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12 August, 2024
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ORD_39223/2024 Vienna (AT) Local Di… EP2643717B1
R 262.1 (b) VerfO
...

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ORD_39223/2024
12 August, 2024
Order

Summary
(AI generated)

Party

DMV industrijski kontrolni sistemi d.o.o.

Registry Information
Registry Number:

App_36807/2024

Court Division:

Vienna (AT) Local Division

Type of Action:

Application RoP262.1 (b)

Language of Proceedings:

DE

Patent at issue

EP2643717B1

Sections

Headnotes (DE)

1. Wird ein Antrag auf Bereitstellung von Schriftsätzen und Beweismitteln von einem Mitglied der Öffentlichkeit gemäß R 262.1 (b) VerfO gestellt, müssen die Interessen dieses Mitglieds der Öffentlichkeit, einen Zugang zu den Schriftsätzen und Beweismitteln zu erhalten, gegen die in Art 45 EPGÜ genannten Interessen abgewogen werden. Zu diesen Interessen gehört der Schutz von vertraulichen Informationen und von personenbezogenen Daten ("das Interesse einer der Parteien oder anderer betroffener Personen"), sind aber nicht darauf beschränkt. Auch das allgemeine Interesse der Justiz und das der öffentlichen Ordnung müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Zum allgemeinen Interesse der Justiz gehört der Schutz der Integrität des Verfahrens. 2. Dem Schutz der Integrität des Verfahrens kommt vor allem während dem anhängigen (=laufenden) Verfahren die größte Bedeutung zu, damit die Parteien ihre Argumente und Beweise vorbringen können, und das Gericht unparteiisch und unabhängig, ohne Einflussnahme und Einmischung von externen Parteien des öffentlichen Bereichs das Verfahren führen kann.

Keywords (DE)

Öffentlicher Zugang zu Schriftsätzen und Beweismittel; Schutz der Integrität des Verfahrens
Cited Legal Standards
Art 26 EPGÜ
Art 45 EPGÜ
Art 73 EPGÜ
R 220.2 VerfO
R 262.1 (b) VerfO
R. 262.1 (b) VerfO
R 262.1 lit b VerfO
R 262 Abs 1 lit b VerfO
R 262 VerfO
R 313.1 VerfO
R 350.5 351.3 VerfO
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ORD_39223/2024

Lokalkammer Wien UPC_CFI_33/2024 APP_36807/2024

Verfahrensanordnung

des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts Lokalkammer Wien betreffend das Europäische Patent 2 643 717 erlassen am 12/08/2024

Leitsatz:

    1. Wird ein Antrag auf Bereitstellung von Schriftsätzen und Beweismitteln von einem Mitglied der Öffentlichkeit gemäß R 262.1 (b) VerfO gestellt, müssen die Interessen dieses Mitglieds der Öffentlichkeit, einen Zugang zu den Schriftsätzen und Beweismitteln zu erhalten, gegen die in Art 45 EPGÜ genannten Interessen abgewogen werden. Zu diesen Interessen gehört der Schutz von vertraulichen Informationen und von personenbezogenen Daten ("das Interesse einer der Parteien oder anderer betroffener Personen"), sind aber nicht darauf beschränkt. Auch das allgemeine Interesse der Justiz und das der öffentlichen Ordnung müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Zum allgemeinen Interesse der Justiz gehört der Schutz der Integrität des Verfahrens.
    1. Dem Schutz der Integrität des Verfahrens kommt vor allem während dem anhängigen (=laufenden) Verfahren die größte Bedeutung zu, damit die Parteien ihre Argumente und Beweise vorbringen können, und das Gericht unparteiisch und unabhängig, ohne Einflussnahme und Einmischung von externen Parteien des öffentlichen Bereichs das Verfahren führen kann.

