
Düsseldorf Lokalkammer UPC_CFI_486/2024
Anordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts Lokalkammer Düsseldorf erlassen am 5. September 2024 betreffend EP 3 685 783 B1
LEITSÄTZE:
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- Weist das Gericht den Antragsteller auf die fehlenden Erfolgsaussichten seines Antrages auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen hin und teilt der Antragsteller daraufhin in seiner anschließenden Stellungnahme mit, für den Fall, dass das Gericht an seiner bisherigen Auffassung festhalte bestehe aus seiner Sicht kein weiterer Erörterungsbedarf in einer mündlichen Verhandlung, kann das Gericht den Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung zurückweisen.
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- Für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen sind neben zeitlichen auch sachliche Umstände von Bedeutung. Vor diesem Hintergrund hat der Antragsteller konkret darzulegen, weshalb seinem Rechtsschutzbegehren nicht bereits mit einer Hauptsacheklage hinreichend Rechnung getragen werden kann und es deshalb der Anordnung einstweiliger Maßnahmen bedarf.
SCHLAGWÖRTER:
Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen; Zurückweisung ohne mündliche Verhandlung; sachliche Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung
ANTRAGSTELLERIN:
Bioletic Holding Gmbh & Co.KG. , gesetzlich vertreten durch die biolitec Holding GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer Dr. Wolfgang Neuberger, Untere Viaduktgasse 69, 1030 Wien, Österreich, vertreten durch:
Rechtsanwalt Paul Szynka, Rechtsanwalt Hannes Jacobsen, Rechtsanwalt Alexander Fischer, CBH Rechtsanwälte, Ismaninger Straße 65a, 81675 München
ANTRAGSGEGNERINNEN:
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- Light Guide Optics Germany GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer Daumants Pfafrods und Arturs Krauklis, Werner-von-Siemens-Str. 39, 53340 Meckenheim, Deutschland
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- S.I.A. LIGHTGUIDE International , vertreten durch die Mitglieder des Executive Board, Herrn Aumants Pfafrods (Chairperson of the Board), Artūrs Krauklis (Member of the Board) und Māris Stafeckis (Member of the Board), Celtniecības iela 8, Līvāni, Līvānu nov., LV-5316, Lettland,
STREITPATENT:
EUROPÄISCHES PATENT NR. EP 3 685 783 B1
SPRUCHKÖRPER/KAMMER:
Spruchkörper der Lokalkammer Düsseldorf
MITWIRKENDE RICHTER:
Diese Anordnung wurde durch den Vorsitzenden Richter Thomas, die rechtlich qualifizierte Richterin Dr. Thom als Berichterstatterin und die rechtlich qualifizierte Richterin Mlakar erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch
GEGENSTAND: R. 209.1., 2. VerfO Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen Zurückweisung ohne mündliche Verhandlung
SACHVERHALT UND STAND DES VERFAHRENS
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 14. August 2024 einen Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen gestellt, mit dem sie von den Antragsgegnerinnen die Unterlassung des Anbietens und Vertreibens sowie die Verwahrung einer optischen Faser zur Behandlung von Venenkrankheiten ('Lightguide Infinity Side Fiber'; nachfolgend die angegriffene Ausführungsform) begehrt.
Die Antragstellerin ist Inhaberin des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung EP 3 685 783 B8 (Anlage CBH 6; nachfolgend: Streitpatent), das auf eine Stammanmeldung vom 02.03.2009, unter Inanspruchnahme von vier Prioritäten (28.02.2008, 08.07.2008,13.10.2008 und 27.02.2009), zurückgeht. Das Streitpatent wurde am 05.05.2019 als dritte Teilanmeldung aus der vorhergehenden zweiten Teilanmeldung EP 15 181 794.7 herausgeteilt. Die Offenlegung der dritten Teilanmeldung erfolgte am 29.07.2020, die Erteilung zum Streitpatent erfolgte am 17.07.2024. Die Antragsgegnerinnen haben sich am Prüfungsverfahren mit insgesamt fünf Einwendungen Dritter (vom 05.11.2020, 07.02.2022, 26.07.2023, 16.10.2023 und 24.11.2023) beteiligt und nunmehr Einspruch gegen das Streitpatent eingelegt.
