine Steckachse verfügt haben, steht einem patentverletzenden Angebot nicht entgegen.
a) Der Begriff des Angebots ist im Patentrecht rein wirtschaftlich zu verstehen. Das Anbieten ist nicht nur eine dem Herstellen, Inverkehrbringen, Einführen oder Besitzen vorausgehende Vorbereitungshandlung, sondern eine eigenständige Benutzungsart neben diesen Handlungen, die selbstständig zu beurteilen ist. Der Begriff des Anbietens umfasst gemäß Art. 25 (a) EPGÜ - bei einem Erzeugnis - jede im Geltungsbereich des in Rede stehenden Europäischen Patents begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert den Gegenstand der Nachfrage in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt.
Daher ist das Ausstellen von Waren auf einer im Geltungsbereich des jeweiligen Patents stattfindenden Messe ein Anbieten im Sinne dieser Vorschrift. Zweck des Art. 25 EPGÜ ist es, dem Patentinhaber einerseits alle wirtschaftlichen Vorteile zu sichern, die sich aus der Benutzung der patentierten Erfindung ergeben können, und ihm andererseits einen effektiven Rechtschutz zu gewähren. Aus diesem Grund ist es nicht erforderlich, dass das Anbieten die Voraussetzungen eines konkreten, rechtswirksamen und verbindlichen Vertragsangebots erfüllt. Ferner kommt es nicht darauf an, ob der Anbietende eigene oder fremde Geschäftsabschlüsse bezweckt und ob er bei einem Angebot zu Gunsten eines Dritten überhaupt von diesem beauftragt oder bevollmächtigt ist. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob mit der fraglichen Handlung tatsächlich eine Nachfrage nach einem schutzrechtsverletzenden Gegenstand geweckt wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird.
Davon ausgehend werden von einem 'Anbieten' im Sinne von Art. 25 EPGÜ insbesondere auch vorbereitende Handlungen umfasst, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder fördern sollen, das die Benutzung des Gegenstandes einschließt. Dies kann derart geschehen, dass Interessenten Gebote auf Überlassung abgeben können. Genau dies geschieht regelmäßig auf einer Fachmesse: Die Aussteller verfolgen mit ihren Präsentationen den Zweck, Geschäftsbeziehungen mit interessierten Messebesuchern zu knüpfen und ihre Produkte zu verkaufen. Sie präsentieren ihre Produkte in der Erwartung, dass sie von den Messebesuchern nachgefragt werden. Das Ausstellen ist bestimmt und dazu geeignet, Interesse an den Produkten zu wecken und auf diese bezogene Geschäftsabschlüssen zu ermöglichen, was für ein Anbieten im Sinne von Art. 25 (a) EPGÜ ausreicht.
b) Entsprechend war es auch auf der Messe 'Eurobike 2023' in Frankfurt am Main. Bei dieser handelte es sich um eine Verkaufsmesse, bei der Unternehmen ihre Produkte präsentierten, um diese zu verkaufen. Die eigene Leistungsstärke, die auf einer Messe zur Schau gestellt wird, ist ein wesentliches Verkaufsargument und soll der Absatzförderung der ausgestellten Produkte dienen. Der von der Schuldnerin geforderte Nachweis eines konkreten Angebotes gegenüber einem bestimmten Unternehmen ist davon ausgehend für ein Anbieten nicht erforderlich, weil bereits das Ausstellen der angegriffenen E-Bikes auf der Messe 'Eurobike 2023' den Benutzungstatbestand des patentverletzenden Angebots des Art. 25 (a) EPGÜ erfüllte.
Dass die Schuldnerin ihren Sitz in der Schweiz und damit außerhalb des Geltungsbereichs des EPGÜ hat, steht dem nicht entgegen. Angebotshandlungen auf einer Messe im Geltungsbereich des in Rede stehenden Patents stellen selbst dann ein Anbieten im Sinne von Art. 25 (a) EPGÜ dar, wenn der Aussteller ausschließlich im Ausland residiert und nur dort angebotsgerechte Lieferungen vor-
nehmen kann. Voraussetzung ist in einem solchen Fall nur, dass sich sein Angebot aus Empfängersicht zumindest auch auf die vom Geltungsbereich des jeweiligen Patents erfassten Staaten beziehen kann. Davon geht der Messebesucher jedoch - wie bezüglich der ausgestellten E-Bikes - regelmäßig aus.
c) Der Verhängung eines Zwangsgeldes kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die auf dem Messestand der Schuldnerin ausgestellten E-Bikes derart modifiziert waren, dass sie weder über einen Drehmomentsensor noch über eine Steckachse verfügten.