Schlagwörter:

Öffentlicher Zugang zu Schriftsätzen und Beweismittel; Schutz der Integrität des Verfahrens

Antragstellerin:

DMV industrijski kontrolni sistemi d.o.o., Kraljevica Marka bb, 18000 Nis, Serbien

vertreten durch:

Patentanwalt Dr. Thomas Körner, c/o freigutpartners gmbh, Gämsenstrasse 3, 8006 Zürich, Schweiz elektronische Zustelladresse: koerner@freigutpartners.ch

RECHTSSACHE:

Klagende Partei:

SWARCO Futurit Verkehrssignalsysteme GmbH, Manfred-Swarovsky-Straße 1, 7343 Neutal,

vertreten durch:

Rechtsanwalt MMag. Alexander Koller, NOMOS Rechtsanwälte GmbH, Ledererhof 2, 1010 Wien

elektronische Zustelladresse:

office@nomos.legal

mitwirkend:

Patentanwalt Werner Barger, pA Barger Piso & Partner Patentanwölte, Operngasse 4, 1010 Wien

Beklagte Partei:

STRABAG Infrastructure & Safety Solutions GmbH, Ignaz-Köck-Straße 19, 1210 Wien

beide vertreten durch:

Patentanwalt Dr. Rainer Beetz,

SONN Patentanwälte GmbH & Co KG, Riemergasse 14, 1010 Wien

elektronische Zustelladresse:

office@sonn.at

STREITPATENT:

EUROPÄISCHES PATENT 2 643 717

SPRUCHKÖRPER/KAMMER:

Spruchkörper der Lokalkammer Wien

MITWIRKENDE RICHTER:

Diese Anordnung wurde durch den Vorsitzenden Richter und Berichterstatter Dr. Schober erlassen.

VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch

GEGENSTAND : R. 262.1 (b) VerfO -Öffentliche Zugang zur Rechtssache (Akteneinsicht)

KURZE DARSTELLUNG DES SACHVERHALTS:

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer Verletzung ihres europäischen Patents EP 2 643 717 B1 in Anspruch.

Das Streitpatent betrifft eine farb- und lichtmischende Sammeloptik für bildgebende Anzeigetafeln im Freien für Spotlichter oder Signalisierung, bestehend aus einer LED-Lichtquelle sowie einem davor angeordneten Lichtleiterstab und einer Sammellinse.

Die Beklagte erhielt mit öffentlicher Bekanntmachung vom 22.10.2022 von der ASFINAG den Auftrag, an den Standorten A12, VKP Kundl, RFB Innsbruck, AQ km 22, 525 und AQ km 23,007 die vorhandenen Prismenwender durch LED-Wechselverkehrszeichen bis 14.04.2023, im Übrigen bis 31.08.2023 zu erneuern.

Die Beklagte installierte in der Folge an den auftragsgegenständlichen Standorten LEDWechselverkehrszeichen, die sie durchwegs von einer chinesischen Herstellerin bezog. Diese LEDWechselverkehrszeichen sollen das Streitpatent verletzen.

ANTRAGSTELLUNG NACH R 262.1 (B) VERFO

Mit Schriftsatz vom 28.6.2024 stellte die Antragstellerin den Antrag nach R 262.1 (b) VerfO. Sie brachte dazu vor, sie biete - wie die Klägerin - optische Wechselverkehrszeichen an und stehe daher mit ihr in einem Konkurrenzverhältnis.

Die Klägerin habe am 3.4.2024 eine Klage gegen die Firmen Kontron d.o.o., 4000 Kranj (nachfolgend Beklagte zu 1.) und die DARS d.d., 3000 Celje (nachfolgend Beklagte zu 2.) beim Bezirksgericht Ljubljana eingebracht (Aktenzeichen: IV PG 557/2024), in der sie eine angebliche Verletzung des slowenischen Teils ihres europäischen Patents EP 2 643 717 durch die Beklagten behauptet. In Punkt 34 iVm Punkt 33 der Klage werde die Antragstellerin beschuldigt, die Beklagte zu 1. mit optischen LED-Verkehrssignalisierungen beliefert zu haben, die das Streitpatent der Klägerin verletzen.

