25 September, 2024
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Decision
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ORD_44387/2024
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Luxembourg (LU)
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EP3466498
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R.211.4 VerfO
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Aktenzeichen: UPC_CoA_182/2024 APL_21143/2024
ANORDNUNG
des Berufungsgerichts des Einheitlichen Patentgerichts erlassen am 25. September im Verfahren auf Überprüfung der Anordnung einstweiliger Maßnahmen
LEITSATZ:
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- Das Berufungsgericht entscheidet unter Berücksichtigung aller Umstände nach Ermessen, ob ein vom Gericht erster Instanz zu Recht nicht zugelassenes Vorbringen im Berufungsverfahren zu berücksichtigen ist.
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- Der Prozessstoff des Berufungsverfahrens im Verfahren auf Überprüfung einstweiliger Maßnahmen ist grundsätzlich auf das Vorbringen im Verfahren betreffend die Anordnung einstweiliger Maßnahmen beschränkt.
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- Zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und einer geordneten Rechtspflege muss die Berufungsbegründung so klar und deutlich sein, dass dem Berufungsbeklagten die Vorbereitung der Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung ermöglicht wird. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Gründe, auf die sich die Berufung möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen. Dasselbe gilt für Schriftsätze aus einem anderen Verfahren.
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- Schriftsätze, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die die Entscheidung ergeht, eingereicht werden, dürfen vom Gericht bei seiner Entscheidung nicht mehr berücksichtigt werden.
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- Der Zeitraum des Zuwartens im Sinne R.211.4 VerfO ist ab dem Tag zu bemessen, an dem der Antragsteller von der Rechtsverletzung eine solche Kenntnis hat oder hätte haben müssen, die ihn nach R.206.2 VerfO in die Lage versetzt, einen Antrag auf einstweilige Maßnahmen erfolgsversprechend zu stellen. Mithin ist der Zeitpunkt maßgeblich, an welchem der Antragsteller über die erforderlichen Tatsachen und Beweismittel im Sinne des R.206.2d VerfO verfügt oder bei der gebotenen Sorgfalt hätte verfügen müssen.
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- Wann ein unangemessen langes Zuwarten im Sinne von R.211.4 VerfO vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
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- Ein nicht wiedergutzumachender Schaden ist keine notwendige Bedingung für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen.
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- R.263 VerfO findet auch auf Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen Anwendung.
SCHLAGWÖRTER:
- -Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen
- -Berücksichtigung von vom GEI zu Recht zurückgewiesenem Vorbringen in der Berufungsinstanz,
- -Gegenstand des Berufungsverfahrens im Verfahren betreffend einen Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen,
- -Inhalt der Berufungsbegründung,
- -Neuheit,
- -erfinderische Tätigkeit,
- -Schriftsätze nach Schluss der mündlichen Verhandlung,
- -Dringlichkeit,
- -Interessenabwägung im Verfahren betreffend einen Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen
- -Anwendbarkeit von R.263 VerfO im Verfahren auf Erlass einstweilger Anordnungen
BERUFUNGSKLÄGERINNEN/ANTRAGSGEGNERINNEN IM AUSGANGSVERFAHREN VOR DEM GERICHT ERSTER INSTANZ:
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- Mammut Sports Group AG, Seon, Schweiz
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- Mammut Sports Group GmbH, Wolfertschwenden, Deutschland
beide vertreten durch: Rechtsanwalt Oliver Jan Jüngst, Rechtsanwalt Dr. Moritz Schroeder, Kanzlei Bird & Bird LLP, Düsseldorf, Deutschland mitwirkend: Patentanwalt Dr. Felix Harbsmeier, Patentanwalt at Bird & Bird LLP, Düsseldorf, Deutschland
BERUFUNGSBEKLAGTE/ANTRAGSTELLERIN IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GERICHT ERSTER INSTANZ
Ortovox Sportartikel GmbH , Taufkirchen, Deutschland
vertreten durch: Rechtsanwältin Miriam Kiefer, Rechtsanwalt Robert Knaps, Kanzlei Kather Augenstein, Düsseldorf , mitwirkend: Patentanwalt Michael Siebel, Kanzlei Hofstetter, Schurack & Partner Rechtsanwälte PartG mbB
VERFAHRENSSPRACHE:
Deutsch
SPRUCHKÖRPER UND ENTSCHEIDENDE RICHTER:
Zweiter Spruchkörper:
Rian Kalden, Vorsitzende Richterin und rechtlich qualifizierte Richterin Ingeborg Simonsson, rechtlich qualifizierte Richterin Patricia Rombach, rechtlich qualifizierte Richterin und Berichterstatterin Eric Augarde, technisch qualifizierter Richter Max Tilmann, technisch qualifizierter Richter
BEANSTANDETE ANORDNUNG DES GERICHTS ERSTER INSTANZ:
□Anordnung der Lokalkammer Düsseldorf vom 9. April 2024
□Aktenzeichen des Gerichts erster Instanz :
Bestätigende Anordnung (ORD_13918/2024) ergangen auf den Antrag (App_4074/2024 im Hauptverfahren ACT_589655/2023) auf Überprüfung der Ex-parte Anordnung vom 11. Dezember 2023 (ORD_592936/2023);
UPC_CFI_452/2023 (Antrag auf einstweilige Maßnahmen)
GEGENSTAND DER RECHTSSACHE:
Berufung gegen Bestätigung einer Anordnung einstweiliger Maßnahmen (R.220.1 VerfO i.V. mit R.212.3 VerfO i.V.m. R.197.3 und 197.4 VerfO)
VERFÜGUNGSPATENT:
EP 3 466 498
MÜNDLICHE VERHANDLUNG AM:
- Juli 2024
TATBESTAND UND ANTRÄGE :
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- Die Antragstellerin und Berufungsbeklagte (nachfolgend: Ortovox) nimmt die Antragsgegnerinnen und Berufungsklägerinnen (im Folgenden für beide: Mammut) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wegen unmittelbarer und mittelbarer Patentverletzung ihres europäischen Patents EP 3 466 498 (Verfügungspatents) in Anspruch.
