13 May, 2024
|
Decision
|
ORD_17447/2024
|
Luxembourg (LU)
|
EP3883277
|
Art. 69 EPÜ
|
Please log in to add tags.
|

Aktenzeichen: APL_8/2024 UPC_CoA_1/2024
Anordnung
des Berufungsgerichts des Einheitlichen Patentgerichts erlassen am 13. Mai 2024 in dem Verfahren auf Erlass einstweiliger Maßnahmen betreffend das EP 3883277
LEITSATZ
Anspruchsmerkmale sind immer im Lichte des gesamten Anspruchs auszulegen.
SCHLAGWÖRTER
Berufung; Antrag auf einstweiligen Maßnahmen; Auslegung des Patentanspruchs; Schutzbereich; Verletzung
BERUFUNGSKLÄGERIN/ANTRAGSTELLERIN IM VERFAHREN VOR DEM GERICHT ERSTER INSTANZ
VusionGroup SA (vormals SES-imagotag SA)
55 Place Nelson Mandela, 92000 Nanterre, Frankreich vertreten durch Dr. Jochen Herr, Rechtsanwalt und europäischer Patentanwalt, Alexandre Hoffmann, europäischer Patentanwalt, und Daniel Seitz, Rechtsanwalt, Finnegan, Henderson, Farabow, Garrett & Dunner, LLP
BERUFUNGSBEKLAGTE/ANTRAGSGEGNERINNEN IM VERFAHREN VOR DEM GERICHT ERSTER INSTANZ
1. Hanshow Technology Co. Ltd
1288 Kanghe Road, 314031, Jiaxing City, Xiuzhou District, Zhejiang Province, China
2. Hanshow Germany GmbH
Ria-Thiele-Straße 2a, 40549 Düsseldorf, Deutschland
3. Hanshow France SAS
88 Rue du Dôme, 92100, Boulogne-Billancourt, Frankreich
4. Hanshow Netherlands B.V.
Transformatorweg 86, 1014 AK, Amsterdam, Niederlande vertreten durch Roland Küppers, LL.M., Rechtsanwalt, und Dr. Alexander Rubusch, LL.M., Rechtsanwalt, Taylor Wessing PartGmbB
VERFÜGUNGSPATENT
EP 3883277
SPRUCHKÖRPER UND ENTSCHEIDENDE RICHTER
Peter Blok, rechtlich qualifizierter Richter und Berichterstatter
Erster Spruchkörper Klaus Grabinski, Präsident des Berufungsgerichts Françoise Barutel, rechtlich qualifizierte Richterin Eric Augarde, technisch qualifizierter Richter Klaus Loibner, technisch qualifizierter Richter
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
BEANSTANDETE ANORDNUNG DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
□ Anordnung des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts, Lokalkammer München, vom 20. Dezember 2023
□ Aktenzeichen des Gerichts erster Instanz:
UPC_CFI_292/2023
ACT_567009/2023
ORD_596193/2023
MÜNDLICHE VERHANDLUNG AM:
27 März 2024
TATBESTAND UND ANTRÄGE
Die Berufungsklägerin
-
- Die Antragstellerin und Berufungsklägerin (nachfolgend: Berufungsklägerin) ist ein weltweit führendes Unternehmen auf dem Gebiet der elektronischen Etiketten. Sie wurde im Jahr 1992 gegründet.
-
- Die Berufungsklägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung EP 3883277 (nachfolgend: Verfügungspatent).
-
- In der Jahreshauptversammlung am 23. Juni 2023 wurde beschlossen, den Namen der Berufungsklägerin von "SES-imagotag SA" in "VusionGroup SA" zu ändern. Die Namensänderung wurde am 22. März 2024 in das europäische Patentregister eingetragen.
Das Verfügungspatent
-
- Das Verfügungspatent wurde als Teilanmeldung der europäischen Patentanmeldung 12762019.3, die auf der PCT-Anmeldung WO 2013/153290 A1 beruht, angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung wurde am 9. August 2023 veröffentlicht. Die einheitliche Wirkung wurde am 4. September 2023 eingetragen. Am 6. Oktober 2023 hat Hanshow Germany eine Klage auf Nichtigerklärung bei dem Sitz in Paris der Zentralkammer des Einheitlichen Patentgerichts erhoben (UPC_CFI_360/2023, ACT_578871/2023).
-
- Das Verfügungspatent betrifft die Anzeige von Informationen, insbesondere von Preisinformationen in einem Verkaufsraum mittels Etiketten (Verfügungspatent, Abs. [0002]).
-
- Nach der Beschreibung des Verfügungspatents hat die Notwendigkeit, aktuelle Informationen anzuzeigen, dazu geführt, dass in zahlreichen Verkaufsräumen elektronische Etiketten mit einem Bildschirm installiert wurden, auf dem die Anzeige der Informationen ferngesteuert werden kann (Verfügungspatent, Abs. [0003]).
-
- Der Nutzen solcher Systeme für die Anzeige an Orten wie Supermärkten, Hypermärkten oder anderen Verkaufsflächen besteht im Wesentlichen darin, dass dem Verbraucher für jeden angebotenen Artikel ein Preis angezeigt wird, der zuverlässig dem Preis entspricht, der in der zentralen Datei des Ortes hinterlegt ist, d. h. dem Preis, der tatsächlich an der Kasse erhoben wird (Verfügungspatent, Abs. [0004]).