Die Klägerin sei ihrer formlosen Bitte nicht nachgekommen, eine Kopie der Klageschrift des Verfahrens vor der Lokalkammer Wien zu überlassen. Sie habe ein direktes Interesse an den Schriftsätzen und den Beweismitteln, weil die Klägerin im Verfahren vor dem Bezirksgericht Ljubljana behauptet, die Produkte der Antragstellerin seien zumindest ähnlich zum angeblich patentverletzenden Produkt der Beklagten im Verfahren vor der Lokalkammer Wien. Das würde bedeuten, dass ihre gelieferten optischen LED-Verkehrssignalisierungen, die Gegenstand des Verfahrens vor dem Bezirksgericht Ljubljana seien, das Patent der Klägerin verletzen. Die Beklagte im Verfahren vor der Lokalkammer Wien könnte beschuldigt werden, nach Art 26 EPGÜ Mittel anzubieten oder zu liefern, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents beziehen. Die Ähnlichkeit zwischen dem Produkt der Beklagten und ihrem Produkt könnte darin bestehen, dass beide zumindest ein gemeinsames wesentliches erfindungsgemäßes Element aufweisen. Daher habe sie auch ein Interesse am Zugang zu Informationen, die die Gültigkeit des Streitpatents betreffen.

Sie habe auch ein direktes Interesse herauszufinden, ob die Klägerin im Verfahren vor der Lokalkammer Wien den Vorwurf erhebt, dass die Antragstellerin die Beklagte mit optischen LED-

Verkehrssignalisierungen beliefert habe. Diese Information sei auch in Bezug auf einen allfällig zu stellenden Streithilfeantrag nach R 313.1 VerfO relevant.

STELLUNGNAHME DER PARTEIEN

Mit Verfahrensanordnung vom 2.7.2024 wurde den Verfahrensparteien die Gelegenheit eingeräumt, sich bis 17.7.2024 zum Antrag gemäß R 262 Abs 1 lit b VerfO zu äußern.

Nur die Klägerin erstattete eine Äußerung und sprach sich gegen den beantragten Zugang zur Klageschrift samt Beweismitteln (in allen Varianten) aus. Die Antragstellerin habe nicht einmal allgemein behauptet, dass ihr Erzeugnis identisch mit dem hier in diesem Verfahren angegriffenen Gegenstand wäre. Es sei auch nicht substantiiert vorgetragen worden, dass oder inwieweit die Erzeugnisse der Antragstellerin tatsächlich die gleichen oder ähnlichen Merkmale aufweisen würden, wie die in diesem Verfahren angegriffenen Gegenstände; geschweige denn, worin die behaupteten Ähnlichkeiten (Merkmalsübereinstimmung) liegen sollten. Die Antragstellerin zeige somit kein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht auf. Sie möchte aus den Schriftstücken offenkundig erst Kenntnis darüber erlangen, ob -und gegebenenfalls in welchen Merkmalen -ihre Erzeugnisse überhaupt ähnlich zu den angegriffenen Gegenständen seien. Somit möchte sie in Wirklichkeit erst in Erfahrung bringen, ob sie allfällig ein Interesse geltend machen könnte, das gegebenenfalls einen Antrag nach R 262.1 (b) VerfO rechtfertigen würde. Dieses Interesse reiche nicht aus, um es über den Schutz der Integrität des Verfahrens zu stellen.

Maßgeblich für die Frage, ob sich das Ergebnis des Verfahrens vor der Lokalkammer Wien auf die rechtlichen Beziehungen der Antragstellerin zur Beklagten auswirken könne, sei nämlich nicht, ob die Klägerin allfällig Umstände behauptet , die für eine 'rechtliche Beziehung' zwischen der Antragstellerin und der Beklagten sprechen könnten, sondern alleine, ob eine derartige Beziehung (z.B. ein Liefervertrag, wie die Antragstellerin ihn in den Raum stelle) tatsächlich bestehe. Um dies zu klären, benötige die Antragstellerin jedoch keinen Zugang zum Akt, zumal sie selbst wissen müsse, mit welchen Unternehmen sie in vertraglichen Beziehungen steht oder (rechts-)geschäftliche Beziehungen unterhält.

