
Lokalkammer Düsseldorf UPC_CFI_99/2024
Verfahrensanordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts Lokalkammer Düsseldorf erlassen am 30. August 2024 betreffend EP 2 263 098 B1
Leitsätze:
Das Vorliegen einer Negativtatsache schließt die Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht per se aus. Auch die Angabe, bestimmte Produkte unterstützten gewisse Funktionalitäten nicht, kann geheimhaltungsbedürftig sein.
Schlagwörter:
Schutz von Geschäftsgeheimnisen; Negativtatsache
Klägerin:
Ona Patents SL, Carrer de Calàbria 149 En. 1, 08015 Barcelona, Spanien, vertreten durch ihren Geschäftsführer Raúl Diaz Morales, ebenda, vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Christof Augenstein, Rechtsanwalt Dr. Benedikt Walesch, Rechtsanwältin Dr. Melissa Lutz, Kather Augenstein Rechtsanwälte PartGmbB, Bahnstraße 16, 40212 Düsseldorf,
elektronische Zustelladresse:
augenstein@katheraugenstein.com
Beklagte:
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- Apple Inc., One Apple Park Way, Cupertino, CA 95014, USA, vertreten durch ihren CEO Tim Cook, ebenda,
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- Apple Distribution International Ltd., Hollyhill Industrial Estate, Hollyhill, Cork, T23 YK84, Republik Irland, vertreten durch ihre Directors Cathy Kearny, Michael O'Sullivan und Peter Denwood, ebenda,
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- Apple Retail Germany B.V. & Co. KG, Maximilianstraße 54, 80538 München, Deutschland, vertreten durch ihre persönlich haftende Gesellschafterin, die Apple Holding B.V., diese vertreten durch ihre Geschäftsführer Alexander Niemczyk, Michael Joseph Boyd und Peter Ronald Denwood, ebenda,
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- Apple GmbH, Katharina-von-Bora-Str. 3, 80333 München, Deutschland, vertreten durch ihre Geschäftsführer Michael Joseph Boyd und Peter Ronald Denwood, ebenda,
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- Apple Retail France EURL, 3-5 rue Saint Georges, 75009 Paris, Frankreich, vertreten durch ihre Geschäftsführer Peter Ronald Denwood und Éamonn Clancy, ebenda,
Beklagte zu 1. bis 5. vertreten durch:
Rechtsanwalt Prof. Dr. Tilman Müller-Stoy, Rechtsanwalt Dr. Tobias Wuttke, Rechtsanwalt Dr. Jan Bösing, Rechtsanwältin Dr. Ronja Schregle, Rechtsanwalt Nobuchika Mamine, Rechtsanwältin Saskia Mertsching, Rechtsanwältin Antje Weise, Patentanwalt Johannes Lang, Patentanwalt Dr. Christof Karl, Patentanwalt Dr. Johannes Möller, Patentanwalt Preston Richard, Patentanwalt Michael Horndasch, Bardehle Pagenberg Partnerschaft mbB, Prinztregentenplatz 7, 81675 München, elektronische Zustelladresse:
STREITPATENT:
Europäisches Patent Nr. EP 2 263 098 B1
SPRUCHKÖRPER/KAMMER:
Spruchkörper der Lokalkammer Düsseldorf mueller-stoy@bardehle.com
MITWIRKENDE RICHTER:
Diese Anordnung wurde durch den Vorsitzenden Richter Thomas als Berichterstatter erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch
GEGENSTAND: R. 262A VerfO - Schutz vertraulicher Informationen
GRÜNDE DER ANORDNUNG:
Der auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen und sonstiger vertraulicher Informationen gerichtete Antrag ist zulässig und hat im tenorierten Umfang Erfolg.
I.
Gegen die Zulässigkeit des Antrages bestehen keine Bedenken.
Nach Art. 9 Abs. 1 und 2 lit. a) der Richtlinie (EU) 2016/943 ist vorgesehen, dass in einem gerichtlichen Verfahren auf Antrag der Zugang zu von den Parteien oder Dritten vorgelegten Dokumenten, die Geschäftsgeheimnisse oder angebliche Geschäftsgeheimnisse enthalten, ganz oder teilweise auf eine begrenzte Anzahl von Personen beschränkt werden kann. Der Schutz vertraulicher Informationen ist im EPGÜ in Artikel 58 vorgesehen und in der Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts in Regel 262A implementiert (vgl. UPC_CFI_54/2023 (LK Hamburg), Anordnung v. 03.11.2023, ORD_577703/2023 - Avago Technologies International v. Tesla Germany; UPC_CFI_463/2023 (LK Düsseldorf), Anordnung v. 11.03.2024, ORD_8550/2024 - 10x Genomics v. Curio Bioscience).
