17 April, 2024
|
Decision
|
ORD_18194/2024
|
Luxembourg (LU)
|
EP2697391
|
Art. 49(5) EPGÜ
|
Please log in to add tags.
|

EPG Berufungsgericht EPG_CoA_101/2024 ApL_12116/2024
ANORDNUNG
des Berufungsgerichts des Einheitlichen Patentgerichts erlassen am 17. April 2024 betreffend die Verfahrenssprache
LEITSATZ:
- -Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Änderung der Verfahrenssprache in die Sprache des Patents aus Gründen der Fairness sind alle relevanten Umstände zu berücksichtigen. Die maßgeblichen Umstände sollten sich in erster Linie auf den konkreten Fall und die Position der Parteien, insbesondere die Position des Beklagten, beziehen. Führt die Interessenabwägung zu einem ausgeglichenen Ergebnis, ist die Position des Beklagten der entscheidende Faktor.
SCHLAGWÖRTER:
- -Änderung der Verfahrenssprache (Art. 49(5) EPGÜ)
BERUFUNGSKLÄGER (UND ANTRAGSGEGNER IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GEI):
Curio Bioscience Inc.
vertreten durch:
Cameron Marshall, europäischer Patentanwalt, Carpmaels & Ransford
Agathe Michel-de Cazotte, Anwältin am Gericht, Carpmaels & Ransford
BERUFUNGSBEKLAGTER (UND ANTRAGSTELLER IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GEI):
10x Genomics, Inc.
vertreten durch:
Prof. Dr. Tilman Müller-Stoy, Rechtsanwalt, Bardehle Pagenberg Dr. Axel B. Berger, Patentanwalt, Bardehle Pagenberg
VERFÜGUNGSPATENT
EP 2 697 391
SPRUCHKÖRPER UND ENTSCHEIDENDE RICHTER:
Diese Anordnung wird vom Zweiten Spruchkörper erlassen, der aus folgenden Mitgliedern besteht: Rian Kalden, Vorsitzende Richterin und rechtlich qualifizierte Richterin Ingeborg Simonsson, rechtlich qualifizierte Richterin und Berichterstatterin Patricia Rombach, rechtlich qualifizierte Richterin
ANGEFOCHTENE ANORDNUNG DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
Anordnung der Präsidentin des Gerichts erster Instanz vom 26. Februar 2024 UPC_CFI_463/2023; ACT_5164/2024
MÜNDLICHE VERHANDLUNG AM:
2. April 2024
TATBESTAND:
-
- Die Parteien sind Parteien in einem Verfahren vor dem Gericht erster Instanz, Lokalkammer Düsseldorf, in dem 10x Genomics den Erlass einstweiliger Maßnahmen gegen Curio Bioscience beantragt hat (ACT_590953/2023, UPC_CFI_463/2023).
-
- Am 30. Januar 2024 beantragte Curio Bioscience eine Änderung der Verfahrenssprache von Deutsch auf Englisch. Dieser Antrag wurde am 26. Februar 2024 von der Präsidentin des Gerichts erster Instanz abgelehnt (App_5164/2024, UPC_CFI_463/2023).
ANTRÄGE DER PARTEIEN:
-
- Curio Bioscience hat Berufung eingelegt und das Berufungsgericht ersucht, die Anordnung aufzuheben, die Änderung der Verfahrenssprache auf Englisch anzuordnen und Curio Bioscience die Kosten für den Antrag auf Änderung der Verfahrenssprache zu erstatten.
-
- 10x Genomics hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Hilfsweise, gemäß Art. 49 Abs. 5 EPGÜ Curio Bioscience zu verpflichten, dem Gericht und 10x Genomics unverzüglich beglaubigte englische Übersetzungen der deutschsprachigen Schriftsätze beider Parteien und der nicht in englischer Sprache abgefassten Anlagen zur Verfügung zu stellen und deren Kosten zu tragen. 10x Genomics hat außerdem beantragt, dass Curio Bioscience die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.
STREITGEGENSTAND:
-
- Antrag gemäß Art. 49(5) EPGÜ, die Sprache, in der das Patent erteilt wurde, als Verfahrenssprache zu verwenden (R.323 VerfO).