Für ein Anbieten müssen nicht in jedem Fall alle Merkmale des Anspruchs in der Werbung und damit auch auf einem Messestand gezeigt sein, wenn bei objektiver Betrachtung der im Streitfall tatsächlich gegebenen Umstände davon ausgegangen werden muss, dass das dargestellte Erzeugnis in seiner technischen Gestaltung dem Gegenstand des Patents entspricht. Es kommt darauf an, ob die patentgemäße Gestaltung aus dem Vorliegen von sonstigen objektiven Umständen zuverlässig geschlossen werden kann. Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist hierbei die Sicht der angesprochenen Verkehrskreise über den unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu ermittelnden objektiven Erklärungswert der Werbung.
Ausgehend hiervon ließ sich die Präsentation der streitgegenständlichen E-Bikes für die angesprochenen Verkehrskreise nicht anders verstehen, als dass die Schuldnerin nicht E-Bikes in dem auf dem Messestand ersichtlichen - mangels Steckachse und Drehmomentsensor unstreitig funktionsunfähigen - Zustand anbietet, sondern dass sich das Angebot auf voll funktionsfähige E-Bikes bezieht. Es kann zu Gunsten der Schuldnerin unterstellt werden, dass sich deren Abnehmer nicht für die Details der technischen Gestaltung von Steckachse und Drehmomentsensor interessieren. Sie erwarten jedoch die Lieferung des ausgestellten Modells im funktionsfähigen Zustand. Dass das streitgegenständliche E-Bike im Zeitpunkt der Messe auch in einer nicht patentverletzenden, aber gleichwohl funktionsfähigen Konfiguration verfügbar gewesen sei, behauptet selbst die Schuldnerin nicht. Vor diesem Hintergrund vermittelte der Messestand der Schuldnerin potenziellen Interessenten nur eine Botschaft: Es werden funktionsfähige E-Bikes der Serie 'OPIUM' beworben und damit angeboten, was das Vorhandensein des zuvor durch die Schuldnerin kurzfristig entfernten Drehmomentsensors und der Steckachse bedingt. Gegenteiliges hat die Schuldnerin jedenfalls nicht aufzuzeigen vermocht.
d) Ebenso wenig kann sich die Schuldnerin mit Erfolg darauf berufen, Besucher des Messestandes seien bereits 15 Minuten nach Zustellung der Anordnung explizit darauf hingewiesen worden, dass die ausgestellten Fahrräder nicht mehr angeboten würden, weil diesbezüglich ein Verkaufsverbot bestehe. Zum einen ist das 'Anbieten', wie vorstehend bereits im Einzelnen ausgeführt, rein wirtschaftlich zu verstehen, weshalb auch der Messestand als solcher bereits als Angebot zu klassifizieren ist. Zum anderen erlangen Kunden, die sich auf dem selbst das patentverletzende Angebot begründenden Messestand lediglich umsehen, von einem solchen durch Mitarbeiter im persönlichen Gespräch erteilten Hinweis naturgemäß keine Kenntnis.
Die erst am Morgen des Folgetages der Zustellung der Unterlassungsanordnung der Lokalkammer erfolgte Löschung des die Möglichkeit der Buchung von Probefahrten mit dem streitgegenständlichen E-Bike beinhaltenden Instagram-Posts stellt einen weiteren Verstoß gegen die Unterlassungsanordnung dar.
a) Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein andauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahingehend auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustandes umfasst. Eine Unterlassungsverpflichtung erschöpft sich nicht nur im bloßen Nichtstun, sondern umfasst auch die Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustandes, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot entsprochen werden kann. So verhält es sich, wenn die Nichtbeseitigung des Verletzungszustandes gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung ist. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Instagram-Account der Schuldnerin enthielt explizit die Möglichkeit der Buchung von Testfahrten mit den streitgegenständlichen E-Bikes. Es handelt sich mithin um ein Angebot der angegriffenen Ausführungsform i.S.v. Art. 25 (a) EPGÜ und damit um einen fortgesetzten Verstoß gegen die Unterlassungsanordnung der Lokalkammer. Da dieser Verstoß nur durch eine entsprechende Änderung oder Löschung des entsprechenden Instagram-Accounts beseitigt werden konnte, war es an der Schuldnerin, dies zu veranlassen, und zwar umgehend, nachdem ihr die Unterlassungsanordnung der Lokalkammer zugestellt worden war. Erfolgt die Anordnung einstweiliger Maßnahmen - wie hier - ex parte, hat die Schuldnerin die mit der Androhung von Zwangsgeldern versehene Anordnung mit deren Zustellung zu beachten.
