27 June, 2024
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Order
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ORD_36435/2024
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Düsseldorf (DE) Loca…
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EP3490258B1
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R. 262A VerfO
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Lokalkammer Düsseldorf UPC_CFI_457/2023
Verfahrensanordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts Lokalkammer Düsseldorf erlassen am 27. Juni 2024 betreffend EP 3 490 258 B1
LEITSÄTZE:
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- Befasst sich der Beklagte im Rahmen der Begründung des durch ihn erhobenen FRAND-Einwandes umfassend mit Lizenzverhandlungen zwischen ihm und einem Patentpool, kann der Kläger auf dieses Vorbringen nur dann umfassend erwidern, wenn er mit Mitarbeitern des Patentpools Rücksprache halten kann. Wird der Kläger an einer solchen Rücksprache zunächst durch einen auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen gerichteten Antrag (R. 262A VerfO) gehindert, kann seinem Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch Rechnung getragen werden, dass seine Frist zur Erwiderung auf dieses Vorbringen auf Antrag entsprechend verlängert wird.
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- Auch wenn sich ein Geheimnisschutzantrag nur auf einen abgrenzbaren Teil eines Schriftsatzes, wie etwa die Ausführungen zum FRAND-Einwand, bezieht, kann von einer lediglich teilweisen, auf den betroffenen Teil beschränkten Fristverlängerung im Interesse einer effektiven Verfahrensführung und zur Verhinderung eines dauerhaften Auseinanderlaufens der Fristen abgesehen werden, wenn die Durchführung der mündlichen Verhandlung durch eine sich auf den gesamten Schriftsatz beziehende Fristverlängerung nicht gefährdet wird.
SCHLAGWÖRTER:
Fristverlängerung; Schutz von Geschäftsgeheimnissen; R. 262A-Antrag; FRAND-Einwand; teilweise Fristverlängerung
Klägerin:
Dolby International AB, vertreten durch ihre EMEA Finance Director Susan Way, 77 Sir John Rogerson's Quay, Block C, Grand Canal Docklands, Dublin, D02 VK60, Ireland,
vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Volkmar Henke, Rechtsanwalt Dr. Tilman Müller, Bardehle Pagenberg Partnerschaft mbB, Bohnenstraße 4, 20457 Hamburg,
mitwirkend:
Patentanwalt Dr. Georg Anetsberger, Patentanwalt Dr. Johannes Möller, Bardehle Pagenberg Partnerschaft mbB, Prinzregenten- platz 7, 81675 München,
elektronische Zustelladresse:
henke@bardehle.de
Streithelferin:
Access Advance LLC, vertreten durch ihren CEO Peter Moller, 100 Cambridge Street Suite 21400, Boston, MA 02114,
vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Volkmar Henke, Rechtsanwalt Dr. Tilman Müller, Bardehle Pagenberg Partnerschaft mbB, Bohnenstraße 4, 20457 Hamburg,
mitwirkend:
Patentanwalt Dr. Georg Anetsberger, Patentanwalt Dr. Johannes Möller, Bardehle Pagenberg Partnerschaft mbB, Prinzregenten- platz 7, 81675 München,
elektronische Zustelladresse:
mueller@bardehle.de
Beklagte:
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- HP Deutschland GmbH, vertreten durch ihre Geschäftsführer, Herrn Adrian Müller und Herrn Peter Kleiner, Herrenberger Straße 140, 71034 Böblingen, Deutschland,
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- HP Inc., vertreten durch ihre Geschäftsführer, 1501 Page Mill Road, Palo Alto, California 94304, U.S.A.,
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- HP International SARL, vertreten durch ihre Geschäftsführer, Route du Nant-d'Avril 150, 1217 Meyrin, Schweiz,
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- HP Austria GmbH, vertreten durch ihre Geschäftsführer, Technologiestrasse 5, 1120 Wien, Österreich,
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- HP France SAS, vertreten durch ihre Geschäftsführer, Meudon Campus Bât. 1, 14 Rue de la Verrerie, 92190 Meudon, Frankreich,
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- HP Belgium SPRL, vertreten durch ihre Geschäftsführer, Hermeslaan 1a, B-1831 Diegem (H.P. Inc.), Belgien,
