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16 May, 2024
Order
ORD_29883/2023 Paris (FR) Central D… EP3170639B1
Regel 360 VerfO
...

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ORD_29883/2023
UPC_CFI_372/2023
16 May, 2024
Order

Summary
(AI generated)

Parties

STAÛBLI TEC-SYSTEMS GMBH
v. ***

Registry Information
Registry Number:

ACT_580824/2024

Court Division:

Paris (FR) Central Division - Seat

Type of Action:

Revocation Action

Language of Proceedings:

DE

Patent at issue

EP3170639B1

Cited Legal Standards
Art. 69 (1) EPGÜ
Art. 83 (3) EPGÜ
R. 363.2, 220.1(a), 224.1(a) VerfO
R. 370.8 VerfO
Regel 118.5 VerfO
Regel 360 VerfO
Regel 370.9 (b) (i) VerfO
Regel 370.9 (c) (i) VerfO
Regel 61.1 VerfO
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ORD_29883/2023

Zentralkammer Paris

Anordnung

des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts

Regel 360 VerfO

UPC_CFI_372/2023 ACT_580824/2023 erlassen am 16/05/2024

Leitsätze:

    1. Bei Erledigung der Hauptsache nach Regel 360 ist die Kostengrundentscheidung nach Regel 118.5 VerfO vom vollständig besetzten Spruchkörper zu treffen.
    1. Die Regeln 370.9 (b) (i) VerfO sowie 370.9 (c) (i) VerfO sind im Falle des Patentverzichts analog anwendbar.
    1. Für die Erhebung einer Klage auf Nichtigerklärung ist eine vorherige Abmahnung nicht stets erforderlich. Daraus lässt sich andererseits nicht schließen, dass ein Verzicht auf eine vorherige Abmahnung keinerlei Konsequenzen für die Kostenverteilung zwischen den Parteien hat, wenn der Patentinhaber in Reaktion auf die Nichtigkeitsklage sofort anerkennt bzw. auf das Patent verzichtet.
    1. Es ist im Allgemeinen unbillig, dem Patentinhaber, der in Reaktion und unter Verweis auf erstmals mit der Nichtigkeitsklage vorgelegten relevanten Stand der Technik sofort auf das Patent verzichtet, die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Schlüsselwörter: Erledigung; Verzicht auf das Patent; vorherige Verzichtsaufforderung; Kostengrundentscheidung

KLÄGERIN

Stäubli Tec- Systems GmbH , Theodor-Schmidt- Straße 19, 95448 Bayreuth, Deutschland

Vertreten durch: Dr. Stefan Golkowsky

BEKLAGTE(R)

Vertreten durch:

Thomas Schart

ORD_29883/2023

ORD_29883/2023

STREITGEGENSTÄNDLICHES PATENT

Patentnr. EP 3 170 639 B1 Verfahren zur Steuerung der Geschwindigkeit und der Positionierung eines Werkzeugwechselwagens sowie Arbeitsstation für eine mit auswechselbaren Werkzeugen bestückte Maschine

Hinweis auf die Patenterteilung: 07.07.2021 Patentblatt 2021/27 Anmeldetag: 02.11.2016 Priorität: 17.11.2015 DE 20 2015 106 216 U1

Inhaber:

ENTSCHEIDENDE RICHTER

Zusammensetzung des Spruchkörpers:

Vorsitzender Richter Berichterstatterin Technisch qualifizierter Richter

Maximilian Haedicke Tatyana Zhilova

Dennis Kretschmann

VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch

ANHÖRUNG VOM: 18/04/2024

KURZE DARSTELLUNG DES SACHVERHALTS

    1. Am 18. Oktober 2023 reichte die Klägerin bei der Zentralkammer Paris eine Klage auf Nichtigerklärung des Patents EP3170639 gegen die beiden Beklagten ein. Die Nichtigkeitsklage wurde unter dem Aktenzeichen ACT_580824/2023 (UPC_CFI_372/2023) geführt.
  • 1.1. In Bezug auf den Stand der Technik wurden folgende Dokumente vorgelegt:

Anlage A8: Prioritätsgebrauchsmuster DE 20 2015 106 216 U1, eingetragen am 11. Februar 2016, erteilt an die Beklagten

