
Lokalkammer München UPC_CFI_127/2024
Verfahrensanordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts Lokalkammer München erlassen am 11. September 2024
LEITSÄTZE
Von einer nur unrichtigen Bezeichnung einer beklagten Partei ist die Benennung einer nicht existenten oder nicht parteifähigen Person als beklagte Partei zu unterscheiden.
Ist die Klage gegen eine nicht existente oder eine nicht parteifähige Person gerichtet und teilt der Kläger später die richtige beklagte Partei mit einer zustellungsfähigen Anschrift mit, ist auf seinen Antrag hin eine Parteiberichtigung im Wege einer analogen Anwendung von Regel 305 VerfO vorzunehmen.
KLÄGERIN
Headwater Research LLC , vertreten durch ihren Inhaber Dr. Gregory Raleigh, 110 North College Avenue, Suite 1116, Tyler, TX 75702, USA, vertreten durch:
Rechtsanwalt Schneider und alle weiteren beim EPG zugelassenen Rechtsanwälte der Kanzleich Eisenführ Speiser, Gollierstraße 4, 80339 München
BEKLAGTE
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- Motorola Mobility LLC , vertreten durch den President Sergio Buniac, 222 West Merchandise Mart Plaza, Suite 1800, Chicago, Illinois, IL 60654, USA
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- Motorola International Sales LLC , vertreten durch den President Sergio Buniac, 222 West Merchandise Mart Plaza, Suite 1800, Chicago, Illinois, IL 60654, USA
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- Motorola Mobility Germany GmbH , vertreten durch die Geschäftsführer Rembert Yarom Meyer-Rochow und Björn Simski, Meitnerstraße 9, 70563 Stuttgart, Bundesrepublik Deutschland
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- Digital River Ireland, Ltd. , vertreten durch den Managing Director Ryan Douglas, Dromore House, East Park, Shannon, County Clare, V14 AN23, Republik Irland
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- Flextronics International Europe B.V. , Phase 9 Building, Nobelstraat 10-14, Oostrum, 5807 GA, Niederlande,
Beklagte zu 1) vertreten durch:
Rechtsanwältin Dr. Bayerl, Freshfiels Bruckhaus Deringer Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB, Maximiliansplatz 13, 80333 München
Beklagte zu 2) bis 4) vertreten durch:
Rechtsanwältin Werlin, zustellungsbevoll- mächtigt: Rechtsanwältin Dr. Bayerl, beide Freshfiels Bruckhaus Deringer Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB, Maximiliansplatz 13, 80333 München
STREITPATENT
Europäisches Patent Nr. EP 3 110 072
SPRUCHKÖRPER/KAMMER
Spruchkörper 2 der Lokalkammer München
MITWIRKENDE RICHTER/INNEN
Diese Anordnung wurde durch den Richter Dr. Voß als Berichterstatter erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
GEGENSTAND DES VERFAHREN
Verletzungsverfahren - Anträge nach Regel 362 VerfO, Regel 305.1 (c) VerfO und auf Rubrumsberichtigung
SACHVERHALT
Die Klägerin reichte am 22. März 2024 Klage wegen Patentverletzung ein. Neben den Beklagten zu 1) bis 4) bezeichnete sie in der Klageschrift auch eine 'Lenovo EMEA DC' als Beklagte zu 5) mit der Anschrift
Phase 9 Building, c/o Flextronics BV, Nobelstraat 10 - 14, Oostrum, 5807 GA, Niederlande.
Die Zustellung an die 'Lenovo EMEA DC' wurde unter der angegebenen Anschrift veranlasst. Die Sendungsverfolgung des Postdienstleisters enthält die Mitteilung, dass die Sendung mithin die Klageschrift - am 10. April 2024 zugestellt worden sei (Anlage ES 16c).
Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2024 teilten die Beklagten zu 1) bis 4) ihre Auffassung mit, die Beklagte zu 5) sei nicht parteifähig, weshalb der Klage ein absolutes Verfahrenshindernis entgegenstehe. Weder sei ihnen eine solche Gesellschaft mit dem Namen 'Lenovo EMEA DC' bekannt, noch kenne das niederländische Gesellschaftsrecht die Rechtsform einer 'DC', vielmehr dürfte es sich dabei um ein 'Distribution Center' handeln. Sofern die Klägerin die Klage gegen die 'Flextronics International Europe B.V.' gerichtet haben will, sei dies gerade nicht erkennbar gewesen. Es handele sich nicht nur um eine geringfügige Änderung der Benennung der Beklagten zu 5). Aus der Klageschrift ergebe sich nur, dass die Klägerin die Beklagte zu 5) für ein Unternehmen der Lenovo-Unternehmensgruppe gehalten habe, das in den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform involviert gewesen sei. Daraus sei nicht erkennbar, dass ein anderes Unternehmen als die 'Lenovo EMEA DC' gemeint gewesen sei. Dies ergebe sich auch aus dem c/o-Zusatz der Anschrift, wonach der Zustellungsempfänger unter einer fremden Anschrift erreichbar sei. Adressat sei aber die Person vor dem c/o-Zusatz, also die 'Lenovo EMEA DC', nicht aber eine 'Flextronics BV', an deren Anschrift offensichtlich die Zustellung erfolgen sollte. Etwas anderes lasse auch dem Lieferschein nicht entnehmen. Ohnedies könne von der Anschrift nicht auf die wahre Beklagte geschlossen werden, weil unter der Anschrift auch die "[…]" sowie die "[…]" residierten. Dass die Klage gegen die falsche Beklagte zu 5) erhoben worden sei, beruhe allein auf der Nachlässigkeit der Klägerin. Eine Rubrumsberichtigung komme daher nicht in Betracht, aber auch für einen Parteiwechsel analog lägen die Voraussetzungen nicht vor.
Die Klägerin ist hingegen der Ansicht, es sei lediglich der Name der Beklagten zu 5) fehlerhaft angegeben, so dass das Rubrum zu berichtigen sei. Tatsächlich sei von Anfang an die 'Flextronics International Europe B.V.' gemeint gewesen. Dies sei für die Beklagte zu 5) und das Gericht auch erkennbar gewesen. Gegen wen sich die Klage richte, sei bei unklarer Parteibezeichnung anhand des gesamten Inhalts der Klageschrift und der Anlagen durch Auslegung zu ermitteln. Demnach sei eindeutig gewesen, dass die Klage gegen die juristische Person, die das Lenovo-Logistikzentrum betreibe, den Lieferschein ausgestellt habe und das Testgerät gesandt habe, gerichtet sei. Das sei die vorerwähnte 'Flextronics International Europe B.V.', deren Sitz sich auch an der in der Klageschrift angegebenen Adresse befinde. Sie - die Klägerin - habe die Bezeichnung und Anschrift lediglich aus dem Lieferschein übernommen. Es handele sich um eine von der Beklagten zu 5) zu verantwortende Falschbezeichnung. Zwischen der Beklagten zu 5) und der Lenovo-Gruppe bestünden zudem enge und langjährige Geschäftsbeziehungen. Selbst wenn man davon ausginge, dass sie die Klägerin - eine nicht existierende Partei verklagt habe, sei diese durch die 'Flextronics International Europe B.V.' gemäß Regel 305.1 (c) VerfO analog zu ersetzen. Einer erneuten Zustellung bedürfte es nicht, weil eine Zustellung ausweislich der Sendungsverfolgung erfolgt sei.
Weiterhin hat die Klägerin mitgeteilt, dass die Beklagte zu 3) ihren Geschäftssitz nach Stuttgart verlegt habe, und beantragt auch insoweit Rubrumsberichtigung.
ANTRÄGE
Die Beklagten zu 1) bis 4) beantragen, festzustellen, dass die Beklagte zu 5) nicht parteifähig im Sinne von Art. 46 des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht ("EPGÜ") ist und der Fortführung des Verfahrens im Hinblick auf die Beklagte zu 5) daher gemäß Regel 362 der Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts ("VerfO EPG") ein absolutes Verfahrenshindernis entgegensteht, und die Zurückweisung der insoweit offensichtlich unzulässigen Ansprüche anzuordnen.
Die Klägerin beantragt,
- I.1 das Rubrum betreffend die Beklagte zu 5) wie folgt zu berichtigen:
von bisher
Lenovo EMEA DC, Phase 9 Building, c/o Flextronics BV, Nobelstraat 10-14, Oostrum, 5807 GA, Niederlande in korrekt
Flextronics International Europe B.V., Phase 9 Building, Nobelstraat 10-14, Oostrum, 5807 GA, Niederlande
- I.2 hilfsweise die Beklagte zu 5) gemäß R. 305 Abs. 1 lit. c VerfO analog durch eine andere Partei zu ersetzen wie folgt.
von bisher
Lenovo EMEA DC, Phase 9 Building, c/o Flextronics BV, Nobelstraat 10-14, Oostrum, 5807 GA, Niederlande,
in korrekt
Flextronics International Europe B.V., Phase 9 Building, Nobelstraat 10-14, Oostrum, 5807 GA, Niederlande und anzuordnen, dass die Beklagte zu 5) an den bisherigen Verfahrensstand gebunden ist.
