
Lokalkammer Düsseldorf UPC_CFI_363/2023
Verfahrensanordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts Lokalkammer Düsseldorf erlassen am 12. Juli 2024 betreffend EP 3 926 698 B1
LEITSÄTZE:
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- Verfügen ihre Parteivertreter nicht über die für eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung notwendigen Sprachkenntnisse, steht es der Partei frei, für die mündliche Verhandlung auf eigene Kosten einen Dolmetscher zu beauftragen, soweit sie die Kanzlei hierüber fristgerecht unterrichtet.
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- Die gerichtsseitige Bereitstellung einer Simultanverdolmetschung scheidet jedenfalls dann aus, wenn die klägerischen Parteivertreter eine der bei der Lokalkammer zugelassenen Verfahrenssprachen beherrschen und sich der Kläger gleichwohl trotz mangelnder Sprachkenntnisse seiner Parteivertreter für eine andere, ebenfalls bei der betreffenden Lokalkammer zulässige Verfahrenssprache entscheidet.
SCHLAGWÖRTER:
Simultanverdolmetschung; mehrere Verfahrenssprachen; Lokalkammer; gerichtsseitige Bereitstellung Dolmetscher; eigener Dolmetscher; Verfahrenskosten
Klägerin:
Seoul Viosys Co., Ltd., gesetzlich vertreten durch ihre vertretungsberechtigten Vorstände ChungHoon Lee und Young Ju Lee, 65-16, Sandan-ro 163 beon-gil, Danwon-gu, Ansan-si, Gyeonggi-do, 15429, Republik Korea,
vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Bolko Ehlgen, Rechtsanwältin Dr. Julia Schön- bohm, Kanzlei Linklaters LLP, Taunusanlage 8, 60329 Frankfurt am Main, Deutschland,
unterstützt durch:
Patentanwalt Dr. Dipl.-Phys. Olaf Isfort, Kanzlei Schneiders & Beh- rendt, Huestraße 23, 44787 Bochum,
elektronische Zustelladresse:
bolko.ehlgen@linklaters.com
Streithelferin:
Seoul Semiconductor Co., Ltd., gesetzlich vertreten durch ihre vertretungsberechtigten Vorstände und CEOs Chung-Hoon Lee und Myeong-gi Hong, Building 0: 97-11, Sandan-ro 163 beon-gil, Danwon-gu, Ansan-si, Gyeonggi-do, 15429, Republik Korea vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Bolko Ehlgen, Rechtsanwältin Dr. Julia Schönbohm, Kanzlei Linklaters LLP, Taunusanlage 8, 60329 Frankfurt am Main, Deutschland, elektronische Zustelladresse:
bolko.ehlgen@linklaters.com
Beklagte:
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- expert e-Commerce GmbH , gesetzlich vertreten durch ihre Geschäftsführer Dr. Stefan Müller und Michael Grandin, Bayernstraße 4, 30855 Langenhagen,
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- expert klein GmbH, gesetzlich vertreten durch ihre Geschäftsführer Jens Oerter und Thomas Jacob, Jägerstraße 32, 57299 Burbach,
vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Dirk Jestaedt, Kanzlei Krieger Mes & Graf von der Groeben Part mbB, Bennigsen-Platz 1, 40474 Düsseldorf,
elektronische Zustelladresse:
info@krieger-mes.de
unter Mitwirkung von:
Patentanwalt Bernhard Ganahl, HGF Europe LLP, Neumarkter Straße 18, 81673 München,
vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Dirk Jestaedt, Kanzlei Krieger Mes & Graf von der Groeben Part mbB, Bennigsen-Platz 1, 40474 Düsseldorf,
elektronische Zustelladresse:
info@krieger-mes.de
unter Mitwirkung von:
Patentanwalt Bernhard Ganahl, HGF Europe LLP, Neumarkter Straße 18, 81673 München,
STREITPATENT:
Europäisches Patent Nr. 3 926 698 B1
SPRUCHKÖRPER/KAMMER:
Spruchkörper der Lokalkammer Düsseldorf
MITWIRKENDE RICHTER:
Diese Anordnung wurde durch den Vorsitzenden Richter Thomas als Berichterstatter erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch
GEGENSTAND: R. 109 VerfO - Simultanverdolmetschung der mündlichen Verhandlung
KURZE DARSTELLUNG DES SACHVERHALTS:
Bei der Klägerin handelt es sich um ein in der Republik Korea ansässiges Unternehmen. Sie erhob mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2023 wegen einer Verletzung zweier Bündelpatente in deutscher Verfahrenssprache Klage bei der Lokalkammer Düsseldorf.