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- Der Hinweis auf die Erteilung des am 9. Oktober 2017 angemeldeten Verfügungspatents wurde am 4. Dezember 2019 veröffentlicht. Das Verfügungspatent betrifft ein Lawinen-Verschütteten-Suchgerät (im Folgenden auch: LVS-Gerät) und ein Verfahren zum Betreiben eines Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts. Es steht derzeit unter anderem in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich in Kraft.
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- Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache wie folgt:
Lawinen-Verschütteten-Suchgerät, mit einer Sendeeinheit (16) zum Senden wenigstens eines Sendesignals (18), einer Empfangseinheit (16) zum Empfangen wenigstens eines Sendesignals (30) von wenigstens einem weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät (32), und mit einer Steuerungseinrichtung (24) zum Ansteuern wenigstens eines Lautsprechers (22), wobei die Steuerungseinrichtung (24) dazu ausgebildet ist, in Abhängigkeit von wenigstens einem Ereignis den wenigstens einen Lautsprecher (22) zum Ausgeben zumindest einer Sprachnachricht anzusteuern, wobei das wenigstens eine Ereignis mit einer Suche nach dem wenigstens einen weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät (32) in Zusammenhang steht, wobei das Lawinen-VerschüttetenSuchgerät (10) den wenigstens einen Lautsprecher (22) aufweist und der wenigstens eine Lautsprecher (22) dazu ausgebildet ist, wenigstens ein Tonsignal auszugeben dadurch gekennzeichnet, dass
das wenigstens [eine] Tonsignal mit der Suche nach dem wenigstens einen weiteren LawinenVerschütteten-Suchgerät (32) in Zusammenhang steht, wobei die Steuerungseinrichtung (24) dazu ausgebildet ist, den wenigstens einen Lautsprecher (22) derart anzusteuern, dass das wenigstens eine Tonsignal während des Ausgebens der zumindest einen Sprachnachricht unterdrückt wird oder mit einer verringerten Lautstärke ausgegeben wird.
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- Patentanspruch 13 schützt ein Verfahren zum Betreiben eines entsprechenden LawinenVerschütteten-Suchgeräts.
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- Die Antragsgegnerin zu 1 präsentierte vom 8. Oktober 2023 bis zum 13. Oktober 2023 auf der Messe 'ISSW' in Bend, Oregon (USA) ein Lawinen-Verschütteten-Suchgerät unter dem Kennzeichen 'Barryvox S2'. Dort wurde es von Mitarbeitern von Ortovox untersucht.
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- Anfang November 2023 erhielt Ortovox den Hinweis eines Händlers, dass das 'Barryvox S2' für das Jahr 2024 über die B2B-Plattform des Mammut-Konzerns vorbestellt werden könne. Nach dem Inhalt der dort zu findenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist die Antragsgegnerin zu 2 für Angebote und Lieferungen in die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Österreich verantwortlich (Anlage KAP 9).
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- Die Antragsgegnerin zu 1 präsentierte das 'Barryvox S2' auch auf der Messe 'ISPO Munich 2023', die vom 28. November bis zum 30. November 2023 in München stattfand.
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- Mit Schreiben vom 28. November 2023 (Anlage KAP12) mahnte Ortovox Mammut erfolglos ab.
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- Auf Antrag von Ortovox vom 1. Dezember 2023, der nach Hinweis der Lokalkammer Düsseldorf ergänzt wurde, hat diese mit Anordnung vom 11. Dezember 2023 (ORD_592936/2023) ohne vorherige Anhörung von Mammut im Wege einstweiliger Maßnahmen angeordnet:
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I. Den Antragsgegnerinnen (Mammut) wird aufgegeben es zu unterlassen,
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Lawinen-Verschütteten-Suchgeräte in der Bundesrepublik Deutschland und/oder der Republik Österreich, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen, mit zumindest einer Sendeeinheit zum Senden wenigstens eines Sendesignals, einer Empfangseinheit zum Empfangen wenigstens eines Sendesignals von wenigstens einem weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät, und mit einer Steuerungseinrichtung zum Ansteuern wenigstens eines Lautsprechers, wobei die Steuerungseinrichtung dazu ausgebildet ist, in Abhängigkeit von wenigstens einem Ereignis den wenigstens einen Lautsprecher zum Ausgeben zumindest einer Sprachnachricht anzusteuern, wobei das wenigstens eine Ereignis mit einer Suche nach dem wenigstens einen weiteren LawinenVerschütteten-Suchgerät in Zusammenhang steht, wobei das Lawinen-Verschütteten-Suchgerät den wenigstens einen Lautsprecher aufweist und der wenigstens eine Lautsprecher dazu ausgebildet ist, wenigstens ein Tonsignal auszugeben, dadurch gekennzeichnet, dass das wenigstens eine Tonsignal mit der Suche nach dem wenigstens einen weiteren Lawinen-VerschüttetenSuchgerät in Zusammenhang steht, wobei die Steuerungseinrichtung dazu ausgebildet ist, den wenigstens einen Lautsprecher derart
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anzusteuern, dass das wenigstens eine Tonsignal während des Ausgebens der zumindest einen Sprachnachricht unterdrückt wird oder mit einer verringerten Lautstärke ausgegeben wird.
