11 March, 2024
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Order
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ORD_13025/2024
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Luxembourg (LU)
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EP3611989
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Regel 333.1 RoP
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UPC Berufungsgericht UPC_CoA_36/2024 APL_4881/2024 APP_12628/2024
ANORDNUNG
des Berufungsgerichts des Einheitlichen Patentgerichts vom 11. März 2024
über eine verfahrensrechtliche Berufung
LEITSATZ:
Der Grundsatz eines ordnungsgemäßen Verfahrens erfordert, dass dem Beklagten, wenn ein neues Patent klageerweiternd zu einer bereits anhängigen Klage geltend gemacht wird, in Bezug auf das neue Patent dieselbe Frist zur Klageerwiderung - und gegebenenfalls zur Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage -zur Verfügung steht, wie dies der Fall wäre, wenn eine neue Klage in Bezug auf dieses Patent erhoben worden wäre.
SCHLÜSSELWÖRTER:
Klageerwiderungsfrist nach einer Klageänderung oder einer Klageerweiterung gemäß R.263 der Verfahrensordnung
KLÄGER/BEKLAGTE IM AUSGANGSVERFAHREN VOR DEM GERICHT ERSTER INSTANZ:
Netgear Inc.
Netgear Deutschland GmbH
Netgear International Limited
Im Folgenden auch gemeinsam bezeichnet als: Netgear (im Singular)
vertreten durch: Rechtsanwalt Dr. Stephan Dorn, Freshfields Bruckhaus Deringer Rechtsanwälte, Düsseldorf
BEKLAGTER/KLÄGER IM AUSGANGSVERFAHREN VOR DEM GERICHT ERSTER INSTANZ
Huawei Technologies Co. Ltd
Nachstehend auch als Huawei bezeichnet,
vertreten durch: Rechtsanwalt Dr. Tobias J. Hessel, Clifford Chance, Düsseldorf
VERFAHRENSSPRACHE:
Deutsch
KLAGEPATENTE
EP 3611989
EP 3678321
SPRUCHKÖRPER
Zweiter Spruchkörper
ENTSCHEIDENDE RICHTER:
An dieser Anordnung haben mitgewirkt:
Rian Kalden, Vorsitzende Richterin und Berichterstatterin Ingeborg Simonsson, rechtlich qualifizierte Richterin
Patricia Rombach, rechtlich qualifizierte Richterin
ANGEFOCHTENER BESCHLUSS DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
- □ Datum: 18. Januar 2024 (hochgeladen am 23. Januar 2023; ORD_597550/2023 im verbundenen Verfahren APP_595631/2023 zum Hauptverfahren ACT_459771/2023)
- □ Vom Gericht erster Instanz zugewiesenes Aktenzeichen: UPC_CFI_9/2023
SACHVERHALT
Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte der Spruchkörper der Lokalkammer München in einem Verfahren nach Regel 333.1 RoP (Überprüfung durch den Spruchkörper; APP_595631/2023) die Anordnung des Berichterstatters (ORD_589178/2023 vom 11. Dezember 2023), die von Huawei beantragte Klageerweiterung hinsichtlich EP 3678321 zuzulassen (APP_587438/2023 vom 23. November 2023). Das von Huawei am 1. Juni 2023 in der Hauptsache eingeleitete Verletzungsverfahren stützte sich ursprünglich nur auf EP 3611989.