Dieser Verpflichtung ist die Schuldnerin nicht hinreichend gerecht geworden. Nach dem eigenen Vortrag der Schuldnerin erfolgte die von ihrem Geschäftsführer veranlasste Löschung des Instagram-Accounts nicht unmittelbar nach Zustellung der Unterlassungsanordnung, sondern erst am Morgen des Folgetages, was einen Verstoß gegen das der Schuldnerin auferlegte Unterlassungsgebot darstellt.
b)
Dass die Schuldnerin ihren Sitz in der Schweiz hat und ihren Instagram-Account möglicherweise von dort administriert, führt zu keiner anderen Bewertung. Zwar unterliegt das Vollstreckungsverfahren nach Art. 82 (3) EPGÜ dem Recht des Vertragsmitgliedsstaates, in dem die Vollstreckung erfolgt. Auch können nach dieser Vorschrift Entscheidungen des Gerichts unter den gleichen Bedingungen wie Entscheidungen vollstreckt werden, die in dem Vertragsmitgliedsstaat ergangen sind, in dem die Vollstreckung erfolgt. Jedoch wird diese Vorschrift für den Fall der Unterlassungsvollstreckung durch Art. 82 (4) EPGÜ i.V.m. R. 354.3 und .4 VerfO überlagert ('unbeschadet dieses Übereinkommens'). Verstößt der Schuldner daher gegen eine Unterlassungsanordnung des Gerichts, können gegen ihn unabhängig von den Vorschriften des nationalen Vollstreckungsrechts auf der Grundlage des EPGÜ und der Verfahrensanordnung Zwangsgelder verhängt werden. Ein solcher Verstoß ist vorliegend - wie ausgeführt - gegeben, da die Schuldnerin die angegriffene Ausführungsform über ihren Instagram-Account unter anderem in der Bundesrepublik Deutschland und damit der Unterlassungsanordnung zuwider angeboten hat. Das nationale Vollstreckungsrecht erlangt in einem solchen Fall etwa dann Bedeutung, wenn ein Schuldner das ihm schon auferlegte Zwangsgeld nicht zahlt und diese daher vollstreckt werden sollen (BeckOK PatR/Augenstein, EPGÜ, 29. Edition, Stand: 15.07.2023, Art. 82 Rz. 17).
- Indem die Schuldnerin 'Fahrrad Fischer' nach Zustellung der Unterlassungsanordnung der Lokalkammer ein Testfahrrad überlassen hat, welches dort im Rahmen eines verkaufsoffenen Sonntags zu Demonstrationszwecken eingesetzt wurde, hat sie ein weiteres Mal gegen das ihr auferlegte Unterlassungsgebot verstoßen. Selbst wenn es - was zu Gunsten der Schuldnerin unterstellt werden kann - im Rahmen dieser Veranstaltung nicht zu Vertragsabschlüssen kam, wurde das Fahrrad
unter Anwendung des bereits im Einzelnen dargestellten Maßstabes im Rahmen dieser Veranstaltung zumindest angeboten. Auch wenn das Testfahrrad selbst im Rahmen des verkaufsoffenen Sonntages basierend auf dem Vorbringen der Schuldnerin nicht zum Verkauf stand, war dessen Präsentation geeignet, eine entsprechende Nachfrage auf Abnehmerseite hervorzurufen. Dies gilt umso mehr, da sich das entsprechende E-Bike zusätzlich nicht nur auch in einem Werbeflyer von 'Fahrrad Fischer' fand, sondern auch Gegenstand zumindest eines konkreten Verkaufsgespräches war. Dafür, dass seitens 'Fahrrad Fischer' während des verkaufsoffenen Sonntags darüber aufgeklärt wurde, dass die später zu liefernden E-Bikes in ihrer technischen Gestaltung von dem präsentierten Testfahrrad abweichen, fehlt es an Anhaltspunkten. Dies gilt umso mehr, nachdem es bereits der Geschäftsführer der Schuldnerin versäumt hat 'Fahrrad Fischer' darauf hinzuweisen, dass die Kunden bei der Präsentation nicht nur darüber aufzuklären sind, dass es sich um einen unverkäuflichen Prototyp handelt, sondern auch darüber, welche spezifischen technischen Modifikationen die später tatsächlich gelieferten Modelle gegenüber dem Prototyp haben werden.
