
Lokalkammer München UPC_CFI_9/2023
Leitsätze:
Die Verfahrensordnung ist gem. Regel 1.1 VerfO in Verbindung mit Ziffer 4 der Präambel zur Verfahrensordnung mit dem erforderlichen Grad an Ermessen flexibel und ausgewogen anzuwenden, so dass das Verfahren möglichst effizient und kostensparend gestaltet werden kann. Mithin gebieten diese Grundsätze unter den Umständen des vorliegenden Falls die Durchführung der mündlichen Verhandlung in englischer Sprache, obwohl die Verfahrenssprache Deutsch ist und bleibt.
Keywords:
Wechsel der Verfahrenssprache (Regel 322 VerfO); Sprache der Zwischenanhörung (Regel 105.3 VerfO); Sprache der mündlichen Verhandlung (Regel 14.2.c VerfO).
Anordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts in dem Hauptsacheverfahren betreffend das Europäische Patent 3 611 989 erlassen am 09/02/2024
Klagerin
1) Huawei Technologies Co. Ltd
Bantian Huawei Base Longgang District Shenzhen - 518129 - Shenzhen - CN
vertreten durch Tobias J. Hessel
Beklagte
1) NETGEAR Deutschland GmbH
Konrad-Zuse-Platz 1 - 81829 - München - DE
vertreten durch Stephan Dorn
2) Netgear Inc.
350 E Plumeria Dr - 95134 - San Jose - US
vertreten durch Stephan Dorn
3) Netgear International Limited
First Floor Building 3, University Technology Centre, Curraheen Road - T12K516 - Cork - IE
vertreten durch Stephan Dorn
Klagepatent
Patent N r . |
Inhaberin |
EP3611989 |
Huawei Technologies Co. Ltd. |
ZUSAMMENSETZUNG DES SPRUCHSKÖRPERS
Vorsitzender Richter und
Berichterstatter
Matthias Zigann
rechtlich qualifizierter Richter
Tobias Pichlmaier
rechtlich qualifizierter Richter
Edger Brinkman
technisch qualifizierter Richter
Patrice Vidon
Diese Anordnung wurde vom Vorsitzenden Richter Matthias Zigann als Berichterstatter erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
GEGENSTAND DES VERFAHRENS
Patentverletzung
hier: möglicher Wechsel der Verfahrenssprache (Regel 322 VerfO); Sprache der Zwischenanhörung (Regel 105.3 VerfO) sowie der mündlichen Verhandlung (Regel 14.2.c VerfO).
SACHVERHALT
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung der Europäischen Patente 3 611 989 und 3 678 321 in Anspruch. Sie erhob zunächst am 01/06/2023 Klage gestützt allein auf das Europäische Patent 3 611 989. Mit Schriftsatz vom 23/11/2023 beantragte sie die Zulassung der Erweiterung der Klage auf Ansprüche aus dem Europäischen Patent 3 678 321. Beide Patente wurden in englischer Sprache erteilt.
Der Berichterstatter hat am 11/12/2023 in APP_587438/2023 die Klageerweiterung zugelassen. Insoweit wurde ein Antrag nach Regel 333 VerfO gestellt und bereits verbeschieden. Die Berufung wurde zugelassen.
Der Spruchkörper hat unter ORD_593105/2023 die Abtrennung des Gegenstands der Klageerweiterung angeordnet. Die Berufung wurde zugelassen.
Für zwei Mitglieder des Spruchkörpers ist die derzeitige Verfahrenssprache Deutsch nicht die Muttersprache. Mindestens ein Mitglied des Spruchkörpers wird für die mündliche Verhandlung eine Simultanverdolmetschung benötigen.
Die weiteren Mitglieder des Spruchkörpers haben auf Anfrage des Berichterstatters mitgeteilt,
dass sie einer Änderung der Verfahrenssprache auf Englisch aufgeschlossen gegenüberstehen.
Den Parteien wurde rechtliches Gehör gewährt.
Die Beklagten haben einer Änderung der Verfahrenssprache auf Englisch zugestimmt.
Die Klägerin hat nicht zugestimmt. Sie stünde aber einer Durchführung der mündlichen Verhandlung auf Englisch aufgeschlossen gegenüber und regt an, insoweit von der Ausnahmemöglichkeit der Regel 14.2 lit. c) VerfO für die Durchführung der mündlichen Verhandlung in englischer Sprache Gebrauch zu machen.
Der Berichterstatter hat darauf hingewiesen, dass die Durchführung der mündlichen Verhandlung auf Englisch nicht auf Regel 14.2 (c) VerfO gestützt werden kann, weil diese Vorschrift den umgekehrten Fall erfasst. Regel 14.2 (c) VerfO EPG ermöglicht dem Berichterstatter lediglich, für die mündliche Verhandlung den Wechsel von der Verfahrenssprache gem. Art. 49 Abs. 2 EPGÜ in die Sprache des Sitzlandes der Lokalkammer nach Art. 49 Abs. 1 EPGÜ (hier: Deutsch) zu verfügen.
Bezüglich eines Wechsels der Sprache der mündlichen Verhandlung teilen die Beklagten die Bedenken des Berichterstatters. Die Beklagten stellten es aber in das Ermessen des Berichterstatters, ob eine Ausnahme von den Regeln zur Verfahrenssprache nach Art. 49 EPGÜ und Regel 14 VerfO EPG zulässig ist, wenn beide Parteien ihr Einverständnis dahingehend erklären, von der Verfahrenssprache nach Art. 49 Abs. 1 EPGÜ i.V.m. Regel 14.1 (a) VerfO EPG ausschließlich für die mündliche Verhandlung in eine Sprache nach Art. 49 Abs. 2 EPGÜ zu wechseln.