VORBRINGEN DER PARTEIEN:
Curio Bioscience
-
- Die Parteien seien beide US-Unternehmen, die Sprache des zugrundeliegenden Technologiebereichs sei Englisch, und die meisten im Verfahren vorgelegten Dokumente seien nur in Englisch verfügbar.
-
- Bei einem Wechsel der Verfahrenssprache würden Curio Bioscience der erforderliche Zeitaufwand und die Kosten für Übersetzungen vom Deutschen ins Englische erspart.
-
- Curio Bioscience als Antragsgegner werde erheblich und unverhältnismäßig benachteiligt, weil die Verteidigung innerhalb sehr kurzer Fristen in Deutsch, einer Sprache, die dem Unternehmen nicht vertraut sei, erfolgen müsse.
-
- Curio Bioscience beschäftige rund 30 Mitarbeiter, während 10x Genomics etwa 2.000 Mitarbeiter beschäftige. Der Umsatz von Curio Bioscience liege unter den im EU-Recht festgelegten Schwellenwerten für KMU und sei deutlich niedriger als der Umsatz von 10x Genomics.
-
- 10x Genomics erleide durch den Wechsel der Sprache keinen Nachteil. 10x Genomics habe Dokumente in englischer Sprache eingereicht und beantragt, dass sie nicht ins Deutsche übersetzt werden müssten, und die Mitarbeiter von 10x Genomics sprächen Englisch.
-
- Soweit 10x Genomics die Unzulässigkeit des Antrags nach der mündlichen Verhandlung geltend mache, handele es sich um neuen Vortrag, der nicht zugelassen werden dürfe. Die Argumentation sei auch nicht stichhaltig, da sich aus Art. 74(3) EPGÜ ergebe, dass das Verfahren nicht mit der mündlichen Verhandlung, sondern erst mit der Sachentscheidung abgeschlossen sei.
10x Genomik
-
- Die Berufung sei unzulässig, weil die Berufungsschrift nicht ordnungsgemäß die Namen des Berufungsklägers und des Berufungsbeklagten enthalte.
-
- Es werde bestritten, dass Curio Bioscience ein KMU sei, dass Curio Bioscience Übersetzungskosten in einer für den vorgeblichen Unverhältnismäßigkeitseinwand relevanten Höhe sparen würde und dass Curio Bioscience mit der deutschen Sprache nicht vertraut sei. Curio Bioscience sei in Deutschland tätig. Deutsch sei die Muttersprache von mehr als 20 Prozent der EU-Bürger und damit die am weitesten verbreitete Muttersprache in der EU. Darüber hinaus sprächen über 10 Prozent der Europäer Deutsch als Fremdsprache. Das bedeute, dass insgesamt mehr als 30 Prozent der EU-Bürger Deutsch sprächen.
-
- Eine Vertreterin von Curio Bioscience sei als Rechtsanwältin in Deutschland zugelassen und sei gewohnt die Verfahren in deutscher Sprache zu führen, und die Anwaltskanzlei der Vertreterin unterhalte ein deutsches Büro, in dem mehrere Anwälte die deutsche Sprache beherrschten.
-
- 10x Genomics habe ein berechtigtes Interesse daran, dass seine Vertreter in ihrer Muttersprache vor einer mit vier deutschsprachigen Richtern besetzten Lokalkammer in Deutschland auftreten können, wenn es um einen Verstoß auf deutschem Gebiet gehe.