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- Vorrichtungen, die zur Durchführung eines Verfahrens zum Betreiben eines Lawinen-VerschüttetenSuchgeräts geeignet sind
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in der Bundesrepublik Deutschland und/oder der Republik Österreich zur Verwendung in der Bundesrepublik Deutschland und/oder der Republik Österreich anzubieten und/oder zu liefern,
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wobei das Verfahren zumindest folgendes umfasst:
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eine Sendeeinheit zum Senden wenigstens eines Sendesignals,
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eine Empfangseinheit zum Empfangen wenigstens eines Sendesignals, welches von wenigstens einem weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät ausgegeben wird,
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bei welchem eine Steuerungseinrichtung des Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts wenigstens einen Lautsprecher ansteuert,
wobei die Steuerungseinrichtung den wenigstens einen Lautsprecher derart ansteuert, dass der wenigstens eine Lautsprecher zumindest eine Sprachnachricht ausgibt, wobei der wenigstens eine
Lautsprecher von der Steuerungseinrichtung in Abhängigkeit von wenigstens einem Ereignis angesteuert wird, welches mit einer Suche nach dem wenigstens einen weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät in Zusammenhang steht,
das Lawinen-Verschütteten-Suchgerät den wenigstens einen Lautsprecher aufweist und der wenigstens eine Lautsprecher wenigstens ein Tonsignal ausgibt, dadurch gekennzeichnet, dass
das wenigstens eine Tonsignal mit der Suche nach dem wenigstens einen weiteren Lawinen-VerschüttetenSuchgerät in Zusammenhang steht,
- wobei die Steuerungseinrichtung den wenigstens einen Lautsprecher derart ansteuert, dass das wenigstens eine Tonsignal während des Ausgebens der zumindest einen Sprachnachricht unterdrückt wird oder mit einer verringerten Lautstärke ausgegeben wird.
- II. Für jede einzelne Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Anordnung haben die Antragsgegnerinnen ein (ggf. wiederholtes) an das Gericht zu bezahlende Zwangsgeld in Höhe von bis zu 10.000 Euro pro Erzeugnis und/oder bei Dauerhandlungen wie beispielsweise Angeboten im Internet von bis zu 30.000 Euro pro Tag an das Gericht zu zahlen.
- III. Den Antragsgegnerinnen (Mammut) wird aufgegeben, die unter Ziffer I. bezeichneten LawinenVerschütteten-Suchgeräte bzw. Vorrichtungen, die zur Durchführung eines Verfahrens zum Betreiben eines Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts geeignet sind, an einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Verwahrung herauszugeben, die andauert, bis über das Bestehen eines Vernichtungspanspruchs zwischen den Parteien rechtskräftig entschieden oder eine einvernehmliche Regelung herbeigeführt worden ist.
- IV. Diese Anordnung ist nur vollstreckbar, wenn die Antragstellerin zugunsten der Antragsgegnerinnen eine Sicherheit in Form einer Hinterlegung oder Bankbürgschaft in Höhe eines Betrages von 500.000,- Euro geleistet hat.
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- Mammut hat Antrag auf Überprüfung nach R.212.3 Satz 1 VerfO gestellt (Schriftsatz vom 19. Januar 2024 [App_3217/2024, App_3259/2024 und App_4074/2024]) und beantragt, dass die Anordnung vom 11. Dezember 2023 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen zurückgewiesen wird, hilfsweise Mammut die Fortsetzung der vermeintlichen Verletzungshandlungen gegen die Beibringung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Sicherheitsleistung, die 500.000 Euro nicht überschreiten sollte, zu erlauben. Ferner hat Mammut eine vorläufige Kostenerstattung in Höhe von 19.858,40 Euro, eine Kostenentscheidung zu Lasten von Ortovox und die vorläufige Vollstreckbarkeit der Anordnung begehrt.
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- Ortovox ist dem Antrag entgegengetreten und hat beantragt, die Anordnung vom 11. Dezember 2023 dahin zu ergänzen, dass Mammut Ortovox vorläufig Kosten in Höhe von 33.375,70 Euro zu erstatten und die Kosten des Verfahrens zu tragen haben.
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- Die Lokalkammer Düsseldorf hat die Anordnung einstweiliger Maßnahmen vom 11. Dezember 2023 unter Zurückweisung der Anträge Mammuts aufrechterhalten und Mammut aufgegeben, Ortovox vorläufig Kosten in Höhe von 33.375,70 Euro zu erstatten. Für die von Ortovox beantragte Kostengrundentscheidung sah die Lokalkammer keine Veranlassung.
Wiedergabe der Gründe der Anordnung der Lokalkammer:
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- Die Lokalkammer hat zur Begründung der Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
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- Bei summarischer Prüfung mache die angegriffene Ausführungsform unmittelbar (Anspruch 1) bzw. mittelbar (Anspruch 13) wortsinngemäß von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch.
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- Der Fachmann, ein Diplom-Ingenieur oder Master der Fachrichtung Elektrotechnik mit Abschluss an einer Fachhochschule oder Hochschule für angewandte Wissenschaften und mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von LawinenVerschütteten-Suchgeräten, habe keinen Anlass, den Begriff 'Tonsignal' auf bestimmte akustische Signale zu beschränken. Für die von Mammut vertretene Unterscheidung zwischen 'Tonsignalen' und 'Tonmustern' finde sich im Verfügungspatent kein Anhaltspunkt.
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- Es erschließe sich klar aus der Gesamtsystematik des Anspruchs, dass es sich bei einem Tonsignal um jedes im Zusammenhang mit der Suche nach einem weiteren LVS-Gerät stehende akustische Signal handele, welches nicht als Sprachsignal zu qualifizieren sei. Unter einer Sprachnachricht verstehe das Verfügungspatent hingegen eine Information an den Suchenden in Form von Worten.
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- Eine Unterdrückung des Tonsignals erfordere, dass das Tonsignal akustisch nicht mehr wahrnehmbar sei. Vom Schutzbereich umfasst seien sowohl Gestaltungen, bei denen die Lautstärke des Tonsignals temporär auf null gesetzt werde, als auch solche, bei denen das Signal vorübergehend nicht mehr erzeugt werde.