Anlage A10: WO 2013/102507 A1 vom 11. Juli 2013

Anlage A11: CN 103612649 A vom 5. März 2014

Anlage A13: DE 196 46 180 A1 vom 14. Mai 1998

Anlage A14: DD 277 641 A1 vom 11. April 1990

Anlage A15: DE 195 12 681 A1 vom 10. Oktober 1996

Anlage A16: Anleitung des Sensors AMS 301i der Firma Leuze aus dem Jahr 2014

Anlage A17: Anleitung des Sensors AMS 300i der Firma Leuze aus dem Jahr 2011

Anlage A18: Spanische Broschüre der EAS Change Systems, 2.4.2015

Anlage A19: Screenshot der PDF-Eigenschaften der Anlage A18

Anlage A21: Screenshots eines YouTube-Videos von Leuze Australia

Anlage A22: Fotos von der Messe K-2016 zur offenkundigen Vorbenutzung

Anlage A23: Zeugenaussage mit eidesstattlicher Versicherung von

Video V1: https://www.youtube.com/watch?v=Wo3zeUzdLGQ vom 6.1.2012

Video V2: https://www.youtube.com/watch?v=vN9TdnhL7hE vom 23.7.2013

Video V3: https://www.youtube.com/watch?v=7MlT_NirGyM vom 21.11.2013

  • 1.2. Im vorprozessualen Schriftverkehr mit den Beklagten hat die Klägerin die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents bestritten. Die vorprozessuale Korrespondenz besteht aus:

Anlage A2: Schreiben der Patentinhaber vom 3.11.2022;

Anlage A3: Antwortschreiben an die Patentinhaber vom 29.11.2022 inklusive Anlagen;

Anlage A4: Schreiben der Patentinhaber vom 9.01.2023;

Anlage A5: Antwortschreiben an die Patentinhaber vom 24.01.2023 (die Klägerin identifiziert den Brief in der Aufstellung der Unterlagen mit Datum 25.01.23)

Anlage A6: Schreiben der Patentinhaber vom 15.02.2023.

Dabei wurde die Nichtigkeit des Patents mit den folgenden Dokumenten begründet: Prioritätsgebrauchsmuster DE 20 2015 106 216 (Anlage A8); D1: US 2011/192353 A1, D2: DE 20 2005 019797 U1 und D3: DE 20 2008 004609 U1, die im Erteilungsverfahren berücksichtigt wurden (hier nicht vorgelegt); Katalog der EAS Change Systems vom 2. Oktober 2015; EP 2 306 428 B1 (hier nicht vorgelegt);

Bild von der Messe K-2016 (Anlage A22)

    1. In der vorprozessualen Korrespondenz haben die Beklagten bestritten, dass sich die behauptete Nichtpatentfähigkeit aus den vorgelegten Dokumenten ergebe. Im Schreiben vom 09.01.2023 (A4) haben die Beklagten eine außergerichtliche Einigung vorgeschlagen, die beispielsweise in einer Lizenzgewährung liegen könne. Im Schreiben vom 15.02.2023 (A6) machen die Beklagten die Klägerin darauf aufmerksam, dass das bestehende Patent respektiert werden müsse.
    1. Mit ihren Klageerwiderungen vom 16. und 22. November 2023 haben die Beklagten unter Verweis auf die neuen und ihrer Meinung nach entscheidenden Beweismittel A10 bis A23 sowie Videos V1 bis V3 die Klage auf Nichtigerklärung anerkannt und auf das Patent im vollen Umfang ex tunc verzichtet. Der Widerruf des Patents im Europäischen Patentblatt 09/2024 wurde am 28. Februar 2024 bekannt gemacht.
    1. Im Rahmen des schriftlichen Verfahrens vor dem EPG haben beide Parteien übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt (Regel 360 VerfO). Während der Anhörung am 18. April 2024 haben beide Parteien ihre Erklärungen bestätigt und beantragt, die Erledigung der Hauptsache durch Erlass einer verfahrensbeendenden Anordnung nach Regel 360 VerfO festzustellen.
    1. Die Parteien streiten noch über den Streitwert sowie darüber, wer die Kosten zu tragen hat. Beide Parteien haben vorläufige Kostenschätzungen gemäß Regel 118.5 VerfO vorgelegt, und ihnen wurde rechtliches Gehör gewährt (App_14965/2024).

KOSTENANTRÄGE DER PARTEIEN

    1. Die Klägerin beantragt:
  • -die Gerichtsgebühren gem. Regel 370.9 (b) (i) VerfO (analog) sowie nach Regel 370.9 (c) (i) VerfO (analog) um 60% zu reduzieren,

  • -den Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,

  • -den Streitwert auf Euro 500.000 festzusetzen.