Die Schuldnerin hat das Testfahrrad zum Zwecke des Anbietens in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt und dort zu diesem Zweck (mittelbar) besessen, wodurch sie sich zugleich am Angebot desselben durch 'Fahrrad Fischer' beteiligt hat. Hierdurch hat sich die Schuldnerin über das durch die Lokalkammer ausgesprochene Unterlassungsgebot hinweggesetzt. Dass der Geschäftsführer der Schuldnerin möglicherweise davon ausging, dass mit dem Testfahrrad lediglich neue, technisch modifizierte Modelle beworben werden, vermag an diesem Befund nichts zu ändern. Das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Unterlassungsanordnung im Sinne von R. 354.4 VerfO ist zunächst rein objektiv zu bestimmen. Eventuelle Fehlvorstellungen auf Schuldnerseite sind allenfalls bei der Beurteilung des Verschuldens und damit für die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe vor dem Hintergrund des Verstoßes ein Zwangsgeld zu verhängen ist, von Relevanz.
Soweit die Gläubigerin mit ihrem Zwangsmittelantrag auch das Schreiben der Schuldnerin an ihre belgischen Händler vom 28. Juni 2023 (Anlage Ast 5) beanstandet, vermag sie damit nicht durchzudringen.
a) Der durch die Gläubigerin erhobene Vorwurf, das Schreiben bringe die Intention eines Vertriebs an Endkunden aus den von der Unterlassungsanordnung umfassten Ländern zum Ausdruck, lässt sich allein mit dem Wortlaut des Schreibens nicht begründen. Die dort zu findende und durch die Gläubigerin herangezogene Äußerung 'Selling the 'OPIUM' on site to end customers from DE, NL, FR and IT remains permitted' (Hervorhebung hinzugefügt) besagt für sich genommen nicht mehr, als dass einem Vertrieb durch die belgischen Händler an Kunden aus den genannten Ländern keine Hindernisse entgegenstehen. Nachdem sich die Unterlassungsanordnung nicht auf Belgien erstreckt, ist ein solcher Hinweis solange zutreffend, wie die belgischen Händler die streitgegenständlichen E-Bikes nur vor Ort verkaufen und ausliefern. Werden die belgischen Händler als Adressaten des Schreibens durch Kunden aus den genannten Ländern aufgesucht, sind sie auch weiterhin berechtigt, die streitgegenständlichen E-Bikes an diese Kunden zu verkaufen und diesen die E-Bikes vor Ort auszuhändigen.
Zwar weist die Gläubigerin zu Recht darauf hin, dass die Lieferung von bei den belgischen Vertragshändlern bestellten E-Bikes nach Deutschland in Abgrenzung dazu eine Verletzung des Verfügungspatents sowie einen Verstoß gegen die Unterlassungsanordnung der Lokalkammer darstellen kann. Die Schuldnerin hat jedoch ein solches Geschäftsmodell ausdrücklich bestritten. Es wäre daher an der Gläubigerin gewesen, ihr zunächst pauschal gehaltenes Vorbringen, etwa auf der
Grundlage eines Testkaufs, zu konkretisieren und für die durch sie aufgestellten Tatsachenbehauptungen Beweis anzubieten (R. 171.1 S. 1 VerfO). Dem ist die Gläubigerin jedoch nicht nachgekommen, weshalb die Lokalkammer weder die tatsächlich bestehende Möglichkeit der Lieferung durch die belgischen Vertragshändler nach Deutschland noch die Auslieferung von bei den belgischen Vertragshändlern bestellten E-Bikes durch die Schuldnerin von der Schweiz aus dorthin feststellen kann.
b) Die Rahmenbedingungen des Schreibens bestätigen das vorstehend herausgearbeitete Verständnis.
Die Schuldnerin hat sich (unbestritten) zum Hintergrund des Schreibens dahingehend eingelassen, sie habe noch am Tag der Zustellung der Anordnung abends alle Vertragshändler, die das Modell 'OPIUM' zu diesem Zeitpunkt vertrieben hätten, darüber informiert, dass ein Gericht ein Vertriebsverbot dieses Modells angeordnet habe. Sodann habe die Schuldnerin die belgischen Vertragshändler am 27. Juni 2023 zu einer Videokonferenz eingeladen, in welcher sie die Händler darüber in Kenntnis gesetzt habe, dass das Modell 'OPIUM' nicht in Deutschland, den Niederlanden, in Frankreich und in Italien vertrieben werden dürfe (vgl. insoweit auch Anlage Ast. 5, vorletzter Absatz). Ein Weitervertrieb in Belgien sei demgegenüber möglich. In der Folge hätten manche Händler die Frage aufgeworfen, welches Verhalten in Belgien noch erlaubt sei und ob sie insbesondere bei Verkaufsgesprächen mit Kunden vor Ort den Wohnsitz der Kunden abzufragen hätten. Zur Klärung dieser Fragen habe die Schuldnerin das durch die Gläubigerin in Bezug genommene Schreiben an ihre belgischen Vertragshändler gesandt und klargestellt, dass der Verkauf an Endkunden aus den von der Unterlassungsanordnung umfassten Ländern zulässig bleibe. Über den Wortlaut des Schreibens hinausgehende Anhaltspunkte für einen Verkauf von Belgien nach Deutschland lassen sich auch unter Berücksichtigung der geschildeten Rahmenbedingungen des Schreibens nicht finden.