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- Es bedürfe eines funktionalen Zusammenhangs zwischen der Ansteuerung des Lautsprechers durch die Steuereinheit und der Unterdrückung des Tonsignals oder der Reduzierung von dessen Lautstärke. Nicht vom Schutzbereich umfasst seien somit Gestaltungen, bei denen das Tonsignal und die Sprachnachricht unabhängig voneinander ausgegeben würden, ohne dass eine entsprechende Ansteuerung des Lautsprechers erfolge.
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- Äußerungen von Ortovox im Erteilungsverfahren seien im Rahmen der Patentauslegung nicht zu berücksichtigen. Solche Äußerungen könnten allenfalls indizielle Bedeutung dafür haben, wie der Fachmann das betreffende Merkmal begreife. Die Einlassungen im Erteilungsverfahren böten für eine abweichende Auslegung ohnehin keinen Anlass.
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- Die angegriffene Ausführungsform mache wortsinngemäß von der technischen Lehre des Patentanspruchs 1 Gebrauch.
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- Die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten Tonmuster seien von Sprachnachrichten verschiedene akustische Signale und damit Tonsignale im Sinne des Streitpatents.
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- Die streitgegenständlichen Suchgeräte verfügten über zwei unterschiedliche Signalquellen, nämlich eine für akustische Muster (Tonmuster) und die andere für akustische Sprache, wobei während des Betriebs der angegriffenen Ausführungsform im Suchmodus jeweils nur eine der beiden Quellen ausgewählt und deren Signal über den Lautsprecher wiedergegeben werde, während die Ausgabe des Signals der jeweils anderen Quelle deaktiviert sei. Werde die Sprachnachricht bei der angegriffenen Ausführungsform ausgegeben, unterbleibe daher die Ausgabe des Tonsignals. Mit anderen Worten werde dessen Erzeugung temporär unterbrochen und damit im Sinne des Streitpatents unterdrückt. Dass die angesprochene Auswahl einer Quelle und die Wiedergabe deren Signals über den Lautsprecher durch eine Steuereinrichtung im Sinne des Streitpatents erfolge, stelle Mammut nicht in Abrede.
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- Unstreitig habe das auf der Messe ISPO in München gezeigte 'Barryvox S2' über eine Sprachausgabe verfügt. Selbst wenn im Zeitpunkt der Messe, wie von Mammut behauptet,
noch nicht festgestanden haben sollte, in welcher Konfiguration das 'Barryvox S2' letztlich auf den Markt komme, könnten die angesprochenen Verkehrskreise, jedenfalls solange sie keine abweichenden Informationen erhielten, davon ausgehen, dass das letztlich gelieferte Produkt im Wesentlichen dem Gerät entspreche, welches auf der Messe ausgestellt worden sei. Abgesehen davon habe das 'Barryvox S2' jedenfalls auf der B2B-Plattform der Unternehmensgruppe von Mammut bereits vorbestellt werden können. Auch die durch Ortovox vorgelegte Bestellübersicht lasse jeden Hinweis darauf vermissen, dass das 'Barryvox S2' ohne eigene Sprachausgabe vertrieben werde. Auch dort hätten Besteller daher keinen Grund zu der Annahme, das betreffende Gerät verfüge - anders als das auf der Messe ausgestellte und prämierte Exemplar - nicht über eine Sprachausgabe.
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- Die Verwendung der angegriffenen Ausführungsform erfordere gleichfalls den Gebrauch des Verfahrens nach Patentanspruch 13. Auch die weiteren Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung lägen vor, Art. 26 (1) EPGÜ. Insbesondere sei der subjektive Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung gegeben.
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- Auch wenn für das vorliegende Eilverfahren zu Gunsten von Mammut unterstellt werden könne, dass der im nationalen Recht entwickelte 'Einwand des älteren Rechts' auch vor dem Einheitlichen Patentgericht erhoben werden könne, könnte Mammut daraus im vorliegenden Fall kein positives Benutzungsrecht ableiten. Auch nach den durch den Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen stehe das ältere Recht jedenfalls nur demjenigen zu, der ausschließlich dessen Lehre benutze und nicht von zusätzlichen Merkmalen Gebrauch mache, die erst in dem jüngeren Schutzrecht gelehrt würden (BGH, GRUR 2009, 655, 657 Rn. 27 Trägerplatte). Genau dies sei jedoch bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall.
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- Ebenso wenig greife der erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobene Lizenzeinwand durch. Das Streitpatent sei von der als Anlage KAP 36 auszugsweise zur Akte gereichten Lizenzvereinbarung nicht erfasst.
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- Soweit Mammut mit einem nicht nachgelassenen Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergänzend zu diesem Themenkreis vorgetragen hätten, sei dieses Vorbringen verspätet und daher nicht zu berücksichtigen. Dass Ortovox die entsprechende Vereinbarung erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegt habe, stehe dem nicht entgegen. Ein solches Vorgehen hätte Mammut selbst herausgefordert, indem sie ihrerseits die EP 1 577 679 erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführt hätten.
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- Der Rechtsbestand des Streitpatents sei in dem für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen erforderlichen Umfang gesichert.
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- Der Gegenstand der Patentansprüche 1 und 13 erweise sich gegenüber der bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigten und in der Beschreibung des Verfügungspatents gewürdigten WO 2006/051721 als neu. Jedenfalls fehle es an der Offenbarung der Unterdrückung eines Tonsignals während der Ausgabe der Sprachnachricht. Auch wenn in der Entgegenhaltung sowohl Summer als auch Lautsprecher Erwähnung fänden, würden diese lediglich als alternative Möglichkeiten der Ausgestaltung der Ausgabeeinrichtung offenbart.
