
Lokalkammer Mannheim UPC_CFI_ 210/2023
Anordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts
Lokalkammer Mannheim erlassen am 27. Juni 2024 betreffend EP 2 568 724
Leitsätze:
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- Nach Regel 13(1)(n) VerfO sind bei technisch komplexen Verfahrensgegenständen bereits in der Klageschrift Ausführungen zu der Auslegung von nicht ohne Weiteres aus sich heraus verständlichen Merkmalen des geltend gemachten Patentanspruchs zu machen (hier: Verortung von Referenzsignalen zur Bestimmung der UplinkKanalqualität in einer zur Verfügung stehenden Übertragungsbandbreite zur Vermeidung von Interferenzen mit Steuerkanälen im Kontext der LTEStandardisierung).
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- In der Erwiderung auf eine Nichtigkeitswiderklage hat der Patentinhaber seine Argumentation an konkreten Merkmalen des Patentanspruchs festzumachen.
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- Regel 30.2. VerfO ist eine strenge Präklusionsregel, die spätere Anträge auf Änderung des Patents nur mit Erlaubnis des Gerichts zulässt. Entsprechende Anträge sind eingehend zu begründen. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine neue Änderung zugelassen wird, wird maßgeblich zu berücksichtigen sein, ob die neue Änderungsfassung bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Reaktion auf die Argumentation des Nichtigkeitsklägers geboten gewesen wäre und ob durch den späten Änderungsantrag Verzögerungen im Verfahren entstehen.
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- Zum Rechtsschutzbedürfnis einer auf FRAND-Lizenzratenbestimmung gerichteten und auf Feststellung antragenden Widerklage
Schlagworte:
Auslegung des Patentanspruchs, Inhalt der Klageschrift, Erwiderung auf die Nichtigkeitswiderklage, spätere Anträge auf Änderung des Patents
Klägerin:
Panasonic Holdings Corporation - 1006, Oaza Kadoma, Kadoma-shi - 571-8501 - Osaka - JP vertreten durch Christopher Weber
Beklagte:
OROPE Germany GmbH - Graf-Adolf-Platz 15 - 40213 - Düsseldorf - DE
vertreten durch Andreas Kramer
Guangdong OPPO Mobile Telecommunications Corp. Ltd. - NO.18 Haibin Road, Wusha, Chang'an Town, Guangdong Province - 523860 - Dongguan - CN
vertreten durch Andreas Kramer
STREITPATENT:
EUROPÄISCHES PATENT NR. EP 2 568 724
SPRUCHKÖRPER/KAMMER:
Lokalkammer Mannheim
MITWIRKENDE RICHTER:
Diese Anordnung wurde durch den Vorsitzenden und Berichterstatter Dr. Tochtermann erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch
GEGENSTAND: Hinweise zum Verfahren - Technik und FRAND-Widerklage
Im gegenwärtig erreichten Verfahrensstadium sind zur Strukturierung des weiteren Verfahrens folgende Hinweise und Fragen an die Parteien veranlasst:
I. Zur Auslegung des Klagepatents und zum Verletzungsvortrag
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- Auf Regel 13(1)(n) VerfO wird hingewiesen. Danach muss die Klage die Gründe angeben, warum die vorgebrachten Tatsachen eine Verletzung der Patentansprüche darstellen, einschließlich rechtlicher Ausführungen und gegebenenfalls Erläuterungen zur vorgeschlagenen Auslegung des Patentanspruchs enthalten [Hervorhebung durch das Gericht]. Die Verfahrensordnung des UPC intendiert eine frühzeitige Verfahrensleitung durch den Berichterstatter, weshalb der Sach- und Streitstoff bereits frühzeitig aufzubereiten ist, um eine sachgerechte proaktive Verfahrensleitung zu ermöglichen. Erläuterungen zur Auslegung des geltend gemachten Anspruchs sind vor allem bei Merkmalen geboten, deren Inhalt oder Reichweite sich nicht einfach erschließen lässt (so zutreffend Tilmann/Plassmann/Steininger Regel 13 VerfO Rn. 26). Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend, nachdem sich die geltend gemachten Patentansprüche nicht mit einfach gelagerter Technik befassen, sondern das Gebiet der Mobilfunktechnologie und dort die Lösung bestimmter Probleme im Konfliktfeld der Übertragung von Steuerungssignalen einerseits und Kanalqualitätsabschätzungsparametern andererseits im Umfeld des LTE-Standards betreffen. Hier erscheint eine Aufbereitung bereits in der Klageschrift wohl angezeigt. Die Klägerin beschränkt sich indes in der Klageschrift auf die Schilderung des technischen Umfelds, der technischen Problemstellung und zitiert danach allein den in Merkmale untergliederten Anspruch, ohne ihn auszulegen. Die Auslegung erfolgt vielmehr erst in der Replik, nachdem die Beklagten aufgrund des geltend gemachten Verletzungsvorwurfs den Versuch unternommen haben, die wohl zugrundeliegende Auslegung der Klägerin aus dem konkreten Verletzungsvortrag zu rekonstruieren.