-
- Ein weiterer Vorteil dieser bekannten Systeme besteht darin, dass automatisierte Preisänderungen in viel kürzeren Zeiträumen als bei der manuellen Anzeige vorgenommen werden können, z. B. für Sonderangebotszeiträume (Verfügungspatent, Abs. [0005]).
-
- Elektronische Etikettensysteme werden zwar im Laufe der Zeit immer ausgefeilter, bleiben aber dennoch relativ starr, was die verschiedenen Anzeigemöglichkeiten sowie die zeitliche und räumliche Organisation dieser verschiedenen Möglichkeiten betrifft (Verfügungspatent, Abs. [0007]).
-
- Vor diesem Hintergrund besteht das dem Verfügungspatent zugrundeliegende Problem darin, Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen dem Verbraucher räumlich verortete Informationen zur Verfügung gestellt werden können, die die in einem Verkaufsraum bereits visuell verfügbaren Informationen ergänzen (Verfügungspatent, Abs. [0015]).
-
- Nach Anspruch 1 des Verfügungspatents soll dieses Problem durch das folgende Produkt gelöst werden (französische Originalsprache und Übersetzung, unter Verwendung der vom Gericht erster Instanz hinzugefügten Nummerierung):
|
FR |
DE |
1 |
Etiquette électronique (3) pour surface de vente munie d'une série |
Elektronisches Etikett (3) für eine Verkaufsfläche, ausgestattet mit |
|
d'étiquettes électroniques (3) répartie, |
einer verteilten Reihe elektronischer Etiketten (3), |
1.1. |
chaque étiquette électronique (3) étant identifiée par un unique identifiant d'étiquette qui lui est propre, comprenant: |
wobei jedes elektronische Etikett (3) durch eine einzige Etikettenkennung identifiziert ist, die ihr zu eigen ist, umfassend: |
2. |
un module de communication radiofréquence (32) configuré pour recevoir en provenance d'un serveur central (2) des données représentatives d'informations relatives à un article; |
ein Funkfrequenz- Kommunikationsmodul (32), das dazu ausgelegt ist, von einem Zentralserver (2) Daten zu erhalten, die für Informationen repräsentativ sind, die sich auf einen Artikel beziehen; |
3. |
une mémoire (33) pour stocker lesdites données représentatives d'informations relatives à un article; |
einen Speicher (33) zum Speichern der Daten, die für Informationen repräsentativ sind, die sich auf einen Artikel beziehen; |
4. |
un écran d'affichage (31) configuré pour afficher lesdites informations relatives à un article; |
einen Anzeigebildschirm (31), der dazu ausgelegt ist, die Informationen anzuzeigen, die sich auf einen Artikel beziehen; |
5. |
un microcontrôleur (34) configuré pour commander l'affichage desdites informations relatives à un article sur l'écran d'affichage (31); |
einen Mikrocontroller (34), der dazu ausgelegt ist, die Anzeige der Informationen, die sich auf einen Artikel beziehen, auf dem Anzeigebildschirm (31) zu steuern; |
6. |
un boîtier (30); |
ein Gehäuse (30); |
7. |
une carte de circuit imprimé (35) logée dans le boîtier (30) du côté de la face arrière du boîtier et |
eine gedruckte Leiterplatte (35), die in dem Gehäuse (3) auf der Seite der hinteren Fläche des Gehäuses untergebracht ist und |
7.1. |
sur laquelle sont disposés le module de communication radiofréquence (32), la mémoire (33) et le microcontrôleur (34); |
auf der das Funkfrequenz- Kommunikationsmodul (32), der Speicher (33) und der Mikrocontroller (34) angeordnet sind; |
8. |
un périphérique radiofréquence (36) apte à établir une communication (S1) par radiofréquence avec un terminal mobile (1) et à communiquer audit terminal mobile |
ein Funkfrequenz-Peripheriegerät (36), das imstande ist, eine Kommunikation (S1) durch Funkfrequenz mit einem beweglichen Endgerät (1) |
|
l'identifiant de l'étiquette électronique, |
herzustellen und dem beweglichen Endgerät die Kennung des elektronischen Etiketts zu kommunizieren, |
8.1. |
le périphérique radiofréquence (36) comprenant une antenne (38) et une puce électronique (37) de type NFC ou RFID, |
wobei das Funkfrequenz- Peripheriegerät (36) eine Antenne (38) und einen elektronischen Chip (37) vom Typ NFC oder RFID umfasst, |
8.2. |
la communication (S1) par radiofréquence entre le périphérique radiofréquence (36) et le terminal mobile (1) étant établie par communication NFC ou RFID, |
wobei die Kommunikation (S1) durch Funkfrequenz zwischen dem Funkfrequenz-Peripheriegerät (36) und dem beweglichen Endgerät (1) durch NFC- oder RFID- Kommunikation hergestellt wird, |
8.3. |
la puce électronique (37) du périphérique radiofréquence étant disposée sur la carte de circuit imprimé (35) et |
wobei der elektronische Chip (37) des Funkfrequenz-Peripheriegeräts auf der gedruckten Leiterplatte (35) angeordnet ist und |
8.4. |
l'antenne (38) du périphérique radiofréquence étant disposée sur ou dans le boitier du côté de la face avant de ladite étiquette électronique. |
die Antenne (38) des Funkfrequenz- Peripheriegeräts auf oder in dem Gehäuse auf der Seite der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts angeordnet ist. |
-
- Das elektronische Etikett nach Anspruch 1 löst das vorgenannte technische Problem, indem es eine zuverlässige Kommunikation mit einem mobilen Endgerät, z. B. einem Smartphone, ermöglicht, auf dem weitere räumlich lokalisierte Informationen angezeigt werden können. Durch diese zusätzliche Bereitstellung von Informationen über ein mobiles Endgerät ist die Information des Verbrauchers nicht mehr auf die auf dem Display des elektronischen Etiketts angezeigten Informationen beschränkt.
