
Lokalkammer Düsseldorf UPC_CFI_ 504/2023
Anordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts Lokalkammer Düsseldorf erlassen am 11. April 2024 betreffend EP 1 970 677 B1
Klägerin:
Kather Augenstein Rechtsanwälte PartGmbB, Rechtsanwalt Dr. Christof Augenstein, Rechtsanwältin Sophie Prudent, LL.M. und Rechtsanwältin Dr. Katharina Brandt, Bahnstraße 16, 40212 Düsseldorf
elektronische Zustelladresse:
augenstein@katheraugenstein.com prudent@katheraugenstein.com brandt@katheraugenstein.com
Beklagten:
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- Tandem Diabetes Care, Inc ., vertreten durch ihren gesetzlichen Vertreter, in 12400 High Bluff Drive, CA 92130, San Diego, Vereinigte Staaten von Amerika
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Beklagte zu 1) -
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- Tandem Diabetes Care Europe B.V. , vertreten durch ihren gesetzlichen Vertreter, Schiphol Boulevard 359, WTC Schiphol Airport, D-Tower 11th floor, 1118 BJ, Schiphol, Königreich der Niederlande
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Beklagte zu 2) -
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- VitalAire GmbH , vertreten durch den Geschäftsführer Herrn Moez Karaoud, Bornbarch 2, 22848 Norderstedt, Deutschland
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Beklagte zu 3) -
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- Dinno Santé s.a.i. , vertreten durch ihren gesetzlichen Vertreter, Rue Raoul Follerau, 77600 Bussy-Saint-Georges, Frankreich
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Beklagte zu 4) -
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- Air Liquide Healthcare Nederland B.V. vertreten durch ihren gesetzlichen Vertreter, Archimedeslaan 11, 8218 ME Lelystad, Königreich der Niederlande
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Beklagte zu 5) -
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- Rubin Medical ApS, c/o Diatom A/S , vertreten durch ihren gesetzlichen Vertreter, Avedøreholmen 84, 2650 Hvidovre, Dänemark
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Beklagte zu 6) -
Beklagte zu 2) und 6) vertreten durch:
Charlotte Garnitsch (111867/2023), Dr. Wim Maas (112021/2023) Taylor Wessing N.V., Kennedyplein 201, 5611 ZT Eindhoven, NL,
elektronische Zustelladresse:
c.garnitsch@taylorwessing.com w.maas@taylorwessing.com
Beklagte zu 3), 4) und 5) vertreten durch:
Rechtsanwältin Dr. Christine Kanz, Hyong Rokh Monegier, Steinstraße 20, 40212 Düsseldorf,
elektronische Zustelladresse:
stephanie.derrez@hoyngrokh.com
STREITPATENT:
EUROPÄISCHES PATENT NR. 1 970 677 B1
SPRUCHKÖRPER/KAMMER: Lokalkammer Düsseldorf
MITWIRKENDE RICHTER:
Diese Anordnung wurde durch Richterin Dr. Thom als Berichterstatterin erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch
GEGENSTAND: Regel 21.2 VerfO
KURZE DARSTELLUNG DES SACHVERHALTS:
Die Klageschrift ist allen Beklagten am 21. Januar 2024 zugestellt worden.
Die Beklagten zu 2) und 6) haben mit Schriftsatz vom 21. Februar 2024 Einspruch nach Regel 19. 1 (c) VerfO eingelegt. Sie rügen die gewählte Verfahrenssprache Deutsch und begehren eine Änderung in die englische Sprache. Sie stützen den Einspruch auf Regel 14 VerfO i.V.m. Artikel 49 Abs. 2 EPGÜ.
Deutsch sei nur die Amtssprache der Beklagten zu 3), Englisch hingegen die Amtssprache der Beklagten zu 1) und eine der am häufigsten international gesprochenen Sprachen. Die federführenden Prozessvertreter beherrschten die deutsche Sprache ebenso wenig wie die federführend beteiligten Mitarbeiter der Beklagten zu 2) und 6). Der Wechsel in die englische Sprache würde den Klägerinnen weit weniger Umstände bereiten, zumal auch außergerichtliche Korrespondenz stets auf Englisch geführt worden sei.