Die sich hieraus ergebenden rechtlichen Fragestellungen (etwa Notwendigkeit weiterer Schriftsätze, die das Verfahren verzögern und/oder Hinweis nach Regel 9 VerfO mit anschließender Versäumnisentscheidung nach Regel 355 VerfO oder Sanktionslosigkeit, da bloße Soll-Vorschrift?) sind zu diskutieren.
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- Nach dem vorläufigen Verständnis des bisher gehaltenen Vortrags scheinen die Parteien den technischen Kontext des Klagepatents übereinstimmend zu verstehen. Im Kern will das Klagepatent nach dem Verständnis der Ausführungen der Parteien durch das Gericht eine Lösung zur Anwendung im LTE-Standard vorschlagen. Übereinstimmend schildern die Parteien die konkrete Problemstellung dahin, dass das Klagepatent sich mit dem Uplink-Signalverkehr von einer Funkkommunikationsvorrichtung zum Netzwerk in einer Funkzelle befasst, wobei im Besonderen der Anwendungsfall beleuchtet wird, dass sich eine solche Vorrichtung nicht im Kern der Funkzelle befindet, sondern in deren Randbereich. Zur Abschätzung der Kanalqualität im Uplink ist vorbekannt, bestimmte Referenzsignale zu senden, die
sodann netzwerkseitig diese Abschätzung ermöglichen. Zudem kann anhand dieser Referenzsignale der Zeitversatz zwischen Basisstation und Mobilstation abgeschätzt werden. Nach vorläufigem Verständnis des Gerichts könnte sich die klagepatentgemäße Lehre auf die Abschätzung der Kanalqualität fokussieren, möglicherweise hingegen sich nicht mit der Frage des Zeitversatzes beschäftigen. In der geschilderten Situation, in der sich eine Mobilstation am Zellrand befindet kann nach den im Stand der Technik gewonnen Erkenntnissen die Übersendung breitbandiger Referenzsignale erschwert sein. Aus diesem Grund schildert das Klagepatent die Übersendung schmalbandiger Referenzsignale in einer Mehrzahl von Zeitschlitzen unter Anwendung eines sog. frequency hoppings. Hierbei steht - dies wird einvernehmlich als vorbekannt geschildert - zur Übertragung von Signalen in LTE ein bestimmter Frequenzbereich zur Verfügung. Einerseits werden Steuersignale gesendet, andererseits werden die eigentlichen Nutzdaten übersendet. Um die Qualität der Nutzdatenübertragung abzuschätzen, war bereits im Stand der Technik bekannt, die Referenzsignale - sinnfälligerweise - im für die Nutzdaten vorgesehenen Spektrum zu übertragen. Zudem müssen die Steuersignale in dem zur Verfügung stehenden Frequenzbereich übertragen werden. Hierbei kann es folglich zu Konflikten zwischen Steuersignalen einerseits und Nutzdaten und den Referenzsignalen andererseits kommen. Zum einen können die Steuer- und Referenzsignale überlappen und sich daher unerwünschte Interferenzen ergeben, die sowohl die Übertragung der Steuersignale stören als auch die Übertragung der Referenzsignale. Zum anderen kann - wenn zur Vermeidung solcher Interferenzen bestimmte Frequenzbereiche nicht für die Sendung der Referenzsignale zugelassen würden - ein Frequenzbereich entstehen, dessen Qualität nicht mehr durch zureichende Referenzsignale abgedeckt wäre. Hierdurch verschlechterte sich die Abschätzung der Uplinkkanalqualität. Das Klagepatent erläutert diesen Konflikt anhand der Figuren 2-4. Danach war im Stand der Technik zur Vermeidung solcher Überlappungen bekannt, entweder den Frequenzbereich, in dem Referenzsignale gesendet werden können, gleichsam 'vorsichtshalber' auf eine Frequenzbereite zu beschränken, die so schmal ist, dass eine Überlappung mit den Steuerkanälen ausgeschlossen ist. Umgekehrt kann diese vorgegebene Limitierung ausgelassen werden und stattdessen im Fall einer drohenden Überlappung die Übertragung der die Überlappung verursachenden Referenzsignale verhindert werden -mit der Folge, dass sich hierdurch wieder breitere Frequenzbereiche ergeben, in denen keine der Qualitätsabschätzung dienenden Referenzsignale vorliegen. Mit der Lösung dieser Problematik befasst sich die Lehre des Klagepatents nach dem Verständnis des Gerichts.