    1. Die Beklagten beantragen:
  • -die Gerichtsgebühren gem. Regel 370.9 (b) (i) VerfO (analog) sowie nach Regel 370.9 (c) (i) VerfO (analog) um 60% zu reduzieren,

  • -der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, und hilfsweise eine Gebührenermäßigung von 40% gemäß R. 370.8 VerfO (analog) für die Beklagten, falls dem Antrag der Kostenauferlegung auf die Klägerin nicht stattgegeben werden sollte,

  • -den Streitwert auf höchstens Euro 250.000 festzusetzen.

STREITIGE PUNKTE

    1. Die Klägerin ist der Auffassung, dass:
  • 1.1. die Beklagten sich durch die Verzichtserklärung in die Rolle der kostenbelasteten Unterlegenen begeben hätten;

  • 1.2. sich aus den Rechtsgrundlagen des EPG keine Pflicht ergebe, vor Erhebung einer Nichtigkeitsklage den Patentinhaber zum Verzicht aufzufordern, was sich insbesondere auch aus dem Fehlen einer der Regel 61.1 VerfO entsprechenden Regelung für das Nichtigkeitsverfahren ergebe;

  • 1.3. Billigkeitsgründe es geböten, den Beklagten die Kosten aufzuerlegen, denn:

  • -den Beklagten seien die entscheidenden Beweismittel bereits vor der Klageerhebung bekannt gewesen;

  • -die Beklagten hätten der Klägerin vorprozessual zu verstehen gegeben, dass eine vorherige Verzichtsaufforderung erfolglos sei;

  • -die neuen Beweismittel zum Stand der Technik, vorgelegt mit der Klage, seien noch relevanter;

  • -zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, alle relevanten Beweismittel zum Stand der Technik vorzulegen;

  • -hätte die Klägerin die Beklagten vorprozessual zum Verzicht aufgefordert, hätten die Beklagten das Streitpatent der Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts (per Opt-out-Erklärung) entzogen, wodurch der Klägerin die Möglichkeit des kostengünstigeren, effektiveren Zentralangriffs vor dem EPG genommen worden wäre;

  • -die Klägerin habe aufgrund der vorgerichtlichen Berechtigungsanfrage der Beklagten jederzeit mit einer Unterlassungsklage rechnen müssen;

  • 1.4 der Streitwert aufgrund des Einsatzes der patentgemäßen Technologie in vielen unterschiedlichen Industriebereichen und aufgrund der territorialen Reichweite von sechs EPG-Vertragsstaaten mindestens Euro 500.000 betragen müsse.

    1. Die Beklagten sind der Auffassung, dass:
  • 2.1. sie der Klägerin keine Veranlassung zur Erhebung der vorliegenden Nichtigkeitsklage gegeben hätten, denn:

  • -aus dem Patent seien keine Rechte geltend gemacht worden und eine Verletzungsklage, sowie auch Unterlassungsund Schadenersatzforderungen gegenüber der Klägerin seien nicht erhoben worden;

  • -die Klägerin habe den Beklagten vor Klageerhebung nicht die Möglichkeit gegeben, den relevantesten Stand der Technik (später recherchierte Beweismittel A10 bis A23 sowie V1 bis V3) zu prüfen; wenn die Klägerin dies getan hätte, hätten die Beklagten auf das Patent verzichtet, und eine Nichtigkeitsklage wäre unnötig gewesen;

  • -die Darstellung der Klägerin, sie habe die Gefahr einer Unterlassungsklage mit einer Nichtigkeitsklage schnell beseitigen müssen, überzeuge nicht, da die Klägerin bis zur

  • Nichtigkeitsklage lange gewartet habe;

  • 2.2. das Fehlen einer der Regel 61.1 VerfO entsprechenden Regelung für das Nichtigkeitsverfahren nicht ausschließe, dass die Klägerin im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses aus Billigkeitsgründen die Kosten tragen müsse;

  • 2.3. die Klägerin unnötige Kosten für eine Doppelvertretung durch Patentanwälte und Rechtsanwälte erzeugt habe, die angesichts des Patentverzichts nicht notwendig gewesen seien;

  • 2.4 ein angemessener Streitwert maximal Euro 250.000 betrage.