Die Antragstellerin ist ein Medizintechnik-Unternehmen, das insbesondere Laserfasern für minimal-invasive, schonende Lasertherapien entwickelt. Die Antragsgegnerinnen sind Teil der LIGHTGUIDE International-Gruppe (ehemals 'LGO' bzw. Light Guide Optics). Die Antragsgegnerin zu 1) ist die deutsche Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin zu 2) und fungiert als europäische Vertriebsgesellschaft. Sie tritt im Geschäftsverkehr nach Umfirmierung der Antragsgegnerin zu 2) als 'LIGHTGUIDE Germany GmbH' auf. Die Antragsgegnerin zu 2) ist eine 'Sabiedrība ar ierobežotu atbildību' (GmbH nach lettischem Recht, 'SIA'). Sie tritt mitunter als 'LIGHTGUIDE International Ltd.' oder unter ihrer alten Firma als 'Light Guide Optics International Ltd.', kurz 'LGO', auf.
Die Parteien bzw. deren Konzerne befinden sich in Bezug auf die auch hier maßgebliche Produktund Schutzrechtsfamilie seit dem Jahr 2016 in nationalen patentrechtlichen Auseinandersetzungen. Mehrere Verletzungsklagen, u.a. aus einem Schwesterpatent, sind bei dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Düsseldorf anhängig. Nachdem der Bundesgerichtshof den deutschen Teil des Schwesterpatents eingeschränkt aufrechterhalten hatte, erwirkte die aus dem Konzern der Antragstellerin im Jahr 2021 eine einstweilige Verfügung (LG Düsseldorf 4b O 81/21) gegen die Antragsgegnerin zu 1) und nahm das auf das Schwesterpatent gestützte Verletzungsverfahren wieder auf. Die Antragsgegnerinnen wurden dort antragsgemäß wegen mittelbarer Patentverletzung verurteilt. Sie entwickelten mit der hier angegriffenen Ausführungsform eine Umgehungslösung für das Schwesterpatent. Innerhalb eines Monats nach Erteilung des Streitpatents hat die Antragstellerin den Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen vor der Lokalkammer Düsseldorf eingereicht.
Zur sachlichen Notwendigkeit der Anordnung einstweiliger Maßnahmen hat die Antragstellerin im Wesentlichen ausgeführt, sie habe die angegriffene Ausführungsform als Umgehungslösung zum Schwesterpatent bis zur Erteilung des Streitpatents hinnehmen müssen. Die angegriffene Ausführungsform habe jedoch bereits in den vergangenen Jahren ein direktes Konkurrenzprodukt zu dem Produktportfolio des Konzerns der Antragstellerin dargestellt. Jede Bestellung der angegriffenen Ausführungsform habe damit eine Nachfrage bedient, die sonst die Antragstellerin hätte bedienen können und begründe damit einen erheblichen Schaden für die Antragstellerin. Für einen effektiven Rechtsschutz bedürfe es mithin der Anordnung einstweiliger Maßnahmen. Allein mit einem Hauptsacheverfahren ließe sich der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform erst in etwa einem Jahr verhindern.