Am 10. Juli 2024 stellte die Klägerin einen Antrag auf Simultanverdolmetschung der für den 5. September 2024 (mit einer eventuellen Fortsetzung am Folgetag) anberaumten mündlichen Verhandlung.
Zur Begründung führte die Klägerin aus, die an der mündlichen Verhandlung teilnehmenden Vertreter der Klägerin stammten aus Korea und seien der deutschen Sprache nicht mächtig. Deutsch sei keine Sprache, die in Korea üblicherweise gesprochen oder unterrichtet werde. Umgekehrt sei Koreanisch keine der Amtssprachen des Einheitlichen Patentgerichts. Ohne eine Simultanverdolmetschung könnten die betroffenen Personen dem mündlichen Vorbringen der Parteivertreter daher nicht folgen. Erst durch eine Simultanverdolmetschung würden die Parteivertreter der Klägerin in die Lage versetzt, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, erforderlichenfalls unverzüglich Rücksprache mit ihren Prozessvertretern zu halten und etwaige Unklarheiten aufzuklären. Zur Vereinfachung werde eine Simultanverdolmetschung in die englische Sprache beantragt. Die Vertreter seien der englischen Sprache mächtig.
Die Kosten der Simultanverdolmetschung seien im vorliegenden Fall als Verfahrenskosten im Sinne von R. 150 VerfO zu behandeln. Für die Klägerin habe im Zeitpunkt der Klageerhebung keine andere Möglichkeit bestanden, als gegen die Beklagten vor einer deutschen Lokalkammer des Einheitlichen Patentgerichts in der Verfahrenssprache Deutsch vorzugehen.
ANTRÄGE DER PARTEIEN:
Die Klägerin beantragt,
eine Simultanverdolmetschung der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2024 in die englische Sprache anzuordnen.
GRÜNDE DER ANORDNUNG:
Gemäß Art. 51 Abs. 2 EPGÜ sehen alle Kammern des Gerichts erster Instanz, soweit dies angemessen erscheint, auf Verlangen einer Partei eine Verdolmetschung vor, um die Partei bei der mündlichen Verhandlung zu unterstützen. Dieser allgemeine Grundsatz wird in R. 109.2 S. 1 VerfO dahingehend näher konkretisiert, dass der Berichterstatter auf einen fristgerechten Antrag hin entscheidet, ob und in welchem Umfang eine Simultanverdolmetschung angebracht ist. Hält er eine solche für sachgerecht, weist er die Kanzlei an, alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Die Kosten der Simultanverdolmetschung sind in einem solchen Fall Teil der Verfahrenskosten, R. 150 VerfO. Lehnt der Berichterstatter die Anordnung einer Simultanverdolmetschung ab, kann eine Partei auf ihre Kosten einen Simultandolmetscher beauftragen und beantragen, dass im Rahmen des praktisch Möglichen auf ihre Kosten Vorkehrungen für eine Simultanverdolmetschung getroffen werden (R. 109.2 S. 2 VerfO i.V.m. R. 109.4 VerfO). Macht eine Partei von dieser Möglichkeit Gebrauch, sind die dadurch verursachten Kosten nach R. 109.5 VerfO a.E. keine Verfahrenskosten; sie sind allein von der den Dolmetscher beauftragenden Partei zu tragen.