BEGRÜNDUNG DER ANORDNUNG

1. Entscheidungsbefugnis

Die Entscheidung nach Regel 360 VerfO und Regel 118.5 VerfO ist vom Spruchkörper zu treffen.

2. Erledigung der Hauptsache

Stellt das Gericht fest, dass eine Klage gegenstandslos geworden ist und die Erledigung der Hauptsache eingetreten ist, kann es nach Regel 360 VerfO die Klage jederzeit auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen per Anordnung zum Abschluss bringen. Das im deutschen Text der Regel 360 VerfO verwendete Verb 'abweisen' stellt nicht den besten Ausdruck für die Beendigung des Verfahrens dar, da es den Eindruck erweckt, dass die Klage unbegründet war. Daher bevorzugt der Spruchkörper, das bereits in der Praxis der Lokalkammer München eingeführte Verb 'abtragen' zu verwenden, um damit den unzutreffenden Eindruck zu vermeiden, dass die beklagte Partei kraft der 'Abweisung' obsiegt hätte (Anordnung Nr. ORD_577734/2023, erlassen am 19/12/2023, ACT_550921/2023, UPC_CFI_249/2023)

Vorliegend sind sich beide Parteien zu Recht darüber einig, dass die Voraussetzungen der Regel 360 VerfO vorliegen. Die Erledigung ist festzustellen, und das Verfahren betreffend die Nichtigkeitsklage ist abzutragen.

3. Rückerstattung der Gerichtsgebühren

Haben die Parteien ihr Verfahren durch Vergleich beendet, erhält die zur Zahlung der Gerichtsgebühren verpflichtete Partei gemäß Regel 370.9 (c) (i) VerfO eine Rückerstattung in der Höhe von 60 %, wenn das Verfahren vor Abschluss des schriftlichen Verfahrens erledigt wird. Eine Rückerstattung in derselben Höhe erhält diese Partei auch, wenn die Klage vor Abschluss des schriftlichen Verfahrens zurückgenommen wird (Regel 370.9 (b) (i) VerfO).

Für die Erledigung der Hauptsche durch Patentverzicht fehlen entsprechende Vorschriften. Der Verzicht auf das Patent und die Vereinbarung der Parteien, die Klage aus Gründen der Regel 360 abzutragen, ist im Wesentlichen einer vergleichsweisen Beendigung des Verfahrens oder einer Klagerücknahme vergleichbar. Die Aussicht auf eine teilweise Rückerstattung der Gerichtsgebühren ermuntert die Parteien, ihren Streit auf anderem Wege als durch eine Entscheidung des Spruchkörpers beizulegen. Die Rückerstattung trägt darüber hinaus der Arbeitsersparnis des Gerichts Rechnung. Diese Gründe treffen auf den Patentverzicht in ähnlicher Weise wie auf den Vergleich und die Klagerücknahme zu. Daher sind die Regel 370.9 (c) (i) VerfO und Regel 370.9 (b) (i) VerfO analog anwendbar. Da der Rechtsstreit vor dem Abschluss des schriftlichen Verfahrens erledigt wurde, erhält die Klägerin eine Rückerstattung der Gerichtsgebühren in Höhe von 60%.

4. Streitwert

Der Streitwert ist, wie von der Klägerin vorgeschlagen, auf € 500.000,00 festzusetzen, weil die Beklagten hiergegen der Kammer keine abweichenden oder besseren Erkenntnisse zum Streitwert vorgelegt haben.

5. Obergrenze für erstattungsfähige Kosten

  • Bei einem Streitwert in Höhe von € 500.000,00 beträgt die Obergrenze für die erstattungsfähigen Kosten (Vertretungskosten) € 56.000,00 (Anhang zum Art. 1 des Beschlusses des Verwaltungsausschusses vom 24. April 2023 zur Tabelle der Obergrenzen für erstattungsfähige Kosten).

6. Kostentragung

  • 6.1. Nach Art. 69 (1) EPGÜ werden die Kosten des Rechtsstreits und sonstige Kosten der obsiegenden Partei, soweit sie zumutbar und angemessen sind, bis zu einer gemäß der Verfahrensordnung festgelegten Obergrenze von der unterlegenen Partei getragen, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen.