-
- Art. 49(5) EPGÜ betreffe die Sprache des "Verfahrens". Unter Berücksichtigung von Art. 52(1) EPGÜ sei die Phase zwischen der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung nicht als Teil des Verfahrens anzusehen, so dass eine Sprachänderung nicht mehr angeordnet werden könne und der Antrag nach der mündlichen Verhandlung unzulässig werde, was hier der Fall sei.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
R.225(a - b) VerfO
-
- Die Bezeichnung der Parteien im Rubrum in der von Curio Bioscience auf Anforderung des Berufungsgerichts am 5. März 2024 eingereichten deutschen Übersetzung der Berufungsschrift weist zwar redaktionelle Fehler auf, weil als Berufungskläger als auch als Berufungsbeklagte die Unternehmensbezeichnungen der beiden Parteien angegeben werden. Die Einreichung der Berufung ist dennoch als den formalen Anforderungen gemäß R.225 VerfO entsprechend anzusehen. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass dieser Cut-and-Paste-Fehler von Curio Bioscience keinen Grund für die Verwerfung der Berufung wegen eines Formfehlers darstellt. Die zutreffenden Informationen gemäß R.225(a) - (d) VerfO finden sich in Abschnitt 7 der besagten Berufungsschrift, und es gibt keine Unklarheiten über die Person des Berufungsklägers und Berufungsbeklagten.
Begründetheit
-
- Auf Ersuchen einer Partei und nach Anhörung der anderen Parteien und des zuständigen Spruchkörpers kann der Präsident des Gerichts erster Instanz aus Gründen der Fairness und unter Berücksichtigung aller erheblichen Umstände, einschließlich der Standpunkte der Parteien, und insbesondere des Standpunkts des Beklagten, beschließen, dass die Sprache, in der das Patent erteilt wurde, als Verfahrenssprache verwendet wird. In diesem Fall prüft der Präsident des Gerichts erster Instanz, inwieweit besondere Übersetzungs- und Dolmetschvorkehrungen getroffen werden müssen (Art. 49(5) EPGÜ und R.323.3 VerfO).
-
- Der Präsident des Gerichts erster Instanz verfügt bei der Beurteilung der Fairness über einen Ermessensspielraum. Auf die Berufung erfolgt dementsprechend nur eine eingeschränkte Überprüfung.
-
- Auch unter Berücksichtigung dieser eingeschränkten Überprüfungskompetenz muss die Anordnung jedoch aufgehoben werden, da sie auf einer fehlerhaften Auslegung des Begriffs der Billigkeit und der relevanten Umstände nach Art. 49(5) EPGÜ beruht.
-
- Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Änderung der Verfahrenssprache in die Sprache des Patents aus Gründen der Fairness sind alle relevanten Umstände zu berücksichtigen. Die maßgeblichen Umstände sollten sich in erster Linie auf den konkreten Fall und die Position der Parteien beziehen.
-
- Relevante Umstände in Bezug auf den konkreten Fall können z. B. die Sprache, die auf dem betreffenden Gebiet der Technik am häufigsten verwendet wird, und insbesondere die Sprache, in der die Beweismittel (einschließlich des Stands der Technik) hauptsächlich abgefasst sind, sein.
-
- Zu den relevanten Umständen in Bezug auf die Parteien gehören die Staatsangehörigkeit oder der Sitz der Parteien. Eine Partei muss in der Lage sein, vollständig zu verstehen, was in ihrem Namen durch einen Vertreter und die andere(n) Partei/Parteien vorgebracht wird. Wenn die Verfahrenssprache nicht die Sprache einer Partei ist, wird dies daher nicht dadurch ausgeglichen, dass der Vertreter die Verfahrenssprache beherrscht. Die Partei selbst ist dann immer noch auf Übersetzungen der von beiden Seiten eingereichten Schriftsätze und Beweismittel angewiesen. Es ist allgemein bekannt, dass
dies Zeit und Kosten verursacht, da die Übersetzungen - selbst wenn maschinelle Übersetzungen verwendet werden - vom Vertreter sorgfältig überprüft werden müssen.
-
- Ein weiterer relevanter Umstand in Bezug auf die Parteien ist ihre Größe im Verhältnis zueinander. Ein multinationales Unternehmen mit einer umfangreichen Rechtsabteilung verfügt über mehr Ressourcen, um internationale Streitigkeiten in verschiedenen Sprachen zu bearbeiten und zu koordinieren, als ein kleines Unternehmen mit begrenzten Ressourcen, das nur auf einer begrenzten Anzahl von Märkten tätig ist.
