16 May, 2024
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Order
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ORD_6152/2024
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Mannheim (DE) Local…
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EP3096315
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Regel 190 VerfO
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Lokalkammer Mannheim UPC_CFI_ 216/2023
Anordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts Lokalkammer Mannheim erlassen am 16. Mai 2024 betreffend EP 3096315 betreffend App_4931/2024
Klägerin:
Panasonic Holdings Corporation - 1006, Oaza Kadoma, Kadoma-shi - 571-8501 - Osaka - JP vertreten durch Christopher Weber
Beklagte:
OROPE Germany GmbH -
Graf-Adolf-Platz 15 - 40213 - Düsseldorf - DE
vertreten durch Andreas Kramer
Guangdong OPPO Mobile Telecommunications Corp. Ltd. -Chang'an Town, Guangdong Province - 523860 - Dongguan - CN vertreten durch Andreas Kramer
STREITPATENT:
EUROPÄISCHES PATENT NR. EP 3096315
SPRUCHKÖRPER/KAMMER:
Lokalkammer Mannheim
MITWIRKENDE RICHTER:
Diese Anordnung wurde durch den Vorsitzenden und Berichterstatter Dr. Tochtermann erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch
GEGENSTAND: Antrag OPPO nach Regel 190 VerfO
SACHVERHALT:
- I. Die Anträge der Beklagten auf Vorlage von Dokumenten sind nunmehr nach Eingang der ungeschwärzten Stellungnahmen der Klägerin zum FRAND-Aspekt in der Replik im gegenwärtigen Verfahrensstadium zur Entscheidung reif. Es bleibt vorbehalten, etwaige Anordnungen im Verlauf des weiteren Verfahrens nach dem dann erreichten Sach- und Streitstand zu treffen.
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- Die Beklagten haben parallel zur Einreichung der Klageerwiderung sowie ihrer Widerklage auf Nichtigerklärung einen Antrag auf den Erlass von Vorlageanordnungen nach Regel 190 VerfO gestellt.
Zusammengefasst haben die Beklagten beantragt:
- Die Vorlage der in den Verhandlungen von der Klägerseite als Bezugsgröße in Anspruch genommenen Lizenzverträgen 'X' und 'Y'. Weder die Identität der Vertragspartner, noch die Verträge an sich waren den Beklagten im Zeitpunkt der Antragstellung zugänglich gemacht.
- Die Vorlage aller sonst von der Klägerseite abgeschlossenen Lizenzvereinbarungen betreffend 3G- und/oder 4G-SEP, die sich auf Mobilgeräte erstrecken.
- Die Vorlage aller durch Dritte abgeschlossenen Lizenzvereinbarungen betreffend 3G- und 4G-SEP, die sich auf Mobilgeräte erstrecken, soweit die Klägerseite deren Inhaber war oder derzeit ist und die sich in der Verfügungsgewalt der Klägerseite befinden.
- Die Vorlage von Lizenzvereinbarungen der Klägerseite mit Lieferanten der Beklagten, die 3G- und/oder 4G-SEP zum Gegenstand haben.
- Die Vorlage einer Übersicht über Veräußerungsgeschäfte betreffend 3Gund/oder 4G-SEPs der Klägerseite einschließlich der zugrundeliegenden Vereinbarungen, soweit sie der Klägerseite einen geldwerten Vorteil verschaffen oder verschafft haben
- Die Vorlage künftiger Lizenzvereinbarungen betreffend 3G- und/oder 4G-SEP
- Zudem beantragen die Beklagten, es ihrer Seite zu gestatten, eigene Lizenzverträge, die Oppo mit Dritten abgeschlossen hat und die sich auf 3G- und /oder 4G-SEPs erstrecken vorzulegen.
- Schließlich begehren die Beklagten hinsichtlich der vorstehenden Umstände die Anordnung eines näher umschriebenen Geheimnisschutzregimes.
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- Der Berichterstatter hat durch Anordnung vom 24. Januar 2024 der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Anträgen gegeben und hierzu Hinweise zu den Vorlageanträgen der Beklagten erteilt.
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- Die Parteien haben hierzu - nach Fristverlängerung bis zu diesem Tag durch Anordnung vom 24. Januar 2024 - mit Schriftsätzen vom 13. Februar 2024 Stellung genommen. Die Beklagten haben insbesondere beantragt, eine verfahrensleitende
Anhörung anzuberaumen, um die Vorlageanträge und das Geheimnisschutzregime zu diskutieren.