-
- Figur 1 des Verfügungspatents zeigt die Kommunikation eines elektronischen Etiketts (3) mit dem Zentralserver (2) sowie dem beweglichen Endgerät (1):

-
- Die auf dem elektronischen Etikett anzuzeigenden Informationen, z. B. der Preis eines Artikels, werden vom Zentralserver an das elektronische Etikett übertragen (siehe insbesondere die Anspruchsmerkmale 2 bis 5).
-
- Das elektronische Etikett ermöglicht zudem eine zuverlässige Kommunikation mit einem beweglichen Endgerät 1, wie z.B. einem Smartphone (siehe insbesondere Merkmale 8 bis 8.4). Um weitere Informationen bereitzustellen, überträgt das elektronische Etikett seine Kennung an das bewegliche Endgerät (siehe insbesondere Merkmal 8), das dann in der Lage ist, mit dieser Kennung weitere Informationen über das Etikett oder den zugehörigen Artikel vom Zentralserver abzurufen.
Die Berufungsbeklagten
-
- Die Antragsgegnerinnen und Berufungsbeklagten (nachfolgend: die Berufungsbeklagten) gehören zu der 2012 in China gegründeten Hanshow Group, die auf dem Gebiet der elektronischen Regaletiketten tätig ist. Die Berufungsbeklagte 1) ist die Muttergesellschaft der Hanshow Group. Die Berufungsbeklagten 2), 3) und 4) sind Tochtergesellschaften mit Sitz in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden.
Die Anträge
-
- In ihrem Antrag auf einstweilige Maßnahmen hat die Berufungsklägerin zusammengefasst beantragt,
-
i) es der Berufungsbeklagten zu untersagen, die Ansprüche 1 und 3 des Verfügungspatents auf dem Gebiet der 17 UPC-Mitgliedstaaten zu verletzen,
-
ii) eine vorläufige Kostenerstattung in Höhe von 11.000 € anzuordnen,
-
iii) ein Zwangsgeld in Höhe von 250.000 € im Falle der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung anzudrohen, und
-
iv) die Anordnung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
-
- Die Berufungsklägerin hat vorgetragen, dass die Berufungsbeklagten die folgenden Produkte (nachfolgend: die angegriffenen Produkte) im Gebiet der EPG-Mitgliedstaaten anbieten und verkaufen:
-
- Nebularserie mit den Modellbezeichnungen
-
- Nebular-350(F) mit den FCC-IDs: 2AYMH-NEBULAR-350B, 2AYMH-NEBULAR-350D,
-
2AYMH-NEBULAR-350T,
-
- Nebular-266(F), Nebular-213(F) und Nebular-290 mit FCC-ID: 2AYMH-NEBULAR-213K,
-
- Nebular-750 mit der FCC-ID: 2AYMH-NEBULAR-750,
-
- Nebular Plus-266 mit der FCC-ID: 2AYMH-NEBULARP-266,
-
- Stellar-Serie mit der Modellbezeichnung
-
- Stellar Plus-266, Stellar Pro-266Q und Stellar Pro-266QO mit der FCC-ID: 2AYMHSTELLARPQ-266.
Die Berufungsklägerin hat angeführt, dass das Anbieten und der Verkauf der angegriffenen Produkte eine unmittelbare und wortsinngemäße Verletzung der Ansprüche 1 und 3 des Verfügungspatents seien.
-
- Die Berufungsbeklagten haben beantragt,
- ii) der Berufungsklägerin die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten für die
- i) den Antrag auf einstweilige Maßnahmen zurückzuweisen, Einreichung einer Schutzschrift, aufzuerlegen, iii) die Anordnung für sofort vollstreckbar zu erklären.
-
- Die Berufungsbeklagten haben geltend gemacht, dass die Anspruchsmerkmale 1.1, 7 und 8.4 in den angefochtenen Produkten nicht verwirklicht seien und die Berufungsklägerin nicht bewiesen habe, dass die Berufungsbeklagten diese Produkte nach der Erteilung des Verfügungspatents im Gebiet der EPG angeboten und vermarktet hätten. Darüber hinaus haben sie angeführt, dass das Verfügungspatent unzulässig erweitert sei und der beanspruchte Gegenstand nicht neu oder zumindest naheliegend sei.
Die Anordnung des Gerichtes erster Instanz
- ii) erklärt, dass die Berufungsklägerin die Kosten des Verfahrens und die übrigen Kosten der Berufungsbeklagten, einschließlich der Kosten, die durch die Einreichung der Schutzschrift entstanden sind, bis zu einer Obergrenze von 200.000,00 € zu tragen hat und
-
- In der angefochtenen Anordnung hat das Gericht erster Instanz i) den Antrag auf einstweilige Maßnahmen abgewiesen, iii) den Streitwert auf 2.000.000,00 € festgesetzt.