-
- Bei der Prüfung der Position der Parteien sollte auch gebührend berücksichtigt werden, wie sich eine Änderung der Sprache auf den Verlauf des Verfahrens auswirkt und zu einer Verzögerung führen kann, insbesondere im Hinblick auf die Dringlichkeit des Falles. Eine Verzögerung ist in der Regel nachteilig für den Kläger. Andererseits kann es für den Beklagten angesichts des strengen Fristenregimes eine zusätzliche Belastung sein, sich in einer anderen Sprache als seiner eigenen Sprache zu verteidigen, insbesondere in Eilverfahren wie dem Verfahren betreffend einstweilige Maßnahmen.
-
- Ob ein Vertreter über bestimmte Sprachkenntnisse verfügt, ist in der Regel nicht von Bedeutung. Dies gilt insbesondere bei internationalen Streitigkeiten, bei denen ein Vertreter typischerweise nicht nur aufgrund seiner eigenen Fähigkeiten ausgewählt wird, sondern auch aufgrund des internationalen, multidisziplinären und mehrsprachigen Umfelds, in dem er arbeitet, und bei denen in der Regel ein Team aus mehreren Vertretern mit unterschiedlichen Fähigkeiten beteiligt ist.
-
- Auch die Staatsangehörigkeit der mit dem Fall befassten Richter ist in der Regel kein relevanter Umstand. Das Berufungsgericht weist darauf hin, dass ein Kläger, der befürchtet, dass die Richter Nuancen im Sach- und Rechtsvortrag übersehen, wenn dieser in der Sprache des Patents abgefasst ist, dieser Gefahr dadurch begegnen kann, dass er Übersetzungen zur Verfügung stellt und auf seine Kosten eine Simultanverdolmetschung in der Verhandlung anbietet.
-
- Art. 49(5) EPGÜ sieht vor, dass insbesondere die Position des Beklagten zu berücksichtigen ist. Ist das Ergebnis der Interessenabwägung gleich, ist die Position des Beklagten entscheidend. Dafür gibt es einen guten Grund.
-
- Ein Kläger, der eine Klage vor einer Lokal- oder Regionalkammer erhebt, in der mehrere Sprachen gemäß Art. 49(1) und/oder Art. 49(2) EPGÜ bestimmt wurden, hat bereits den Vorteil, dass er jede dieser Sprachen als Verfahrenssprache wählen kann (R.14.2(a) VerfO). Häufig hat ein Kläger auch die Wahl, wo er seine Klage erhebt, da jede Lokal- oder Regionalkammer, in der eine Verletzung tatsächlich droht oder stattfindet, zuständig ist.
-
- Außerdem hat der Kläger die Wahl, wann er Klage erhebt. Außer in dringenden Fällen kann der Kläger selbst entscheiden, wie viel Zeit er für die Abfassung der Klageschrift aufwenden will, während der Beklagte unmittelbar an strenge Fristen gebunden ist (vorbehaltlich einer Fristverlängerung, die einen begründeten Antrag erfordert).
-
- Wenn der Kläger Rechte aus einem Patent geltend macht, muss außerdem berücksichtigt werden, dass er die Sprache des Patents bei der Anmeldung des Patents selbst gewählt hat. Der Anmelder ist sich bei
der Anmeldung bewusst (oder sollte sich dessen bewusst sein), dass die bei der Anmeldung getroffene Sprachwahl rechtliche Konsequenzen für das Verfahren vor dem EPA hat. Grundsätzlich ist in allen Verfahren vor dem EPA die Sprache des Patents, d. h. entweder Englisch, Französisch oder Deutsch, als Verfahrenssprache zu verwenden. Gemäß Art. 14(8) EPÜ werden Eintragungen in das Europäische Patentregister in den drei Amtssprachen des Europäischen Patentamts vorgenommen, wobei die Eintragung in der Verfahrenssprache maßgeblich ist. Mit der Wahl der Sprache des Patents muss der Anmelder damit rechnen, dass er und seine Vertreter ein Verfahren in dieser Sprache führen müssen.
-
- Diese Überlegung gilt auch für einen Patentinhaber, der das Patent (oder die Patentanmeldung) erworben hat. Beim Erwerb des Patents oder der Anmeldung muss der Erwerber darauf vorbereitet sein, dass die Sprache des Verfahrens vor dem Europäischen Patentamt die Sprache des Patents ist.