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- Der Berichterstatter ist diesem Antrag bereits im Vorfeld nachgekommen und hat durch Anordnung vom 7. Februar 2024 (ORD 6894/2023) in Absprache mit den Parteien eine Videokonferenz für den 8. Februar 2024 anberaumt. In der Videokonferenz wurden insbesondere die Fragen des Geheimnisschutzes und der technischen Umsetzung desselben im CMS sowie der wirtschaftlichen und prozessualen Hintergründe der Vorlageanträge besprochen.
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- Um den in der Videokonferenz artikulierten Geheimnisschutzbelangen beider Seiten Rechnung zu tragen, hat der Berichterstatter durch Verfügung vom 14. Februar 2024 ein Geheimnisschutzregime erlassen, um den Parteien die eigeninitiative Vorlage von Dokumenten zu ermöglichen, nachdem als Rechtfertigung für die Vorlageanträge insbesondere die betroffenen Geheimnisschutzinteressen der Parteien aber auch diejenigen der jeweiligen Lizenzvertragspartner herausgestellt worden waren.
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- In der Stellungnahme vom 13. Februar 2024 haben die Beklagten ein Geheimnisschutzregime wie in einem parallelen UK-Verfahren angeregt, wobei die Offenlegung der dort eingeführten Dokumente in anderen Verfahren untersagt sei. Ausweislich des Vortrags der Beklagten und der vorgelegten Dokumente sind in diesem Verfahren von beiden Seiten getragene Verfahrensabsprachen getroffen worden (Anlage VB12), die sodann in eine Anordnung des Gerichts überführt wurden. Eine solche Absprache liegt im vorliegend vor dem EPG geführten Verfahren nicht vor. Die Klägerin hat sich mit Schriftsatz vom 8. März 2024 ausdrücklich gegen eine solche, zu den UK-Verfahren parallele Abrede verwehrt.
Eine Vorlageanordnung - wie in der Anordnung des Berichterstatters vom 14. Februar 2024 zum Ausdruck gebracht - erst nach Eingang der Replik zu treffen wurde als zu spät bemängelt, weil Ausführungen zur Erfüllung der FRANDVerpflichtungen durch die Klägerin in der Replik 'zweifellos zu erwarten' seien (SS v. 13. Februar 2024 Rn. 24). Auf Antrag der Beklagten gem. R. 333 VerfO, unmittelbar über die Vorlage zu entscheiden, hat der Spruchkörper den Berichterstatter bestätigt und im ablehnenden Sinn entschieden (Anordnung vom 12. März 2024).
Soweit die Vorlageanordnung 'gegen sich selbst' betroffen sei, sei eine geeignete Vertraulichkeitsregelung erforderlich und es brauche einen Gerichtsbeschluss für die Vorlage. Insoweit haben sich die Anträge der Beklagten zwischenzeitlich prozessual überholt, nachdem sie zwischenzeitlich die eigenen Lizenzverträge auch ohne gerichtliche Anordnung auf der Grundlage des durch Anordnung vom 14. Februar 2024 etablierten Geheimnisschutzregimes im Verfahren vorgelegt haben.
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- Zwischenzeitlich hat die Klägerin nach dem Erlass von Vorlageanordnungen, die der Klägerin die Vorlage von eigenen Vergleichslizenzverträgen auf ihren Antrag hin aufgegeben hat, zwei Vergleichslizenzverträge vorgelegt, die mit den bisher unbenannten Unternehmen 'X' und 'Y' geschlossen worden waren und ihren schriftsätzlichen Vortrag in der Replik, der zunächst in den betreffenden Passagen vollgeschwärzt - mithin selbst für das Gericht nicht sichtbar - eingereicht worden
war in einer ungeschwärzten Fassung vorgelegt und hierzu wiederum begleitende Geheimnisschutzanträge gestellt.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
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- Soweit die Beklagten die Benennung und Vorlage der Lizenzverträge mit den zuvor durch die Klägerin unbenannten Unternehmen 'X' und 'Y' beantragt haben, ist eine Anordnung nicht mehr erforderlich, nachdem die Klägerin diese Verträge unter Benennung der Vertragsparteien zwischenzeitlich in das Verfahren eingeführt hat.