Die durch R. 262A.2 und .3 VerfO normierten formellen Anforderungen sind gewahrt. Auch wurden die Vertreter der Klägerin, wie von R. 262A.4 VerfO gefordert, vor dem Erlass der Schutzanordnung gehört. Sie haben von der ihnen eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme Gebrauch gemacht.
II. Die unter Ziff. I. des Tenors genannten Informationen sind als geheimhaltungsbedürftig einzustufen.
Dass es sich bei Angaben zur Gewinnmarge um geheimhaltungsbedürftige Informationen handeln kann, soweit diese nicht aus allgemein zugänglichen Quellen ersichtlich sind, hat die Klägerin zu Recht nicht infrage gestellt.
Soweit sie sich stattdessen darauf beruft, die Gewinnmarge der Beklagten sei auf mehreren Onlineportalen einsehbar und somit nicht als besonders personenbeschränkt vertraulich einzustufen, sind die dort abrufbaren Informationen nicht durch die Beklagten validiert. Sie sind schon deshalb nicht mit den als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Informationen vergleichbar.
Wie die Beklagten ausführlich dargelegt haben, unternehmen sie umfangreiche Maßnahmen, um das Risiko des Kontrollverlusts über diese sensiblen Daten zu minimieren. Nach Auskunft der Beklagten ist die Gewinnmarge innerhalb ihres Konzerns nur wenigen Personen bekannt.
Vor diesem Hintergrund erscheint schon die Erkenntnis, welche Mitarbeiter Zugang zu diesen In-
formationen haben, für sich genommen wertvoll und geheimhaltungsbedürftig. Es ist daher gerechtfertigt, auch die Namen der betroffenen Mitarbeiter in den Geheimnisschutz aufzunehmen.
Dass die durch die Beklagten als geheimhaltungsbedürftig eingestuften technischen Informationen lediglich den jeweils zuständigen Ingenieuren innerhalb des Konzerns der Beklagten bekannt sind, steht zwischen den Parteien nicht in Streit. Gleiches gilt im Hinblick auf die Frage, welcher Ingenieur jeweils über Detailkenntnisse zu bestimmten Funktionalitäten verfügt.
Soweit sich die Klägerin gleichwohl mit der Begründung gegen eine Einstufung der Anlagen BP 13, BP 14 und BP 15 als geheimhaltungsbedürftig wendet, dort werde jeweils nur der Vortrag der Klägerin zur Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsformen negiert, ohne zu erläutern, wie die in Streit stehenden Produkte sonst funktionieren, weisen die Beklagten zu Recht darauf hin, dass auch die Angabe, bestimmte Produkte unterstützten gewisse Funktionalitäten nicht, geheimhaltungsbedürftig sein kann. Das Vorliegen einer Negativtatsache schließt daher die Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht per se aus. Weitere Einwände hat die Klägerin zu diesem Punkt nicht erhoben. Gegen die Einstufung der betreffenden Informationen als geheimhaltungsbedürftig bestehen daher keine Bedenken.
Hinsichtlich der technischen Informationen haben die Beklagten nachvollziehbar erläutert, dass der mit den relevanten Detailkenntnissen ausgestattete Personenkreis öffentlich nicht bekannt sei. Da derartige Kenntnisse das Potential gezielter Angriffe in sich tragen, um an geheimhaltungsbedürftige Informationen betreffend spezifische, geheime Funktionalitäten zu gelangen, erscheint es gerechtfertigt, auch die diesbezüglichen Informationen als geheimhaltungsbedürftig einzustufen.
Die Bestimmung des Kreises der Zugangsberechtigten folgt den in der Anordnung der Lokalkammer Düsseldorf vom 8. August 2024 aufgestellten Grundsätzen (UPC_CFI_140/2024 (LK Düsseldorf), Anordnung v. 08.08.2024, ORD_42284/2024 - Curio Bioscience v. 10x Genomics). Auf die dortigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
IV.