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- HP Inc Danmark ApS, vertreten durch ihre Geschäftsführer, Engholm Parkvej 8, 3433 Allerød, Dänemark,
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- HP Finland Oy, vertreten durch ihre Geschäftsführer, Piispankalliontie, 02200, Espoo, Finnland,
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- HP Italy S.r.l. , vertreten durch ihre Geschäftsführer, Via Carlo Donat Cattin, 5 - 20063 Cernusco sul Naviglio (MI),
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- Hewlett-Packard Nederland BV , vertreten durch ihre Geschäftsführer, Startbaan 16, 1187 XR Amstelveen, Niederlande,
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- HP PPS Sverige AB , vertreten durch ihre Geschäftsführer, Gustav III:s Boulevard 30, 169 73 Solna, Schweden,
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- HPCP - Computing and Printing Portugal, Unipessoal, Lda. , vertreten durch ihre Geschäftsführer, Building D. Sancho I, Quinta da Fonte, Porto Salvo, 2770-071 Paço de Arcos, Lissabon, Oeiras, Portugal,
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- Hewlett-Packard d.o.o., vertreten durch ihre Geschäftsführer, Tivolska cesta 48, 1000 Ljubljana, Slowenien,
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- Hewlett-Packard Luxembourg SCA , vertreten durch ihre Geschäftsführer, Vegacenter, 75 Parc d'Activités, Capellen, L-8308 Capellen, Luxemburg,
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- HP Inc Bulgaria EOOD , vertreten durch ihre Geschäftsführer, Mladost Region, Business Park Sofia , Building 10, Sofia 1766, Bulgarien,
Beklagte zu 1) bis 15) vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Frank-Erich Hufnagel, Rechtsanwältin Dr. Nina Bayerl, Rechtsanwalt Dr. Stephan Dorn, Rechtsanwältin Dr. Sabrina Biedermann, Rechtsanwältin Eva Acker, Rechtsanwältin Vanessa Werlin, Freshfields Bruckhaus Deringer Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB, Feldmühleplatz 1, 40545 Düsseldorf, elektronische Zustelladresse:
STREITPATENT:
Europäisches Patent Nr. EP 3 490 258 B1
SPRUCHKÖRPER/KAMMER:
Spruchkörper der Lokalkammer Düsseldorf
MITWIRKENDE RICHTER:
Diese Anordnung wurde durch den Vorsitzenden Richter Thomas als Berichterstatter erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch eva.acker@freshfields.com
GEGENSTAND: R. 9.3 (a) VerfO - Verlängerung der Replikfrist zur Verletzungsklage sowie der Erwiderungsfrist auf die Nichtigkeitswiderklage
KURZE DARSTELLUNG DES SACHVERHALTS:
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen einer Verletzung des europäischen Bündelpatents EP 3 490 258 in Anspruch. Sie hat ihr HEVC-essentielles Patentportfolio einschließlich des Streitpatents in einen von der Access Advance LLC (nachfolgend: Access Advance) verwalteten Patentpool eingebracht.
Mit Schriftsatz vom 3. Mai 2024 haben die Beklagten beantragt, den Zugang zu den in der Klageerwiderung Teil II (nicht-technischer Teil) vom gleichen Tag grau hinterlegten und als 'zugangsbeschränkt' gekennzeichneten Passagen sowie zu einem Teil der diesem Schriftsatz beigefügten Anlagen auf bestimmte Personen zu beschränken, da es sich bei den entsprechenden Informationen um Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse handele. Vom Geheimnisschutzantrag erfasst sind insbesondere Ausführungen zu den zwischen den Beklagten und Access Advance geführten Lizenzverhandlungen.
Mit einer Anordnung vom 6. Mai 2024 hat die Lokalkammer Düsseldorf den bisher im Verfahren benannten rechtsanwaltlichen Vertretern der Klägerin Zugang zur ungeschwärzten Fassung des durch die Beklagten als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Schriftsatzes nebst Anlagen gewährt, diese zur Geheimhaltung verpflichtet und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zum Geheimnisschutzantrag gegeben.
In einer auf den 17. Mai 2024 datierten Stellungnahme hat die Klägerin um die Aufnahme von Access Advance in den Kreis der Empfangsberechtigten und -verpflichteten gebeten und zur Begründung ausgeführt, für eine umfassende Erwiderung auf das die Verhandlungen zwischen Access Advance und der Beklagten betreffende Vorbringen müsse sie sich mit Mitarbeitern von Access Advance austauschen können.