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- Zwischen den Parteien scheint Streit darüber zu bestehen, wie der Frequenzbereich, in dem Referenzsignale übersendet werden, zu definieren ist. Nach der Auslegung der Beklagten soll sich dieser Bereich (ausschließlich) durch Subtraktion der PUCCHKanäle, die der Übertragung von Steuersignalen dienen, von der zur Verfügung stehenden Gesamtsignalbandbreite des betrachteten Systems ergeben. Dabei soll dem angesprochenen Fachmann klar sein, dass die für die PUCCHs zur Verfügung stehenden Bereiche an den beiden Enden der Systembandbreite angeordnet sind. Zu diskutieren wird sein, inwieweit dies für den LTE-Fachmann selbstverständliches
Fachwissen ist, das auch ggf. keiner ausdrücklichen Offenbarung bedarf, weil es gleichsam mitgelesen wird. Hierfür könnte sprechen, dass sämtliche Figuren des Klagepatents eine solche Verortung vornehmen und der Anspruch 1 davon spricht, dass beiden Enden der System-Bandbreite Steuerkanäle zugeordnet sind. Zudem wird auch in der D3a, dort Figur 1 gezeigt, dass die Steuerkanäle an den Enden der Systembandbreite liegen. Entsprechend könnte sich hierzu nah dem Vortrag der Beklagten die D1 in Kapitel 7 verhalten ( - it may be desirable to exclude the edge-RBs used for UL control signaling from the sounding blocks, thus resulting in FDMA between sounding signals and control data signals ) sowie D9 Kap. 6.4.3, S. 36. Dies könnte für den Fachmann auch deshalb technisch klar sein, weil so - gerade auf den für den reibungslosen Ablauf der Funkkommunikation essentiellen Steuerkanälen - der Interferenzkonflikt durch die Verortung 'an die Ränder' geringer gehalten werden kann als bei einer Anordnung inmitten der Systembandbreite. Denn während ein Verlust von Nutzdaten eher hinzunehmen sein könnte, könnte eine fehlerhafte Steuerung weitreichendere Konsequenzen haben.
Hierzu könnten Erläuterungen veranlasst sein.
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- Des Weiteren scheint im Streit zu stehen, ob sich der Frequenzbereich, über den die Referenzsignale zu verteilen sind, ausschließlich durch Subtraktion der Breite der PUCCHs ergibt oder ob auch weitere Frequenzbereiche ausgenommen sein können, die nicht von den PUCCHs benötigt werden. Jedenfalls im Klagepatent scheinen keine Szenarien angesprochen, in denen in der Systembandbreite neben den Steuerkanälen und der dazwischen liegenden Sendebandbreite noch weitere Signalisierungsressourcen allokiert sind, die weder Steuersignale sind noch den Nutzsignalen der SRS Bandwith (weinschließlich der SRS signals selbst ) zugeordnet werden können. Vielmehr liegt allen Ausführungsbeispielen wohl zugrunde, dass sich die SRS transmission bandwith durch Subtraktion der PUCCH transmission bandwith von der system bandwith ergibt (vgl. Abschnitte 0027 bzgl Ausführungsbeispiel 1 auf das alle weiteren Ausführungsbeispiele sich rückbeziehen, so etwa [0034: different from embodiment 1 only in SRS allocation determination section in the basis station; entsprechend [0045], [0054], [0061]). Ferner könnte in Abschnitt [0007] ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen der Sendebandbreite und der Breite der PUCCHs beschrieben sein. Ein solches Verständnis (unmittelbarer Einfluss der such verändernden Breite der PUCCHs auf die Sendebandbreite, die von den Referenzsignalen abzudecken ist) könnten auch die Beschreibungen sämtlicher Ausführungsbeispiele nahelegen (vgl. [0027], [0043], [0058], [0066].