Mit Anordnung vom 15. August 2024 hat die Berichterstatterin die Antragstellerin aufgefordert, ergänzend zur sachlichen Notwendigkeit einstweiliger Maßnahmen vorzutragen. Auf den Inhalt der Anordnung (ORD_47228/2024) wird Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 19. August 2023 ergänzend vorgetragen:
Es spreche aus Sicht der Antragstellerin insbesondere für die sachliche Notwendigkeit der Anordnung einstweiliger Maßnahmen, dass sie die Existenz der angegriffenen Ausführungsform als direktes Konkurrenzprodukt bereits über einen längeren Zeitraum - in dem noch kein Patentschutz bestand - habe hinnehmen müssen und gegen die Antragsgegnerinnen nicht habe vorgehen können. So sei entscheidend, dass der Antragstellerin aufgrund eines unmittelbaren Konkurrenzproduktes Gewinn entgehe, der im Rahmen einer Schadensersatzforderung aber aufgrund von bekannten Schwierigkeiten in der Kausalkette und bei der Kalkulation praktisch nicht durchsetzbar sei. Der Unterlassungsanspruch fange diese Kompensationslücke auf. So stelle sich die Antragstellerin die Frage, welche Anwendungsfälle für einstweilige Anordnungen i.S.d. R. 206 ff. VerfO verbleiben, wenn wirtschaftliche Schäden per se nicht ausreichen sollten. Auch die längere Restlaufzeit des Streitpatents spreche nicht gegen eine Unterlassungsanordnung. Andernfalls wäre der gesetzlich vorgesehene Unterlassungsanspruch grundsätzlich obsolet, da er stets wirtschaftlich kompensiert werden könne. Die Antragstellerin verweist darauf, dass sie in der Vergangenheit die hier maßgebliche Schutzrechtsfamilie im Verhältnis zu den Antragsgegnerinnen stets konsequent und zügig durchgesetzt habe. Die ergangenen Urteile hätten die Marktsituation der Antragstellerin jedoch nur in begrenztem Umfang gesichert. Nach Einschränkung des Schwesterpatents habe nur noch eine nationale Verurteilung aus mittelbarer Patentverletzung erreicht werden können. Zudem hätten die Antragsgegnerinnen die angegriffene Ausführungsform in der Folge als Umgehungslösung entwickelt, die nun mit Erteilung des vorliegenden Streitpatents erstmals verfolgt werden könne.
Ergänzend hat die Antragstellerin in ihrer Eingabe vom 19. August 2024 erstmals angeführt, aufgrund der Messeauftritte in der Vergangenheit stünde zu erwarten, dass die Antragsgegnerinnen die angegriffene Ausführungsform auch im November 2024 auf der Leitmesse 'MEDICA/Compamed' in Düsseldorf ausstellen werden. Mit einem Hauptsacheverfahren ließen sich die der Antragstellerin wegen des Auftritts der Antragsgegnerinnen auf der MEDICA 2024 - ggf. auch über die MEDICA 2025 - entgehende Nachfrage und damit einhergehende Marktanteilsverluste der Antragstellerin nicht verhindern. Ein weiterer wichtiger Absatzkanal bestehe in Ausschreibungen. Diese Ausschreibungen beträfen etwa die längerfristige Belieferung von Krankenhäusern (oder ähnlichen Gesundheitseinrichtungen) und damit jeweils hohe Stückzahlen der hier betroffenen Produkte über längere Zeiträume. Hinzu komme, dass es sich bei den hier streitgegenständlichen Produkten um medizintechnische Vorrichtungen handele, die von Ärzten eingesetzt würden. In der Branche bestehe eine besonders hohe Kundenbindung, da die praktizierenden Ärzte grundsätzlich nicht 'experimentierfreudig' seien und es mithin bevorzugen, Produkte zu verwenden, mit denen sie bereits erfolgreich therapiert haben. Die Antragstellerin könne einmal verlorene Kundenbeziehungen oder ihrerseits noch unerschlossene, aber durch die Antragsgegnerinnen belieferte Kundengruppen nicht oder nur unter Schwierigkeiten (zurück-)gewinnen.
Die Berichterstatterin hat in ihrer Anordnung vom 21. August 2024 erneut darauf hingewiesen, dass der Vortrag zur sachlichen Notwendigkeit nicht ausreichend ist, um eine Anordnung im einstweiligen Verfügungsverfahren zu begründen.
Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, bei dem Vorliegen direkter Konkurrenzprodukte handele es sich regelmäßig um die klassische Konstellation in einem Patentverletzungsfall. Dieser werde mit der möglichen Erhebung einer Hauptsacheklage Rechnung getragen. Mit dem Fall 'Verschüttungsgerät II' (EPG (LK Düsseldorf), GRUR 2024, 932) sei der hiesige Fall nicht vergleichbar, weil keine Geschäftsabschlüsse über Saisonware, die mehrere Jahre den Markt sättigen, in Rede stünden. Der Hinweis der Antragstellerin auf die in ca. 3 Monaten stattfindenden Messen 'MEDICA/Compamed' rechtfertige keine andere Bewertung. Die bloße allgemeine Erwartung eines möglichen Angebots der angegriffenen Ausführungsform auf einer in ferner Zukunft stattfindenden Messe
stelle keine geeignete Grundlage für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen dar. Sie rechtfertige insbesondere keine Anordnung einstweiliger Maßnahmen 'auf Vorrat'. Ferner halte es die Berichterstatterin für zweifelhaft, dass bei zeitnaher Einreichung einer Hauptsacheklage die lediglich vermutete Ausstellung der angegriffenen Ausführungsform stattfinden dürfte, zumal die Antragsgegnerinnen bereits Einspruch gegen das Streitpatent eingelegt haben. Ferner sei ein aktuell andauernder oder zu erwartender Schaden der Antragstellerin mit Ausmaßen, die eine Kompensation im Hauptsacheverfahren nicht mehr angemessen erwarten lassen, weiterhin nicht ersichtlich. Die behauptete Kundenbindung bestehe bereits. Die verlorenen Kundenbeziehungen oder unentschlossene, aber bereits belieferte Kunden würden durch eine Unterlassungsanordnung nicht effektiver zurückgewonnen als durch einen Unterlassungstitel in der Hauptsache, zumal es sich um Produkte für die einmalige Verwendung auf dem europäischen Markt handele. Die Sättigung des Marktes für ein halbes Jahr oder ein Jahr dürfte gerade mit Blick auf die Restlaufzeit des Streitpatents durch einen Titel in der Hauptsache angemessen kompensiert werden können. Eine Intensivierung eines Schadens bei einer bisherigen Laufzeit von vier Wochen sei schwer ersichtlich. Schließlich hat die Berichterstatterin auch nicht der Ansicht der Antragstellerin beizutreten vermocht, eine einstweilige Unterlassungsanordnung diene als Kompensation für eine mögliche Schadensberechnungsart des entgangenen Gewinns.
Auf den weiteren Inhalt der Anordnung der Berichterstatterin vom 21. August 2024 (ORD_47991/2024) wird Bezug genommen.
Mit Eingabe vom 23. August 2024 hat die Antragstellerin die Rücknahme des Antrages abgelehnt.
Sie meint, das Gericht könne im Rahmen des ihm gemäß Regel 209.1 VerfO zustehenden Ermessens bereits jetzt über den Antrag entscheiden, sofern es an seiner Auffassung festhalte. Aus ihrer Sicht bedarf es weder einer Stellungnahme der Antragsgegnerinnen noch einer mündlichen Verhandlung nur mit der Antragstellerin (Regel 201.1 (a), (c) VerfO). Da die Antragsgegnerinnen nicht beschwert seien, könne so mit Blick auf den Eilcharakter des Antrags die Zurückweisung alsbald Gegenstand eines Berufungsverfahrens sein.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die weiteren Ausführungen in der Eingabe vom 23. August 2024 Bezug genommen.