-
- Das Gericht erster Instanz war nicht mit ausreichender Sicherheit davon überzeugt, dass die angegriffenen Produkte das Verfügungspatent verletzen. Die Argumentation des Gerichts lässt sich wie folgt zusammenfassen:
-
- Die räumliche Anordnung der Leiterplatte mit dem elektronischen Chip einerseits und der Antenne andererseits sei nicht gesondert, sondern im Zusammenhang zu betrachten. Der Patentanspruch sei offensichtlich ein Versuch, die technisch bestehende Wechselwirkung zwischen Chip und Antenne durch die räumliche Anordnung der beiden Komponenten zu regulieren.
-
- Die ursprüngliche Fassung des Anspruchs, die nach dem Urteil des Gerichts erster Instanz in Zusammenhang mit im Erteilungsverfahren vorgenommen Änderungen als Auslegungshilfe herangezogen werden könne, stelle bereits einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen
dem auf der gedruckten Leiterplatte angeordneten Chip und der Antenne her. In der ursprünglichen Anspruchsfassung sei formuliert worden, dass der auf der gedruckten Leiterplatte angeordnete Chip und die Antenne einen Abstand zueinander haben sollten ("... à distance de... "). Der technische Zweck des Abstands bestehe darin, Interferenzen zu begrenzen.
-
- Nach dem Wortlaut des erteilten Anspruchs sollen die Antenne und die Leiterplatte gewissermaßen diametral voneinander angeordnet sein. Der Patentanspruch beschreibt die Lage (Anordnung) dieser beiden Bauteile im Raum (Gehäuse) und damit mittelbar in einem räumlichen Verhältnis zueinander; dabei sei der für die Anordnung relevante Bezugspunkt jeweils das Gehäuse des elektronischen Etiketts mit seinen Seiten und deren Flächen. Auf diese bezögen sich beide Anspruchsmerkmale. Aus der solchermaßen vorgenommenen räumlichen Abgrenzung ergebe sich, dass ein der Seite der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts zuzuordnendes Bauteil nicht gleichzeitig der Seite der hinteren Fläche des Gehäuses zugeordnet werden könne und umgekehrt.
-
- Bei den Etiketten mit der Typenbezeichnung "Nebular-350 Y-N" liege zumindest ein erheblicher Teil der Antenne auf dem oberen Abschnitt der Innenseite der hinteren Gehäusefläche auf.
-
- Dies bedeute, dass zumindest ein wesentlicher Teil der Antenne der Fläche der hinteren Gehäuseseite zuzuordnen sei.
-
- Sofern die Antenne der hinteren Gehäusefläche zuzuordnen sei, könne sie nicht gleichzeitig auf der Seite der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts angeordnet sein. Wenn also mindestens ein wesentlicher Teil der Antenne der hinteren Gehäusefläche zuzuordnen sei, könne eine Verletzung nicht festgestellt werden. Die gleiche Schlussfolgerung gelte für die anderen angegriffenen Produkte.
Die Anträge im Berufungsverfahren
-
- In der Berufungsschrift beantragt die Berufungsklägerin, zusammengefasst, die Anordnung des Gerichts erster Instanz aufzuheben und den in ihrem Antrag auf einstweiligen Maßnahmen gestellten Anträgen stattzugeben. Die Berufungsklägerin beantragt die Erstattung der Kosten für den gesamten Rechtstreit in erster und zweiter Instanz und die vorläufige Festsetzung der Kosten des Berufungsverfahrens.
-
- Die Berufungsbegründung der Berufungsklägerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
-
- Die angefochtene Anordnung beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung der Anspruchsmerkmale 7 und 8.4. Der Patentanspruch 1 verlange keinen bestimmten Abstand zwischen der Leiterplatte und der Antenne. Die Fachperson entnehme der Wechselwirkung der Merkmale 7 und 8.4, dass die Antenne im Verhältnis zur Leiterplatte so anzuordnen ist, dass die Antenne - aus der Richtung der Vorderseite des Etiketts gesehen - nicht hinter der Leiterplatte angeordnet werden soll.
-
- Das Gericht erster Instanz greife unzulässiger Weise auf die Erteilungshistorie des Verfügungspatents als Auslegungshilfe zurück. Selbst wenn die Erteilungshistorie berücksichtigt werden könnte, bestätige sie, dass eine Anordnung der Antenne getrennt von dem auf der gedruckten Leiterplatte angeordneten Chip nur insoweit erfolgen soll, als ein Senden durch die Leiterplatte hindurch vermieden wird.
-
- Die Auffassung des Gerichts, dass nach dem Patentanspruch ein der Seite der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts zuzuordnendes Bauteil nicht gleichzeitig der Seite der hinteren Fläche des Gehäuses zugeordnet werden könne - und umgekehrt -, sei unzutreffend.
-
- Bei richtiger Auslegung des Patentanspruchs fielen die Etiketten mit der Typenbezeichnung "Nebular-350" in den Schutzbereich des Verfügungspatents.
-
- Selbst bei Zugrundelegung der unzutreffenden Auslegung des Gerichts erster Instanz fielen die elektronischen Etiketten der Typen Nebular-266, Nebular-213, Nebular-290, Nebular-750 und Stellar Pro-266 in den Schutzbereich.
-
- Die Berufungsbeklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen und der Berufungsklägerin die weiteren Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Berufungsbeklagten verteidigen die Beurteilung des Gerichts erster Instanz, dass ihre Produkte nicht in den Schutzbereich des Verfügungspatents fallen, und verweisen auf die weiteren Einwände, die sie im erstinstanzlichen Verfahren erhoben haben.