Obsiegt eine Partei nur teilweise oder liegen außergewöhnliche Umstände vor, so kann das Gericht nach Art. 69 Absatz 2 EPGÜ anordnen, dass die Kosten nach Billigkeit verteilt werden oder die Parteien ihre Kosten selbst tragen. Eine Partei, die dem Gericht oder einer anderen Partei unnötige Kosten verursacht hat, soll diese nach Absatz 3 tragen.

  • 6.2. Die Pflicht, über die Kosten dem Grunde nach zu entscheiden, ist für das Hauptsacheverfahren in Regel 118.5 VerfO geregelt. Für die Erledigung der Hauptsache im Sinne der Regel 360 VerfO fehlt eine entsprechende Vorschrift. Daher ist insoweit Regel 118.5 VerfO entsprechend anzuwenden.
  • 6.3. Die Abtragung der Klage beruht vorliegend auf außergewöhnlichen Umständen, nämlich der Erledigung des Rechtsstreits aufgrund des sofortigen Patentverzichts durch die Beklagten und deren Anerkennung der Nichtigkeitsklage.
  • 6.4. Durch ihren umfassenden Verzicht auf das Patent haben sich die Beklagten in die Rolle der Unterliegenden begeben, und sie müssten demnach grundsätzlich die Verfahrenskosten tragen. Allerdings ist nach Art. 69 Absatz 2 und 3 EPGÜ zu prüfen, ob die Billigkeit eine abweichende Zuordnung der Kosten erfordert. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, ob die Beklagten durch ihr Verhalten Veranlassung zur Erhebung der Nichtigkeitsklage gegeben haben.
  • 6.5. Aus dem Vortrag der Parteien und der vorgelegten vorprozessualen Korrespondenz gemäß den Anlagen A2 bis A6 ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Beklagten ultimativ zum Verzicht auf das Patent aufgefordert hätte. Die VerfO verlangt eine solche Verzichtsaufforderung vor der Erhebung einer Klage auf Nichtigerklärung auch nicht. Darin, dass sich die Verfahrensordnung zum möglichen Erfordernis einer Verzichtsaufforderung nicht verhält, ist keine ungewollte Lücke in der VerfO zu erblicken. Der Verzicht auf das Erfordernis einer entsprechenden Aufforderung kann sinnvoll und interessengerecht sein. Die Verzichtsaufforderung kann den Entzug des Patents aus der Zuständigkeit des EPG durch das Opt-out-Verfahren provozieren und auf diese Weise den Zugang zur zentralisierten Gerichtsbarkeit in allen Ländern, für die das Patent gilt, verhindern. Gestützt werden kann dieses Ergebnis auch auf Artikel 83(3) EPGÜ, der das Vorliegen einer bereits bei Gericht eingereichten Klage als das einzige Hindernis für den Entzug des Patents (Opt-

out) vorsieht.

  • 6.6. Eine analoge Anwendung von Regel 61.1 VerfO, die als Voraussetzung für negative Feststellungsklagen grundsätzlich eine Abmahnung fordert, kommt nicht in Betracht. Regel 61.1 VerfO bezieht sich auf eine Klage auf Feststellung der Nichtverletzung und legt materielle Zulässigkeitsvoraussetzungen fest.

Die Feststellung, dass eine Handlung keine Patentverletzung darstellt, kann unter zwei alternativen Umständen getroffen werden: 1) Wenn der Patentinhaber oder Lizenznehmer geltend gemacht hat, dass die Handlung eine Patentverletzung darstellt , oder 2) wenn der Kläger den Patentinhaber oder den Lizenznehmer schriftlich um eine schriftliche Bestätigung im Sinne der beanspruchten Feststellung gebeten hat und der Patentinhaber oder Lizenznehmer diese Bestätigung innerhalb eines Monats nicht erteilt, bzw. verweigert hat. Nach Regel 63 (a) muss eine Klage auf Feststellung der Nichtverletzung Angaben enthalten, die bestätigen, dass die Voraussetzungen der Regel 61 erfüllt sind. Diese ausdrücklich genannten Umstände dienen zum Nachweis eines rechtlichen Interesses und ergeben sich auch aus dem Grundprinzip, dass jede Zivilklage einen zivilrechtlichen Anspruch oder zumindest ein schutzwürdiges rechtliches Interesse benötigt.

Für die Klage auf Nichtigerklärung enthält weder das EPGÜ noch die VerfO derartige Vorschriften, die anordnen, dass ein konkretes rechtliches Interesse nachzuweisen sei.