Die Beklagten zu 3), 4) und 5) haben per E-Mail vom 21. Februar 2024 den Einspruchsschriftsatz an die E-Mail-Adresse der Lokalkammer Düsseldorf und an die Parteivertreter der Beklagten zu 2) bis 6) gesendet, mit dem Hinweis darauf, dass ihnen eine elektronische Einreichung über das CMS derzeit nicht möglich sei. Sie haben ferner einen Fristverlängerungsantrag, datiert auf den 22. Februar 2024, rückwirkend für einen Tag gestellt und ihren Einspruchsschriftsatz vom 21. Februar 2024 zusammen mit dem Fristverlängerungsantrag in Papierform zur Akte gereicht. Der Briefumschlag, in dem sich der Fristverlängerungsantrags- und die Einspruchsschrift befanden, weist einen Stempel des Nachtbriefkastens des Oberlandesgericht Düsseldorfs vom 22. Februar 2024 auf. Der Schriftsatz selbst trägt den Eingangsstempel des Einheitlichen Patentgerichts mit dem Datum 23. Februar 2024. Die Beklagten zu 3), 4) und 5) tragen zur Begründung ihres Fristverlängerungsantrags vor, dass sie aufgrund eines technischen Problems im CMS-System für mehrere Stunden den Einspruch nicht über das CMS-System einzureichen vermochten.
Zur Begründung ihres Einspruchs gemäß Regel 19. 1 (c), 14 VerfO i.V.m. Art. 49 Abs. 2 EPÜ tragen die Beklagten zu 3), 4) und 5) vor, die Beklagten zu 4) und 5) seien ebenfalls der deutschen Sprache nicht mächtig und insoweit übermäßiger Übersetzungs-, Zeit- und Kostenaufwand entstehe. Des Weiteren verweisen sie auf die Begründung des Einspruches der Beklagten zu 2) und 6).
Die Klägerin hat mit einheitlichem Schriftsatz vom 6. März 2024 auf die Einsprüche der Beklagten erwidert, wobei diese Erwiderung im CMS im Workflow des Einspruchs der Beklagten 2) und 6) (App_ 9340/2024) eingereicht wurde. Die Erwiderung auf den die Beklagten zu 3) und 5) betreffenden Einspruch hat die Klägerin zunächst lediglich per E-Mail vom 6. März 2023 an die E-MailAdresse der Lokalkammer Düsseldorf gesendet.
In der Sache wendet sich die Klägerin gegen den Wechsel der Verfahrenssprache. Normadressat des Art. 49 Abs. 2 EPGÜ seien die Vertragsmitgliedstaaten, nicht die Parteien des Rechtsstreits. Eine Wechselmöglichkeit der Parteien ließe sich hieraus ebenso wenig ableiten wie aus Regel 14. 2 VerfO, da deren Ausnahmen nicht vorlägen. Gegen den Willen einer Partei könne ein Wechsel der Verfahrenssprache lediglich nach Art. 49 Abs. 5 EPGÜ, Regel 323 VerfO erfolgen. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen dieser Normen scheide ein solcher Weg ebenfalls aus. Schließlich gingen auch die Zweckmäßigkeitserwägungen der Beklagten an der Sache vorbei. Den Beklagten sei es ohne Weiteres möglich gewesen, einen Vertreter zu bestellen, der über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge. Dies sei bei der Beklagten zu 3) ohnehin bereits der Fall und bei den Beklagten zu 2) und 6) sogar ohne Kanzleiwechsel möglich. Die Beklagte zu 4) und 5) dürften auch in der Lage sein, das Verfahren auf Deutsch zu führen. Die Beklagte zu 1) könne kein Verfahren beeinflussen, solange sie noch nicht beteiligt sei.
Mit Anordnung vom 12. März 2024 hat die Berichterstatterin der Klägerin aufgegeben, die Erwiderung auf den Einspruch der Beklagten zu 3), 4) und 5) unverzüglich in der Akte im Workflow unter dem Aktenzeichen App_9705/2024 hochzuladen sowie den Beklagten zu 3), 4) und 5) aufgegeben, ihren Fristverlängerungsantrag vom 22. Februar 2024 unverzüglich im vorliegenden Workflow hochzuladen. Beide Parteien sind dem nachgekommen.
Mit Anordnung vom 14. März 2024 hat Berichterstatterin den Fristverlängerungsantrag der Beklagten zu 3), 4) und 5) antragsgemäß beschieden. Mit Anordnung vom 15. März 2024 hat die Berichterstatterin die Beklagten zu 2) bis 6) zu der beabsichtigten Entscheidung über den Einspruch angehört.
ANTRÄGE DER PARTEIEN:
Die Beklagten zu 2) und 6) beantragen, die Sprache dieses Verfahrens gemäß Regeln 14, 19 (1) VerfO und Art. 49(2) EPGÜ in Englisch zu ändern.
Die Beklagten zu 3), 4) und 5) beantragen,
Englisch als Verfahrenssprache anzuordnen.
Die Klägerin stellt explizit keinen Antrag, ist aber der Auffassung, die Anträge der Beklagten zu 2) bis 6) seien zurückzuweisen.