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- Soweit die Beklagten die Vorlage aller sonst von der Klägerseite geschlossenen und künftig zu schließenden Vereinbarungen betreffend 3G- und/oder 4G-SEPs, die sich auf Mobilstation erstrecken, begehren sowie die durch Dritte geschlossenen Vereinbarungen in deren Besitz, ist der Antrag zu unkonkret und als bloßer Ausforschungsantrag zu weitgehend (vgl. hierzu auch Schallmoser/Grabinski Mitt. 2017, 245, 246 und Böttcher in Bopp/Kircher 2.Aufl. § 23 Rn. 42).
Vor dem Hintergrund der aus dem EU-Kartellrecht fließenden Pflichten des Inhabers eines standard-essentiellen Patentes ist jener nach der Rechtsprechung des EuGH gehalten, ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu FRANDBedingungen zu unterbreiten und insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung anzugeben (EuGH Huawei v. ZTE, ECLI:EU:C:2015:817 Rn. 63). Diese Pflicht besteht, wenn der Verletzer zuvor seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen (EuGH aaO).
Hieraus folgt für den Umfang einer möglichen Vorlageanordnung zweierlei:
Zum einen könnte die Anordnung dann unangebracht sein, wenn der angebliche Verletzer als von vornherein lizenzunwillig zu beurteilen wäre. Ist dies der Fall, wäre nicht nachvollziehbar, warum ihm auf einen Vorlageantrag hin Einblick in die Lizenzierungspraxis des SEP-Inhabers zu gewähren sein sollte. Der Antrag würde sich bei einem unterstellt klar lizenzunwilligen Verletzer darin erschöpfen, die Lizenzierungspraxis des Inhabers auszuforschen. Umgekehrt sind regelmäßig - wie das vorliegende Verfahren intensiv verdeutlicht -bei der Vorlage von Lizenzverträgen geheimhaltungsbedürftige Informationen des Prozessgegners und seiner Vertragspartner betroffen, die dem Gegner - und sei es unter einem Geheimnisschutzregime - zur Kenntnis gelangen.
Zum anderen ist über den Umfang einer Vorlageanordnung vor dem Hintergrund der durch den EuGH etablierten Pflicht des SEP-Inhabers zur Transparenz bei den Verhandlungen zu entscheiden. Denn für die vom EuGH geforderte Darlegung der Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühr genügt nicht die bloße Angabe der zugrundgelegten mathematischen Faktoren der Berechnung aus. Vielmehr ist die ratio, auf die der EuGH abhebt, transparent zu machen, warum der SEP-Inhaber meint, der Auffassung sein zu dürfen, dass das Angebot, welches er dem angeblichen Verletzer unterbreitet, FRAND-Bedingungen entspricht. Die entsprechend erforderliche Begründung kann etwa durch Verweis auf eine bereits im Markt etablierte Lizenzierungspraxis in Form eines gelebten Standardlizenzprogramms geschehen. Wenn kein solches Programm besteht, können konkrete einzelne Lizenzverträge als Vergleichsmaßstab herangezogen werden, wenn dazu ausgeführt wird, warum der SEP-Inhaber der Ansicht ist, diese als geeigneten Referenzpunkt im Vergleich mit dem angeblichen Verletzer heranziehen zu können. So liegt der Fall vorliegend. In den vorgerichtlichen
Verhandlungen hat die Klägerin jeweils im Kern auf zwei Vergleichslizenzverträge abgehoben, die sie zwischenzeitlich im Verfahren vorgelegt hat. Ebenso haben die Beklagten zwei Verträge als ihren Referenzpunkt herangezogen, die sie gleichfalls zwischenzeitlich im Verfahren vorgelegt haben. Bislang ist im Verfahren indes von den Beklagten nicht mit hinreichender Substanz vorgetragen, dass zumindest hinreichend konkret zu vermuten stehe, dass die Klägerin in Wahrheit noch weitere, als Vergleichsbasis geeignete Verträge mit Dritten abgeschlossen hätte. Auch die Klägerin hat bislang nicht auf weitere aus ihrer Sicht geeignete Verträge verwiesen, die als Vergleichsgröße dienen könnten, sondern nur Aussagen genereller Art zu dem von ihr abgedeckten Marktanteil in den vorgerichtlichen Verhandlungen getätigt. Vor diesem Hintergrund erscheint es im gegenwärtig erreichten Verfahrensstadium, in dem über die Frage der grundsätzlichen Lizenzwilligkeit der Beklagten noch keine Entscheidung getroffen ist, nicht vor dem Hintergrund der aus dem EU-Kartellrecht abzuleitenden Transparenzpflicht geboten, die weitere Vorlage sämtlicher unbenannter