Da in der Regelung über die Klage auf Nichtigerklärung keine planwidrige Lücke besteht, kommt eine analoge Anwendung von Regel 61.1 VerfO nicht in Betracht.

  • 6.7. Andererseits lässt sich aus dem Fehlen einer der Regel 61.1 VerfO entsprechenden Regelung nicht schließen, dass ein Verzicht auf eine vorherige Abmahnung keinerlei Konsequenzen für die Kostenverteilung zwischen den Parteien hat, wenn der Patentinhaber in Reaktion auf die Nichtigkeitsklage sofort anerkennt bzw. auf das Patent verzichtet. Denn die Regel 61.1 VerfO betrifft nur die materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen, nicht die Kostenverteilung.
  • 6.8. Wie aus dem Vorbringen der Parteien und den vorgelegten Unterlagen hervorgeht, sind die Parteien Wettbewerber auf demselben Markt und stehen seit 2022 bezüglich der Nutzung und der Gültigkeit des Patents in schriftlichem Kontakt. Folglich ist die Klägerin von dem Patent betroffen, und es kommt darauf an, ob die Beklagten der Klägerin Anlass zur Erhebung der Klage gegeben haben.

Die Beklagten sind den von der Klägerin in der vorprozessualen Korrespondenz genannten Argumenten gegen den Rechtsbestand des Patents entgegengetreten. Sie haben den fehlenden Rechtsbestand des Patents dann allerdings erst auf Basis des erstmals in der Klageschrift genannten Stands der Technik anerkannt und unmittelbar auf das Patent verzichtet.

Die von der Klägerin in der vorprozessualen Korrespondenz (Anlagen A3 und A5) genannten Argumente gegen die Rechtsbeständigkeit beruhen wesentlich auf der behaupteten Unwirksamkeit der Priorität des Patents, wodurch das Prioritätsgebrauchsmuster A8 vorveröffentlicht sei und es dem Patent an Erfindungshöhe gegenüber dem Priorltätsgebrauchsmuster fehle. Eine behauptete offenkundige Vorbenutzung eines Werkzeugwechseltisches der Stäubli GmbH hing wiederum an der Wirksamkeit der Priorität. Die Klägerin verwies zudem auf angeblich mangelnde Erfindungshöhe gegenüber einem Produktkatalog der EAS Change Systems, dessen Datierung die Beklagten jedoch anzweifelten. Zudem verwies die Klägerin auf aus dem europäischen Erteilungsverfahren

bekannte Dokumente D1 und D2 und machte mangelnde erfinderische Tätigkeit in Zusammenschau mit einem weiteren Dokument EP 2 306 428 B1 geltend.

Demgegenüber wurde erstmals in der Nichtigkeitsklage das Dokument A13 zitiert, das als druckschriftlicher Stand der Technik zuverlässig datierbar ist, dessen Relevanz als Stand der Technik nicht von der Wirksamkeit der Priorität des Patents abhängt und das in der Nichtigkeitsklage als neuheitsschädlich behauptet wurde. Daher wurde jedenfalls offensichtlich sehr wesentlicher Stand der Technik erstmals mit der Nichtigkeitsklage vorgelegt.

Die Beklagten können vor diesem Hintergrund plausibel argumentieren, dass sie den Verzicht schon vor Klageerhebung erklärt hätten, wenn ihnen bereits im vorprozessualen Schriftverkehr der in der Klageschrift neu genannte Stand der Technik genannt worden wäre. Der Hinweis im Schreiben vom 15.02.2023 (Anlage A6), dass das Patent so lange respektiert werden müsse, bis seine Nichtpatentierbarkeit bewiesen sei, kann in diesem Sinne interpretiert werden, da die Beklagten zuvor erklärt haben, dass sie eine außergerichtliche Einigung anstreben würden. Demgegenüber lässt sich aus dem Hinweis entgegen der Argumentation der Klägerinnen nicht schließen, dass eine vorherige Verzichtsaufforderung, insbesondere unter Verweis auf weiteren relevanten Stand der Technik, ohnehin nichts gefruchtet hätte und daher von vorneherein aussichtslos gewesen wäre.