GRÜNDE DER ANORDNUNG:
Die Einsprüche sind in der Sache zurückzuweisen.
I.
Der Einspruch der Beklagte zu 2) und 6) ist zwar fristgerecht eingereicht, aber in der Sache unbegründet. Es ist vorliegend kein Grund ersichtlich, der eine Änderung der Verfahrenssprache rechtfertigt.
Gemäß Art. 49 Abs. 2 EPGÜ i.V.m. Regel 14.2 (a) VerfO hat die Klägerin mit Deutsch eine der beiden Verfahrenssprachen der Lokalkammer Düsseldorf gewählt. Diese Wahl ist nicht zu beanstanden.
Nach Art 49 Abs. 2 EPGÜ können die Vertragsmitgliedstaaten - die den Normadressaten dieser Regelung darstellen - neben einer Amtssprache der Europäischen Union, die die Amtssprache des Vertragsmitgliedsstaates ist, in dessen Gebiet sich die Lokalkammer Düsseldorf befindet (Art. 49 Abs. 1 EPGÜ), eine oder mehrere Amtssprachen des Europäischen Patentamts als Verfahrensspra-
che ihrer Lokalkammern bestimmen. Davon hat die Bundesrepublik Deutschland Gebrauch gemacht und neben Deutsch als Amtssprache der Europäischen Union Englisch als Amtssprache des Europäischen Patentamts zugelassen.
Gemäß Regel 14.2 (a) VerfO darf der Kläger jede der beiden genannten Sprachen als Verfahrenssprache wählen. Von diesem Wahlrecht hat die Klägerin Gebrauch gemacht und sich für die Verfahrenssprache Deutsch entschieden.
Die Ausnahmen der Regel 14.2 (b), S. 4 und 5 VerfO, auf die sich die Beklagten zu 2) und 6) stützen und welche die Wahl der Klägerin beschränken könnten, liegen nicht vor. Regel 14. 2 (b), S. 4 und 5 VerfO beinhalten, dass, wenn eine Bestimmung des Mitgliedstaates, der mehrere Amtssprachen hat, dies vorsieht, das Verfahren in der Amtssprache der Beklagten zu führen ist und wenn es zwei oder mehr Beklagte mit verschiedenen Amtssprachen gibt, der Kläger die Sprache aus den in Rede stehenden Amtssprachen wählen kann. Ausweislich des Wortlauts der Regel ist mit Amtssprache die Amtssprache des Vertragsmitgliedsstaates gemeint. Die Bundesrepublik Deutschland sieht keine anderen Amtssprachen im Sinne dieser Regelung außer Deutsch vor, insbesondere kein Englisch. Die Ausnahmeregelungen sind im vorliegenden Fall daher nicht einschlägig.
Ein Wechsel der Verfahrenssprache wäre theoretisch unter den Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 5 EPGÜ i.V.m. Regel 323 VerfO denkbar. Zum einen stellt der Einspruch für einen solchen Antrag den ungeeigneten Rechtsbehelf dar. Zum anderen käme ein Wechsel der Verfahrenssprache ins Englische ebenfalls nicht in Betracht, weil die Sprache des Streitpatents Deutsch ist.
Weder Art. 49 Abs. 2 EPGÜ noch Regel 14.2 VerfO sehen vor, den Wechsel der Verfahrenssprache vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung, in die Fairness- und Billigkeitsgesichtspunkte mit einfließen, zu beurteilen. Angesichts der insoweit abschließenden Regelung greifen auch die übrigen, von den Beklagten angeführten Zweckmäßigkeitserwägungen nicht durch.
II.
Der Einspruch der Beklagten zu 3), 4) und 5) ist bereits verfristet, darüber hinaus aber auch in der Sache unbegründet.
Der Einspruch ist trotz gewährter Fristverlängerung nicht fristgerecht bei der Lokalkammer Düsseldorf eingegangen.
Die Partei kann nach Regel 4.2 VerfO ein Dokument, dessen elektronische Einreichung nicht möglich ist, weil das elektronische Fallbearbeitungssystem des Gerichts nicht mehr funktioniert, auch in Papierform bei der Kanzlei oder einer betreffenden Nebenstelle einreichen. Nach den Erfahrungen der letzten Monate kommt es im laufenden Betrieb des CMS vermehrt zum Auftreten von sog. 'unerwarteten' Fehlern, welche sowohl die Parteien als auch das Gericht über teilweise unbestimmte Zeit daran hindern, in vorgesehenen Workflows zu arbeiten, fortzufahren und/oder diesen zu beenden. Die Beklagten zu 3), 4) und 5) haben mit ihrem Fristverlängerungsantrag das Auftreten einen der besagten Fehler durch Screenshots glaubhaft gemacht, so dass an der mangelnden Funktionstüchtigkeit des CMS zum Zeitpunkt des Ablaufs der Einspruchsfrist keine Zweifel bestehen. Trotz beantragter Fristverlängerung, die in der Sache auch rückwirkend für den 22. Februar 2024 ohne Beanstandung zu gewähren gewesen wäre, ist der Einspruch auch nicht
innerhalb der entsprechend zu verlängernden Frist rechtzeitig bei der Lokalkammer Düsseldorf eingegangen.
