
Lokalkammer Mannheim UPC_CFI_219/2023
Anordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts Lokalkammer Mannheim erlassen am 4. Juli 2024 betreffend EP 2 568 724
Klägerin:
Panasonic Holdings Corporation - 1006, Oaza Kadoma, Kadoma-shi - 571-8501 - Osaka - JP vertreten durch Christopher Weber
Beklagte:
Xiaomi
Technology
Germany GmbH
(Partei des
Hauptverfahrens -
Not provided) -
Niederkasseler
Lohweg 175 -
40547 -
Düsseldorf - DE
Vertreten durch Dr. Corin Gittinger
Xiaomi
Technology
France S.A.S
(Partei des
Hauptverfahrens -
Not provided) - 93
rue Nationale
Immeuble
Australia - 92100 -
Boulogne-
Billancourt - FR
Vertreten durch Dr. Corin Gittinger
Xiaomi
Technology Italy
S.R.L
(Partei des
Hauptverfahrens -
Not provided) -
Viale Edoardo
Jenner 53 - 20158
Vertreten durch Dr. Corin Gittinger
Xiaomi
Technology
Netherlands B.V.
(Partei des
Hauptverfahrens -
Not provided) -
Prinses
Beatrixlaan 582 -
2595BM - Den
Haag - NL
Vertreten durch Dr. Corin Gittinger
Odiporo GmbH
(Partei des
Hauptverfahrens -
Not provided) -
Formerweg 9 -
47877 - Willich -
DE
Vertreten durch Dr. Corin Gittinger
Shamrock Mobile Vertreten durch Dr. Corin Gittinger
GmbH
(Partei des
Hauptverfahrens -
Not provided) -
Siemensring 44H -
47877 - Willich -
DE
STREITPATENT:
EUROPÄISCHES PATENT NR. EP 2568724
SPRUCHKÖRPER/KAMMER:
Lokalkammer Mannheim
MITWIRKENDE RICHTER:
Diese Anordnung wurde durch den Vorsitzenden und Berichterstatter Dr. Tochtermann erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch
GEGENSTAND: Hinweise zur Technik
Im gegenwärtig erreichten Verfahrensstadium sind zur Strukturierung des weiteren Verfahrens folgende Hinweise und Fragen an die Parteien veranlasst:
- I. Einleitend wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Hinweise des Gerichts betreffend das nämliche Patent in dem Parallelfall zwischen der Klägerin und Oppo verwiesen (UPC_CFI_210/2023 ORD 3680/2024 Anordnung vom 27. Juni 2024). Die dortigen Ausführungen sub I. gellten vorliegend entsprechend.
II. Zur Verletzungsdiskussion
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- Die Beklagten heben in ihrer Duplik hervor, dass es schon deshalb an einer Verwirklichung des Merkmals 1.1 fehle, weil die Sende-Bandbreite in einem näher geschilderten Szenario nicht zwischen den Steuerkanälen liege, sondern es zu Überlappungen kommen könne - es komme mithin zu einer nach der klagepatentgemäßen Lehre unerwünschten Kollision. Diese Situation könne entstehen, wenn die Übertragung von PUCCH und SRS in demselben Subframe erfolge (Duplik Rn. 13). Für diesen Fall sehe der LTE-Standard die Verwendung eines verkürzten PUCCH Formats vor.
Insoweit wird zu diskutieren sein, inwiefern dieses - nach diesseitigem Verständnis von der konkreten Konfiguration der Signalisierungen abhängige - Szenario einer Verwirklichung des Merkmals entgegensteht. Auf Ziffer I.6 der Anordnung im Verfahren UPC_CFI_210/2023 wird verwiesen.
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- Die nämliche Frage dürfte sich mit Blick auf den Vortrag in der Duplik zur Nichtverwirklichung des Merkmals 1.3.2 stellen, soweit die Beklagten vortragen, dass der Standard unterschiedliche Konfigurationen für schmalbandige SRS vorsehe (Duplik Rn. 25). Zu betrachten könnte sein, wie das 'Unveränderlichkeitskriterium' des Merkmals 1.3.2 zu definieren ist - abstrakt (iS einer grundsätzlichen Einstellmöglichkeit, dh es darf nie abgeändert werden) oder konkret (dh es kann zwar grundsätzlich veränderlich sein, es muss aber bei der einmal vorgenommenen Einstellung sodann fixiert sein und darf nicht in der konkret ausgewählten Konfiguration variabel ausgebildet sein).
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- Wiederum dieselbe Frage dürfte der Vortrag der Beklagten betreffen, das Merkmal 1.3.3 sei deshalb nicht verwirklicht, weil es im LTE-Standard 'technisch keine unmittelbare Anpassung der SRS-Allokation in Reaktion auf und in Abhängigkeit von einer Änderung der PUCCH-Bandbreite' gebe, weil 'die SRS […] nur semi-statisch und damit in viel größeren Zeitabständen konfiguriert [werden] als der dynamisch konfigurierbare PUCCH' (Duplik Rn. 39 unter nachfolgendem Verweis auf Abschnitt 8.2 ETSI TS 136 213 V8.8.0 (2009-10)). Verwiesen wird sodann auf die unterschiedlichen 'Anpassungsrhythmen' der PUCCH-Bandbreite einerseits und der SRSAllokation (durch den Parameter CSRS) andererseits (Duplik Rn. 42 f.). Auch hier erscheint wiederum diskussionswürdig, ob dieses Szenario einer Verwirklichung des Merkmals entgegensteht, sofern das Merkmal in anderen Situationen verwirklicht wird (dh es kommt nicht aufgrund der unterschiedlichen 'Taktung' der beiden vorgenannten Parameter zu dem von den Beklagten beschriebenen Szenario).