- II. den Geschäftssitz der Beklagten zu 3) im Rubrum wie folgt zu berichtigen:
von bisher
Motorola Mobility Germany GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer Rembert Yarom Meyer-Rochow und Björn Simski, Vorstadt 2, 61440 Oberursel, Bundesrepublik Deutschland
in korrekt
Motorola Mobility Germany GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer Rembert Yarom Meyer-Rochow und Björn Simski, Meitnerstraße 9, 70563 Stuttgart, Bundesrepublik Deutschland.
Die Beklagten zu 1) bis 4) halten an ihren Anträgen fest und beantragen zusätzlich,
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- den Antrag der Klägerin auf Rubrumsberichtigung hinsichtlich der Beklagten zu 5) zurückzuweisen,
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- den hilfsweisen Antrag der Klägerin auf Zulassung der Parteiersetzung zurückzuweisen,
hilfsweise zu 1. und 2.
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- festzustellen, dass die Klageschrift an die 'Flextronics International Europe B.V.' bisher nicht zugestellt wurde,
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- zu bestimmen, dass die "Flextronics International Europe B.V." an den bisherigen Verfahrensstand nicht gebunden ist.
GRÜNDE FÜR DIE ANORDNUNG
Der Antrag der Beklagten zu 1) bis 4), hinsichtlich der Beklagten zu 5) mangels Parteifähigkeit ein absolutes Verfahrenshindernis festzustellen, hat in der Sache keinen Erfolg. Allerdings liegt hinsichtlich der Beklagten zu 5) auch nicht nur ein Fall der Rubrumsberichtigung wegen einer Falschbezeichnung vor. Vielmehr ist eine Parteiberichtigung in analoger Anwendung von Regel 305 VerfO vorzunehmen. Allerdings kann in keinem Fall eine wirksame Zustellung festgestellt werden, so dass die Beklagte zu 5) nicht gehalten ist, das Verfahren beim derzeitigen Stand fortzuführen. Stattdessen ist die Klage der Beklagten zu 5) unter der richtigen Bezeichnung zuzustellen. Dem Antrag auf Rubrumsberichtigung hinsichtlich der Beklagten zu 3) war nachzukommen.
Dem Antrag der Beklagten zu 1) bis 4) festzustellen, dass die Beklagte zu 5) nicht parteifähig ist und der Fortführung des Verfahren im Hinblick auf die Beklagte zu 5) ein absolutes Verfahrenshindernis entgegensteht, vermag das Gericht nicht nachzukommen.
Gemäß Regel 362 VerfO kann das Gericht jederzeit auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen, nachdem den Parteien rechtliches Gehör gewährt worden ist, entscheiden, dass der Fortführung des Verfahrens ein absolutes Verfahrenshindernis entgegensteht.
b)
Der Begriff 'absolutes Verfahrenshindernis' wird von der Verfahrensordnung nicht näher definiert. Die Regelung nennt nur den Grundsatz der Rechtskraft als Beispiel. In der Literatur wird vertreten, dass auch die Klage gegen eine nicht gemäß Art. 46 EPGÜ parteifähige Person ein absolutes Verfahrenshindernis darstelle (Tilmann/Plassmann, Einheitspatent, Einheitliches Patentgericht, 2024, VerfO Regel 362, Rn. 4). Ob diese Auffassung zutrifft, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, steht die Entscheidung, dass der Fortführung des Verfahrens ein absolutes Verfahrenshindernis entgegensteht, im Ermessen des Gerichts. Sie wird vom Spruchkörper auf Vorschlag des Berichterstatters erlassen, Regel 363.1 VerfO.
c)
In Ausübung dieses Ermessen bedarf es im vorliegenden Fall jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt noch keiner Entscheidung, dass der Fortführung des Verfahrens ein absolutes Verfahrenshindernis entgegensteht.