Wie sich aus Regel 4.2 VerfO ergibt, kann das Dokument in Papierform bei der Kanzlei oder der betreffenden Nebenstelle eingereicht werden. Dies bedeutet, dass das Dokument fristwahrend vor Ablauf des 22. Februars 2024 bei der Sub-Registry (Nebenstelle) der Lokalkammer Düsseldorf dergestalt zu übergeben ist, dass diese es 'in den Händen hält' und den Eingangsstempel des Gerichts erster Instanz aufbringen kann (Regel 3.2 RegR). Dafür muss das Dokument in den Räumlichkeiten der Sub-Registry der Lokalkammer Düsseldorf übergeben werden oder das Dokument muss die Sub-Registry noch innerhalb des Fristlaufs auf anderem Wege erreichen. Ausweislich des Eingangsstempels der Lokalkammer Düsseldorf sind sowohl der Fristverlängerungsantrag als auch der Einspruch nicht am 22. Februar 2024, sondern erst am 23. Februar 2024 und damit nicht mehr innerhalb der (zu verlängernden) Einspruchsfrist bei der Sub-Registry eingegangen.
Der Nachtbriefkastenstempel des Oberlandesgerichts Düsseldorf spricht dafür, dass die Schriftsätze nicht während der Öffnungszeiten der Sub-Registry der Lokalkammer Düsseldorf übergeben wurden, sondern stattdessen zu einem nicht mehr näher einzugrenzenden Zeitpunkt am 22. Februar 2022 in den Briefkasten des Oberlandesgerichts Düsseldorf geworfen worden sind. Der Briefkasten wird nur einmalig morgens geleert und etwaige Post für das EPG an die SubRegistry übergeben. So erreicht beispielsweise eine nachmittags eingeworfene Postsendung die Sub-Registry voraussichtlich am nächsten Tag. Diesen Hergang haben die Beklagten zu 3), 4) und 5) letztlich mit ihrem Vortrag bestätigt, wobei sie behaupten, der von ihnen beauftragte Bote habe seitens der Wachtmeisterei des Oberlandesgerichts eine falsche Auskunft erhalten und sei angewiesen worden, den Briefkasten des Oberlandesgerichts zu nutzen. Bei dem Einsatz von Gehilfen oder Personal für fristwahrende Vorgänge ist die Partei letzthin für die Einhaltung der Frist verantwortlich. Selbst wenn die Behauptungen der Beklagten zutreffen sollte, wäre es an dem Boten gewesen, auf einen Anruf bei der Sub-Registry der Lokalkammer seitens der Wachtmeisterei zu bestehen, da sein Auftrag gelautet haben musste, die Schriftsätze in den Räumlichkeiten der Lokalkammer persönlich abzugeben. Die Partei trägt das Risiko für die Handlungen ihrer Hilfspersonen, insbesondere bei abweichenden Kausalverläufen und gegebenenfalls Missverständnissen. Vorliegend sind die Anträge nicht mehr fristgemäß bei der Sub-Registry eingegangen.
Abgesehen von der Verfristung ist der Einspruch der Beklagten zu 3), 4) und 5) auch in der Sache nicht begründet. Insofern kann auf die Ausführungen zum Einspruch der Beklagten zu 2) und 6) verwiesen werden.
An dieser Stelle bedarf es daher keiner weiteren Ausführungen dazu, ob eine Erwiderung der Klägerin auf den Einspruch der Beklagten zu 3), 4) und 5) nur per E-Mail fristgerecht erfolgt ist.
ANORDNUNG:
Der Einspruch der Beklagten zu 3), 4) und 5) wird zurückgewiesen.
Der Einspruch der Beklagte zu 2) bis 6) wird zurückgewiesen.
Die Berufung gegen diese Anordnung wird zugelassen.
Erlassen in Düsseldorf am 11. April 2024
NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN Richterin Dr. Thom
DETAILS DER ANORDNUNG:
App_9340/2023 und App_9705/2024 zum Hauptaktenzeichen ACT_597323/2023
UPC-Nummer: UPC_CFI_504/2023
Verfahrensart: Verletzungsklage