-
- Im EPG-Verfahren wird die Bedeutung der (Wahl der) Sprache des Patents durch Art. 49(6) EPGÜ unterstrichen, wonach die Verfahrenssprache vor der Zentralkammer die Sprache ist, in der das Patent erteilt wurde. Dies bedeutet, dass ein Patentinhaber damit rechnen muss, auch dort in der Sprache des Patents zu prozessieren.
-
- Daraus folgt, dass für einen Kläger, der die Wahl hinsichtlich der Sprache des Patents hatte, im Hinblick auf die sich für einen Kläger/Patentinhaber daraus möglicherweise ergebende Folge, ein rechtsförmiges Verfahren in dieser Sprache führen zu müssen, die Verwendung der Sprache des Patents als Verfahrenssprache in der Regel nicht als unfair gegenüber dem Kläger anzusehen ist, es sei denn es gibt besondere erhebliche Umstände, die in eine andere Richtung weisen.
-
- Ferner ist bei Verletzungsklagen die Sprache, in der das Patent erteilt wurde, oft von Bedeutung, etwa bei der Auslegung und Bestimmung des Schutzumfangs der Patentansprüche. Dies spiegelt sich in Art. 49(3) EPGÜ wider, der es den Parteien ermöglicht, sich auf die Verwendung der Sprache, in der das Patent erteilt wurde, als Verfahrenssprache zu einigen, sofern der betreffende Spruchkörper dies billigt. Billigt der Spruchkörper ihre Wahl nicht, können die Parteien die Verweisung des Falles an die Zentralkammer beantragen.
-
- In Anwendung der oben dargelegten allgemeinen Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das Berufungsgericht der Auffassung, dass dem Ersuchen auf Änderung der Verfahrenssprache in die Sprache des Patents, d. h. Englisch, stattzugeben ist. Dafür sprechen folgende Gründe:
-
- Das Berufungsgericht sieht in dem Vorbringen von Curio Bioscience, dass es sich bei beiden Unternehmen um US-amerikanische Unternehmen handelt, dass die Sprache des zugrunde liegenden Technologiebereichs Englisch ist, dass die von 10x Genomics zum Nachweis der Verletzung vorgelegten Beweise fast ausschließlich in Englisch abgefasst sind und dass die meisten Beweise, auf die sich Curio Bioscience zu seiner Verteidigung beruft, ebenfalls in Englisch abgefasst sind, relevante Umstände von erheblichem Gewicht, welche von 10x Genomics nicht bestritten werden.
-
- Curio Bioscience hat außerdem geltend gemacht, dass es ein KMU und ein im Vergleich zu 10x Genomics viel kleineres Unternehmen sei. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass es für den vorliegenden Fall nicht darauf ankommt, ob Curio Bioscience ein KMU ist. Es kann daher offenbleiben, ob die von Curio angeführten Tatsachen und/oder Beweismittel zuzulassen sind, und ob Curio
Bioscience die Voraussetzungen für ein KMU im Sinne des EU-Rechts erfüllt. Unabhängig davon ist nämlich offensichtlich, dass Curio Bioscience ein kleineres Unternehmen ist als 10x Genomics. Daraus folgt, dass der Nachteil, dass die Verfahrenssprache eine andere ist als die Unternehmenssprache, für Curio Bioscience belastender ist als für 10x Genomics.
-
- Die von 10x Genomics vorgebrachten Umstände, die die Wahl der deutschen Sprache als Verfahrenssprache rechtfertigen sollen, fallen entweder weniger oder gar nicht ins Gewicht. Der Umstand, dass 20 % der EU-Bürger Deutsch als Muttersprache und 10 % als Fremdsprache sprechen sollen, betrifft weder den Rechtsstreit noch die Parteien. Aus diesem Umstand ergibt sich auch nicht, dass Curio Bioscience als US-amerikanisches Unternehmen mit der deutschen Sprache vertraut ist, selbst wenn Curio Bioscience (auch) auf dem deutschen Markt tätig ist. Die Entscheidung, ihre Produkte auf den europäischen Markt einschließlich Deutschlands zu bringen, bedeutet auch nicht, dass Curio Bioscience damit Deutsch als Verfahrenssprache vor dem Einheitlichen Patentgericht akzeptiert hat oder hätte akzeptieren müssen, wie 10x Genomics behauptet.