Anträge
Die Antragstellerin stellt den Antrag, nach Anhörung der Antragsgegnerinnen, folgende Anordnung zu erlassen:
- I. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben, es zu unterlassen, Vorrichtungen für die endoluminale Behandlung von venösen Insuffizienzen,
in den Hoheitsgebieten der Republik Österreich, des Königreichs Belgien, der Republik Bulgarien, des Königreichs Dänemark, der Republik Estland, der Republik Finnland, der Französischen Republik, der Bundesrepublik Deutschland, der Italienischen Republik, der Republik Lettland, der Republik Litauen, des Großherzogtums Luxemburg, der Republik Malta, des Königreichs der Niederlande, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien und/oder des Königreichs Schweden
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen, wenn diese aufweisen eine biegsame optische Faser, die eine Längsachse bestimmt, ein optisch mit einer Strahlungsquelle verbindbares proximales Ende und ein von der Vene aufnehmbares distales Ende, das Strahlung emittierende Oberflächen der optischen Faser aufweist, die dazu eingerichtet sind, Strahlung von der Strahlungsquelle bezüglich der Längsachse der optischen Faser in seitliche Richtung und radial und umfänglich auf einen sich über einen Winkelbereich erstreckenden Abschnitt der umgebenden Vene zu emittieren, und eine im Wesentlichen transparente Kappe aufweist, die die emittierenden Oberflächen einschließt und die durch Verschmelzen an der optischen Faser befestigt ist und daran dicht angebracht ist wenn dies geschieht wie folgt:

- II. Für jede einzelne Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Anordnung haben die Antragsgegnerinnen ein (ggf. wiederholtes) Zwangsgeld i.H.v. € 5.000,00 pro Erzeugnis und/oder bei Dauerhandlungen wie beispielsweise Angeboten im Internet von bis zu € 5.000,00 pro Tag an das Gericht zu zahlen.
- III. Den Antragsgegnerinnen wird weiter aufgegeben, die unter Ziffer I. bezeichneten Vorrichtungen an einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Verwahrung herauszugeben, die andauert, bis über das Bestehen eines Vernichtungsanspruchs zwischen den Parteien rechtskräftig entschieden oder eine einvernehmliche Regelung herbeigeführt worden ist.
GRÜNDE DER ANORDNUNG:
Der Antrag auf Anordnung auf Erlass einstweiliger Maßnahmen ist mangels sachlicher Notwendigkeit zurückzuweisen.
I.
Die Kammer ist mit der Antragstellerin der Auffassung, dass eine Zurückweisung des Antrags ohne Anhörung der Antragsgegnerinnen und ohne mündliche Verhandlung im Rahmen ihres Ermessens nach Regel 209.1 (a) - (c), 2 VerfO möglich ist.
Grundsätzlich hat die Kammer Ermessen, wie sie das Verfahren über die Anordnung einstweiliger Maßnahmen führt. Regel 209.1 (a) - (c) VerfO beschreibt im Grundsatz drei Szenarien. Die Kammer kann
- -den Antragsgegner zum Einspruch auffordern,
- -die Parteien zur mündlichen Verhandlung laden oder
- -den Antragsteller zu einer mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Antragsgegners laden.
Ergänzend dazu führt Regel 209. 2 VerfO mehrere Gesichtspunkte an, welche das Gericht bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen hat. Neben der Dringlichkeit der Klage (b) wird hier ebenfalls in Ziffer (c) angeführt, ob der Antragsteller einstweilige Maßnahmen ohne Anhörung des Antragsgegners beantragt hat und ob die Gründe für die Nichtanhörung überzeugend erscheinen.
Im Zusammenhang mit Absatz 1 der Regel 209 VerfO fällt auf, dass die ausdrückliche Aufzählung immer Szenarien betrifft, in denen die Kammer nicht sofort entscheidet. Der Antragsgegner soll sich entweder schriftlich äußern oder beide Parteien sollen mündlich verhandeln oder der Antragsteller allein soll mündlich gehört werden. Aus Regel 209.2 (c) VerfO wird im Umkehrschluss gefolgert, dass ein Antrag des Antragstellers nicht zwingend für die Entscheidung des Gerichts ohne Anhörung des Gegners zu entscheiden, erforderlich ist, sondern dass das Gericht diese Entscheidung vielmehr auch ohne einen solchen Antrag treffen kann (vgl. Tilmann/Plassmann/v.Falck/Dorn, Einheitspatent/Einheitliches Patentgericht, EPGVerfO Regel 209, Rn. 13). Dies muss erst recht gelten, wenn das Gericht ohne eine Anhörung des Antragsgegners zu seinen Gunsten entscheidet.