BEGRÜNDUNG
Grundsätze für die Auslegung von Patentansprüchen
-
- In seiner Anordnung in der Rechtssache 10x und Harvard/Nanostring (UPC_CoA_335/2023 App_576355/2023) hat das EPG-Berufungsgericht den folgenden Standard für die Auslegung von Patentansprüchen angenommen.
- i. Das EPG-Berufungsgericht geht nach Art. 69 des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente (EPÜ) und dem Protokoll zu seiner Auslegung von den folgenden Grundsätzen aus.
- ii. Der Patentanspruch ist nicht nur der Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs eines europäischen Patents.
- iii. Für die Auslegung eines Patentanspruchs kommt es nicht allein auf seinen genauen Wortlaut im sprachlichen Sinne an. Vielmehr sind die Beschreibung und die Zeichnungen als Erläuterungshilfen für die Auslegung des Patentanspruchs stets mit heranzuziehen und nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten im Patentanspruch anzuwenden.
- iv. Das bedeutet aber nicht, dass der Patentanspruch lediglich als Richtlinie dient und sich sein Gegenstand auch auf das erstreckt, was sich nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt.
- v. Der Patentanspruch ist aus Sicht der Fachperson auszulegen.
- vi. Bei der Anwendung dieser Grundsätze soll ein angemessener Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbunden werden.
- vii. Diese Grundsätze für die Auslegung eines Patentanspruchs gelten gleichermaßen für die Beurteilung der Verletzung und des Rechtsbestands eines europäischen Patents. Das ergibt sich aus der Funktion der Patentansprüche, die nach dem Europäischen Patentübereinkommen dazu dienen, den Schutzbereich des Patents nach Art. 69 EPÜ und damit die Rechte des Patentinhabers in den benannten
Vertragsstaaten nach Art. 64 EPÜ unter Berücksichtigung der Voraussetzungen für die Patentierbarkeit nach den Art. 52 bis 57 EPÜ festzulegen.
Auslegung der Ansprüche
-
- Unter Anwendung dieser Grundsätze für die Anspruchsauslegung legt das Berufungsgericht das Anspruchsmerkmal 8.4 (die Antenne (38) des Funkfrequenz-Peripheriegeräts ist auf oder in dem Gehäuse auf der Seite der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts angeordnet) wie folgt aus.
-
- Wie von den Parteien unbestritten und vom Gericht zu Recht festgestellt, handelt es sich bei der Fachperson um einen Diplomingenieur mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von elektronischen Etiketten mit RFID/NFC-Funktionalität.
-
- Anspruchsmerkmal 8.4 muss in Verbindung mit den Anspruchsmerkmalen 7 und 8.3 gelesen werden. Anspruchsmerkmale sind immer im Lichte des gesamten Anspruchs auszulegen. Darüber hinaus beziehen sich diese Merkmale spezifisch auf die räumliche Anordnung der Komponenten des elektronischen Etiketts in Bezug auf das Gehäuse des Etiketts:
- · Merkmal 7: eine gedruckte Leiterplatte (35) ist in dem Gehäuse (3) auf der Seite der hinteren Fläche des Gehäuses untergebracht ;
- · Merkmal 8.3: der elektronische Chip (37) des Funkfrequenz-Peripheriegeräts ist auf der gedruckten Leiterplatte (35) angeordnet ;
- · Merkmal 8.4: die Antenne (38) des Funkfrequenz-Peripheriegeräts ist auf oder in dem Gehäuse auf der Seite der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts angeordnet .
Diesen Merkmalen entnimmt die Fachperson, dass sich der Chip und die Antenne des Funkfrequenz-Peripheriegeräts nicht an derselben Stelle in oder auf dem Gehäuse befinden sollten. Der Chip soll auf der Leiterplatte auf der Seite der hinteren Fläche des Gehäuses angeordnet sein und die Antenne auf oder in dem Gehäuse auf der Seite der vorderen Fläche. Entsprechend wird die Fachperson Merkmal 8.4 dahin verstehen, dass die Antenne auf oder im Gehäuse an einer Stelle angeordnet ist, die sich weiter in Richtung der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts befindet als die Leiterplatte mit dem darauf angeordneten Chip.
-
- Diese Auslegung wird durch die Absätze [0034] bis [0040] der Beschreibung des Verfügungspatents bestätigt. Abs. [0034] lehrt die Anordnung des Chips und der Antenne des Funkfrequenz-Peripheriegeräts an verschiedenen Stellen auf oder in dem Gehäuse des elektronischen Etiketts. Der Chip sei auf der Leiterplatte auf der Seite der hinteren Fläche des Etiketts untergebracht, während die Antenne auf oder in dem Gehäuse auf der Seite der vorderen Fläche angeordnet sei (Abs. [0035]). In den folgenden Absätzen wird erläutert, dass es einerseits unerwünscht sei, sowohl die Antenne als auch den Chip auf der vorderen Fläche anzuordnen, da dies der Maximierung der Anzeigefläche des Bildschirms entgegenstehe (Abs. [0036]). Andererseits würde die Positionierung der Antenne auf der Rückseite neben dem Chip den Leseabstand und die Ablesbarkeit verringern, da dies dann durch den Bildschirm und die durch die Leiterplatte induzierten elektromagnetischen Störungen geschehen müsste (Abs. [0038]). Zusammenfassend lehrt die Beschreibung wieder, die Antenne vom Chip zu trennen (Abs. [0039]), wobei der Chip auf der Leiterplatte untergebracht sei, und die Antenne in das Kunststoffgehäuse integriert sei, und zwar zur Vorderseite des Gehäuses, vorzugsweise um den Bildschirm herum (Abs. [0040]).