aa)
Sollte die Klägerin die Beklagte zu 5) lediglich falsch bezeichnet haben, so dass nur die Parteibezeichnung unter den vom Berufungsgericht aufgestellten Voraussetzungen zu berichtigen ist (Order. v. 03.04.2024, APL_588420/2023 = UPC_CoA_433/2023, Rn. 13), ist für eine Entscheidung nach Regel 362 VerfO ohnehin kein Raum.
bb)
Aber auch wenn die Klägerin mit der 'Lenovo EMEA DC' eine nicht existente oder nicht parteifähige Person verklagt hat, kommt eine Parteiberichtigung oder Parteiänderung in Betracht. Die Verfahrensordnung lässt eine solche Parteiänderung oder Parteiberichtigung im Falle einer Klage gegen eine nicht parteifähige Person zu.
(1)
Der Mangel der Parteifähigkeit kann sich in der Regel nur dann ergeben, wenn der Kläger ein existentes (Rechts-)Subjekt verklagt, bei dem es sich nicht um eine natürliche oder juristische Person oder einer juristischen Person gleichgestellte Gesellschaft gemäß Art. 46 EPGÜ handelt, oder eine nicht (mehr) existente Person in Anspruch nimmt. Dem Kläger ist es in einem solchen Fall gestattet, eine Parteiberichtigung im Sinne einer Parteiänderung gemäß Regel 305.1 VerfO herbeizuführen.
Nach dieser Regel ist es zulässig anzuordnen, dass eine Person (a) als Partei hinzugefügt wird, (b) als Partei ausscheidet oder (c) eine andere Partei ersetzt. Selbst wenn der Begriff der Partei in diesem Zusammenhang nur parteifähige Personen umfassen sollte, ist im Fall einer Klage gegen eine nicht existente oder nicht parteifähige Person eine analoge Anwendung von Regel 305.1 VerfO gerechtfertigt.
Die Verfahrensordnung sieht keine Regelung für den Umgang mit einer Klage gegen eine nicht parteifähige Person oder eine nicht existente Partei vor. Vor allem zwingt Regel 362 VerfO nicht, eine solche Klage unmittelbar wegen eines absoluten Verfahrenshindernisses zurückzuweisen. Andernfalls wäre der Kläger regelmäßig gehalten, eine mit weiteren Kosten verbundene neue Klage zu erheben, obwohl sich der Mangel der Parteifähigkeit unschwer durch eine Berichtigung oder Parteiänderung beseitigen ließe. Dies entspräche nicht den die Verfahrensordnung beherrschenden Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, Flexibilität, Fairness und Billigkeit (Ziffer 2 der Präambel VerfO).
Hingegen zeigt sich die Verfahrensordnung hinsichtlich einer Parteiänderung flexibel. Sie bietet mit der Regel 305.1 VerfO eine Regelung, der eine vergleichbare Interessenlage zugrunde liegt wie im Fall einer Klage gegen eine nicht existente oder nicht parteifähige Person, die der Kläger berichtigen möchte. Den Parteien, insbesondere dem Kläger, soll es durch Regel 305 VerfO ermöglicht werden, auf Entwicklungen im Laufe des Verfahrens reagieren zu können. Neue Erkenntnisse über die in Anspruch genommenen Personen und die von ihnen begangenen Handlungen - und seien diese Erkenntnisse auch erst durch den
Beklagtenvortrag gewonnen worden - können eine Parteiänderung erforderlich machen. Dem liegt das verfahrensrechtliche Prinzip der Flexibilität zugrunde, da weitere mit Kosten verbundene Verfahren vermieden werden, die andernfalls gegen die neue oder weitere Partei hätten geführt werden müssen. Im Falle einer Parteiberichtigung bei einer Klage gegen eine nicht parteifähige oder nicht existente Person ist die Interessenlage keine andere. Die nicht parteifähige oder nicht existente Person wird, soweit sie überhaupt Rechte hat, nicht beeinträchtigt, während die tatsächliche Partei ohnehin mit einem Verfahren rechnen muss. Es werden lediglich zusätzliche Verfahren vermieden, wenn eine Berichtigung der Partei möglich ist. Im Übrigen ermöglichen Regel 305.3 und 306.2 VerfO eine auf die Interessen aller Parteien abgestimmte Verfahrensweise.