Lizenzverträge anzuordnen, die das 3G- und/oder 4G- Portfolio der Klägerin betreffen und deren Patente sich auf Mobilfunkgeräte erstrecken. Hiergegen sprechen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die gebotene Berücksichtigung der jeweiligen Interessen der Dritten, die jeweils als Vertragspartner der Lizenzverträge gleichfalls bei der Entscheidung über die Vorlageanordnung einzustellenden Interessen an der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen haben können. Vielmehr erscheint es jedenfalls gegenwärtig als ausreichend, dass die Parteien sich wechselseitig mit den nunmehr im Verfahren vorgelegten Lizenzverträgen und den hierzu eingeholten und vorgelegten Parteigutachten sowie ihrem jeweiligen umfänglichen Vortrag hierzu beschäftigen. Dies erscheint auch insoweit in Deckung mit den vom EuGH gleichfalls in den Kern seines Verhandlungsprogramms gestellten 'anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten' in dem betreffenden Bereich. Denn in einer ergebnisorientiert geführten Verhandlung über eine FRAND-konforme Lizenz werden sich beidseits willige Verhandlungspartner im Gang der Verhandlungen gleichfalls auf eine überschaubare Anzahl von Vergleichslizenzverträgen beschränken und diese diskutieren. Andernfalls würden die Verhandlungen mit einem nicht mehr zu bewältigenden Tatsachenstoff überfrachtet, der keinen zeitnahen Fortgang der Geschäftsverhandlungen ermöglich würde. Da bisher keine zureichenden Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich sind, dass die Klägerin über weitere - etwa noch geeignetere - Vergleichslizenzverträge verfügt, die die Parteien auf ihrem Weg zum Abschluss einer FRAND-Lizenz sinnvoll nutzen könnten, konnte dem Antrag der Beklagten zumindest im bisher erreichten Verfahrensstadium nicht stattgegeben werden, zumal es vorrangig die eigene Entscheidung der Klägerin ist, ob und wenn ja welche und wie viele Vergleichslizenzverträge sie im Prozess vorlegt, um so einem möglichen FRANDEinwand der Beklagten zu begegnen und ihr Verhalten als EU-kartellrechtskonform zu kennzeichnen. Prozessuale Konsequenzen könnten erst dann gezogen werden, wenn sich in einem Verfahren etwa herausstellen sollte, dass ein SEP-Inhaber bewusst als Vergleichslizenzen geeignete Verträge nicht in die Verhandlungen und ins Verfahren eingebracht hat, um hierdurch unter Ausnutzung seiner Monopolstellung überhöhte Lizenzen durchzusetzen.
Soweit die Klägerin in ihrer Stellungnahme eine Vorlageanordnung mit Blick auf 'vergleichbare Lizenzverträge' für erwägungsfähig erachtet, versteht das Gericht diese Stellungnahme dahin, dass sie damit ihre Bereitschaft zum Ausdruck bringen wollte, die zwei Lizenzverträge, die sie ohnedies mittlerweile selbst auf von ihr beantragte Vorlageanordnung gegen sich selbst vorgelegt hat, auch auf eine vom Gegner beantragte Vorlageanordnung hin vorzulegen. Dieser Punkt ist indes mittlerweile durch die Vorlage überholt. Im Übrigen bestehen auch inhaltliche Bedenken gegen eine Anordnung, alle vergleichbaren Verträge vorzulegen. Welche Verträge als Vergleichsverträge in Betracht kommen, entzieht sich naturgemäß der
Kenntnis des Gerichts. Eine solche Anordnung erscheint daher auch nicht hinreichend durchsetzbar. Es muss daher dabei bleiben, dass es an der Klägerin liegt, eine sachgerechte Auswahl aus den ihr vorliegenden Verträgen zu treffen, um hierdurch in geeigneter Weise ihr Angebot als FRAND-konform zu rechtfertigen. Der abweichenden Entscheidung der Lokalkammer München in den Parallelverfahren kann aus den dargelegten Gründen nicht beigetreten werden.
TENOR DER ANORDNUNG:
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- Die Anträge der Beklagten vom 4. Februar 2024 werden zurückgewiesen.
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- Etwaige Vorlageanordnungen zu einem späteren Verfahrenszeitpunkt bleiben in Abhängigkeit vom weiteren wechselseitigen Vortrag der Parteien vorbehalten.
NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN
Erlassen in Mannheim am 16. Mai 2024
Dr. Tochtermann Vorsitzender und Berichterstatter
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