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- Gegenüber der gleichfalls im Erteilungsverfahren berücksichtigten DE 299 22 217 U1 erweise sich der Gegenstand von Patentanspruch 1 ebenfalls als neu. Es fehle an der Offenbarung der Ausgabe wenigstens eines Tonsignals im Sinne des Verfügungspatents. Tonsignal und Sprachsignal seien nach der technischen Lehre des Streitpatents nicht dasselbe.
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- Ebenso wenig stehe die EP 2 527 011 A1 der Neuheit von Patentanspruch 1 entgegen. Es fehle an einer Offenbarung der Erzeugung von Sprachnachrichten im Sinne des Streitpatents. Als solche seien insbesondere nicht die in der Entgegenhaltung beschriebenen Tonmuster zu klassifizieren.
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- Auch die EP 1 577 679 A1 sei nicht geeignet, den Rechtsbestand des Verfügungspatents erheblich in Frage zu stellen. Weshalb Mammut diese Schrift erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung vorgelegt habe, erschließe sich nicht.
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- Abgesehen davon nehme die Schrift die durch die Patentansprüche 1 und 13 unter Schutz gestellte technische Lehre nicht neuheitsschädlich vorweg. Es fehle an einer Sprachausgabe im Sinne des Streitpatents. Daher bedürfe es auch keiner entsprechenden Steuerungseinrichtung.
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- Das Vorbringen von Mammut sei nicht geeignet, erhebliche Zweifel am Vorliegen der erfinderischen Tätigkeit hervorzurufen. Dies gelte hinsichtlich der Entgegenhaltungen WO´721, DE´217, EP´011 auch in Kombination miteinander als auch mit dem allgemeinen Fachwissen.
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- Schließlich stehe auch die ohnehin verspätet in das Verfahren eingeführte und daher schon aus formalen Gründen zurückzuweisende EP´679 der erfinderischen Tätigkeit nicht entgegen. Welchen Anlass der Fachmann haben sollte, die dort offenbarte Lösung dahingehend abzuwandeln, dass nunmehr ein Suchgerät sowohl Tonsignale als auch Sprachnachrichten ausgebe, sei weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich.
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- Soweit Mammut die Ausführbarkeit von Patentanspruch 1 im Hinblick auf eine vermeintlich nicht ausführbare Offenbarung von Tonsignal und Sprachnachricht in Zweifel zöge, liege dem das unzutreffende Verständnis zugrunde, dass Tonsignal und Sprachnachricht unabhängig voneinander stets in funktionalem Zusammenhang mit der Suche nach wenigstens einem weiteren LVS-Gerät stehe.
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- Mammut genüge mit dem lediglich pauschalen Vorwurf, es fehle in der Streitpatentschrift an einer ausführbaren Offenbarung, 'wie das Ansteuern des Lautsprechers zur realisieren sei, wenn ein nicht generiertes Tonsignal unterdrückt werden soll' nicht der ihr obliegenden Beweislast.
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- Die Anordnung einstweiliger Maßnahmen sei notwendig, um die Fortsetzung der Verletzung zu unterbinden oder zumindest eine drohende Verletzung zu verhindern (vgl. R.206.2 (c) VerfO).
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- Die Anordnung der beantragten einstweiligen Maßnahme sei dringlich. Ortovox habe die Angelegenheit mit der notwendigen Dringlichkeit behandelt.
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- Auf ein mögliches Eilverfahren in der Schweiz müsse sich Ortovox nicht verweisen lassen.
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- Die Anordnung einstweiliger Maßnahmen sei aufgrund des Schadens, welcher Ortovox durch das rechtsverletzende Produktangebot drohe, auch in sachlicher Hinsicht notwendig.
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- Auch die vorzunehmende Interessenabwägung falle zugunsten von Ortovox aus. Soweit Mammut geltend mache, eine Unterlassungsanordnung führe zu einem unwiderruflichen Nachteil, seien diese Nachteile letztlich nur Folge der Wettbewerbssituation. Mammut habe angesichts der festgestellten Verletzung des Streitpatents kein schützenswertes Interesse an der Sicherung bereits erfolgter Vorbestellungen. Für Schäden aufgrund der Unterlassungsanordnung, sei Ortovox gemäß R.213.2 VerfO zum Schadensersatz verpflichtet.
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- Der Verweis auf angebliche Drittinteressen gehe vorliegend schon deshalb ins Leere, weil die angegriffene Ausführungsform nach dem Vortrag Mammmuts bisher lediglich als Prototyp existiere. Nachteile für die Überlebenschancen von Lawinenopfern seien allenfalls theoretischer Natur. Dies gelte umso mehr, da mit dem Produkt von Ortovox ebenso wie mit dem Vorgängerprodukt der angegriffenen Ausführungsform zumindest zwei alternative LVSGeräte im Einsatz seien.
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- Die Antragserweiterung hinsichtlich der Kostenerstattung sei gemäß R.263 VerfO zulässig. Zu Gunsten von Ortovox sei zu berücksichtigen, dass die Frage der Abwicklung der Kostenerstattung in Eilverfahren vor dem Einheitlichen Patentgericht noch nicht höchstrichterlich geklärt und bereits unterschiedlich gehandhabt worden sei. Die Lokalkammer habe in der Ex-parte-Anordnung das Begehren von Ortovox nach einer Kostengrundentscheidung im Eilverfahren zurückgewiesen und auf den fehlenden Antrag auf Kostenerstattung hingewiesen. Auf diesen Hinweis reagiere die Ortovox mit dem nachträglichen Antrag auf vorläufige Kostenerstattung. Dies könne Ortovox schon unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nicht verwehrt werden.
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- Für eine Kostengrundentscheidung bestehe im Verfahren zur Anordnung einstweiliger Maßnahmen jedenfalls dann keine Veranlassung, wenn auf das Eilverfahren - wie hier - ein Hauptsacheverfahren folge.