Nachdem die Lokalkammer Düsseldorf den Verfahrensbeteiligten daraufhin mit einer Anordnung vom 21. Mai 2024 ihre Absicht mitgeteilt hatte, Access Advance in den Kreis der Zugangsberechtigten aufzunehmen, widersetzten sich die Beklagten mit Schriftsatz vom 3. Juni 2024 einer solchen Aufnahme. Zugleich brachten die Beklagten zum Ausdruck, eine Verfahrensanordnung, welche die Aufnahme von Access Advance in den Kreis der Zugangsberechtigten vorsieht, nicht akzeptieren zu wollen, soweit und solange Access Advance nicht als Streithelferin oder Partei am Verfahren beteiligt ist. Als Reaktion darauf hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 17. Juni 2024 einen Streithilfeantrag von Access Advance angekündigt. Zugleich hat sie darum gebeten, die Entscheidung über den R. 262A-Antrag, soweit Access Advance betroffen ist, zurückzustellen und zunächst den Kreis der Zugangsberechtigten auf die klägerseits benannten Mitarbeiter zu erweitern. Eine entsprechende Anordnung hat die Lokalkammer Düsseldorf noch am gleichen Tag erlassen.
Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2024 hat Access Advance einen Streithilfeantrag nach R. 313 VerfO gestellt, den die Lokalkammer Düsseldorf mit Anordnung vom 26. Juni 2024 für zulässig erklärt hat. Zugleich hat die Lokalkammer Düsseldorf den Verfahrensbevollmächtigten in einer Vorläufigen Verfahrensanordnung angekündigt, Access Advance in den Kreis der Zugangsbevollmächtigten aufzunehmen. Die Parteien haben Gelegenheit, bis zum 1. Juli 2024 mögliche Einwände gegen den Erlass der beabsichtigten Verfahrensanordnung zu erheben.
ANTRÄGE DER PARTEIEN:
Die Klägerin beantragt,
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- festzustellen, dass die Frist zur Einreichung der Replik auf die Klageerwiderung und die Frist zur Einreichung der Erwiderung auf die Nichtigkeitswiderklage mit dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, in dem die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigten Zugang zur Klageerwiderung haben und der dem Rechtsstreit beitretenden Access Advance LLC die Schriftsätze zugestellt wurden, bei welchen die Ausführungen zu den Verhandlungen mit dem Patentpool nicht geschwärzt sind;
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- hilfsweise: die Frist zur Einreichung der Replik auf die Klageerwiderung gemäß R. 29 (a) VerfO und die Erwiderungsfrist auf die Nichtigkeitswiderklage gemäß R. 29 (a) VerfO jeweils auf zwei Monate nach dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigten Zugang zur ungeschwärzten Klageerwiderung haben und der dem Rechtsstreit beitretenden Access Advance LLC die Schriftsätze zugestellt wurden, bei welchen die Ausführungen zu den Verhandlungen mit dem Patentpool nicht geschwärzt sind, zu verlängern.
Die Beklagten haben von der ihnen eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Anträgen der Klägerin keinen Gebrauch gemacht.
GRÜNDE DER ANORDNUNG:
R. 9.3 (a) VerfO ermächtigt das Gericht, Fristen zu verlängern. Von dieser Möglichkeit sollte jedoch nur mit Bedacht und nur in begründeten Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden (UPC_CFI_363/2023 (LK Düsseldorf), Anordnung vom 20. Januar 2024, GRUR-RS 2024, 5106).
Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend gegeben.
Gemäß R. 29 (a) VerfO hat der Kläger innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung einer Klageerwiderung, die eine Widerklage auf Nichtigerklärung enthält, eine Verteidigung gegen die Widerklage auf Nichtigerklärung zusammen mit einer etwaigen Erwiderung auf die Klageerwiderung und einem etwaigen Änderungsantrag nach R. 30 VerfO einzureichen. Daraus folgt, dass die Frist ab dem Datum der Zustellung läuft, auch wenn ein Antrag auf Schutz vertraulicher Informationen (R. 262A VerfO) in Bezug auf diese Klageerwiderung gestellt wurde, über den zu einem späteren Zeitpunkt eine Anordnung ergeht (UPC_CFI_456/2024 (LK Düsseldorf), Anordnung vom 24. Juni 2024, ORD_35903/2024 - Dolby vs. ASUS; andere Meinung: UPC_CFI_54/2023 (LK Hamburg), Anordnung vom 28. November 2023, ORD_589355/2023 - Avago vs. Tesla).
Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Partei, die von einem Ersuchen und/oder einer Anordnung zum Schutz vertraulicher Informationen betroffen ist, schutzlos gestellt wäre. Vielmehr kann ihren Interessen dadurch Rechnung getragen werden, dass die Frist zur Einreichung der Replik auf die Klageerwiderung sowie die Erwiderungsfrist auf die Nichtigkeitswiderklage - wie hier - auf Antrag verlängert werden (UPC_CFI_355/2023 (LK Düsseldorf), Anordnung v. 4. April 2024, ORD_18050/2024 - Fujifilm vs. Kodak; UPC_CFI_456/2024 (LK Düsseldorf), Anordnung vom 24. Juni 2024, ORD_35903/2024 - Dolby vs. ASUS).
In Bezug auf den vom Geheimnisschutzantrag der Beklagten betroffenen FRAND-Einwand ist eine Fristverlängerung im gewährten Umfang bereits deshalb geboten, weil die Klägerin bis zur Einbe-
ziehung von Mitarbeitern von Access Advance in den Kreis der Zugangsberechtigten keine Möglichkeit hatte, sich mit Access Advance über das Vorbringen der Beklagten in der Klageerwiderung austauschen zu können, obwohl die Beklagten in ihrer Klageerwiderung umfassend zu ihren Verhandlungen mit Access Advance vorgetragen haben. Hinzu kommt, dass die Klägervertreter aufgrund der vorläufigen Geheimnisschutzanordnung zunächst auch an einem Austausch mit Mitarbeitern der Klägerin selbst gehindert waren.
Obwohl sich der Geheimnisschutzantrag der Beklagten ausschließlich auf die Klageerwiderung Teil II nebst Anlagen und damit auf den nicht-technischen, sich im Wesentlichen mit dem FRAND-Einwand beschäftigenden Teil bezieht, hat die Lokalkammer von einer lediglich teilweisen Fristverlängerung im Interesse einer effektiven Verfahrensführung abgesehen und die Frist für die Replik auf die Klageerwiderung sowie die Erwiderungsfrist auf die Nichtigkeitswiderklage einheitlich verlängert. Auch wenn die Ausführungen zu den technischen Aspekten auf Verletzungs- und Rechtsbestandsseite keine Schwärzungen enthalten, unterscheidet sich der vorliegende Fall von der durch die Lokalkammer Mannheim (UPC_CFI_219/2023, Anordnung vom 13. Juni 2024, ORD_35648/2024) entschiedenen Sachverhaltskonstellation dadurch, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung vorliegend durch die Gewährung einer umfassenden Fristverlängerung nicht in Gefahr zu geraten droht. Die Frage der Fristverlängerung stellt sich hier in einem deutlich früheren Verfahrensstadium. Vor diesem Hintergrund würde eine auf den FRAND-Teil beschränkte Fristverlängerung zu einem dauerhaften Auseinanderlaufen der Fristen für den technischen und den nicht-technischen Teil führen. Ein solches Auseinandertriften beider Teile wird durch die einheitliche Verlängerung der Fristen vermieden, was im Interesse einer effektiven Verfahrensführung vorzugswürdig erscheint.
ANORDNUNG:
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- Die Frist zur Einreichung der Replik auf die Klageerwiderung gemäß R. 29 (a) VerfO sowie die Erwiderungsfrist auf die Nichtigkeitswiderklage gemäß R. 29 (a) VerfO werden jeweils bis zum 1. September 2024 verlängert.
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- Im Übrigen werden die Anträge der Klägerin zurückgewiesen.
DETAILS DER ANORDNUNG:
zu den Anträgen App_36218/2024 und App_36222/2024 betreffend die Hauptaktenzeichen ACT_590145/2023 und CC_21620/2024
UPC-Nummer: UPC_CFI_457/2023
Verfahrensart: Verletzungsklage und Nichtigkeitswiderklage
Erlassen in Düsseldorf am 27. Juni 2024
NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN
Vorsitzender Richter Thomas
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