ANGABE DER ANTRÄGE DER PARTEIEN
Netgear hat gegen diese Anordnung Berufung eingelegt und beantragt im Hauptverfahren vor dem Berufungsgericht (APL_4881/2024):
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- die Anordnung der Lokalkammer München ORD_597550/2023 (im Verfahren App_595631/2023) sowie die Anordnung des Berichterstatters der Lokalkammer München ORD_589178/2023 (im Verfahren App_587438/2023) aufzuheben,
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- den Antrag von Huawei auf Zulassung der Klageerweiterung vom 23. November 2023 zurückzuweisen,
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- die Anordnung der Lokalkammer München ORD_593106/2023 (im Verfahren ORD_593105/2023) zur Abtrennung des Gegenstands der Klageerweiterung aufzuheben;
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- hilfsweise, für den Fall, dass das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der Klageerweiterung ausgeht, einen angemessenen Fristlauf für die Verteidigungsmittel der Berufungsklägerinnen anzuordnen, die es den Berufungsklägerinnen ermöglicht, alle vorgesehenen Verteidigungsmittel, die ihnen gegen eine neue Klage zustünden, auch gegen den Streitgegenstand der Klageerweiterung geltend zu machen;
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- die Beschleunigung des Berufungsverfahrens betreffend die Berufungsanträge 1 bis 4 nach R.225(e) in Verbindung mit R.9.3(b) der Verfahrensordnung anzuordnen und die Stellungnahmefristen in diesem Berufungsverfahren nach dem Ermessen des Berufungsgerichts zu verkürzen [wie in App_7573/2024].
Während der Zwischenanhörung hat Netgear die Anträge 1 bis 3 sowie den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unter der Antragsnummer App_12629/2024 unter der Bedingung zurückgenommen, dass Huawei mit einer Fristverlängerung einverstanden ist, nach der eine Frist von drei Monaten zur Erwiderung auf die Klageerweiterung seit der Anordnung des Spruchkörpers des Gerichts erster Instanz vom 18. Januar 2024 laufen würde. Während der Zwischenanhörung hat Huawei die Zustimmung erteilt.
STRITTIGE PUNKTE
Frist für die Verteidigung nach der Zulässigkeit der Klageänderung oder Klageerweiterung.
GRÜNDE FÜR DIE ANORDNUNG
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- Die Berufung ist zulässig.
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- Beide Parteien wurden in der Zwischenanhörung am 11. März 2024 um 9.00 Uhr angehört.
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- Gemäß R.263.1 VerfO kann ein Antrag auf Zulassung einer Klageänderung oder Klageerweiterung - und gegebenenfalls Änderung des Anspruchs/der Ansprüche als Folge davon - durch die Geltendmachung eines weiteren Patents gestellt werden. Die Zulassung wird abgelehnt, wenn einer der in R.263.2 VerfO genannten Umstände gegeben ist.
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- Bei der Prüfung der Frage, ob die Änderung die andere Partei in unzumutbarer Weise bei ihrer Verfahrensführung behindert, prüft und berücksichtigt das Gericht die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, um sicherzustellen, dass dies nicht der Fall ist.
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- Der Grundsatz eines ordnungsgemäßen Verfahrens erfordert, dass dem Beklagten, wenn ein neues Patent klageerweiternd zu einer bereits anhängigen Klage geltend gemacht wird, in Bezug auf das neue Patent dieselbe Frist zur Klageerwiderung - und gegebenenfalls zur Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage -zur Verfügung steht, wie dies der Fall wäre, wenn eine neue Klage in Bezug auf dieses Patent erhoben worden wäre.
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- Anders als in dem Fall der Einreichung einer neuen Klage, ist in der Verfahrensordnung nicht festgelegt, ab welchem Zeitpunkt diese Frist zu laufen beginnt. Im Falle der Zulassung nach R. 263 VerfO sollte dieser Zeitpunkt daher in der Anordnung angegeben werden.
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- Der Berichterstatter führte in seinem Beschluss aus: "Im Falle der gemeinsamen Führung beider Patente innerhalb desselben Verletzungsverfahrens ist das Gericht verpflichtet, dem Beklagten in Bezug auf das zweite Patent weitgehend die gleichen Verteidigungsmöglichkeiten einzuräumen wie bei einer neuen, weiteren Klage. Dies kann durch Einräumung oder Verlängerung von Stellungnahmefristen geschehen. Im Falle der Abtrennung des Gegenstandes der Klageerweiterung würde dies sogar vereinfacht. Die Parteien werden zu der Frage, ob der Gegenstand der Klageerweiterung abgetrennt werden kann oder soll, in einem gesonderten Workflow angehört werden". Ein konkreter Termin wurde in der Anordnung nicht genannt. In Anbetracht der weiteren Anweisungen an die Parteien: "Den Parteien werden Gelegenheit erhalten, innerhalb von 14 Tagen zur Frage der Abtrennung Stellung zu nehmen ", waren Zweifel angebracht, ob die Frist für die Verteidigung in dem vorgesehenen abgetrennten Verfahren festgelegt werden sollte.