Im vorliegenden Fall sprechen für eine mögliche Zurückweisung des Antrags ohne Anhörung der Antragsgegnerinnen und ohne mündliche Verhandlung allein mit der Antragstellerin folgende Gründe:
Die Antragsgegnerinnen obsiegen, ohne dass es ihrer Beteiligung bedarf. Sie werden durch die Zurückweisung ihres Antrages auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen nicht beschwert. Insoweit liegt auch keine Verletzung rechtlichen Gehörs vor, weil ihre Interessen gewahrt bleiben. Sie kommen zu ihrem Recht, ohne dass es ihrerseits einer Verteidigung bedarf. Ferner kommt hinzu, dass die Antragstellerin zu Recht nicht auf einer mündlichen Verhandlung nur mit ihrer Beteiligung besteht (R. 209 1.c) VerfO). Zu der allein entscheidenden Rechtsfrage hat das Gericht bereits zwei Anordnungen erlassen und die Antragstellerin zwei Schriftsätze geschrieben. Eine mündliche Verhandlung allein mit der Antragstellerin wäre unnötige Förmelei, weil hier mehr als eine mündliche Wiederholung des bisherigen Vorbringens nicht zu erwarten ist. Prozessökonomisch und von Erwägung 4 der Präambel der Verfahrensordnung getragen ist es daher, die knappen Ressourcen des Gerichts nicht unnötig hinsichtlich einer gemeinsamen Terminsfindung für eine - gegebenenfalls auch mögliche - Videoverhandlung zu binden, die weder einen weiteren Erkenntnisgewinn verspricht noch von Antragstellerseite gewollt ist. Hinzu tritt, dass die Antragstellerin voraussichtlich Rechtsanwaltskosten spart, da kein Termin wahrgenommen werden muss.
II.
In der Sache ist weiterhin keine sachliche Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung zu erkennen.
Gemäß R. 206.2 (c) VerfO muss der Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen unter anderem die Gründe enthalten, warum einstweilige Maßnahmen notwendig sind, um eine drohende Verletzung oder die Fortsetzung einer angeblichen Verletzung zu verhindern oder die Fortsetzung an die Stellung von Sicherheiten zu knüpfen. Für die Notwendigkeit der Anordnung einstweiliger Maßnahmen sind nach der Verfahrensordnung neben zeitlichen auch sachliche Umstände von Bedeutung. Dass in die Entscheidung über die Anordnung einstweiliger Maßnahmen auch sachliche Umstände einzufließen haben, ergibt sich etwa aus Regel 211.3 VerfO, wonach bei der Entscheidung über den Anordnungsantrag insbesondere auch der mögliche Schaden, der dem Antragsteller erwachsen kann, zu berücksichtigen ist. Der mögliche Schaden des Antragsgegners ist demgegenüber bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen (UPC_CFI_2/2023 (LK München), Anordnung v. 19.09.2023, GRUR 2023, 1513, 1525 - Nachweisverfahren; UPC_CFI_452/2024 (LK Düsseldorf), Anordnung v. 09.04.2024, S. 27, GRUR-RS 2024, 7207, Rz. 124 - Orthovox v. Mammut; UPC_CFI_463/2024 (LK Düsseldorf), Anordnung v. 30.04.2024 - 10x Genomics v. Curio Bioscience). Die Anordnung einstweiliger Maßnahmen ist dann sachlich notwendig, wenn den Interessen der Antragstellerin im zu entscheidenden Einzelfall aus besonderen Umständen nicht mit einem Titel in der Hauptsache genüge getan werden kann.
- Dies vorausgeschickt ist die sachliche Notwendigkeit der Anordnung einstweiliger Maßnahmen
-
- weiterhin nicht ersichtlich.
- Zunächst wird ausdrücklich auf den Inhalt der Anordnungen der Berichterstatterin vom 15. August 2024 (ORD_47228/2024) sowie vom 21. August 2024 (ORD_47991/2024) Bezug genommen, dem
- a) sich die Kammer vollumfänglich anschließt und sich zu eigen macht.
b) Die sich zum Teil wiederholenden Ausführungen der Antragstellerin vermögen keine sachliche Notwendigkeit zu begründen. aa) Wie bereits ausgeführt unterscheidet sich der hiesige Fall von dem der Entscheidung 'Verschüt- tungssuchgerät II' zugrundeliegenden Sachverhalt.