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Anträge der Parteien
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- Mammut wendet sich gegen diese Anordnung mit der Berufung. Mammut begehrt die Aufhebung der Anordnung vom 11. Dezember 2023 in der Fassung der Anordnung vom 9. April 2024 und verfolgt die erstinstanzlich gestellten Anträge weiter. Zusätzlich beantragt Mammut Erstattung der Kosten für die zweite Instanz in Höhe von 32.981,80 Euro und damit insgesamt 52.840,20 Euro.
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- Mammut beantragt, die Klageerwiderung und die separate Widerklage auf Nichtigerklärung in der Hauptsache im Berufungsverfahren zuzulassen.
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- Ortovox tritt der Berufung entgegen und beantragt:
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I. Die Berufung zurückzuweisen,
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II.
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Hilfsweise für den Fall, dass das Berufungsgericht es für überwiegend wahrscheinlich hält, dass das Verfügungspatent nur in begrenztem Umfang gültig ist, anzuordnen, dass Ziffer I. der Anordnung vom 09.04.2024 insoweit aufgehoben wird, als sie Ziffer I. der Anordnung vom 11.12.2023 bestätigt und den Antragsgegnerinnen nunmehr aufgegeben wird, es zu unterlassen
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- Lawinen-Verschütteten-Suchgeräte in der Bundesrepublik Deutschland und/oder der Republik Österreich, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen, mit zumindest
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mit einer Sendeeinheit zum Senden wenigstens eines Sendesignals,
einer Empfangseinheit zum Empfangen wenigstens eines Sendesignals von wenigstens einem weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät, und mit einer Steuerungseinrichtung zum Ansteuern wenigstens eines Lautsprechers,
wobei die Steuerungseinrichtung dazu ausgebildet ist, in Abhängigkeit von wenigstens einem Ereignis den wenigstens einen Lautsprecher zum Ausgeben zumindest einer Sprachnachricht anzusteuern, wobei das wenigstens eine Ereignis mit der Suche nach dem wenigstens einen weiteren LawinenVerschütteten-Suchgerät in Zusammenhang steht,
wobei das Lawinen-Verschütteten-Suchgerät den wenigstens einen Lautsprecher aufweist und der wenigstens eine Lautsprecher dazu ausgebildet ist, wenigstens ein Tonsignal auszugeben, dadurch gekennzeichnet, dass
das wenigstens eine Tonsignal mit der Suche nach dem wenigstens einen weiteren LawinenVerschütteten-Suchgerät in Zusammenhang steht, wobei die Steuerungseinrichtung dazu ausgebildet ist, den wenigstens einen Lautsprecher derart anzusteuern, dass das wenigstens eine Tonsignal während des Ausgebens der zumindest einen Sprachnachricht unterdrückt wird oder mit einer verringerten Lautstärke ausgegeben wird,
wobei die Steuerungseinrichtung dazu ausgebildet ist, dann den wenigstens einen Lautsprecher zum Ausgeben der zumindest einen Sprachnachricht anzusteuern, wenn die Empfangseinheit eine Veränderung einer empfangenen Stärke und/oder einer empfangenen Qualität des Sendesignals des weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts und/oder einer Veränderung einer Richtung erfasst, aus welcher das Sendesignal des weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts kommt, oder die Steuerungseinrichtung dazu ausgebildet ist, durch Auswerten des von der Empfangseinheit empfangenen Sendesignals einen Abstand von dem weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät abzuschätzen, und den wenigstens einen Lautsprecher dann zum Ausgeben der zumindest einen Sprachnachricht anzusteuern, wenn der Abstand geringer oder eine Zunahme des Abstands größer ist als ein vorbestimmter Schwellenwert;
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- Vorrichtungen, die zur Durchführung eines Verfahrens zum Betreiben eines LawinenVerschütteten-Suchgeräts geeignet sind,
in der Bundesrepublik Deutschland und/oder der Republik Österreich zur Verwendung in der Bundesrepublik Deutschland und/oder der Republik Österreich anzubieten und/oder zu liefern, wobei das Verfahren zumindest folgendes umfasst:
eine Sendeeinheit zum Senden wenigstens eines Sendesignals, eine Empfangseinheit zum Empfangen wenigstens eines Sendesignals, welches von wenigstens einem weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät ausgegeben wird,
bei welchem eine Steuerungseinrichtung des Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts wenigstens einen Lautsprecher ansteuert, wobei die Steuerungseinrichtung den wenigstens einen Lautsprecher derart ansteuert, dass der wenigstens eine Lautsprecher zumindest eine Sprachnachricht ausgibt, wobei der wenigstens eine Lautsprecher von der Steuerungseinrichtung in Abhängigkeit von wenigstens einem Ereignis angesteuert wird,
welches mit einer Suche nach dem wenigstens einen weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät in Zusammenhang steht, das Lawinen-Verschütteten-Suchgerät den wenigstens einen Lautsprecher aufweist und der wenigstens eine Lautsprecher wenigstens ein Tonsignal ausgibt,
dadurch gekennzeichnet, dass das wenigstens eine Tonsignal mit der Suche nach dem wenigstens einen weiteren LawinenVerschütteten-Suchgerät in Zusammenhang steht,
wobei die Steuerungseinrichtung den wenigstens einen Lautsprecher derart ansteuert, dass das wenigstens eine Tonsignal während des Ausgebens der zumindest einen Sprachnachricht unterdrückt wird oder mit einer verringerten Lautstärke ausgegeben wird, wobei die Steuerungseinrichtung den wenigstens einen Lautsprecher dann zum Ausgeben der zumindest einen Sprachnachricht anzusteuert, wenn die Empfangseinheit eine Veränderung einer empfangenen Stärke und/oder einer empfangenen Qualität des Sendesignals des weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts und/oder einer Veränderung einer Richtung erfasst, aus welcher das Sendesignal des weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts kommt,
oder die Steuerungseinrichtung durch Auswerten des von der Empfangseinheit empfangenen Sendesignals einen Abstand von dem weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät abschätzt, und den wenigstens einen Lautsprecher dann zum Ausgeben der zumindest einen Sprachnachricht
anzusteuet, wenn der Abstand geringer oder eine Zunahme des Abstands größer ist als ein vorbestimmter Schwellenwert.