Auf den Umstand, dass im Fall von Regel 305 VerfO eine Fortführung des Verfahrens ohne Parteiänderung möglich ist, während dies bei Regel 362 nicht der Fall ist, kommt es hingegen nicht entscheidend an. Dies zeigt etwa Regel 310 VerfO, bei der es sich um eine Sonderregel der Parteiänderung für den Fall einer nicht mehr existenten Partei handelt. Auch hier gilt der Grundsatz der Flexibilität. Schließlich wird durch die Zulassung einer Parteiberichtigung auch der Grundsatz des möglichst frühzeitigen Vortrags nicht unterlaufen. Eine Parteiberichtigung hindert nicht, den gesamten Vortrag möglichst frühzeitig zu bringen. In der Regel wird sich ohnehin recht früh im Verfahrensverlauf zeigen, ob der Kläger eine nicht parteifähige Person verklagt hat. Sollte dies der Fall sein, hat er, der regelmäßig ein Interesse an einer zügigen Verfahrensführung hat, sich selbst zuschreiben, dass er nicht die richtige Partei genannt hat.
Diese Grundsätze der Parteiberichtigung entsprechen auch der Rechtsprechung des Berufungsgerichts, das im Fall der fehlerhaften Bezeichnung einer Partei eine Rubrumsberichtigung zulässt (Order. v. 03.04.2024, APL_588420/2023 = UPC_CoA_433/2023, Rn. 13), die in der Verfahrensordnung ebenfalls nicht als solche geregelt ist.
(2)
Nach diesen Grundsätzen ist auch in dem Fall, dass die Klägerin eine nicht existente oder nicht parteifähige Partei verklagt hat, deren Bezeichnung sich nicht lediglich berichtigen lässt, eine Entscheidung, die ein absolutes Verfahrenshindernis feststellt, nicht unmittelbar erforderlich. So liegt der Fall nach Abwägung aller Umstände auch hier. Die Klägerin hat jedenfalls hilfsweise beantragt, die Partei zu ändern und dementsprechend eine andere Partei mitgeteilt. Aus den vorgenannten Gründen ist eine solche Berichtigung oder Änderung statt einer abschließenden Entscheidung, die das Bestehen eines absoluten Verfahrenshindernisses feststellt, zulässig. Die Interessen der Beklagten zu 1) bis 4) sind davon nicht unmittelbar betroffen, weil sie ohnehin Beklagte dieses Verfahrens sind und bleiben. Die Interessen der Beklagten zu 5) unter ihrer ursprünglichen Bezeichnung sind ebenfalls nicht maßgeblich berührt. Es ist lediglich die tatsächliche Beklagte zu 5) nun erstmals in das Verfahren aufzunehmen. Letzteres ist nicht unbillig, weil es keinen Anspruch darauf gibt, nicht verklagt zu werden.
Bei der Angabe 'Lenovo EMEA DC' handelt es sich nicht um den Fall einer bloßen Berichtigung einer Parteibezeichnung.
a)
Hat der Kläger den Beklagten im verfahrenseinleitenden Schriftsatz nicht richtig benannt, kann das Gericht dem Kläger gestatten, den Fehler zu berichtigen. Dem Antrag kann stattgegeben werden, wenn der Beklagte durch die unrichtige Namensangabe und deren Berichtigung nicht unangemessen benachteiligt wird. Eine unangemessene Benachteiligung liegt in der Regel dann nicht vor, wenn trotz der unrichtigen Namensangabe für den Beklagten und für das Gericht nach den Umständen des Falles klar war, dass der Kläger die Nichtigkeitswiderklage gegen den Beklagten richten wollte (Order. v. 03.04.2024, APL_588420/2023 = UPC_CoA_433/2023).
Unter Berücksichtigung aller Umstände war nicht eindeutig erkennbar, dass mit der 'Lenovo EMEA DC' die 'Flextronics International Europe B.V.' gemeint war.
aa)
Die Parteibezeichnung 'Lenovo EMEA DC' enthält begrifflich keinerlei Hinweis auf die 'Flextronics International Europe B.V.' Lediglich der c/o-Zusatz lässt erkennen, dass es eine 'Flextronics BV' geben soll. Diese ist aber ausweislich des c/o-Zusatzes von der 'Lenovo EMEA DC' verschieden, weil der c/o-Zusatz lediglich deutlich macht, dass die Zustellung an den Zustellungsempfänger nicht an seiner eigenen Anschrift, sondern an der einer anderen Person, hier der 'Flextronics BV', erfolgen soll. Abgesehen davon verweist der Zusatz 'Flextronics BV' nicht eindeutig auf die 'Flextronics International Europe B.V.', weil an der Anschrift noch weitere Gesellschaften mit dem Namenbestandteil 'Flextronics' und der Rechtsform 'BV' ansässig sind.