GRÜNDE DER ANORDNUNG:

Die R 262 VerfO setzt den Grundsatz der Verfahrensöffentlichkeit nach Art 45 EPGÜ auch für den Zugang zu den im Register enthaltenen Verfahrensinformationen fort und trägt dem öffentlichen Informationsinteresse in besonderer Weise Rechnung. Entscheidungen und Anordnungen (vgl R 350.5 und 351.3 VerfO) gehören zum Inhalt des Registers und sind damit der Öffentlichkeit -nach Schwärzung der personenbezogenen Daten -ohne Einschränkung zugänglich zu machen. Hingegen sind Schriftsätze und Beweismittel -wegen der Datenschutz-GrundVO (DSGVO) - nur auf begründeten Antrag einsehbar (vgl EuGH C-268/21 [Rn 46ff]); zudem können die Parteien einem solchen Antrag mit einem Antrag auf vertrauliche Behandlung entgegentreten (vgl Tilmann/Plassmann , EPG § 262 VerfO Rn 3).

Die Regelungen des EPGÜ und der VerfO des EPG stehen im Einklang mit der VO (EG) Nr 1049/2001, wonach nach dem vierten Erwägungsgrund und Art 1 der Öffentlichkeit ein größtmögliches Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe gewährt werden soll. Zweck ist es eine Transparenz zu schaffen, die eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess ermöglicht und eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem

Bürger in einem demokratischen System gewährleistet. Das Zugangsrecht unterliegt aber Schranken aus Gründen des öffentlichen oder des privaten Interesses. Nach Art 4 Abs 2 zweiter Gedankenstrich der VO (EG) Nr 1049/2001 darf zum Schutz der Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung der Zugang zu einem Dokument verweigert werden, was den Schutz der Integrität des Verfahrens gewährleistet.

Das Recht eines Dritten auf Zugang zu Schriftsätzen und Beweismitteln eines Gerichtsverfahrens könnte auch zur Verletzung weiterer Rechte führen, die das Unionsrecht insbesondere betroffenen Unternehmen -wie das Recht auf Wahrung des Berufs- oder des Geschäftsgeheimnisses -oder den betroffenen Einzelnen -wie das Recht auf Schutz personenbezogener Daten -verleiht. Daher hat der EuGH klargestellt, dass eine Abwägung zwischen den Interessen, die eine Übermittlung der Informationen rechtfertigen, und denen, die deren Schutz rechtfertigen, von den Gerichten im Rahmen des anzuwendenden Rechts im Einzelfall und unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte der Rechtssache vorzunehmen ist (EuGH C-360/09, Rs Pfleiderer [Rn 31]; C-536/11 Donau Chemie AG [Rn 34].

Die DSGVO hat die Verarbeitung von personenbezogenen Daten noch zusätzlich unter Schutz gestellt, wonach nach dem Grundsatz der Datenminimierung (vgl Art 5 Abs 1 lit c DSGVO) die personenbezogenen Daten dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein müssen. Das Gericht hat daher auch festzustellen, ob die Offenlegung personenbezogener Daten angemessen oder erheblich ist. Das Gericht ist, um diese Anforderungen zu prüfen, verpflichtet, die in Rede stehenden widerstreitenden Interessen zu berücksichtigen, wenn es beurteilt, ob es zweckmäßig ist, die Vorlegung eines Dokuments mit personenbezogenen Daten Dritter anzuordnen (EuGH C-268/21 Norra [Rn 46].

In der Entscheidung vom 10.4.2024 (UPC_CoA_404/2023) hat sich das Berufungsgericht des EPG zu den Anforderungen an eine (Akten-)Einsicht nach R 262.1 (b) VerfO wie folgt geäußert:

' (47) Die Öffentlichkeit hat im Allgemeinen ein Interesse daran, dass schriftliche Schriftsätze und Beweismittel zur Verfügung gestellt werden. Dies ermöglicht ein besseres Verständnis der Entscheidung in Anbetracht der von den Parteien vorgebrachten Argumente und der angeführten Beweise. Es ermöglicht auch die Kontrolle des Gerichts, was für das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Gericht wichtig ist. Dieses allgemeine Interesse eines Mitglieds der Öffentlichkeit entsteht in der Regel, nachdem eine Entscheidung ergangen ist. Hier liegt bereits eine Entscheidung vor, die verstanden werden muss und die Behandlung des Streitfalls durch das Gericht kann hinterfragt werden.