- III. weiter hilfsweise für den Fall, dass das Berufungsgericht es für überwiegend wahrscheinlich hält, dass das Verfügungspatent nur in begrenztem Umfang gültig ist:
anzuordnen, dass Ziffer I. der Anordnung vom 09.04.2024 insoweit aufgehoben wird, als sie Ziffer I. der Anordnung vom 11.12.2023 bestätigt und den Antragsgegnerinnen nunmehr aufgegeben wird, es zu unterlassen
1. Lawinen-Verschütteten-Suchgeräte
in der Bundesrepublik Deutschland und/oder der Republik Österreich, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen, mit zumindest mit einer Sendeeinheit zum Senden wenigstens eines Sendesignals, einer Empfangseinheit zum Empfangen wenigstens eines Sendesignals von wenigstens einem weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät,
und mit einer Steuerungseinrichtung zum Ansteuern wenigstens eines Lautsprechers, wobei die Steuerungseinrichtung dazu ausgebildet ist, in Abhängigkeit von wenigstens einem Ereignis den wenigstens einen Lautsprecher zum Ausgeben zumindest einer Sprachnachricht anzusteuern,
wobei das wenigstens eine Ereignis mit einer Suche nach dem wenigstens einen weiteren LawinenVerschütteten-Suchgerät in Zusammenhang steht, wobei das Lawinen-Verschütteten-Suchgerät den wenigstens einen Lautsprecher aufweist und der wenigstens eine Lautsprecher dazu ausgebildet ist, wenigstens ein Tonsignal auszugeben,
dadurch gekennzeichnet, dass das wenigstens eine Tonsignal mit der Suche nach dem wenigstens einen weiteren LawinenVerschütteten-Suchgerät in Zusammenhang steht,
wobei die Steuerungseinrichtung dazu ausgebildet ist, den wenigstens einen Lautsprecher derart anzusteuern, dass das wenigstens eine Tonsignal während des Ausgebens der zumindest einen Sprachnachricht unterdrückt wird oder mit einer verringerten Lautstärke ausgegeben wird, wobei die Steuerungseinrichtung dazu ausgebildet ist, dann den wenigstens einen Lautsprecher zum Ausgeben der zumindest einen Sprachnachricht anzusteuern, wenn die Empfangseinheit eine Veränderung einer empfangenen Stärke und/oder einer empfangenen Qualität des Sendesignals des weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts und/oder einer Veränderung einer Richtung erfasst, aus welcher das Sendesignal des weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts kommt.
-
- Vorrichtungen, die zur Durchführung eines Verfahrens zum Betreiben eines LawinenVerschütteten-Suchgeräts geeignet sind,
in der Bundesrepublik Deutschland und/oder der Republik Österreich zur Verwendung in der Bundesrepublik Deutschland und/oder der Republik Österreich anzubieten und/oder zu liefern, wobei das Verfahren zumindest folgendes umfasst:
eine Sendeeinheit zum Senden wenigstens eines Sendesignals, eine Empfangseinheit zum Empfangen wenigstens eines Sendesignals, welches von wenigstens einem weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät ausgegeben wird,
bei welchem eine Steuerungseinrichtung des Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts wenigstens einen Lautsprecher ansteuert, wobei die Steuerungseinrichtung den wenigstens einen Lautsprecher derart ansteuert, dass der wenigstens eine Lautsprecher zumindest eine Sprachnachricht ausgibt, wobei der wenigstens eine Lautsprecher von der Steuerungseinrichtung in Abhängigkeit von wenigstens einem Ereignis angesteuert wird,
welches mit einer Suche nach dem wenigstens einen weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät in Zusammenhang steht, das Lawinen-Verschütteten-Suchgerät den wenigstens einen Lautsprecher aufweist und der wenigstens eine Lautsprecher wenigstens ein Tonsignal ausgibt,
dadurch gekennzeichnet, dass das wenigstens eine Tonsignal mit der Suche nach dem wenigstens einen weiteren LawinenVerschütteten-Suchgerät in Zusammenhang steht,
wobei die Steuerungseinrichtung den wenigstens einen Lautsprecher derart ansteuert, dass das wenigstens eine Tonsignal während des Ausgebens der zumindest einen Sprachnachricht unterdrückt wird oder mit einer verringerten Lautstärke ausgegeben wird,
wobei die Steuerungseinrichtung den wenigstens einen Lautsprecher dann zum Ausgeben der zumindest einen Sprachnachricht ansteuert, wenn die Empfangseinheit eine Veränderung einer empfangenen Stärke und/oder einer empfangenen Qualität des Sendesignals des weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts und/oder einer Veränderung einer Richtung erfasst, aus welcher das Sendesignal des weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts kommt
- IV. weiter hilfsweise für den Fall, dass das Berufungsgericht es für überwiegend wahrscheinlich hält, dass das Verfügungspatent nur in begrenztem Umfang gültig ist:
anzuordnen, dass Ziffer I. der Anordnung vom 09.04.2024 insoweit aufgehoben wird, als sie Ziffer I. der Anordnung vom 11.12.2023 bestätigt und den Antragsgegnerinnen nunmehr aufgegeben wird, es zu unterlassen
1. Lawinen-Verschütteten-Suchgeräte
in der Bundesrepublik Deutschland und/oder der Republik Österreich, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen, mit zumindest mit einer Sendeeinheit zum Senden wenigstens eines Sendesignals, einer Empfangseinheit zum Empfangen wenigstens eines Sendesignals von wenigstens einem weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät,