-
- Die Sprachkenntnisse der Vertreter sind, wie ausgeführt, kein die Parteien betreffender Umstand und sind hier nicht relevant. Sie können nicht darüber hinweghelfen, dass die Unternehmenssprache der Parteien eine andere ist als die Verfahrenssprache. Die Tatsache, dass das Verfahren bei der Lokalkammer Düsseldorf in Deutschland anhängig ist und alle vier Richter (auch) Deutsch sprechen, ist nicht relevant. Jeder von ihnen spricht auch Englisch und dem vermeintlichen Risiko, dass bei einem Wechsel der Sprache ins Englische (einige) Richter Nuancen in den Schriftsätzen übersehen könnten, könnte durch die Vorlage von Übersetzungen begegnet werden.
-
- Das Berufungsgericht hat den Spruchkörper der Lokalkammer in entsprechender Anwendung von R.323.3 VerfO konsultiert. Der Berichterstatter hat mitgeteilt, dass in Anbetracht der Komplexität des Falles und des Stadiums des Verfahrens (die mündliche Verhandlung hat bereits stattgefunden und der Berichterstatter hat mit der Abfassung einer Entscheidung begonnen) eine Änderung der Sprache zusätzliche Arbeit bedeuten würde, die das Verfahren verzögern könnte.
-
- Das Berufungsgericht erkennt, dass ein Sprachwechsel in diesem Stadium des Verfahrens zu einem höheren Zeitaufwand für die Abfassung einer Eilentscheidung über vorläufige Maßnahmen führen kann. Es ist jedoch zu beachten, dass die Bundesrepublik Deutschland Englisch als Verfahrenssprache für die Lokalkammer Düsseldorf mit der Maßgabe im Sinne des R.14.2(c) VerfO bestimmt hat. Der Berichterstatter kann vorsehen, dass das Gericht alle Anordnungen und Entscheidungen in der Amtssprache des Vertragsmitgliedstaates - Deutsch - zusammen mit einer zertifizierten Übersetzung erlassen kann. Der Mehraufwand würde sich in diesem Fall auf die Übersetzung der Entscheidung beschränken und ist daher von geringem Gewicht.
-
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts haben die von Curio Bioscience vorgebrachten relevanten Umstände mehr Gewicht als die von 10x Genomics vorgebrachten relevanten Umstände. Daraus folgt, dass die Sprache des Patents, und damit Englisch, als Verfahrenssprache zu verwenden ist.
-
- Das Berufungsgericht folgt der Auffassung 10x Genomics nicht, dass nach der letzten mündlichen Verhandlung im Verfahren vor dem Gericht erster Instanz keine Änderung der Sprache mehr angeordnet werden kann. Aus Art. 74(3) EPGÜ ergibt sich, dass über eine Berufung in Bezug auf ( u. a. )
eine Anordnung gemäß Art. 49(5) EPG / R.323 VerfO entschieden werden muss, bevor das Gericht eine Entscheidung im Hauptverfahren erlassen kann (und nicht vor der letzten mündlichen Verhandlung im Verfahren vor dem Gericht erster Instanz). Es gibt keinen Grund, warum über einen Antrag auf Sprachänderung nicht nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Gericht erster Instanz entschieden werden darf. Im Gegenteil, die Sprache des Verfahrens vor dem Gericht erster Instanz ist auch die Sprache des Verfahrens vor dem Berufungsgericht (Art. 50 EPGÜ). Der Antragsteller eines Antrags nach R.323 VerfO hat also auch nach der mündlichen Verhandlung noch ein Interesse an dem Antrag.