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- Der Spruchkörper des Gerichts erster Instanz bestätigte daraufhin in der von Netgear beantragten Überprüfung nach R.333 VerfO in seiner Anordnung vom 18. Januar 2024 die Anordnung des Berichterstatters vom 11. Dezember 2023 und führte aus: "Den Beklagten sind im Rahmen des vorliegenden Verfahrens bzw. im Rahmen eines abgetrennten Verfahrens dieselben Schriftsatzfristen zur Verteidigung einzuräumen, die auch bei Einreichung als separate Klage zu gewähren gewesen wären, aber auch nicht mehr. Dies bedeutet, dass die unverlängerte Klageerwiderungsfrist in Bezug auf den Gegenstand der Klageerweiterung am 11.12.2023 zu laufen begonnen hat. Den Beklagten wird noch mitgeteilt werden, in welchem Workflow die Klageerwiderung einzureichen sein wird". In Ziffer 2 der Anordnung heißt es: "Die Frist für die Einreichung einer Klageerwiderung in Bezug auf den Gegenstand der Klageerweiterung begann am 11.12.2023 und endet (ohne Verlängerung) am 11.03.2024".
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- Nach Ansicht des Berufungsgerichts hätte der Spruchkörper des Gerichts erster Instanz in Anbetracht des Fehlens einer spezifischen Regelung in der Verfahrensordnung oder des Übereinkommens und der mangelnden Klarheit der Anordnung des Berichterstatters hinsichtlich des Beginns der Frist für die Klageerwiderung unter diesen besonderen Umständen - wo keine ausreichende Klarheit über den Beginn der Frist für die Verteidigungsmittel gegen die Änderung bestand - nicht das frühere Datum der Anordnung des Berichterstatters, sondern das Datum der Zustellung seiner eigenen Anordnung als Beginn der Frist zugrunde legen müssen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Gericht erster Instanz eine Frist von drei Monaten eingeräumt hat, die als solche nicht beanstandet wurde, endet die Frist am 18. April 2024.
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- Nach alledem hebt das Berufungsgericht den Beschluss des Gerichts erster Instanz vom 18. Januar 2024 insoweit auf, als es in Ziffer 2 der Anordnung entschieden hat: "die Klageerwiderungsfrist in Bezug auf den Gegenstand der Klageerweiterung hat am 11/12/2023 begonnen und wird (unverlängert) am 11/3/2024 enden".
ANORDNUNG
Das Berufungsgericht:
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- hebt die Anordnung des Gerichts erster Instanz vom 18. Januar 2024 insoweit auf, als es in Ziffer 2 der Anordnung entschieden hat: "die Klageerwiderungsfrist in Bezug auf den Gegenstand der Klageerweiterung hat am 11/12/2023 begonnen und wird (unverlängert) am 11/3/2024 enden".
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- bestimmt die Frist für die Einreichung einer Klageerwiderung zum Gegenstand der Klageerweiterung und gegebenenfalls für die Einreichung einer Nichtigkeitswiderklage bis 18.4.2024.
ANWEISUNGEN AN DIE PARTEIEN UND DIE GESCHÄFTSSTELLE BEZÜGLICH DER NÄCHSTEN SCHRITTE Diese Anordnung erledigt APL_4881/2024 und Apl_12628/2024.
Erlassen am 11. März 2024
NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN
Richter
Rian Kalden, Vorsitzende Richterin und Berichterstatterin
Ingeborg Simonsson, rechtlich qualifizierte Richterin
Patricia Rombach, rechtlich qualifizierte Richterin
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