
Lokalkammer München
Anordnung des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts in dem Hauptsacheverfahren UPC_CFI_9/2023 betreffend das Europäische Patent 3 611 989 ACT_459771/2023 App_586381/2023 (Regel 333 VerfO) erlassen am 11/12/2023
Leitsätze:
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- Eine Unterrichtung durch den Berichterstatter nach Regel 20.2 VerfO, dass der Einspruch im Hauptverfahren zu behandeln ist, kann weder mit der Berufung angegriffen werden, noch kann sie zum Gegenstand einer Überprüfung durch den Spruchkörper nach Regel 333.1 VerfO gemacht werden.
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- Über unstatthafte Anträge nach Regel 333.1 VerfO entscheidet der Berichterstatter und nicht der Spruchkörper.
Keywords:
Einspruch; Unterrichtung; Überprüfung durch den Spruchkörper
Antragsteller
1) NETGEAR Deutschland GmbH
(Beklagte des Hauptverfahrens) - Konrad-Zuse-
Platz 1 - 81829 - München - DE
vertreten durch Stephan Dorn
2) Netgear Inc.
(Beklagte des Hauptverfahrens) - 350 E Plumeria Dr - 95134 - San Jose - US
vertreten durch Stephan Dorn
3) Netgear International Limited
(Beklagte des Hauptverfahrens) - First Floor Building 3, University Technology Centre, Curraheen Road - T12K516 - Cork - IE
vertreten durch Stephan
Dorn
Antragsgegnerin
1) Huawei Technologies Co. Ltd
(Klägerin des Hauptverfahrens) - Bantian Huawei Base Longgang District Shenzhen - 518129 - Shenzhen - CN
vertreten durch Tobias J. Hessel
Klagepatent
Patent N r . |
Inhaberin |
EP3611989 |
Huawei Technologies Co. Ltd |
ZUSAMMENSETZUNG DES SPRUCHSKÖRPERS
Vorsitzender Richter und Berichterstatter rechtlich qualifizierter Richter rechtlich qualifizierter Richter
Matthias Zigann Tobias Pichlmaier Edger Brinkman
Diese Anordnung wurde vom Vorsitzenden Richter und Berichterstatter Matthias Zigann erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
GEGENSTAND DES VERFAHRENS
Patentverletzung
hier: Antrag nach Regel 333 VerfO nach einer Unterrichtung des Berichterstatters gem. Regel 22.2 VerfO
ANTR˜GE
Die Antragsteller (Beklagte im Hauptsacheverfahren) beantragen, die Anordnung des Berichterstatters vom 30. Oktober 2023 (ORD_575956/2023), wonach der Einspruch der Beklagten (App_577172/2023) im Hauptsacheverfahren zu behandeln ist, vom gesamten Spruchkörper überprüfen zu lassen (Regel 333 VerfO EPG) und über den Einspruch der Beklagten nach Regel 19 VerfO EPG gemäß Regel 21.1 VerfO EPG unmittelbar zu entscheiden.
Die Antragsgegnerin (Klägerin im Hauptsacheverfahren) beantragt, den Antrag zurückzuweisen,
hilfsweise stellt sie die erneute Entscheidung über den Zeitpunkt der Befassung mit dem Einspruch durch den ganzen Spruchkörper in das Ermessen des Spruchkörpers.
SACHVERHALT
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des Europäischen Patents 3 611 989 in Anspruch. Die Beklagten haben unter dem 07.09.2023 (App_570172/2023) Einspruch nach Regel 19 VerfO eingelegt. Unter dem 30.10.2023 hat der Berichterstatter die Parteien gemäß Regel 20.2 VerfO darüber unterrichtet, dass der Einspruch im Hauptverfahren zu behandeln ist und eine Berufung gegen diese Mitteilung nach Regel 21.1 VerfO nicht gegeben ist. Unter dem 14.11.2023 haben die Antragstellerin in Bezug auf diese Mitteilung einen Antrag auf Überprüfung durch den Spruchkörper gem. Regel 333 VerfO eingereicht.
Die Antragsteller sind der Meinung, dass eine solche Überprüfung durch den Spruchkörper vorliegend auf Antrag eröffnet sei.
Die Antragsgegnerin teilt diese Meinung nicht.
GRÜNDE
Der Antrag ist als unstatthaft zurückzuweisen.
Nach Regel 333.1 VerfO werden verfahrensleitende Entscheidungen oder Anordnungen des Berichterstatters oder des Vorsitzenden Richters auf begründeten Antrag einer Partei vom Spruchkörper überprüft.
Nach Regel 20.2 VerfO unterrichtet der Berichterstatter die Parteien darüber, dass der Einspruch im Hauptverfahren zu behandeln ist.