(48) Der Schutz der Integrität des Verfahrens gewährleistet, dass die Parteien ihre Argumente und Beweise vorbringen können, und dass das Gericht unparteiisch und unabhängig, ohne Einflussnahme und Einmischung von externen Parteien des öffentlichen Bereichs ist. Das Interesse an der Integrität des Verfahrens spielt in der Regel nur während des laufenden Verfahrens eine Rolle.

(49) Dies bedeutet, dass diese Interessen - das oben erwähnte allgemeine Interesse und der Schutz der Integrität des Verfahrens - in der Regel ordnungsgemäß gegeneinander abgewogen werden, wenn ein Mitglied der Öffentlichkeit Zugang zu Schriftsätzen Beweismitteln gewährt wird, nachdem das Verfahren durch eine Entscheidung des Gerichts beendet wurde.

(50) Das Berufungsgericht weist darauf hin, dass wenn die Entscheidung des Gerichts erster Instanz ergangen ist und ein Rechtsmittel eingelegt wird oder werden kann, dies nur für die Schriftsätze und Beweismitteln des Verfahrens in erster Instanz gilt. Die Verweigerung des Zugangs zu diesen Dokumenten dient nicht mehr dem Schutz der Integrität des Verfahrens, weil die öffentlich zugängliche Entscheidung die von den Parteien vorgetragenen Argumente und Beweise enthält und somit

bereits Gegenstand der öffentlichen Debatte sein kann. '

Demnach hat sich das Berufungsgericht sichtlich nicht nur an Art 45 EPGÜ, sondern auch an der eingangs angeführten VO (EG) Nr 1049/2001, der DSGVO sowie an der Spruchpraxis des EuGH orientiert und insbesondere einem allgemeinen Auskunftsinteresse in Bezug auf ein anhängiges (=laufendes) Verfahren eine Einschränkung im Sinne eines begründeten Antrags auferlegt. In dem begründeten Antrag ist das Interesse der Antragstellerin an der Akteneinsicht darzulegen, um dann die geforderte Interessensabwägung vornehmen zu können. Dass das Berufungsgericht nicht auf das Erfordernis der Rechtskraft einer Entscheidung abgestellt hat, ist mit Art 75 Abs 1 Satz 2 EPGÜ erklärbar. Nach Art 75 Abs 1 Satz 2 EPGÜ entscheidet das Berufungsgericht im Regelfall selbst in der Sache und soll der Rechtsstreit nur in Ausnahmefällen an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen werden. Nach der Systematik des EPGÜ und der VerfO des EPG muss daher nicht vorsorglich auf die Rechtskraft einer Entscheidung abgestellt werden, sondern kann das allgemeine (Informations-)Interesse eines Mitglieds der Öffentlichkeit im Regelfall dann bejahrt werden, nachdem eine Entscheidung -auch jene der ersten Instanz - ergangen ist.

Bis zu einer Entscheidung hat aber die Antragstellerin - nach Ansicht des Berichterstatters -in ihrem begründeten Antrag ein Interesse im Sinnes eines rechtlichen Interesses aufzuzeigen, womit ein von der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse, das über das bloß wirtschaftliche Interesse oder über das Interesse der Information hinausreicht, gemeint ist. Während eines anhängigen Verfahrens -auch vor dem EPG -muss die begehrte Einsichtnahme eine Bedeutung/Auswirkung für die rechtlichen Verhältnisse des Dritten (=Antragstellerin) haben, wobei dieses Interesse zudem auch konkret gegeben sein muss.

Dem Antrag auf Akteneinsicht liegt notwendigerweise meist ein Ausforschungsinteresse zugrunde. Erst durch die Akteneinsicht kann die Antragstellerin Kenntnis von den relevanten Umständen erlangen. Ein rechtliches Interesse kann aber nur dann anerkannt werden, wenn die Antragstellerin aus dem Akt etwas erfahren will, was sie nicht weiß, aber zur Wahrung ihrer Interessen wissen muss. Das rechtliche Interesse kann zwar nicht mit dem Hinweis verneint werden, dass die Antragstellerin die Akteneinsicht deshalb wahrnehmen will, um Material für eine allfällige Anspruchsdurchsetzung erst zu sammeln. Allerdings kann das Einsichtsbegehren wegen der vorzunehmenden datenschutzrechtlichen Interessenabwägung und auch wegen des Schutzes der Integrität des Verfahrens scheitern, wenn die geschützten Geheimhaltungsinteressen höher als eine derartige Recherche der Antragstellerin zu werten sind. Bei der Interessenabwägung wird hier insbesondere zu berücksichtigen sein, ob es für die Antragstellerin ohne Akteneinsicht schwer oder kaum möglich ist, ihre Ansprüche durchzusetzen. Je größer die Beweisschwierigkeiten der Antragstellerin sind, desto eher überwiegt ihr Einsichtsinteresse die Geheimhaltungsinteressen.