Der Antrag der Klägerin, Parteiexperten auf einen entsprechenden Antrag hin Zugang zu den als geheimhaltungsbedürftig einzustufenden Informationen zu gewähren, bedarf zum gegenwärtigen Zeitpunkt keiner Entscheidung. Darüber wird zu befinden sein, sobald ein entsprechender Antrag gestellt wurde.
ANORDNUNG:
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I. Die nachfolgend im Einzelnen aufgeführten und in der ungeschwärzten Fassung der Klageerwiderung in der mit Schriftsatz vom 22. August 2024 eingereichten Version grau hinterlegten sowie in den Anlagen BP 13, BP 14 und BP 15 sowie BP 23a und BP 23b enthaltenen Informationen werden als geheimhaltungsbedürftig im Sinne von Art. 58 EPGÜ, R. 262.2 VerfO eingestuft:
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- zur Gewinnmarge:
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im Antragsteil: Antrag 3.3.1. sowie I. Nr. 1.
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in den Formalia (A. II): Verweis auf die Anlagen BP 23a und BP 23b
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im Hauptteil der Klageerwiderung: Rn. 280, 443, 445, 446, 452 sowie 464 465
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in den Anlagen: BP 23a und BP 23b (jeweils vollständig);
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- zu den technischen Funktionalitäten der angegriffenen Produkte:
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im Antragsteil: I. Nr. 2.
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in den Formalia (A. II): Verweis auf die Anlagen BP 13, BP 14 und BP 15
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im Hauptteil der Klageerwiderung: Rn. 142, 146, 155 und 172
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in den Anlagen BP 13, BP 14 und BP 15 (jeweils vollständig).
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II. Der Zugang zu den unter Ziffer I. genannten Informationen wird auf Seiten der Klägerin auf folgende Personen beschränkt:
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- die folgenden Prozessbevollmächtigten der Klägerin:
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Rechtsanwalt Dr. Christof Augenstein ,
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Rechtsanwalt Dr. Benedikt Walesch ,
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Rechtsanwältin Dr. Melissa Lutz
und deren in das vorliegende Verfahren involvierten Teams, einschließlich weitere Rechtsanwälte, Patentanwälte und Unterstützungspersonal;
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- die folgende natürliche Person:
- Herr Raúl Díaz Morales , CEO der Klägerin.
- III. Die in Absatz I. als vertraulich eingestuften Informationen sind von den Vertretern der Klägerin und ihren Teams sowie von der vorgenannten natürlichen Person bis auf weiteres als solche zu behandeln und dürfen außerhalb dieses Gerichtsverfahrens nicht verwendet oder offengelegt werden, es sei denn, sie sind der empfangenden Partei außerhalb dieses Verfahrens zur Kenntnis gelangt, sofern die empfangende Partei sie auf nicht vertraulicher Grundlage aus einer anderen Quelle als von den Beklagten oder den mit ihnen verbundenen Unternehmen erhalten hat und diese Quelle nicht durch eine Vertraulichkeitsvereinbarung mit den Beklagten oder den mit ihnen verbundenen Unternehmen oder durch eine andere Geheimhaltungspflicht gebunden ist.
- III. Bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen diese Anordnung kann das Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessendes Zwangsgeld verhängen.
- IV. Wenn die in Abschnitt II. 1. genannten Vertreter von der Möglichkeit Gebrauch machen, anderen Mitgliedern ihres Teams Zugang zu vertraulichen Informationen zu gewähren, sind sie dafür verantwortlich, dass ihr Team die Vertraulichkeit der Informationen wahrt. Im Falle eines schuldhaften Verstoßes gegen die Vertraulichkeitsverpflich-
tungen würden Dr. Christof Augenstein, Dr. Benedikt Walesch und Dr. Melissa Lutz daher haften. Dies gilt auch für die Verletzung der Geheimhaltungspflicht durch ein Mitglied ihres Teams, dem sie Zugang gewährt haben.
DETAILS DER ANORDNUNG:
App_43001/2024 betreffend das Hauptaktenzeichen ACT_11910/2024
UPC-Nummer: UPC_CFI_99/2024
Verfahrensart: Verletzungsklage
Erlassen in Düsseldorf am 30. August 2024
NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN
Vorsitzender Richter Thomas