c) Ein Verstoß gegen das durch die Lokalkammer ausgesprochene Unterlassungsgebot lässt sich schließlich auch nicht mit der durch die Gläubigerin in Bezug genommenen 'Funkuhr'-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes begründen (vgl. BGHZ 204, 114, Rz. 26 = GRUR 2015, 467 - Audiosignalcodierung).
Auch wenn nach dieser auf nationaler Ebene entwickelten Rechtsprechung ein im Ausland und damit außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ansässiges Unternehmen, das einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer mit Erzeugnissen beliefert, an einer Benutzungshandlung im Inland beteiligt sein kann, wenn es weiß oder aufgrund von Fahrlässigkeit nicht weiß, dass der Abnehmer die Erzeugnisse nach Deutschland weiterliefert, gilt diese Haftung nicht unbeschränkt. Ein im Ausland ansässiger Lieferant eines im Inland patentgeschützten Erzeugnisses, der einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer beliefert, ist nicht ohne Weiteres verpflichtet, die weitere Verwendung der gelieferten Ware durch den Abnehmer zu überprüfen oder zu überwachen. Der Abnehmer eines Erzeugnisses ist grundsätzlich selbst dafür verantwortlich, dieses nur in rechtlich zulässiger Weise einzusetzen. Der Lieferant hat mit einer patentrechtlich unbedenklichen Lieferung im Ausland nicht ohne Weiteres einen Tatbestand verwirklicht, der eine besondere Gefährdungssituation für die Rechte des Patentinhabers schafft. Deshalb begründet die Belieferung für sich gesehen keine besonderen Schutzpflichten zugunsten des aus dem Patent Berechtigten.
Ebenso wenig reicht die nur abstrakte Möglichkeit, dass der Abnehmer die gelieferte Ware in das Inland weiterliefern oder dort anbieten könnte, aus. Da der Lieferant prinzipiell nicht verpflichtet
ist, das Verhalten seiner Abnehmer zu überprüfen oder zu überwachen, kann ihm grundsätzlich auch nicht angesonnen werden, eine Überprüfung schon deshalb vorzunehmen, weil eine patentrechtlich relevante Verwendung möglich erscheint, etwa deshalb, weil der Abnehmer Geschäftsbeziehungen ins Inland pflegt oder weil er ähnliche Erzeugnisse bereits in das Inland geliefert oder dort angeboten hat.
Vor diesem Hintergrund dürften konkrete Anhaltspunkte für eine Weiterlieferung ins Inland im praktischen Ergebnis häufig nur dann gegeben sein, wenn der Lieferant von einer tatsächlich erfolgten oder konkret bevorstehenden Weiterlieferung Kenntnis erhalten hat. Zwar können nach den Umständen des einzelnen Falls hinreichend konkrete Anhaltspunkte auch schon aufgrund sonstiger Umstände vorliegen - etwa deshalb, weil die abgenommene Menge so groß ist, dass sie schwerlich nur auf schutzrechtsfreien Märkten vertrieben werden kann, oder weil das Abnahmeverhalten auffällig mit einer wahrnehmbaren und potenziell schutzrechtsverletzenden Tätigkeit des Abnehmers auf dem inländischen Markt korreliert. Wenn solche konkreten Anhaltspunkte erkennbar zutage getreten sind, darf der Lieferant nicht mehr darauf vertrauen, dass sein Abnehmer von patentverletzenden Handlungen absehen wird. Er hat vielmehr Anlass, den Abnehmer nach Lieferungen und Angeboten in das Inland zu befragen und vorsorglich auf die Möglichkeit einer darin liegenden Patentverletzung hinzuweisen. Erfolgt auf eine solche Nachfrage keine plausible Antwort, so muss der Lieferant ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen, dass er sich - wenn auch ohne positive Kenntnis - an einer fremden Patentverletzung beteiligt. In dieser Situation verletzt er mit einer unveränderten Fortsetzung seiner Lieferungen auch dann eine dem Schutz des fremden Patents dienende Verhaltenspflicht, wenn er subjektiv von einem rechtskonformen Verhalten des Abnehmers ausgeht.