Diesbezüglich kann zu diskutieren sein, ob es dennoch dem Fachmann (vor-)bekannte Szenarien geben kann. Unzureichend könnte hingegen sein, ohne nähere Konkretisierung und etwa einen konkreten Beispielsfall vorzutragen, Entsprechendes könne basisstations- bzw. netzwerkseitig konfiguriert werden oder ohne nähere Darlegung zu behaupten, dass gewisse Konfigurationen im LTE-Standard nur gewählt würden, wenn ein großer Übertragungsbereich für die PUCCHs benötigt würde (vgl. Replik Technik Rn. 75).
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- Ferner ist zwischen den Parteien kontrovers, was das Klagepatent unter einer gleichmäßigen Verteilung in einem Frequenzband der Sende-Bandbreite entsprechend der Änderung der Sende-Bandbreite versteht ('uniformly dispersed in a frequency band of the transmission bandwith in accordance with the variation of the transmission bandwith').
- a) Hierbei könnte es dem Klagepatent um die gleichmäßige Verteilung der Referenzsignale gehen, um eine bestmögliche Abschätzung über die gesamte Übertragungsbandbreite für die Nutzsignale gehen. In den Figuren, die den Stand der Technik veranschaulichen sollen, wird jeweils angesprochen, dass es zu unerwünschten breiten Bereichen fehlender Abdeckung mit Referenzsignalen kommt. Bei der Diskussion des Non-Patent Document 1 wird die SRS transmission bandwith unveränderlich durch die Maximalbreite der PUCCHs festgelegt - unabhängig davon ob diese Maximallast auf den PUCCHs konkret benötigt wird. Als Folge wird eine schlechtere Qualitätsabschätzung kritisiert. Anhand Figur 3A und B wird sodann die Lösung als nachteilhaft kritisiert, wenn die SRS transmission bandwith sich am Minimum der PUCCH-Last orientiert. Da es nun zu Interferenzen kommen könnte, werden in Reaktion zur Vermeidung dieses Konflikts SRS-Signale ausgelassen, woraus sich wiederum eine schlechte Kanalqualitätsabdeckung ergibt, da breitere Bereiche des Sendespektrums nicht abgedeckt sind. Anhand des ersten Ausführungsbeispiels wird sodann erläutert, dass dort die nicht von Referenzsignalen überdeckte Bandbreite in eine Anzahl schmalerer Bänder ohne Überdeckung gegliedert wird ([0032]). Hintergrund könnte sein, dass die Qualitätsabschätzung durch mehrere kleine Abdeckungslücken immer noch ausreichend ist, weil die Wahrscheinlichkeit einer relevanten Qualitätsänderung über viele kleine nicht abgedeckte Frequenzlücken geringer ist, als wenn weniger, aber dafür breitere Abdeckungslücken verbleiben. Dies könnte zu adressieren sein.
Die möglichst gleichmäßige Verteilung in Abhängigkeit der Änderung der SRS transmission bandwith - dieser verursacht durch die veränderte Breite der PUCCHs scheint dem Klagepatent in sämtlichen Ausführungsbeispielen als unauflösbarer Zusammenhang zugrunde zu liegen.
- b) Soweit die Änderung der Frequenzressourcen entsprechend der Änderung der Sendebandbreite (der Nutzdaten insgesamt und möglicherweise nicht allein des Referenzsignals an sich) angesprochen ist, ist derzeit wohl offen, was die Klägerin exakt behaupten will, wenn sie vorträgt, dass die Basisstation bestimmte Werte für CSRS 'auswählen würde' (Replik Rn. 75) bzw. eine Konfiguration 'auswählen könnte' (Replik Rn. 80 und analog Replik Rn. 83). Soweit ersichtlich, werden für eine tatsächliche entsprechende Auswahl keine Belege aus dem Standard angeführt. Eine Klarstellung erscheint angezeigt.
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- Die Überlegungen sub 4. könnten insgesamt zu der wohl relevanten Frage führen, was für einen Geltungsanspruch die Lehre des Klagepatents hat: Ist es erforderlich - und nur dann verletzend -wenn im LTE-Standard in sämtlichen möglichen und
praxisrelevanten Konfigurationen die klagepatentgemäße Lösung angewendet wird (im Sinne eines absoluten Geltungsanspruchs der Lehre) oder ist es ausreichend, wenn der vom Klagepatent angesprochene Konflikt jedenfalls in einer hinreichenden Anzahl von Konfigurationen greift, wohingegen es verbleibende Konfigurationen gibt, in denen es nach wie vor zu den aus dem Stand der Technik bekannten Konflikten kommen kann. Maßgeblich könnte hier bereits die Auslegung des Anspruchs sein, der den Sendebereich für die Referenzsignale ggf. zwingend zwischen den PUCCHs verorten könnte. Eine Vertiefung der Diskussion erscheint angezeigt.
II. Zu den Angriffen auf den Rechtsbestand:
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- Zur unzulässigen Erweiterung, derselben Argumentation hinsichtlich der Priorität und D4/4a vgl. oben die Hinweise bei I.3 und I.4.
2. Zur D1:
Hinsichtlich Merkmal 1.1 siehe die Hinweise oben bei I.3., zum Verständnis der SendeBandbreite siehe bei I.4. Wird der Fachmann durch die letzten beiden Absätze des Kap. 3 vom frequency hopping weggeleitet oder nicht?
Hinsichtlich der Merkmal 1.2 und 1.3 scheinen die Beklagten davon auszugehen, dass der Fachmann auf das Vorhandensein der Zuordnungseinheit und der Sendeeinheit aus dem Kontext schließe - sie gleichsam mitlese. Dies könnte zu diskutieren sein
Merkmal 1.3.1 könnte vertieft zu beleuchten sein.
Dies gilt auch für Merkmal 1.3.2, hier insbesondere für die Frage, ob das Merkmal (Unveränderlichkeit der Bandbreite) dem Fachmann hinreichend deutlich unmittelbar als zur Erfindung gehörig offenbart wird oder ob er durch Kapitel 5 ggf hiervon weg geleitet wird.
Bei Merkmal 1.3.3 ist der Verweis der D1 auf die D1a zu diskutieren (einheitlicher Offenbarungsgehalt?). Zudem soll diskutiert werden, ob sich aus dem Offenbarungsgehalt für den Fachmann tatsächlich die von den Beklagten eingeblendete eigene, nicht im Dokument vorhandene Illustration (KE Rn. 181 und 199) gedanklich ergibt.
Die Ausführungen der Klägerin in der Erwiderung auf die Widerklage sind nicht klar erkennbar auf die einzelnen Merkmale bezogen - dies ist nachzuholen. Es ist unzureichend die Argumente der Beklagten ohne dezidierten Bezug zu den Merkmalen des geltend gemachten Anspruchs abzuhandeln, ohne dass klar erkennbar wird, weshalb ein konkretes Merkmal des Anspruchs von der Stand der Technik bildenden Offenbarung nicht getroffen wird.
Soweit die Klägerin auf den Kanal mit der Bezeichnung BPICH der D1a abhebt, bleibt dessen Funktion am zeitlichen Anfang der in den Figuren dargestellten Übertragungsvorgänge über die Zeit unklar, da keine technisch-funktionalen Erläuterungen erfolgen. Handelt es sich um einen nur bei der Etablierung des Kanals zum Einsatz kommenden Kanal, in dem ohnedies keine echten Nutzdaten gesendet werden, sondern bloße Pilotsignale, sodass der vom Klagepatent in den Fokus genommene Konflikt dort nicht entstehen kann?
3. Zur D2
Das Dokument könnte sich vorrangig mit dem Zeitversatz beschäftigen. Der Zeitversatz und dessen Abschätzung könnte in Abschnitten [0001 und 0005] des Klagepatents als diskrete technische Fragen angesprochen sein. Dies ist zu diskutieren.
Zu Merkmal 1.3.1 ist auf die Anmerkungen zur Auslegung der Sendebandbreite zu verweisen. Diskussionswürdig erscheint auch, inwieweit die Beschränkung der Referenzsignale auf Sub-Bänder in D2 Kap. 3.1 mit Blick auf eine zuvor der Schrift angesprochene Doppler-Problematik die Lehre des Klagepatents neuheitsschädlich vorwegnimmt. Fraglich könnte auch sein, inwieweit bei der Aufteilung der Bandbreite das von Klagepatent angesprochene Szenario (Verortung von Sendesignalen und Referenzsignalen zwischen den Steuerkanälen) ersichtlich wird.
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- Zur D3 erscheinen derzeit keine Hinweise veranlasst - die Ausführungen in der Klageerwiderung zu Merkmal 1.3.3, die aus einem Umkehrschluss auf Neuheitsschädlichkeit abzielen, könnten zu diskutieren sein.
5. Zum Antrag auf Änderung des Patents
Auf Regel 30.2 VerfO wird hingewiesen. Die Regel ist mit Tilmann/Plassmann, EPGÜ, Regel 30 VerfO Rn. 47 als strenge Präklusionsregel zu bezeichnen. Es soll nach der Norm vermieden werden, dass der Patentinhaber durch sukzessive Stellung verschiedener Änderungsanträge dem Gegner die Möglichkeit einer frühzeitigen Reaktion nimmt und dem Gericht die Möglichkeit, sich sachgerecht mit den Anträgen zu befassen. Insoweit wird bei der Frage, ob eine neue Änderung zugelassen wird, maßgeblich zu berücksichtigen sein, ob die neue Änderungsfassung bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Reaktion auf die bereits vorgetragene Argumentation des Nichtigkeitsklägers geboten gewesen wäre und ob durch den späten Änderungsantrag
Verzögerungen im Verfahren entstehen. Insbesondere hat der Patentinhaber eingehend zu begründen, warum die spätere Änderungsfassung geboten ist (so auch Zentralkammer Paris, Anordnung vom 27.2.2024, UPC_CFI_255/2023, GRUR-RS 2024, 4923). Der uneingeschränkte Vorbehalt der Klägerin, zu gegebener Zeit mit weiteren Änderungsanträgen zu reagieren, begegnet daher Bedenken und etwaige neue Änderungsanträge werden sich an den vorstehenden Anforderungen messen lassen müssen.
III. Zur FRAND-Widerklage
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- Die Beklagten werden klarzustellen haben, worauf die gegenwärtige Antragsfassung abzielt:
Einerseits wird in Rn. 9 ausgeführt, dass die Beklagten mit der Widerklage versuchen würden, eine FRAND-Lizenz zu erreichen, weshalb beantragt werde, den FRAND-Lizenzsatz festzusetzen (Rn. 11). Zudem solle die Rate festgestellt werden, die die Beklagten an die Klägerin 'zahlen sollte' sowie über andere 'relevante Bedingungen' einer FRAND-Vereinbarung eine Feststellung getroffen werden (Rn. 31). Die Beklagten verpflichteten sich, so ihr Vortrag, eine FRAND-Lizenz zu erwerben, den vom Einheitlichen Patentgericht festgelegten FRAND-Satz für das EP-Gebiet zu zahlen und diese Zahlungsverpflichtung auch auf die USA und Japan auszuweiten (Rn. 33, 56).
Andererseits könnten die gegenwärtigen Anträge den ernstlichen Willen, einen Vertrag zu den vom Gericht ggf. bestimmten Lizenzsätzen abzuschließen, nicht hinreichend erkennen lassen. Daher könnte es an einem Rechtsschutzbedürfnis für die bisher gestellten Anträge fehlen. Die bisherigen Anträge sind wohl weder auf Leistung noch auf Gestaltung gerichtet (im Sinne einer verbindlichen und durchsetzbaren Pflicht oder inhaltlichen Gestaltung im Sinne einer Leistungsbestimmung durch das Gericht), sondern auf bloße Feststellung. Es wird das Verhältnis von Leistungs- und Gestaltungsanträgen zu Feststellungsanträgen zu diskutieren sein.