Dies vorausgeschickt steht ausgehend vom Vorbringen der Klägerin die Notwendigkeit einer Simultanverdolmetschung vorliegend außer Frage. Ziel der Simultanverdolmetschung ist es, den Beteiligten, welche der Verfahrenssprache nicht oder nicht in ausreichendem Maße mächtig sind, eine aktive Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu ermöglichen (vgl. UPC_CFI_463/2023 = ACT_590953/2023 (LK Düsseldorf), Anordnung v. 22. März 2023 zur App_14943/2024 - 10x Genomics vs. Curio; vgl. auch UPC_CFI_195/2024 = ACT_23163/2024 (LK Den Haag), Anordnung v. 25.06.2024 zur App_35134/2024 Szymon Spyra vs. Amycel). Dies ist bei den voraussichtlich an der mündlichen Verhandlung teilnehmenden Vertretern der Klägerin der Fall, die zwar neben Koreanisch auch Englisch, aber kein Deutsch sprechen. Sie können der in deutscher Sprache geführten mündlichen Verhandlung daher nur folgen und sich bei Bedarf in die Erörterung des Sach- und Streitstandes einbringen, wenn sie durch einen Dolmetscher unterstützt werden.
Gleichwohl ist die Anordnung einer Simultanverdolmetschung im Sinne von R. 109 Abs. 2 S. 1 VerfO vorliegend nicht angebracht. Eine solche ist nicht nur für die Kanzlei mit einem erheblichen Organisationsaufwand verbunden. Sie führt vielmehr, wie ausgeführt, zugleich dazu, dass es sich bei den dadurch verursachten Kosten um Verfahrenskosten handelt, welche die Gegenseite in Abhängigkeit vom Ausgang des Verfahrens gegebenenfalls zu tragen hat.
Beides erscheint vorliegend nicht sachgerecht.
Die Bundesrepublik Deutschland hat von der durch Art. 49 Abs. 2 EPGÜ i.V.m. R. 14.1 (b) VerfO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht und Englisch unmittelbar vor dem Start des Einheitlichen Patentgerichts als weitere Verfahrenssprache bei der Lokalkammer Düsseldorf zugelassen. Der Klägerin stand es somit bei Klageerhebung frei, sich für eine Verfahrensführung in englischer Sprache zu entscheiden. Hätte sie von dieser Option Gebrauch gemacht, wäre die mündliche Verhandlung in englischer Sprache geführt worden. Die Anordnung einer Simultanverdolmetschung nach R. 109.2 VerfO wäre in diesem Fall entbehrlich gewesen.
Entscheidet sich die Klägerin gleichwohl - wie hier - bewusst gegen ein solches Vorgehen und entschließt sie sich, das Verfahren trotz der Englischkenntnisse ihrer Parteivertreter bei zugleich fehlenden Deutschkenntnissen auf Deutsch zu führen, muss ihr bereits im Rahmen dieser Entscheidung bewusst gewesen sein, dass die mündliche Verhandlung in diesem Fall auf Deutsch geführt wird. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, ihr beziehungsweise ihren Parteivertretern gerichtsseitig einen Simultandolmetscher zur Seite zu stellen und die Gegenseite in der Folge gegebenenfalls mit den dadurch verursachten Kosten zu belasten.
Der Klägerin steht es frei, auf eigene Kosten einen Dolmetscher zu beauftragen (vgl. R. 109.4 VerfO), der bei Bedarf auf die für die Simultanverdolmetschung im Sitzungssaal vorhandene Anlage zurückgreifen kann. Dadurch ist dem Interesse der Klägerin an einer Teilnahme ihrer Parteivertreter an der mündlichen Verhandlung hinreichend Genüge getan.
ANORDNUNG:
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- Der Klägerin wird gestattet, auf eigene Kosten einen Dolmetscher zu beauftragen, der bei Bedarf die im Sitzungssaal für die Simultanverdolmetschung vorhandene Anlage nutzen kann.
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- Macht die Klägerin von dieser Möglichkeit Gebrauch, wird ihr aufgegeben, dies der Kanzlei der Lokalkammer Düsseldorf spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung mitzuteilen.
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- Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
DETAILS DER ANORDNUNG:
App_40855/2024 zu den Hauptaktenzeichen ACT_579244/2023 und CC_3580/2024
UPC-Nummer: UPC_CFI_363/2023
Verfahrensart: Verletzungsklage und Nichtigkeitswiderklage
Erlassen in Düsseldorf am 12. Juli 2024
NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN Vorsitzender Richter Thomas