bb)
Auch aus den Umständen des Falles ist nicht eindeutig erkennbar, welche Gesellschaft die Klägerin verklagen wollte. Die einzigen Ausführungen zur Beklagten zu 5) finden sich in Randnummer 14 und 72 der Klageschrift. In der Randnummer 14 wird die Beklagte zu 5) als zur Lenovo-Unternehmensgruppe gehörig dargestellt, die als Logistikdienstleister für die Beklagten zu 1), 2) und 3) tätig sei. Damit konnte aber gerade nicht die 'Flextronics International Europe B.V.' gemeint sein, weil sie nicht zur Lenovo-Unternehmensgruppe gehört; enge Geschäftsbeziehungen sind nicht das Gleiche.
Lediglich die Randnummer 72 der Klageschrift in Verbindung mit dem Lieferschein könnte zu der Auslegung führen, dass die Klägerin den Betreiber des unter der im Lieferschein angegebenen Anschrift tätigen Logistikzentrums, der auch das Muster der angegriffenen Ausführungsform lieferte, verklagen wollte. Allerdings lassen der Lieferschein und die Bezeichnung der Beklagten zu 5) als 'Lenovo EMEA DC' unter der angegebenen Anschrift jedenfalls für das Gericht nicht den Schluss zu, dass der Betreiber des Logistikzentrums und der Lieferant des Musters der angegriffenen Ausführungsform auch identisch sind. Es ist nicht ersichtlich, dass die Angaben in dem Lieferschein einen eindeutigen Rückschluss auf den Logistikdienstleister und den Lieferanten des Musters zulassen, die zudem identisch sein müssen. Davon mag die Klägerin ausgegangen sein und einfach Name und Anschrift aus dem Lieferschein in die Klage übernommen haben in der Annahme, es handele sich dabei sowohl um den Betreiber des Logistikzentrums als auch um den Lieferanten des Musters. All das ist jedoch aus dem Lieferschein und den darin enthaltenen Angaben nicht erkennbar.
Selbst wenn die Schlussfolgerung in der Randnummer 72 der Klageschrift zutrifft, steht eine Auslegung, nach der der Betreiber des Logistikzentrums und Lieferant des Musters der Beklagte zu 5) sein soll, im Widerspruch zu den weiteren Angaben in der Klageschrift ('Die Beklagte zu 5) gehört (…) zur Lenovo-Unternehmensgruppe'). Darauf deutet auch die Bezeichnung 'Lenovo EMEA DC' hin. Von alldem kann nicht aufgrund eines einzelnen Satzes in der Klagebegründung (Randnummer 72) ausgegangen werden, von dem nicht erkennbar ist, dass er außer auf der einen Angabe im Lieferschein überhaupt noch auf anderen Umständen beruhte. Ungeachtet dessen ließe die ursprüngliche Anschrift gegebenenfalls sogar den Schluss zu, dass eine andere Flextronics-Gesellschaft gemeint sein sollte.
c)
Die Annahme, bei der 'Lenovo EMEA DC' handele es sich lediglich um eine Falschbezeichnung der 'Flextronics International Europe B.V.', würde auch eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten zu 5) bedeuten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die richtige Beklagte zu 5) die Klageschrift nie erhalten hat. Dem Einlieferungsbeleg des Postdienstleisters lässt sich nicht entnehmen, wie die Klageschrift zugestellt wurde, insbesondere die Klageschrift in einen Briefkasten eingelegt oder einer natürlichen Person übergeben wurde und welche Funktion diese Person hatte. Die ursprüngliche Parteibezeichnung und ihre Anschrift ließen weder für den Postdienstleister, noch für den Empfänger auf den ersten Blick genau erkennen, an wen die Klage gerichtet ist. Da unter der angegebenen Anschrift noch weitere Flextronics-Gesellschaften residieren, ist nicht ausgeschlossen, dass eine dieser Gesellschaften statt der 'Flextronics International Europe B.V.' die Klageschrift erhielt. Grund zu der Annahme, die Klageschrift sei an die Beklagte zu 5) weitergereicht worden, besteht nicht. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die richtige Beklagte zu 5) am Ende die Klageschrift in Händen hielt. Für eine wirksame Zustellung gibt es jedoch keine gesicherten Anhaltspunkte.