Zum einen wird begehrt festzustellen, dass Oppo Anspruch auf eine Lizenz für die standardessentiellen Patente Panasonics für die 3G- und 4G-Standards zu fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen (FRAND) hat, zum anderen festzustellen, dass der FRAND-Lizenzsatz ein bestimmter im Antrag genannter Betrag bzw. Bereich ist. Auch vor dem Hintergrund der weiteren Anträge, die Beklagten zu verpflichten 'vorbehaltlich des Bestehens einer FRANDLizenzvereinbarung' zur Zahlung der FRAND-Gebühr zu verpflichten, könnten Zweifel daran bestehen, ob die Beklagten verbindlich einen FRAND-Lizenzvertrag zu den vom Gericht bestimmten Bedingungen schließen wollen. Dies ist klarzustellen. Einer bloß begehrten Feststellung ohne Erklärung der uneingeschränkten vertraglichen Bindung an die festgesetzten Bedingungen unter
Mentalreservation, einen solchen Vertrag tatsächlich auch abzuschließen, könnte es nämlich am Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Zu berücksichtigen dürfte insoweit zudem sein, dass die Beklagten selbst der Rechtsauffassung sind, aus der ETSIFRAND-Erklärung einen unmittelbar auf Leistung gerichteten Anspruch ableiten zu können (vgl. FRAND-Widerklage Rn. 54).
Auch die Hilfsanträge sind sämtlich auf bloße Feststellung gerichtet bzw. auf die Verpflichtung des Gegners ein Angebot zu unterbreiten, ohne dass bislang hinreichend klar geworden wäre, ob die Beklagten das Angebot dann auch tatsächlich annehmen werden.
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- Der weitere Antrag 'zu erklären, was die wesentlichen Bedingungen einer solchen FRAND-Lizenz sind, wozu mindestens der Satz gehört, den Oppo für die Nutzung dieser Patente im Gebiet der EPÜ-Vertragsstaaten (dem EP-Gebiet) zu zahlen hat' begegnet gleichfalls Bedenken. Die umfassende kautelarjuristische Beratung dürfte nicht die Aufgabe des Gerichts sein, zumal bei der Vertragsgestaltung ohnedies multiple Gestaltung denkbar sein dürften, die allesamt FRAND-gemäß sein könnten.
- Gleiches gilt für den Hilfsantrag der Klägerin, 'zu erklären, welche Lizenz, die die patentverletzenden Benutzungshandlungen der Beklagten an dem EP 2 568 724 rechtfertigt, und welcher Lizenzsatz pro 3G/4G-(Multi-mode) Gerät fair, angemessen und nicht-diskriminierend (FRAND) ist'.
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- Es ist zu diskutieren, welche Konsequenzen sich für die Widerklage auf FRAND-ratesetting ergäben, wenn das Klagepatent (unterstellt - dies stellt keine vorläufige Rechtsauffassung des Gerichts dar) nichtig oder nicht verletzt wäre. Soll die Klage als Widerklage unter einer Bedingung erhoben sein? Welcher Zusammenhang steht zu den weiteren, vor der Lokalkammer geltend gemachten Verfahren, die andere Patente betreffen und in denen keine solche Widerklage erhoben ist?
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- Schließlich ist zu diskutieren, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für die Widerklage auf FRAND- rate-setting noch besteht, wenn das Gericht aus anderen Gründen von der Lizenzunwilligkeit der Beklagten ausgehen sollte. Auch insoweit wird klargestellt, dass mit dem Aufwerfen dieser Frage keine vorläufige Rechtsauffassung des Gerichts verbunden ist.
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- Erörterungsbedürftig erscheint auch der Hilfsantrag der Klägerin, 'festzustellen, dass eine Lizenz, die die patentverletzenden Benutzungshandlungen der Beklagten an dem EP 2 568 724 rechtfertigt, eine weltweite Lizenz am 3G- und 4G(Multimode) Portfolio der Klägerin ist und dass ein Lizenzsatz für eine solche Lizenz in Höhe von USD X pro 3G/4G-(Multi-mode) Gerät fair, angemessen und nichtdiskriminierend ist'. Es könnten bereits Zweifel an der Zulässigkeit eines solchen Antrages bestehen, der als hilfsweiser Antrag für den Fall gestellt ist, dass die Zulässigkeit der Widerklage der Beklagte auf Bestimmung einer FRAND-Lizenz bejaht wird.
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- Soweit die Klägerin ferner hilfsweise für den Fall der Bejahung der Zulässigkeit der Widerklage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines bestimmten Lizenzsatzes beantragen, könnte geboten sein klarzustellen, in welchem Verhältnis dieser Antrag zu Antrag Ziffer VI. der Klageschrift auf Feststellung der Schadensersatzpflicht steht.
ANORDNUNG:
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der noch laufenden Fristen im schriftlichen Verfahren.
NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN
Erlassen in Mannheim am 27. Juni 2024
Dr. Tochtermann
Vorsitzender und Berichterstatter