-
- Angesichts dieser Auslegung hat das Gericht erster Instanz zu Recht angenommen, dass die Anspruchsmerkmale 7 und 8.4 eine Anordnung der Leiterplatte und der Antenne in derselben Ebene ausschließen. Die Fachperson wird verstehen, dass es diese Anspruchsmerkmale zusammen betrachtet erfordern, dass die Antenne weiter in Richtung der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts angeordnet ist als die Leiterplatte.
-
- Außerdem verlangt das Anspruchsmerkmal 8.4, dass die Antenne nicht hinter dem Bildschirm im Sinne des Anspruchsmerkmals 4 angeordnet ist. Aus der Beschreibung geht hervor, dass die Seite der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts im Sinne des Anspruchsmerkmals 8.4 die Ebene des Bildschirms ist. Absatz [0036] lehrt, dass es unerwünscht ist, die Antenne und den Chip auf der Vorderseite des Etiketts anzubringen, da dies der Maximierung der Anzeigefläche des Bildschirms entgegensteht. Die Beschreibung geht also davon aus, dass die Vorderseite des Etiketts der Ort ist, an dem der Bildschirm positioniert ist, andernfalls würde die Anordnung der Antenne und des Chips auf der Vorderseite des elektronischen Etiketts nicht mit dem Ziel der Maximierung des Bildschirms in Konflikt stehen. Darüber hinaus lehrt die Beschreibung, dass die Anbringung der Antenne auf der Rückseite des Etiketts nachteilig ist, da die Antenne in dieser Position durch den Bildschirm senden und empfangen muss (Abs. [0038]), und dass die Antenne daher in Richtung der Vorderseite des Gehäuses, vorzugsweise um den Bildschirm herum, angebracht werden sollte (Abs. [0040]). Das zeigt, dass, wenn die Antenne auf der Seite der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts angebracht ist, der Bildschirm die Antenne und die Kommunikation zwischen dem Funkfrequenz-Peripheriegeräts und dem mobilen Endgerät nicht behindert, da in dieser Konfiguration die Antenne nicht hinter dem Bildschirm positioniert ist.
-
- Das Berufungsgericht weist das Argument der Berufungsklägerin zurück, Anspruchsmerkmal 8.4 verlange nur, dass die Antenne nicht hinter der Leiterplatte angeordnet sei. Die von der Berufungsklägerin vertretene Anspruchsauslegung würde bedeuten, dass das Anspruchsmerkmal 8.4 auch dann verwirklicht wäre, wenn sich die Antenne und die Leiterplatte in derselben Ebene befänden. Eine solche Auslegung ist mit dem Wortlaut des Patentanspruchs nicht vereinbar und steht auch im Widerspruch zur Beschreibung, die die Fachperson in Absatz [0038] ausdrücklich lehrt, die Antenne und die Leiterplatte (, auf der sich der Chip befindet,) nicht nebeneinander anzuordnen.
-
- In diesem Zusammenhang führt die Berufungsklägerin an, dass das Nichtanbringen der Antenne hinter der Leiterplatte ausreiche, um zu verhindern, dass die Antenne durch die Leiterplatte sende und empfange. Dieses Argument mag zutreffend sein, doch folgt daraus nicht, dass die von der Berufungsklägerin vertretene Anspruchsauslegung richtig ist. In Absatz [0038] geht es nicht nur um die Abschirmungswirkung, die durch die Anbringung der Antenne hinter der Leiterplatte verursacht würde. In Absatz [0038] wird gelehrt, dass die Antenne nicht durch die von der Leiterplatte verursachten elektromagnetischen Störungen senden und empfangen soll. Diese elektromagnetischen Störungen sind nicht auf den Umriss der Leiterplatte beschränkt. Die Fachperson weiß aufgrund ihres allgemeinen Wissens, dass das bloße Vorhandensein einer Leiterplatte in der Nähe der Antenne den Betrieb der Antenne negativ beeinflusst (D. Ciudad, P. Cobos Arribas, P. Sanchez und C. Aroca, RFID in Metal Environments: An Overview on Low (LF) and Ultra Low (ULF) Frequency Systems , In: C. Turcu, Radio Frequency Identification Fundamentals and Applications, Design Methods and Solutions , 2010, Anlage TW 41, §2.2.2). Denn die Metallteile der Leiterplatte stören das Magnetfeld und verursachen nicht nur eine abschirmende Wirkung, sondern auch einen " detuning effect "
(Verstimmungseffekt), d.h. das Metall wird einen Drift der Arbeitsfrequenz verursachen. Dieser Verstimmungseffekt tritt auch auf, wenn die Antenne und die Leiterplatte in derselben Ebene nebeneinander angeordnet sind. Der Effekt kann dadurch vermieden oder reduziert werden, dass die beiden Elemente auf verschiedenen Seiten des Gehäuses des elektronischen Etiketts angeordnet werden. Daher ist das Anspruchsmerkmal 8.4 so auszulegen, dass die Antenne weiter in Richtung der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts angeordnet ist als die Leiterplatte.
-
- Das Argument der Berufungsklägerin, Anspruch 1 verlange keine bestimmte Position der Antenne in Bezug auf den Bildschirm, ist unbegründet. Der Begriff "die Seite der vorderen Fläche" in Anspruchsmerkmal 8.4 ist im Lichte der Beschreibung und des allgemeinen Fachwissens der Fachperson auszulegen. Wie das Berufungsgericht oben festgestellt hat, befindet sich eine hinter dem Bildschirm angebrachte Antenne nicht auf der Seite der vorderen Fläche im Sinne des Anspruchsmerkmals 8.4. Das Berufungsgericht weist auch die Ansicht der Berufungsklägerin zurück, dass das Verfügungspatent stelle die Position der Antenne in Bezug auf den Bildschirm lediglich als eine bevorzugte Ausführungsform dar. In Absatz [0038] der Beschreibung wird das Senden und Empfangen durch den Bildschirm als ein Problem dargestellt, das mit der beanspruchten Erfindung generell gelöst werden soll, und nicht als ein Vorteil einer bevorzugten Ausführungsform. Was das Verfügungspatent als bevorzugte Ausführungsform darstellt und in Anspruch 2 ausdrücklich beansprucht, ist die Integration der Antenne im Gehäuse um eine Aussparung herum, die den Anzeigebildschirm aufnimmt. Das Anbringen der Antenne auf der Seite der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts, d.h. nicht hinter dem Bildschirm, kann jedoch auch durch andere Konfigurationen als die der bevorzugten Ausführungsform erreicht werden, z.B. durch Anbringen der Antenne im Gehäuse neben dem Bildschirm oder durch Anbringen der Antenne auf der Vorderseite des Gehäuses.
-
- Anders als von der Berufungsklägerin behauptet, zeigt die folgende Figur 3 des Verfügungspatents kein elektronisches Etikett, bei dem die Antenne hinter dem Bildschirm angeordnet ist.
FIG. 3

Auch in Anbetracht der Erläuterung von Figur 3 in der Beschreibung (Abs. [0026] ff.) wird die Fachperson verstehen, dass Figur 3 die in Absatz [0040] beschriebene bevorzugte Ausführungsform zeigt, bei der die Antenne im Gehäuse um eine Aussparung integriert ist, die den Bildschirm aufnimmt. Die Fachperson wird auch verstehen, dass in dieser
Ausführungsform der Bildschirm nicht nur in der Ebene der gestrichelten Linie liegt. In der Beschreibung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Bildschirm typischerweise eine Dicke von 1 Zentimetern hat. Die Fachperson wird daher davon ausgehen, dass die gestrichelte Linie die Vorderkante der den Bildschirm aufnehmenden Aussparung ist, wobei sich die Aussparung nach innen erstreckt, um die Dicke des Bildschirms aufzunehmen, und die Antenne (38) daher um diese Aussparung herum angeordnet ist, gemäß der in Absatz [0040] beschriebenen und in Anspruch 2 beanspruchten bevorzugten Ausführungsform.
-
- Die oben gegebene Auslegung des Anspruchsmerkmals 8.4 beruht auf dem Wortlaut des Anspruchs, gelesen im Lichte der Beschreibung und der Zeichnungen aus der Sicht der Fachperson mit seinem allgemeinen Fachwissen ohne Berücksichtigung der Erteilungsgeschichte des Verfügungspatents. Die von den Parteien zitierten Teile der Dokumente des Prüfungsverfahrens vor dem Europäischen Patentamt werfen kein neues Licht auf diese Auslegung. Daher braucht sich das Berufungsgericht im vorliegenden Fall nicht mit der Frage zu befassen, ob die Erteilungsgeschichte bei der Bestimmung des Schutzbereichs eines europäischen Patents berücksichtigt werden kann.
Angegriffene Produkte fallen nicht unter den Schutzbereich
-
- In seiner Anordnung in der Rechtssache 10x und Harvard/Nanostring (UPC_CoA_335/2023 App_576355/2023) hat das EPG-Berufungsgericht entschieden, dass eine ausreichend sichere Überzeugung nach Regel 211.2 VerfO in Verbindung mit Art. 62(4) EPGÜ erfordert, dass es das Gericht zumindest für überwiegend wahrscheinlich hält, dass das Patent verletzt wird. Nach diesem Maßstab stellt das Berufungsgericht fest, dass aufgrund des Vorbringens der Parteien und der in diesem Eilverfahren vorliegenden Beweise kein ausreichender Grad an Sicherheit besteht, dass die Berufungsbeklagten mit den angegriffenen Produkten das Verfügungspatent verletzen.
-
- Erstens ist unstreitig, dass bei allen angegriffenen Produkten die Antenne des FunkfrequenzPeripheriegeräts hinter dem Bildschirm angeordnet ist. Schon aus diesem Grund fallen diese Produkte nicht unter Anspruch 1 des Verfügungspatents, da dieses Anspruchsmerkmal 8.4 die Anordnung der Antenne hinter dem Bildschirm ausschließt (siehe oben, Absatz 32 der Anordnung).
-
- Zweitens verlangt das Anspruchsmerkmal 8.4, dass die Antenne weiter in Richtung der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts angeordnet ist als die Leiterplatte (siehe oben Absätze 29 ff. der Anordnung). Das Berufungsgericht ist nicht davon überzeugt, dass die angegriffenen Produkte diese Anforderung erfüllen. Die Berufungsklägerin hat sich in ihrem Vorbringen hauptsächlich auf das Modell Nebular 350 bezogen. Die folgende von den Berufungsbeklagten vorgelegte technische Zeichnung (Anlage TW 42) zeigt, dass bei diesem Modell das ' flexible printed circuit ' (FPC) mit der Antenne auf gleicher Höhe mit der gedruckten Leiterplatte (PCB), also nicht weiter vorne als die Leiterplatte, angeordnet ist.
Nebular3.5F Stack up

Die von den Berufungsbeklagten vorgelegten Beweise, darunter die eingereichten Muster und das folgende Foto des Nebular 350 im aufgeklappten Zustand, liefern keinen ausreichenden Beweis dafür, dass die Antenne tatsächlich weiter vorne angebracht ist.

Anhand dieses Fotos kann nicht festgestellt werden, dass die Antenne (die in die orangefarbene Folie eingearbeitet ist) in geschlossener Position weiter in Richtung der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts angeordnet ist als die Leiterplatte (schwarzes Element oben rechts). Dies gilt umso mehr, als unstreitig ist, dass i) die Antenne auf der Rückseite der orangefarbenen Folie angebracht ist und ii) die flexible Folie in der geschlossenen Stellung zur Rückseite des Etiketts gedrückt wird.
-
- Die Behauptung der Berufungsklägerin, dass sich bei den Produkten der Berufungsbeklagten die Leiterplatte in einer Aussparung auf der Rückseite des Gehäuses befinde, während die Antenne auf den Batterien liege, kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Wegen dieser Aussparung kann die Leiterplatte weiter in die Gehäuserückseite hineinragen als die Antenne. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Antenne und der vordere Teil der relativ dicken Leiterplatte in derselben Ebene nebeneinander liegen und dass daher das Produkt nicht in den Schutzbereich von Anspruch 1 fällt .
-
- Die Berufungsklägerin hat auch nicht nachgewiesen, dass die Batterien die Antenne weiter nach vorne auf das elektronische Etikett drücken als die Leiterplatte. Die Behauptung der Berufungsklägerin, dass die Batterien über die Leiterplatte in Richtung des Bildschirms hinausragen, wurde von den Berufungsbeklagten unter Bezugnahme auf die technischen Zeichnungen der Etiketten widerlegt. So zeigt die in Absatz 40 dargestellte Zeichnung des Nebular 350, dass die Vorderseite der Batterie weiter von der Rückseite des Etiketts entfernt ist als die Vorderseite der Leiterplatte, nämlich 5 mm von der Rückseite für die Batterien im Vergleich zu 5,45 mm für die Leiterplatte. Außerdem zeigen die Zeichnungen nur das feste Teil
der Leiterplatte und nicht die darauf montierten Elemente der Leiterplatte, wie Schaltungen und Widerstände, die noch weiter in Richtung der Vorderseite des Etiketts herausragen.
-
- Die gleiche Beurteilung ergibt sich für die anderen angegriffenen Produkte, nämlich die verschiedenen Modelle des Nebular-266, Nebular-213, Nebular-290, Nebular-750 und Stellar Pro-266. Auch für diese Produkte zeigen die von der Berufungsklägerin vorgelegten Fotos nicht, dass die Antenne weiter in Richtung der vorderen Fläche des elektronischen Etiketts angeordnet ist als die Leiterplatte, und die von den Berufungsbeklagten eingereichten technischen Zeichnungen widerlegen die Behauptung der Berufungsklägerin, dass bei den Modellen, bei den die Antenne auf den Batterien liegt, die Batterien weiter in Richtung des Bildschirms vorstehen als die vorderen Teile der Leiterplatte.
-
- Daraus folgt, dass die angegriffenen Produkte nicht in den Schutzbereich von Anspruch 1 des Verfügungspatents fallen, da nicht alle Merkmale des Anspruchs verwirklicht sind. Damit scheitert auch das Argument der Berufungsklägerin, Anspruch 3 des Verfügungspatents sei verletzt, da Anspruch 3 von Anspruch 1 abhängig ist.
-
- Da bei einer Abwägung der Wahrscheinlichkeiten keines der angegriffenen Produkte in den Schutzbereich des Verfügungspatents fällt, kann offenbleiben, ob es überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Berufungsbeklagten jedes dieser Produkte im Gebiet der EPGMitgliedstaaten anbieten oder vertreiben.
Fazit
-
- Da die Produkte der Berufungsbeklagten nach einer Abwägung der Wahrscheinlichkeiten nicht in den Schutzbereich des Verfügungspatents fallen, hat das Gericht erster Instanz den Antrag auf einstweilige Maßnahmen zu Recht zurückgewiesen und zu Recht festgestellt, dass die Berufungsklägerin die Kosten des Verfahrens in erster Instanz zu tragen hat. Das Berufungsgericht weist daher die Berufung zurück.
-
- Als unterlegene Partei hat die Berufungsklägerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
ANORDNUNG
-
- Die Berufung wird zurückgewiesen.
-
- Die Berufungsklägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Diese Anordnung wurde am 13. Mai 2024 erlassen.
Klaus Grabinki Präsident des Berufungsgerichts |
Françoise Barutel rechtlich qualifizierte Richterin |
Peter Blok rechtlich qualifizierter Richter und Berichterstatter |
Eric Augarde technisch qualifizierter Richter |
Klaus Loibner technisch qualifizierter Richter |
Eurico Igreja Angestellter der Kanzlei |
|