  • 6.9. Im vorliegenden Fall hätte die Klägerin ihren aufgrund neuer Recherchen zusätzlich aufgefundenen Stand der Technik den Beklagten ohne weiteres noch vor Klageerhebung zur Kenntnis bringen und die Reaktion darauf abwarten können. Ein nennenswerter Zeitverlust wäre damit nicht verbunden gewesen, insbesondere nicht im Verhältnis zur bereits verstrichenen Dauer der zwischen den Parteien geführten Verhandlungen. Eine Nichtigkeitsklage wäre damit erst dann veranlasst gewesen, wenn die Beklagten auch in dieser neuen Situation uneinsichtig geblieben wären.
  • 6.10. Eine vorherige Verzichtsaufforderung erscheint auch nicht im Hinblick auf einen möglicherweise dadurch veranlassten Opt-Out unzumutbar.

Während des Übergangszeitraums können die Patentinhaber unter den zusätzlichen Voraussetzungen des Art. 83 (3) EPGÜ jederzeit einen Opt-Out erklären. Die zugrundeliegende Abwägung, ob ein solcher Opt-Out sinnvoll ist, obliegt den Patentinhabern. Umgekehrt obliegt der Nichtigkeitsklägerin die Risikoabwägung, welche Maßnahmen der Patentinhaber sie mit einer Verzichtsaufforderung möglicherweise auslöst und ob eine vorherige Verzichtsaufforderung vor diesem Hintergrund taktisch sinnvoll erscheint.

Grundsätzlich erscheint ein Opt-Out jedenfalls aus Sicht der Patentinhaber nicht nur vorteilhaft. Denn zwar hätten sie damit einen zentralen Rechtsbestandsangriff vermieden, möglicherweise aber auch eine Mehrzahl nationaler Rechtsbestandsangriffe provoziert und sich zudem der Möglichkeit beraubt, ihr Patent in einem zentralen Verletzungsverfahren durchzusetzen.

  • 6.11. Zwar ist der Klägerin grundsätzlich darin zuzustimmen, dass sie nicht verpflichtet ist, alle Beweise, auf die sie ihre Klage stützen möchte, im Voraus anzugeben. Allerdings müssen dabei die Grundsätze des fairen und gerechten Verfahrens beachtet werden. Insbesondere kann aus dem Fehlen einer Verpflichtung zur vorprozessualen Offenlegung des Stands der Technik nicht geschlossen werden, dass es sich nicht auf die Kostenverteilung auswirkt, wenn die Klägerin sich Stand der Technik für die Nichtigkeitsklage aufspart und die Patentinhaber in Anbetracht dieses neuen Stands der Technik die

Nichtigkeitsklage sofort anerkennen bzw. auf das Patent verzichten.

  • 6.12. Jedenfalls erscheint es in dieser Konstellation unbillig, den Patentinhabern, die in Reaktion und unter Verweis auf erstmals mit der Nichtigkeitsklage vorgelegten relevanten Stand der Technik sofort auf das Patent verzichtet haben, die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
  • Ob es auf Seiten der Klägerin darüber hinaus einer vorherigen ultimativen Verzichtsaufforderung bedurft hätte, um auch im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses der Patentinhaber eine Pflicht zur Kostentragung auszuschließen, kann daher dahingestellt bleiben.
  • 6.13. Billigerweise sind die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen.
  • 6.14. Das Gericht geht nicht auf den Einwand der Beklagten gegen die Doppelvertretung der Klägerin ein, da er sich auf die Beurteilung der Angemessenheit der Kosten bezieht und für diesen Punkt des Rechtsstreits irrelevant ist.

ANORDNUNG

    1. Es wird festgestellt, dass die Klage auf Nichtigerklärung des Patents EP 3 170 639 B1 durch den Verzicht auf das Patent gegenstandslos geworden ist und sich die Hauptsache damit erledigt hat.
    1. Das Verfahren betreffend die Klage auf Nichtigerklärung wird abgetragen.
    1. Die Klägerin erhält eine Rückerstattung der Gerichtsgebühren in Höhe von 60%.
    1. Der Streitwert wird auf € 500.000,00 festgesetzt. Die Obergrenze für die erstattungsfähigen Kosten (Vertretungskosten) beträgt € 56.000,00.
    1. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Vorsitzender Richter Berichterstatterin Technisch qualifizierter Richter Maximilian Haedicke Tatyana Zhilova Dennis Kretschmann

INFORMATIONEN ÜBER DIE BERUFUNG

Beide Parteien können gegen diese Anordnung innerhalb von 2 Monaten nach ihrer Zustellung Berufung einlegen ( R. 363.2, 220.1(a), 224.1(a) VerfO ).

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