III. Zum Angriff auf den Rechtsbestand
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- Zur unzulässigen Erweiterung und Priorität vgl. zunächst die Hinweise in der Anordnung im Parallelverfahren zur Auslegung.
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- a) Da vorliegend die mangelnde Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 zunächst gegenüber einer Vorversion des LTE-Standards in das Zentrum des Angriffs auf den Rechtsbestand gestellt wird , dürfte - für die bloßen Zwecke der Diskussion die Richtigkeit der Argumentation der Beklagten unterstellt, die Priorität sei zu Unrecht beansprucht - mit Blick auf die von den Beklagten im Zusammenhang gelesenen Standarddokumente FBDT11 a und -T11b zu diskutieren sein, inwieweit diese rechtlich einen einheitlichen Offenbarungsgehalt enthalten.
b) Neuheit gegenüber der FBD-T13
Insoweit wird mit Blick auf Merkmal 1.1 der Offenbarungsgehalt der Figuren 3 und 4 und deren Erläuterungen in der Schrift zu diskutieren sein (im Zusammenhang zu lesen oder nicht? Ist der im Klagepatent adressierte Konflikt ausgeschlossen, weil die Ressourcen nach der Klägerin von vornherein verschiedenen Frequenzbändern zugeordnet sind und schließt das KP dieses Szenario ggf ein, wenn beim frequency hopping in Absatz [0003] auch 'shifting frequency bands' in den Blick genommen werden?).
Mit Blick auf Merkmal 1.3.3 werden die Figuren 5C und 5D zu diskutieren sein. Wenn dem Auslegungsansatz der Beklagten gefolgt wird, könnte diskussionswürdig erscheinen, ob die Figur 5C die vom Merkmal geforderte gleichmäßige Verteilung zeigt (sondern vielleicht 4 direkt nebeneinander liegende Signale mit einer folgenden Frequenzlücke von 6 RB, die ungenutzt bleibt und in der auch der klagepatentgemäße Konflikt nicht auftreten kann). Umgekehrt ist das von der Klägerin mit Blick auf die Figur 5D herausgestrichene Argument näher zu beleuchten, ob die dort wohl gezeigte Überlappung der Bezugssignale #1-#4 den Fachmann die als Erfindung beanspruchte Lehre offenbart.
Überdies könnte dem Argument nachzugehen sein, dass in den Figuren die Breite des PUCCH in beiden Szenarien 2 RB ist, dh möglicherweise nicht variiert und sich demnach die unterschiedlichen Darstellungen nicht als Verteilung 'entsprechend der Änderung der Sende-Bandbreite' darstellen könnten.
c) Neuheit gegenüber der FBD-T14
Bezüglich dieser Schrift wird zu diskutieren sein, ob der nach der klagepatentgemäßen Lehre mögliche Konfliktfall durch einen anderen Ansatz (so die Klägerin: grundsätzliches Verbot der gleichzeitigen Übertragung von PUCCH und CS RS) gelöst wird als im Patent vorgesehen. Die Klägerin möge erläutern, auf welche Prüfungen der Schrift 'in anderen Jurisdiktionen' sie in Rn. 229 der Replik verweist.
- d) Zum schriftlichen Vortrag, der die erfinderische Tätigkeit betrifft, erscheinen derzeit keine weiteren Hinweise veranlasst. Die Punkte sind sodann in der Verhandlung zu diskutieren.
3. Zum Antrag auf Änderung des Patents
Auf Regel 30.2 VerfO wird hingewiesen. Die Regel ist mit Tilmann/Plassmann, EPGÜ, Regel 30 VerfO Rn. 47 als strenge Präklusionsregel zu bezeichnen. Es soll nach der Norm vermieden werden, dass der Patentinhaber durch sukzessive Stellung verschiedener Änderungsanträge dem Gegner die Möglichkeit einer frühzeitigen Reaktion nimmt und dem Gericht die Möglichkeit, sich sachgerecht mit den Anträgen zu befassen. Insoweit wird bei der Frage, ob eine neue Änderung zugelassen wird, maßgeblich zu berücksichtigen sein, ob die neue Änderungsfassung bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Reaktion auf die bereits vorgetragene Argumentation des Nichtigkeitsklägers geboten gewesen wäre und ob durch den späten Änderungsantrag Verzögerungen im Verfahren entstehen. Insbesondere hat der Patentinhaber eingehend zu begründen, warum die spätere Änderungsfassung geboten ist (so auch Zentralkammer Paris, Anordnung vom 27.2.2024, UPC_CFI_255/2023, GRUR-RS 2024, 4923). Der uneingeschränkte Vorbehalt der Klägerin, zu gegebener Zeit mit weiteren Änderungsanträgen zu reagieren, begegnet daher Bedenken und etwaige neue Änderungsanträge werden sich an den vorstehenden Anforderungen messen lassen müssen.
ANORDNUNG:
Es besteht - soweit dies von Seiten der Parteien für angezeigt erachtet wird - Gelegenheit zur Stellungnahme zu den aufgeworfenen Punkten bis zum 19. Juli 2024 (Einreichung entsprechend der derzeitigen Frist zum FRAND-Aspekt).
NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN
Erlassen in Mannheim am 4. Juli 2024
Dr. Tochtermann Vorsitzender und Berichterstatter