Nach Regel 21.1 VerfO kann gegen eine Entscheidung des Berichterstatters, dem Einspruch stattzugeben, gemäß Regel 220.1(a) Berufung eingelegt werden. Gegen eine Anordnung des Berichterstatters, den Einspruch zurückzuweisen, kann nur gemäß Regel 220.2 Berufung eingelegt werden. Zwar differenziert der deutsche Wortlaut insoweit nicht, er spricht in beiden Fällen von 'Entscheidung'. Die englische ('decision' v. 'order') und französische ('décision' v. 'ordonnance') Fassung der Vorschrift differenzieren hingege n sehr wohl. Hieraus folgt, dass es sich bei dem Hinweis gem. Regel 20.2 VerfO weder um eine Entscheidung handelt, dem Einspruch stattzugeben, noch um eine Anordnung, den Einspruch zurückzuweisen. Der Vorschrift lässt sich klar entnehmen, dass ein Rechtsmittel nur dann gegeben ist, wenn über den Einspruch eine Entscheidung ergangen ist. Dies ist bei einer Unterrichtung ('inform' bzw. 'informe') nicht der Fall.
Auch Regel 333.1 VerfO sieht vor, dass nur Entscheidungen oder Anordnungen des Berichterstatters auf Antrag einer Partei einer Überprüfung durch den Spruchkörper unterliegen. Mithin ist auch der Anwendungsbereich dieser Norm vorliegend nicht eröffnet.
Vielmehr soll nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut und Willen der Autoren der Verfahrensordnung gegen den Hinweis des Berichterstatters, dass der Einspruch im Hauptverfahren zu behandeln ist, weder eine Überprüfungsmöglichkeit durch den Spruchkörper auf Antrag einer Partei noch das Rechtsmittel der isolierten Berufung möglich sein. Hierdurch wird erreicht, dass der Berichterstatter in der Lage ist, die ökonomischste Verfahrensführung zu wählen. Die beklagte Partei ist gehalten, innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist diejenigen Argumente, die einer Zuständigkeit des Gerichts oder der angerufenen Kammer entgegenstehen könnten, vorzubringen. Dem Berichterstatter steht es nach Anhörung der Klagepartei frei, über den Einspruch sogleich zu befinden, oder mitzuteilen, dass über den Einspruch im Rahmen der Hauptsacheentscheidung befunden werden wird. Die zweite Alternative bietet die Möglichkeit, bei offensichtlich unbegründeten Einsprüchen bzw. bei Einsprüchen, die selbst dann, wenn sie begründet sind, nicht das gesamte Verfahren obsolet machen, die Ressourcen des Gerichts, insbesondere der anderen Mitglieder des Spruchkörpers, zu schonen, und eine schriftliche Auseinandersetzung auf den Zeitpunkt der Hauptsacheentscheidung zu vertagen.
Da der Anwendungsbereich der Regel 333 eindeutig nicht eröffnet ist, hat auch nicht der Spruchkörper über diesen unstatthaften Antrag zu entscheiden, sondern der Berichterstatter. Denn im Falle einer Vorlage an den Spruchkörper müsste sich dieser dann doch mit den vorgetragenen Argumenten befassen. Das Ziel der verfahrensökonomischen Gestaltung,
insbesondere die Schonung der zeitlichen Ressourcen der anderen Mitglieder des Spruchkörpers, würde damit verfehlt.
ANORDNUNG
Der Antrag der Antragsteller (Beklagten des Hauptsacheverfahrens) vom 14.11.2023 nach Regel 333 VerfO wird als unstatthaft zurückgewiesen.
ANWEISUNGEN AN DIE PARTEIEN UND DAS REGISTER
Als nächsten Verfahrensschritt hat die Klägerin die Replik einzureichen. Zeitpunkt ist hierfür zwei Monate nach Zustellung der Klageerwiderung, die eine Nichtigkeitswiderklage enthielt, also der 22.1.2024.
Entscheidungen über die Klageerweiterung, die Zuweisung eines technisch qualifizierten Richters sowie die Planung des Zwischentermins und des Haupttermins ergehen in gesonderten Workflows.
Dr. Zigann
Vorsitzender Richter und Berichterstatter
Matthias ZIGANN Matthias ZIGANN
Digital unterschrieben von Datum: 2023.12.11 10:17:11 +01'00'

DETAILS DER ANORDNUNG
ACTION NUMBER: ACT_459771/2023
UPC number: UPC_CFI_9/2023
Action type:
Infringement Action
Related proceeding no. Application No.:
586381/2023
Application Type:
APPLICATION_ROP_333
INFORMATION ÜBER DIE BERUFUNG
Diese Anordnung ist nicht isoliert anfechtbar. Sie kann nur zusammen mit der Hauptsacheentscheidung einer Überprüfung durch das Berufungsgericht zugeführt werden.