Unter App_6074/2024 haben die Beklagten einen Antrag auf Zwischenentscheidung gem. Regel 336 VerfO gestellt. Sie begehren
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- über die Wirksamkeit der Einreichung von Patentänderungsanträgen für das Patent EP 3 611 989 im Wege einer Zwischenanordnung nach Regel 336 VerfO EPG zu entscheiden;
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- zu bestimmen, ob für die Beklagten die zweimonatige Frist zur Erwiderung auf den Antrag auf Änderung des Klagepatents nach Regel 29 lit. d VerfO EPG läuft; und
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- den vorläufigen Termin zur Zwischenanhörung am 19. Februar 2024 aufzuheben und einen Termin für die Zwischenanhörung nach Beendigung des schriftlichen Verfahrens zu bestimmen.
Der Berichterstatter hat insoweit am 05/02/2024 folgende vorläufige Anordnung getroffen:
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- Die Klägerin kann zu dem Antrag am Montag, 19/02/2024, 9.30 Uhr, im Rahmen der
bereits geplanten Videokonferenz betreffend die Zwischenanhörung mündlich Stellung nehmen.
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- Im Anschluss an die mündliche Stellungnahme wird der Berichterstatter entscheiden, ob die Zwischenanhörung sogleich durchgeführt oder verschoben wird (Antrag 3.).
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- Unabhängig hiervon dient die Anhörung der Vorbereitung einer Entscheidung über die Anträge 1 und 2.
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- Die Beklagten haben für die Zwecke der Berechnung der für sie laufenden zweimonatigen Erwiderungsfrist nach Regeln 29.d, 32.1 VerfO vorläufig von einer wirksamen Einreichung auszugehen.
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- Der Hilfskanzler wird aufgefordert, bis zum 15/02/2024 zur geltend gemachten Störung des CMS schriftlich Stellung zu nehmen.
GRÜNDE
Nach Regel 322 VerfO kann der Berichterstatter von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei jederzeit während des schriftlichen Verfahrens und des Zwischenverfahrens nach Rücksprache mit dem Spruchkörper den Parteien vorschlagen, die Verfahrenssprache gemäß Artikel 49 Absatz 4 des Übereinkommens in die Sprache zu ändern, in der das Patent erteilt wurde. Sind die Parteien und der Spruchkörper einverstanden, wird die Verfahrenssprache geändert.
Da sich die Klägerin gegen einen Wechsel der Verfahrenssprache ausgesprochen hat, ist ein Wechsel nach dieser Vorschrift nicht möglich. Insoweit verbleibt es bei der Verfahrenssprache Deutsch.
Die Zwischenanhörung sowie die mündliche Anhörung können gem. Regel 105.3 VerfO dennoch in englischer Sprache durchgeführt werden, weil sich die Parteivertreter darauf geeinigt haben, jedenfalls ist davon auszugehen, dass sich die für die mündliche Verhandlung ausgesprochene Zustimmung auch auf die Zwischenanhörung sowie die mündliche Anhörung erstrecken.
Für den Haupttermin kann zwar Regel 14.2 (c) VerfO für eine Verhandlung in englischer Sprache nicht direkt herangezogen werden, weil diese Vorschrift für den Fall, dass die Verfahrenssprache Englisch ist, dem Gericht gestatten würde, für die Verhandlung und die Entscheidung Deutsch zu verwenden. Vorliegend liegt aber der umgekehrte Fall vor.
Die Verfahrensordnung ist aber, wie Regel 1.1 VerfO in Verbindung mit Ziffer 4 der Präambel zur Verfahrensordnung zeigen, mit dem erforderlichen Grad an Ermessen flexibel und ausgewogen anzuwenden, so dass das Verfahren möglichst effizient und kostensparend gestaltet werden kann. Mithin gebieten diese Grundsätze vorliegend die Durchführung der mündlichen Verhandlung in englischer Sprache, weil sich beide Parteien hierauf verständigt haben, um allen Verfahrensbeteiligten sowie den Mitgliedern des Spruchkörpers ein unmittelbares Verfolgen des Verhandlungsgeschehens zu ermöglichen und Dolmetscherkosten einzusparen.
ANORDNUNG
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- Die Verfahrenssprache bleibt Deutsch.
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- Die mündliche Anhörung und die Zwischenanhörung sowie die mündliche Verhandlung werden gleichwohl in englischer Sprache durchgeführt.
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- Die Parteivertreter werden gebeten, ihnen Arbeitsübersetzungen in die englische Sprache der bereits eingereichten sowie der noch einzureichenden Schriftsätze, soweit dies noch nicht geschehen ist, dem Gericht durch Hochladen in das CMS innerhalb von zwei Werktagen zur Verfügung zu stellen. Insoweit wird innerhalb des vorliegenden Workflows eine Möglichkeit zum Hochladen eröffnet werden.
Dr. Zigann
Vorsitzender Richter und Berichterstatter
DETAILS DER ANORDNUNG
Hauptaktenzeichen:
UPC_CFI_9/2023
Aktenzeichen der Verletzungsklage: ACT_459771/2023
Aktenzeichen der Widerklagen:
CC_588071/2023; CC_588080/2023; CC_586627/2023
Aktenzeichen dieser Anordnung:
ORD_2866/2024
Gegenstand dieser Anordnung:
R 14.2.c; R 105.3; R 322