Vor diesem Hintergrund ist der Antrag der Antragstellerin nach R 262.1 (b) VerfO auf Zugang zur eingereichten Klageschrift samt den Beweismitteln in allen beantragten Varianten im derzeitigen Verfahrensstadium abzuweisen. Schon der Schutz der Integrität des laufenden Verfahrens überwiegt das von der Antragstellerin geltend gemachte Informationsinteresse, damit die Parteien ihre Argumente und Beweise vorbringen können, und damit das Gericht unparteiisch und unabhängig, ohne Einflussnahme und Einmischung von externen Parteien des öffentlichen Bereichs das Verfahren führen kann. Hinzukommt auch noch der notwendige Schutz der in den Schriftsätzen beinhalteten personenbezogenen Daten.

Die Antragstellerin bringt zur Begründetheit ihres Antrags lediglich vor, dass die Klägerin im Verfahren vor dem Bezirksgericht Ljubljana behauptet, ihre Produkte seien ähnlich zu den Produkten der Beklagten im Verfahren vor der Lokalkammer Wien; diese würden alle Merkmale von Anspruch 1 des Streitpatents aufweisen. Damit macht sie aber kein rechtliches Interesse im

oben aufgezeigten Sinn geltend. Sie behauptet nicht einmal, dass sie Ansprüche gegen die Parteien des gegenständlichen Verfahrens geltend machen möchte, auch nicht, dass sie irgendwelche Beweisschwierigkeiten dabei hätte.

Um zu beurteilen, ob das Produkt der Antragstellerin eines oder mehrere Merkmale des Streitpatents erfüllt, benötigt sie jedenfalls nicht die Klageschrift samt den Beweismitteln dieses laufenden Verfahrens. Das Streitpatent EP 2 643 717 B1 ist für die Antragstellerin samt Beschreibung und Zeichnungen als Erläuterungshilfen frei zugänglich. Sie ist daher in der Lage, nach den Grundsätze für die Auslegung eines Patentanspruchs (vgl UPC_CoA_335/2023 und CoA 8/2024) den Schutzbereich dieses Patents selbst zu beurteilen oder durch eine Fachperson beurteilen zu lassen.

Davon ausgehend ist daher während des laufenden Verfahrens erster Instanz derzeit der Schutz der Integrität des Verfahrens sowie der Schutz der in den Schriftsätzen beinhalteten personenbezogenen Daten über das Interesse der Antragstellerin auf Übermittlung der gewünschten Informationen zu stellen.

Die Antragstellerin benötigt die beantragten Informationen auch nicht dazu, in Erfahrung zu bringen, ob sie im gegenständlichen Verfahren beschuldigt wird, die Beklagte mit patentverletzenden optischen LED-Verkehrssignalisierungen beliefert zu haben. Da weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass die Antragstellerin selbst wissen sollte, ob und wie sie mit der Beklagten in Vertragsbeziehung steht. Die Beurteilung der allfälligen Rechtsbeständigkeit des Streitpatents kann die Antragstellerin noch nach einer erfolgten Entscheidung in Erfahrung bringen.

ANORDNUNG:

Die Anträge der Antragstellerin auf Zugang zur Klageschrift, den Schriftsätzen samt den Beweismitteln vom 28.6.2024 gemäß R 262.1 lit b VerfO werden (in allen Varianten) abgewiesen.

Hinweis: Nach Art 73 EPGÜ und R 220.2 VerfO kann gegen die Verfahrensanordnung binnen 15 Tagen nach Zustellung Berufung erhoben werden

Erlassen in Wien am 12. August 2024

NAMEN UND UNTERSCHRIFT

Vorsitzender Richter Dr. Schober

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