Während die vorgenannten Entscheidung eine Messesache behandelt, hat die Antragstellerin nach der ersten Anordnung des Gerichts die anstehende Messe 'nachgeschoben', ohne konkrete Anhaltspunkte dafür vorlegen zu können, ob die Antragsgegnerinnen die angegriffene Ausführungsform überhaupt ausstellen werden. Die Ausführungen der Antragstellerin beziehen sich allesamt auf Ausstellungen auf Messen im Jahr 2023 und deren Abbildungen in Social Media und haben keinen Bezug zur 'MEDICA'/'Compamed' im November 2024. Selbst wenn man mit der Antragstellerin aufgrund des Angebots der angegriffenen Ausführungsform im Internet eine Fortsetzung einer Verletzung annehmen wollte, vermag dies für sich genommen zunächst einmal nur einen Unterlassungsanspruch zu begründen. Für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen bedarf es jedoch weiterer, bereits mehrfach angeführter Voraussetzungen.
Sofern sich die Antragstellerin vor diesem Hintergrund auf die ihr bekannten Umstände beruft, die allgemeine Lebenserfahrung bemüht und meint, es sei nicht davon auszugehen, dass die Antragsgegnerinnen sich von einer Hauptsacheklage beeindrucken ließen, verhält sie sich schon nicht dazu, ob sie die Antragsgegnerinnen nach Erteilung des Streitpatents abgemahnt hat und ob und
wie diese reagiert haben. Für eine solche Abmahnung stand nach Erteilung des Streitpatents auch im Rahmen der von der Antragstellerin zugrunde gelegten Dringlichkeitsfrist von einem Monat gerade auch in Ansehung einer Messe im Herbst ausreichend Zeit zur Verfügung.
bb) Selbst wenn man alles zuvor Gesagte der Antragstellerin ausreichen ließe, hat es die Antragstellerin jedenfalls auch nicht vermocht, einen aktuell andauernden oder zu erwartenden Schaden darzulegen, der im Fall der fehlenden Anordnung einstweiliger Maßnahmen solche Ausmaße annimmt, die eine Kompensation im Hauptsacheverfahren nicht mehr angemessen erwarten lassen.
Sofern die Antragstellerin meint, die Marktsättigung von ca. einem halben Jahr bis zu einem Jahr beziehe sich auf Endabnehmer, sie vertreibe aber ihre Produkte über Zwischenhändler, folgt daraus nichts Anderes. Sie führt an, dass allein der für die Antragsgegnerinnen in Frankreich tätige Distributor LSO nach Schätzung der Antragstellerin jährlich über 120.000 angegriffene Ausführungsformen auf den Markt bringe und diese entsprechend bevorrate. Dies ergebe sich aus der schriftlichen Zeugenaussage von (Anlage CBH 50). Der Zeuge äußert aber lediglich die Vermutung, dass eine entsprechende Bevorratung bei Kunden oder eine deutliche Steigerung des Vorrats bei LSO und anderen vergleichbaren Distributoren, die dementsprechend auch einen längeren Zeitraum der Marktversorgung abdeckt, ohne Weiteres möglich und ggf. sogar zu erwarten ist. Damit ist weder etwas Genaues über den konkreten Zeitraum der Bevorratung ausgesagt, noch, wie hoch ein durchschnittlicher Verbrauch der angegriffenen Ausführungsform ist, die nur einmal benutzt und dann entsorgt wird.
Auch der pauschale Hinweis auf andauernde Ausschreibungen, die als Basis in Italien für weitere Ausschreibungen vorgesehen sind und die zu langfristigen Bindungen führen können, ist nicht ausreichend, um die oben genannten Schäden zu belegen.