-
- Das Berufungsgericht lehnt den Antrag von 10x Genomics ab, Curio Bioscience aufzugeben, auf seine Kosten beglaubigte englische Übersetzungen der nicht in englischer Sprache abgefassten Verfahrensdokumente vorzulegen. In Anbetracht der möglichen Anwendung von R.14.2(c) VerfO besteht beim Gericht erster Instanz kein Bedarf für besondere Übersetzungsvorkehrungen. Sollte gegen die Anordnung des Gerichts erster Instanz Berufung eingelegt werden, werden die Parteien gemäß R.7.2 VerfO aufgefordert, auf ihre Kosten nicht beglaubigte Übersetzungen ihrer eigenen in erster Instanz eingereichten Schriftsätze vorzulegen.
Kosten
-
- Über die Erstattung der Prozesskosten wird im Rahmen dieser Berufung nicht entschieden, da es sich bei der Anordnung des Berufungsgerichts nicht um eine endgültige Anordnung oder Entscheidung handelt, d. h. nicht um eine Anordnung oder Entscheidung, die das vor dem Gericht erster Instanz anhängige Verfahren abschließt.
-
- Die VerfO sieht vor, dass die Entscheidung über die Pflicht zur Kostentragung dem Grunde nach in der Endentscheidung, insbesondere in der Entscheidung in der Hauptsache (R.118.5 VerfO), getroffen wird, gegebenenfalls in Verbindung mit einer vorläufigen Kostenerstattung (R.150.2 VerfO). Die Endentscheidung ist auch das beste Verfahrensstadium, um zu beurteilen, ob und inwieweit eine Partei als unterlegen im Sinne von Art. 69 EPGÜ anzusehen ist.
-
- Das in R.118.5 VerfO niedergelegte Konzept, dass die Grundentscheidung über die Kosten des Verfahrens in der verfahrensabschließenden Anordnung oder Entscheidung getroffen wird, steht im Einklang mit R.150.1 VerfO, wonach die obsiegende Partei erst nach der Entscheidung in der Hauptsache eine Kostenentscheidung beantragen kann, d. h. eine Entscheidung zur Festsetzung der von der unterlegenen Partei zu tragenden Kosten (R.150.1 VerfO). Dieses Konzept wird auch dadurch bestätigt, dass die vom Verwaltungsausschuss festgelegte Skala der Obergrenzen für die erstattungsfähigen Kosten, die das Gericht bei der Festsetzung der Erstattung der Vertretungskosten zu berücksichtigen hat, Obergrenzen angibt, die auf dem Wert des gesamten Verfahrens beruhen (R.152.2 VerfO).
-
- Da dieses System auch in der Berufung gilt, ist R.242.1 VerfO in dem Sinne auszulegen, dass das Berufungsgericht, da es sich bei der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht um eine endgültige, verfahrensabschließende Anordnung oder Entscheidung handelt, im vorliegenden Fall keine Kostenentscheidung für das Verfahren im ersten Rechtszug und in der Berufung trifft. Der Ausgang dieses Berufungsverfahrens ist jedoch zu berücksichtigen, wenn das Gericht in der endgültigen
Entscheidung über die vorliegende Klage entscheidet, ob und in welchem Umfang eine Partei die Kosten der anderen Partei zu tragen hat, weil sie im Sinne von Art. 69 EPGÜ unterlegen ist.
ANORDNUNG
-
- Die Anordnung der Präsidenten des Gerichts erster Instanz vom 26. Februar 2024 wird aufgehoben. Als Verfahrenssprache wird Englisch bestimmt.
-
- In dem Fall, dass gegen die Anordnung des Gerichts erster Instanz betreffend den Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen Berufung eingelegt wird, haben die Parteien gemäß R.7.2 VerfO auf eigene Kosten nicht beglaubigte englische Übersetzungen ihrer im Verfahren eingereichten Schriftsätze vorzulegen.
Erlassen am 17. April 2024
Namen und Unterschriften
Richter
Vorsitzende Richterin: Rian Kalden
Rechtlich qualifizierte Richterin und Berichterstatterin: Ingeborg Simonsson
Rechtlich qualifizierte Richterin: Patricia Rombach
Im Auftrag der Kanzlei:
Clerk: Martina Katchala
|