Selbst wenn die Grundsätze dieser Rechtsprechung, was vorliegend keiner abschließenden Entscheidung bedarf, auch vor dem Einheitlichen Patentgericht mit der Maßgabe Anwendung finden, dass an die Stelle des Inlandes die vom Schutzumfang des jeweiligen Patents erfassten Mitgliedsstaaten treten, verhilft dies der Gläubigerin nicht zum Erfolg. Konkrete Anhaltspunkte für eine Weiterlieferung von im Ausland gelieferten Produkten in eines der von der Unterlassungsanordnung erfassten Länder sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Nachdem die Schuldnerin wiederholt gegen die Unterlassungsanordnung der Lokalkammer verstoßen hat, erscheint die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von insgesamt 26.500,- EUR erforderlich aber auch angemessen, um die Unterlassungsanordnung der Gläubigerin effektiv durchzusetzen und deren zukünftige Einhaltung durch die Schuldnerin zu erzwingen.
a) Gemäß Art. 82 (4) S. 2 EPGÜ muss das Zwangsgeld in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der zu vollstreckenden Anordnung stehen. Damit korrespondierend ist der Betrag des für den Fall eines Verstoßes an das Gericht zu zahlenden Zwangsgeldes nach R. 354.4 VerfO im Hinblick auf die Bedeutung der in Rede stehenden Anordnung festzusetzen. Entscheidendes Kriterium für die Bestimmung der Höhe des Zwangsgeldes ist somit die Bedeutung der Anordnung und damit letztlich das Interesse des Gläubigers an deren Durchsetzung, welches beispielsweise darin bestehen kann, die patentierten Produkte zu vertreiben (BeckOK PatR/Augenstein, EPGÜ, 29. Edition, Stand: 15.07.2023, Art. 82 Rz. 41). Das Zwangsgeld soll den Schuldner verlässlich von zukünftigen Verstößen und Verletzungen abhalten und besitzt daher in erster Linie eine Beugefunktion. Wie sowohl die englische ('penalty payment'; 'be sanctioned') als auch die französische ('sanctionée') Fassung von Art. 82 (4) EPGÜ verdeutlichen, handelt es sich bei dem Zwangsgeld daneben
allerdings auch um eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots, weshalb die Verhängung von Zwangsgeldern als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal auch ein Verschulden des Schuldners voraussetzt.
b)
Dieser doppelte Zweck des Zwangsgeldes erfordert es, die Bemessung des Zwangsgeldes jedenfalls in erster Linie mit Blick auf den Schuldner und dessen Verhalten vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglichen künftigen Verletzungshandlungen für den Verletzten. Je häufiger und intensiver der Schuldner gegen das ihm auferlegte Unterlassungsgebot verstoßen hat, desto klarer hat er seinen Unwillen zum Ausdruck gebracht, sich der Unterlassungsanordnung zu beugen. Dem hat die Bemessung des Zwangsgeldes Rechnung zu tragen: Hat der Schuldner in der Vergangenheit bereits mehrfach gegen die Unterlassungsanordnung verstoßen, erhöht sich der notwendige Druck, um ihn zukünftig zu einem anordnungsgemäßen Verhalten zu zwingen. Hat der Schuldner demgegenüber bereits in der Vergangenheit seinen Willen zur Befolgung der Unterlassungsanordnung gezeigt, kann dies den notwendigen Druck und damit das Zwangsgeld reduzieren, um den Schuldner zukünftig zu einem anordnungsgemäßen Verhalten anzuhalten. Bei der Beurteilung der Intensität des Verstoßes ist somit das gesamte Verhalten des Schuldners in den Blick zu nehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad sowie die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher zukünftigen Verletzungshandlungen für den Gläubiger.
c)
Ausgehend von diesen Grundsätzen hält die Lokalkammer die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 26.500,- EUR für gerechtfertigt, aber auch geboten, um die Schuldnerin zukünftig zu einer Befolgung des ihr auferlegten Unterlassungsgebotes zu zwingen, wovon 1.000,- EUR auf den Weiterbetrieb des Messestandes, 500,- EUR auf die verzögerte Löschung des Instagram-Accounts sowie 25.000,- EUR auf den verkaufsoffenen Sonntag bei 'Fahrrad Fischer' entfallen.
aa)
In Bezug auf den Weiterbetrieb des Messestandes hält die Lokalkammer ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- EUR vorliegend für ausreichend und angemessen.