Kommt nach den vorstehenden Ausführungen eine bloße Berichtigung der Parteibezeichnung nicht in Betracht, ist eine Parteiberichtigung im Wege einer analogen Anwendung von Regel 305 VerfO vorzunehmen.
Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung dieser Regel liegen - wie im Abschnitt 1. ausgeführt - grundsätzlich vor, wenn die Klage gegen eine nicht existente oder nicht parteifähige Person gerichtet ist und der Kläger nachträglich die richtige Partei mit einer zustellungsfähigen Anschrift mitteilt.
Das ist hier der Fall, da es sich bei der 'Lenovo EMEA DC' - wie im Abschnitt 2. ausgeführt - nicht nur um die fehlerhafte Bezeichnung der richtigen Partei handelt, sondern um eine nicht existente Partei. Die Klägerin hat zudem nunmehr die 'Flextronics International Europe B.V.' als richtige Beklagte zu 5) benannt.
b)
Da die richtige Beklagte zu 5) bislang nicht am Verfahren beteiligt war, ist ihr die Klageschrift erstmals zuzustellen.
Dies wäre im Übrigen auch dann der Fall, wenn es sich bei der 'Lenovo EMEA DC' lediglich um eine Falschbezeichnung der richtigen Partei handeln würde, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass ihr die Klageschrift bislang wirksam zugestellt worden ist. Insofern wird auf die vorstehenden Erwägungen im Abschnitt 2. Bezug genommen.
c)
Da derzeit nicht angenommen werden kann, dass die Beklagte zu 5) Kenntnis von der Klageschrift hat und somit voraussichtlich erstmals durch die Zustellung Kenntnis erlangen wird, steht ihr grundsätzlich die volle Frist zur Rechtsverteidigung, mithin zur Klageerwiderung und zur Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage, zur Verfügung. Solange nicht absehbar ist, wie sich die Beklagte zu 5) verteidigen wird, kann die Klageerwiderungsfrist nicht verkürzt werden. Noch weniger kann die Beklagte zu 5) gezwungen werden, das Verfahren im jetzigen Stadium anzunehmen. Der Klägerin steht es allerdings frei, zu gegebener Zeit eine Verkürzung ihrer eigenen Schriftsatzfristen zu beantragen.
Hinsichtlich der Beklagten zu 3) war die Anschrift wie beantragt zu berichtigen. Einwände gegen die Berichtigung haben die Beklagten zu Recht nicht erhoben.
ANORDNUNG
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- Der Antrag der Beklagten zu 1) bis 4), festzustellen, dass die Beklagte zu 5) nicht parteifähig ist und der Fortführung des Verfahren im Hinblick auf die Beklagte zu 5) ein absolutes Verfahrenshindernis entgegensteht, wird zurückweisen.
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- Die Beklagte zu 5) wird wie folgt berichtigt:
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- Der weitergehende Antrag der Klägerin, die Bindung der Beklagten zu 5) an den Verfahrensstand anzuordnen, wird zurückgewiesen.
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- Eine wirksame Zustellung an die Beklagte zu 5) lässt sich bislang nicht feststellen.
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- Das Rubrum wird dahingehend berichtigt, dass die Anschrift der Beklagten zu 3) nunmehr lautet:
Bezeichnung:
Flextronics International Europe B.V.
Anschrift:
Phase 9 Building Nobelstraat 10-14 Oostrum, 5807 GA Niederlande
Anschrift:
Meitnerstraße 9 70563 Stuttgart Bundesrepublik Deutschland
ANWEISUNGEN AN DIE KANZLEI
Die Kanzlei wird angewiesen,
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- die Bezeichnungen und Anschriften der Beklagten zu 3) und 5) entsprechend der Anordnung unter Ziffer 1. und 5. im CMS zu ändern und
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- die erneute Zustellung der Klageschrift an die Beklagte zu 5) unter der neuen Bezeichnung und Anschrift zu veranlassen.
DETAILS DER ANORDNUNG
Anordnung Nr. ORD_39538/2024 im VERFAHREN NUMMER: ACT_14859/2024
UPC Nummer:
UPC_CFI_127/2024 Verletzungsklage 28301/2024 Vorlage für Verfahrensantrag
Art des Vorgangs:
Nr. des dazugehörigen Verfahrens Antragsnr.:
Art des Antrags: