
Lokalkammer Düsseldorf UPC_CFI_463/2023
Verfahrensanordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts
Lokalkammer Düsseldorf erlassen am 14. Februar 2024 betreffend EP 2 697 391 B1
LEITSATZ:
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- Für den Schutz vertraulicher Informationen sieht das Case Management System (CMS) im Rahmen des R. 262A-Workflows ein abgestuftes Verfahren vor, in welchem den Geheimhaltungsinteressen beider Parteien umfassend Rechnung getragen werden kann.
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- Bevor die mit einem Geheimnisschutzantrag eingereichte ungeschwärzte Fassung ('unredacted version') eines Dokuments für die Gegenseite freigegeben wird, eröffnet das CMS dem Berichterstatter innerhalb des vorgenannten Workflows die Möglichkeit, Anordnungen zum vorläufigen Schutz der (vermeintlich) geheimhaltungsbedürftigen Informationen zu treffen.
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- Im Regelfall wird eine solche Anordnung zunächst den Kreis der zugangsberechtigten Personen der Gegenseite bis zur abschließenden Entscheidung über den Geheimnisschutzantrag beschränken. Hält der Berichterstatter ausgehend vom Inhalt eines solchen Antrages ausnahmsweise eine vorläufige Geheimnisschutzanordnung für entbehrlich, hat er die den Geheimnisschutz begehrende Partei vor einer Freigabe der ungeschwärzten Version über seine Auffassung zu informieren. Die zugleich einzuräumende Gelegenheit zur Stellungnahme bietet der betreffenden Partei die Gelegenheit, auf die drohende schutzlose Freigabe der aus ihrer Sicht geheimhaltungsbedürftigen Informationen zu reagieren und sich bei Bedarf auch dahingehend zu erklären, dass die betreffenden Dokumente nicht oder nicht in vollem Umfang zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden sollen.
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- Um dem Gericht eine Entscheidung in Kenntnis des angeblich geheimhaltungsbedürftigen Vortrags zu ermöglichen, sind ihm zusammen mit einem Geheimnisschutzantrag nach R. 262A VerfO stets vollständig ungeschwärzte Fassungen des betreffenden Dokuments vorzulegen. Sämtliche eingereichten Dokumente stehen unter einem vorläufigen Geheimnisschutz.
SCHLAGWÖRTER:
Geheimnisschutz; Geheimnisschutzantrag; Geschäftsgeheimnisse; 262A-Antrag; R. 262A-Workflow; Anordnung im Vorfeld; rechtliches Gehör
ANTRAGSSTELLERIN:
10x Genomics, Inc. , 6230 Stoneridge Mall Road, 94588-3260 Pleasanton, CA, USA, gesetzlich vertreten durch das Board of Directors, dieses vertreten durch den CEO …, ebenda, vertreten durch:
Rechtsanwalt Prof. Dr. Tilman Müller-Stoy, Rechtsanwalt Dr. Martin Drews, Patentanwalt Dr. Axel Berger, Prinzregentenplatz 7, 81675 München, elektronische Zustelladresse:
…
ANTRAGSGEGNERIN:
Curio Bioscience Inc., 4030 Fabian Way, Palo Alto, CA 94303, USA, vertreten durch ihren CEO …, ebenda, vertreten durch:
Rechtsanwältin Agathe Michel-de Cazotte, Europäischer Patentanwalt Cameron Marschall, 1 Southampton Row WC1B 5HA London, United Kingdom, elektronische Zustelladresse:
…
VERFÜGUNGSPATENT:
EUROPÄISCHES PATENT NR. EP 2 697 391 B1
SPRUCHKÖRPER/KAMMER:
Spruchkörper der Lokalkammer Düsseldorf
MITWIRKENDE RICHTER:
Diese Anordnung wurde durch den Vorsitzenden Richter Thomas als Berichterstatter erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch
GEGENSTAND: R. 262A VerfO i.V.m. R. 331, 334 und 336 VerfO
DARSTELLUNG DES SACHVERHALTS:
Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2023 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen gegen die Antragsgegnerin gestellt.
Unmittelbar vor Ablauf der Einspruchsfrist (R. 209.1 (a) VerfO) und vor Einreichung der Einspruchsschrift begehrt die Antragsgegnerin die Anordnung von Maßnahmen zum vorläufigen Schutz vertraulicher Informationen.
ANTRÄGE DER PARTEIEN:
Die Antragsgegnerin beantragt,
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- den Zugang zum Text in roter Farbe in der vertraulichen Fassung des Einspruchs gegen
den Antrag auf einstweilige Maßnahmen einschließlich der beigefügten Anlagen (zusammen als 'die Einspruchsschrift' bezeichnet), der vertrauliche Geschäftsinformationen der Antragsgegnerin darstellt (die 'Vertraulichen Informationen'), bis zum Erlass einer endgültigen Geheimhaltungsanordnung auf die persönlichen Vertreter der Antragstellerin, d.h. Prof. Dr. jur. T.-Müller-Stoy und Dr. jur. M. Drews, zu begrenzen und
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- die beiden Vertreter der Antragstellerin bis zu diesem Zeitpunkt auch gegenüber ihrer Mandantin, d.h. der Antragstellerin, zur Verschwiegenheit in Bezug auf die vertrauliche Fassung der in der Einspruchsschrift enthaltenen Angaben zu verpflichten.
GRÜNDE DER ANORDNUNG:
Für den Schutz vertraulicher Informationen nach R. 262A VerfO ist im Case Management System (CMS) ein abgestuftes Verfahren implementiert.
Hält die Antragsgegnerin bezüglich bestimmter, in der Einspruchsschrift oder deren Anlagen enthaltener Informationen eine Geheimnisschutzanordnung für geboten, ist es an ihr, zusammen mit der ungeschwärzten Fassung ('unredacted version') auch eine geschwärzte Version ('redacted version') der betreffenden Dokumente im CMS hochzuladen und zugleich über den dafür vorgesehenen Workflow einen Geheimnisschutzantrag nach R. 262A VerfO bezüglich dieser Dokumente zu stellen. Macht sie von dieser Möglichkeit Gebrauch, ist für die Gegenseite zunächst ausschließlich die geschwärzte Version sichtbar, bis die ungeschwärzte Fassung durch die Sub-Registry der Lokalkammer auf explizite Anweisung des Richters hin freigegeben wird.
Vor dieser Freigabe eröffnet das CMS dem Berichterstatter innerhalb des R. 262A-Workflows die Möglichkeit, Anordnungen zum vorläufigen Schutz der (vermeintlich) geheimhaltungsbedürftigen Dokumente zu treffen. In diesem Rahmen hat dieser sowohl den Inhalt der betreffenden Informationen als auch die Begründung des Geheimnisschutzantrages in seine Erwägungen einzubeziehen. Daher muss dem Gericht für seine Entscheidung zwingend eine vollständig ungeschwärzte Fassung und nicht etwa eine redigierte oder teilredigierte Version vorgelegt werden. Im Regelfall wird der Berichterstatter der zunächst einseitigen Einschätzung des Antragstellers zum Geheimnischarakter folgend im Wege einer solchen Anordnung den Kreis der zugangsberechtigten Personen der Gegenseite bis zur abschließenden Entscheidung über den Geheimnisschutzantrag beschränken. In einem ersten Schritt wird das Dokument zunächst nur dem Parteivertreter der Gegenseite freigegeben, soweit der Antragsteller nicht selbst etwa die Freigabe auch an weitere, noch vom gegnerischen Vertreter zu benennende Personen gestattet. Hält der Berichterstatter ausgehend vom Inhalt des Antrages auf Schutz vertraulicher Informationen ausnahmsweise eine solche vorläufige Geheimnisschutzanordnung für entbehrlich, gebieten es bereits die nach Ziffer 5. der Präambel der Verfahrensordnung stets zu wahrenden Grundsätze der Billigkeit und Fairness, die Geheimnisschutz begehrende Partei vor einer Freigabe der ungeschwärzten Fassung zu informieren. Die zugleich einzuräumende Gelegenheit der Stellungnahme bietet der betreffenden Partei die Möglichkeit, auf die drohende schutzlose Freigabe der aus ihrer Sicht geheimhaltungsbedürftigen Informationen zu reagieren und sich bei Bedarf auch dahingehend zu erklären, dass die betreffenden Dokumente nicht oder nicht in vollem Umfang zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden sollen.
Dadurch stehen sämtliche, zusammen mit einem Geheimnisschutzantrag nach R. 262A VerfO eingereichten Dokumente unter einem vorläufigen Geheimnisschutz. Für
Geheimnisschutzanordnungen im Vorfeld der Einreichung derartiger vollständig ungeschwärzter Dokumente besteht daher kein Bedürfnis.
ANORDNUNG:
Die Entscheidung über die mit Schriftsatz vom 13. Februar 2024 gestellten Anträge wird zurückgestellt, bis die Antragsgegnerin ihren Einspruchsschriftsatz eingereicht und einen Antrag auf den Schutz vertraulicher Informationen gestellt hat.
Um das Verfahren nach Eingang der Einspruchsschrift sowie -falls zutreffend -eines entsprechenden Geheimnisschutzantrages zu beschleunigen, wird der Antragsgegnerin aufgegeben, sich in einem eventuellen Geheimnisschutzantrag auch zu dem im Schriftsatz der Antragstellerin vom 14. Februar 2024 (App_8029/2024) genannten Personenkreis zu äußern.
Eine Beschränkung des Personenkreises auf lediglich zwei rechtsanwaltliche Vertreter, wie sie die Antragsgegnerin fordert, dürfte mit dem Interesse der Antragstellerin an einer effektiven Verfahrensführung schon allein vor dem Hintergrund der im Eilverfahren zu wahrenden knappen Fristen und des zeitnahen Termins zur mündlichen Verhandlung nicht zu vereinbaren sein. Um den Besonderheiten des Eilverfahrens Rechnung zu tragen, erscheint bei vorläufiger Bewertung eine Beschränkung auf vier rechtsanwaltliche Vertreter (zwei Partner und zwei Associates zu deren Unterstützung), zwei patentanwaltliche Vertreter sowie drei Vertreter der Mandantin gestattungsfähig zu sein.
DETAILS DER ANORDNUNG:
App_7937/2024 sowie App_8029/2024 betreffend das Hauptaktenzeichen ACT_590953/2023
UPC-Nummer: UPC_CFI_463/2023
Verfahrensart: Antrag auf einstweilige Maßnahmen
Erlassen in Düsseldorf am 14. Februar 2024
NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN
Vorsitzender Richter Thomas