Für die Schuldnerin spricht, dass sie sich durch den Ausbau der Steckachsen und des Drehmomentsensors zumindest bemüht hat, der Unterlassungsanordnung Folge zu leisten. Auch hat sie ihren Messestand am Folgetag nicht mehr betrieben, wodurch sich der Verstoß auf wenige Stunden beschränkt. Überdies hat die Lokalkammer zu Gunsten der Schuldnerin berücksichtigt, dass sich auf dem Messestand gerade auch unter Berücksichtigung dessen, dass es sich um die erste ex parte-Anordnung des Einheitlichen Patentgerichts handelte, eine Vielzahl von Fragen stellten, die es zu klären galt. Hinzu kommt, dass ein bloßes Anbieten auf der Messe durch die Ausgestaltung des Messestandes, nicht aber ein tatsächlicher Vertrieb im Raum steht, was sich mindernd auf die Höhe des Zwangsgeldes auswirkt. Nichtsdestotrotz hat die bereits im Vorfeld der Zustellung der Unterlassungsanordnung anwaltlich vertretene Schuldnerin der Unterlassungsanordnung schuldhaft nicht umgehend ordnungsgemäß Folge geleistet, sondern vielmehr zunächst (erfolglos) versucht, sich dieser - ebenso wie der Beschlagnahmeanordnung - dadurch zu entziehen, dass sie bei den auf dem Messestand präsentierten E-Bikes lediglich die Steckachse sowie den Drehmomentsensor entfernt hat.
bb)
Hinsichtlich der verzögerten Löschung des Instagram-Accounts erscheint unter Berücksichtigung
dessen, dass der Weiterbetrieb des Instagram-Accounts über wenige Stunden eine deutlich geringere Werbewirkung erzielt als ein Messeauftritt auf einer Leitmesse, ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- EUR angemessen.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin die Löschung des Accounts noch in der Nacht zum 24. Juni 2023 angewiesen hat, wobei diese Anweisung sodann auch zeitnah umgesetzt wurde. Zugunsten der Schuldnerin ist weiterhin in die Überlegungen eingeflossen, dass ihr Geschäftsführer eine Vielzahl von Aufgaben innerhalb kurzer Zeit zu erledigen hatte, um dem Unterlassungsgebot Folge zu leisten. Nichtsdestotrotz hat er sich in Kenntnis der Unterlassungsanordnung erst in der Nacht erstmals der Löschung des Instagram-Accounts zugewandt und diese Aufgabe daher zunächst bewusst zurückgestellt, und zwar auch dann noch, als der entsprechende Messestand bereits geschlossen war. Weshalb ihr die Löschung ihrer Internetseite, nicht aber ihres Instagram-Accounts unmittelbar nach Zustellung der Unterlassungsanordnung möglich war, erläutert die Schuldnerin nicht. Ebenso wenig hat sie nachvollziehbar dargelegt, weshalb es ihrem Geschäftsführer nicht möglich gewesen sein soll, ihre Social Media Beraterin bereits am Nachmittag des 22. Juni 2023 zu kontaktieren und diese mit der Löschung zu beauftragen. Nachdem die Schuldnerin eine solche zeitnahe Beauftragung schuldig geblieben ist und damit schuldhaft gegen die Unterlassungsanordnung der Lokalkammer verstoßen hat, sind weitere Überlegungen dazu, in welchem zeitlichen Rahmen eine solche unmittelbar erteilte Anweisung durch die Sozial Media Beraterin umzusetzen gewesen wäre, entbehrlich.
cc) Im Verhältnis zu den vorgenannten Verstößen wiegt die Bereitstellung des durch 'Fahrrad Fischer' im Rahmen eines verkaufsoffenen Sonntags präsentierten E-Bikes deutlich schwerer. Das betreffende Testfahrrad wurde 'Fahrrad Fischer' nicht nur nach Zustellung der Unterlassungsanordnung und trotz eines bestehenden Exportverbotes der streitgegenständlichen E-Bikes aus der Schweiz zur Verfügung gestellt. Vielmehr hatte die Gläubigerin zu diesem Zeitpunkt auch bereits gegen die Schuldnerin ein Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet, in welchem bereits verschiedene Verstöße gegen die durch die Lokalkammer ausgesprochene Unterlassungsanordnung im Raum standen. Mit der Bereitstellung des Testfahrrades zum Zwecke der Durchführung eines verkaufsoffenen Sonntags in Deutschland hat sich die Schuldnerin daher bewusst über die Unterlassungsanordnung der Lokalkammer hinweggesetzt. Um die Wiederholung eines derartigen Verhaltens zu verhindern und damit der Bedeutung der Unterlassungsanordnung für die Klägerin zur Wahrung von deren Geschäftsinteressen gerecht zu werden, ist die Verhängung eines empfindlichen Zwangsgeldes unabdingbar. Soweit sich die Schuldnerin demgegenüber darauf beruft, ihr Geschäftsführer habe nicht realisiert, dass es sich bei der Bereitstellung des Testfahrrades zum Zwecke der Präsentation im Rahmen eines verkaufsoffenen Sonntags um einen Verstoß gegen die Unterlassungsanordnung der Lokalkammer handeln könnte, rechtfertigt dieses Vorbringen schon deshalb keine andere Bewertung, weil die Parteien im Rahmen des zu diesem Zeitpunkt bereits laufenden Zwangsvollstreckungsverfahrens gerade auch intensiv die Frage eines Angebots der angegriffenen Ausführungsform auf einem Messestand diskutierten. Schon deshalb musste der Geschäftsführer der Schuldnerin erkennen , dass er sich mit dieser Lieferung (erneut) über die Unterlassungsanordnung der Lokalkammer hinwegsetzt. Um derartiges für die Zukunft zu verhindern und der Gläubigerin zu einer effektiven Durchsetzung der Unterlassungsanordnung und damit zur Wahrung ihrer Geschäftsinteressen zu verhelfen, erscheint die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 25.000,- EUR für diesen Verstoß erforderlich, aber auch ausreichend.