Wenn die Antragstellerin ausführt, nach ihrer Auffassung sei der im Rahmen der Notwendigkeitsprüfung zu berücksichtigende Schaden nicht auf die Laufzeit eines erst vor kurzem erteilten Patents zu beschränken, setzt sie ihre Auffassung lediglich an die Stelle derer der Kammer.
Sofern die Antragstellerin auf die Entscheidung der Lokalkammer in Den Haag vom 31. Juli 2024 (Anlage CBH 51, 51a) verweist, ist aus dem angeführten Abschnitt nicht ersichtlich, dass die Lokalkammer die sachliche Notwendigkeit nach den oben genannten, inhaltlichen Kriterien überhaupt geprüft hat.
Ferner sieht sich die Kammer in einer Linie mit der Entscheidung der Lokalkammer München (Anordnung vom 27. August 2024, UPC_CFI_74/2024 - Hand Held Products v. Scandit). Dort sah das Gericht einen erheblichen langfristigen Schaden drohen, der zu kaum mehr rückgängig zu machenden Verlusten an Marktanteilen der dortigen Antragstellerin führte, wobei die dortige Antragsgegnerin über die Hälfte der führenden Unternehmen in dem streitgegenständlichen Technologiebereich belieferte und die streitgegenständliche Technologie auf mehr als 150 Millionen Geräte eingesetzt wurde. Die Abnehmer schulten ihre Mitarbeiter für die Benutzung der erworbenen Technologie, so dass sie kurz- und mittelfristig davon absahen, ein anderes Produkt zu erwerben. In einem solchen speziellen Fall ist die Wertung gerechtfertigt, dass der Verlust der Marktanteile nicht mehr rein monetär ausgeglichen werden kann, eine einstweilige Unterlassungsanordnung jetzt zu erfolgen hat und keine Entscheidung auf Unterlassung in der Hauptsache abgewartet werden kann.
Im Gegensatz dazu ist hier weder ein exorbitant großer Schaden dargetan noch gehen die Aussagen der Antragstellerin hinsichtlich der Kundenbindung von Ärzten und Zeiträumen von Bevorratungen über Vermutungen oder vage Einschätzungen hinaus.
III. Die Antragstellerin hat gemäß Regel 118.5 VerfO analog die Kosten zu tragen.
Hinsichtlich der Kostentragung liegt eine unbeabsichtigte Regelungslücke vor. Bleibt der Antrag auf einstweilige Maßnahmen auch mit der Berufung erfolglos, wird die Antragstellerin voraussichtlich von einer Klage in der Sache absehen. Die in Regel 213.1 VerfO normierte Pflicht zur Klageerhebung entfällt dann. Das bedeutet, dass es in einer solchen Situation keine Sachentscheidung im Sinne von R. 118.5 Verfahrensordnung und damit auch keine Möglichkeit der Kostenentscheidung gibt. In Ermangelung von Alternativen dürfte dies eine unbeabsichtigte Lücke sein, die den Weg für eine entsprechende Anwendbarkeit von Regel 118.5 VerfO frei gibt.
ANORDNUNG:
- I. Der Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen wird zurückgewiesen.
- II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
- III. Die Berufung wird zugelassen.
DETAILS DER ANORDNUNG:
ORD_47991/2024 zum Hauptaktenzeichen ACT_47064/2024
UPC-Nummer: UPC_CFI_486/2024
Verfahrensart: Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen
Erlassen in Düsseldorf am 5. September 2024
NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN
Vorsitzender Richter Thomas

Rechtlich qualifizierte Richterin Dr. Thom
Rechtlich qualifizierte Richterin Mlakar
für die Kanzlei Boudra-Seddiki
Anna Bérénice Dr. THOM
Digital unterschrieben von Anna Bérénice Dr. THOM Datum: 2024.09.05 14:40:42 +02'00'
Rachida Boudra- Seddiki
Digital unterschrieben von Rachida Boudra- Seddiki
Datum: 2024.09.05
14:41:41 +02'00'
Mojca unterschrieben Mlakar Digital von Mojca Mlakar Datum: 2024.09.05 14:42:31 +02'00'