dd)
Eine all dies berücksichtigende Gesamtabwägung rechtfertigt die Auferlegung eines Zwangsgeldes
in Höhe von 26.500,- EUR. Gründe, die Bedeutung der zu vollstreckenden Anordnung hiervon abweichend zu beurteilen, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von R. 118.5 S. 1 VerfO.
Bei der Verteilung der Kosten hat die Lokalkammer berücksichtigt, dass die Gläubigerin zwar formal nicht die Festsetzung eines Zwangsgeldes in einer bestimmten Höhe beantragt hat. Sie hat ihr Begehren auf Zwangsgeldfestsetzung allerdings auf insgesamt vier Verletzungsvorwürfe (Messestand; Instagram-Account; Schreiben an die belgischen Händler; 'Fahrrad Fischer') gestützt, wovon sich im Ergebnis nur drei als gerechtfertigt erwiesen haben. Dies muss sich in der Verteilung der Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens widerspiegeln.
Da es sich bei der vorliegenden Anordnung um eine der ersten zur Festsetzung von Zwangsgeldern wegen Verstoßes gegen eine Anordnung des Gerichts handelt, hält es die Lokalkammer für geboten, die Berufung für beide Parteien zuzulassen und diesen damit die Möglichkeit einzuräumen, die Anordnung durch das Berufungsgericht überprüfen zu lassen (Art. 73 (2) (b) (ii) EPGÜ, R. 220.2, 354.4 VerfO).
- Dafür, die Anordnung von einer Sicherheitsleistung im Sinne von R. 352.1 VerfO abhängig zu machen, bestand kein Anlass. Für die der Schuldnerin aus der Vollstreckung der Unterlassungsanordnung möglicherweise entstehenden Schäden hat die Gläubigerin bereits die von ihr geforderte Sicherheit durch Hinterlegung geleistet.
ANORDNUNG:
-
- Der Schuldnerin wird wegen Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot gemäß Ziffer I. der Anordnung einstweiliger Maßnahmen der Lokalkammer Düsseldorf des Einheitlichen Patentgerichts vom 22. Juni 2023 (ORD_526778/2023 zum Az.: ACT_525740/2023; UPC_CFI_177/2023) ein an das Einheitliche Patentgericht zu zahlendes Zwangsgeld in Höhe von 26.500,- EUR auferlegt.
-
- Die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens werden der Gläubigerin zu 25 % und der Schuldnerin zu 75 % auferlegt.
-
- Diese Anordnung ist sofort vollstreckbar.
-
- Die Berufung wird zugelassen.
-
- Der Streitwert des Zwangsvollstreckungsverfahrens wird auf 150.000,- EUR festgesetzt.
DETAILS DER ANORDNUNG:
zum Antrag APP_552740/2023 betreffend das Hauptaktenzeichen ACT_525740/2023
Verfahrensart: Antrag auf Festsetzung von Zwangsgeldern
Erlassen in Düsseldorf am 18. Oktober 2023
NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN
Vorsitzender Richter Thomas
Rechtlich qualifizierte Richterin Dr. Thom
Rechtlich qualifizierter Richter Kupecz
INFORMATIONEN ÜBER DIE BERUFUNG
Beide Parteien können gegen diese Anordnung innerhalb von 15 Tagen nach ihrer Zustellung Berufung einlegen (Art. 73 (2) (b) (ii) EPGÜ, R. 220.2, 354.4 VerfO).
INFORMATIONEN ZUR ZAHLUNG:
Das Zwangsgeld ist an das Gericht auf folgendes Konto zu zahlen: LU55 0019 7355 1895 9000.