und mit einer Steuerungseinrichtung zum Ansteuern wenigstens eines Lautsprechers, wobei die Steuerungseinrichtung dazu ausgebildet ist, in Abhängigkeit von wenigstens einem Ereignis den wenigstens einen Lautsprecher zum Ausgeben zumindest einer Sprachnachricht anzusteuern,
wobei das wenigstens eine Ereignis mit einer Suche nach dem wenigstens einen weiteren LawinenVerschütteten-Suchgerät in Zusammenhang steht, wobei das Lawinen-Verschütteten-Suchgerät den wenigstens einen Lautsprecher aufweist und der wenigstens eine Lautsprecher dazu ausgebildet ist, wenigstens ein Tonsignal auszugeben,
dadurch gekennzeichnet, dass das wenigstens eine Tonsignal mit der Suche nach dem wenigstens einen weiteren LawinenVerschütteten-Suchgerät in Zusammenhang steht,
wobei die Steuerungseinrichtung dazu ausgebildet ist, den wenigstens einen Lautsprecher derart anzusteuern, dass das wenigstens eine Tonsignal während des Ausgebens der zumindest einen Sprachnachricht unterdrückt wird oder mit einer verringerten Lautstärke ausgegeben wird, wobei die Steuerungseinrichtung dazu ausgebildet ist, durch Auswerten des von der Empfangseinheit empfangenen Sendesignals einen Abstand von dem weiteren LawinenVerschütteten-Suchgerät abzuschätzen, und den wenigstens einen Lautsprecher dann zum Ausgeben der zumindest einen Sprachnachricht anzusteuern, wenn der Abstand geringer oder eine Zunahme des Abstands größer ist als ein vorbestimmter Schwellenwert.
-
- Vorrichtungen, die zur Durchführung eines Verfahrens zum Betreiben eines LawinenVerschütteten-Suchgeräts geeignet sind,
in der Bundesrepublik Deutschland und/oder der Republik Österreich zur Verwendung in der Bundesrepublik Deutschland und/oder der Republik Österreich anzubieten und/oder zu liefern, wobei das Verfahren zumindest folgendes umfasst:
eine Sendeeinheit zum Senden wenigstens eines Sendesignals, eine Empfangseinheit zum Empfangen wenigstens eines Sendesignals, welches von wenigstens einem weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät ausgegeben wird,
bei welchem eine Steuerungseinrichtung des Lawinen-Verschütteten-Suchgeräts wenigstens einen Lautsprecher ansteuert, wobei die Steuerungseinrichtung den wenigstens einen Lautsprecher derart ansteuert, dass der wenigstens eine Lautsprecher zumindest eine Sprachnachricht ausgibt, wobei der wenigstens eine Lautsprecher von der Steuerungseinrichtung in Abhängigkeit von wenigstens einem Ereignis angesteuert wird,
welches mit einer Suche nach dem wenigstens einen weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät in Zusammenhang steht, das Lawinen-Verschütteten-Suchgerät den wenigstens einen Lautsprecher aufweist und der wenigstens eine Lautsprecher wenigstens ein Tonsignal ausgibt,
dadurch gekennzeichnet, dass das wenigstens eine Tonsignal mit der Suche nach dem wenigstens einen weiteren LawinenVerschütteten-Suchgerät in Zusammenhang steht,
wobei die Steuerungseinrichtung den wenigstens einen Lautsprecher derart ansteuert, dass das wenigstens eine Tonsignal während des Ausgebens der zumindest einen Sprachnachricht unterdrückt wird oder mit einer verringerten Lautstärke ausgegeben wird, wobei die Steuerungseinrichtung durch Auswerten des von der Empfangseinheit empfangenen Sendesignals einen Abstand von dem weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät abschätzt und den wenigstens einen Lautsprecher dann zum Ausgeben der zumindest einen Sprachnachricht ansteuert, wenn der Abstand geringer oder eine Zunahme des Abstands größer ist als ein
vorbestimmter Schwellenwert.
-
V. anzuordnen, dass die Antragsgegnerinnen,
-
a) die Kosten des gesamten Verfahrens über einstweilige Maßnahmen in der ersten und zweiten Instanz zu tragen haben,
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b) der Antragsgegnerin weitere vorläufige Kosten in Höhe von EUR 19.858,40 zu erstatten haben.
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- Mammut beantragt, die Hilfsanträge als unzulässig/unbegründet zurückzuweisen und tritt auch den Kostenanträgen entgegen.
-
Tatsächliche und rechtliche Streitpunkte im Berufungsverfahren
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- Mammut wiederholt und vertieft das erstinstanzlichen Vorbringen und macht im Wesentlichen geltend:
-
- Die von der Lokalkammer vorgenommene Auslegung sei unzutreffend.
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- Patentansprüche 1 und 13 seien auf ein moduliertes Tonsignal beschränkt, welches nur in der Lautstärke variiere und dessen semantischer Aussagegehalt auf zwei Informationen (z.B. richtig oder falsch) beschränkt sei. Die Abgrenzung eines Audiosignals als bloßer Ton gegenüber Sprache erfolge nicht nur über die akustische Wahrnehmung allein, sondern auch auf der semantischen Ebene. Komplexere Tonmuster, die konkrete Anweisungen repräsentierten (wie gehe nach rechts/links oder kehre um) fielen nicht darunter.
-
- Die Unterscheidung zwischen Ton und Sprachnachricht sei insbesondere im Hinblick auf Khoisan-Sprachen, Pfeifsprachen und die türkische Vogelsprache nicht möglich. Soweit die Lokalkammer eine Unterscheidung aufgrund von gesprochenen Worten vorgenommen habe, übergehe sie, dass das Verfügungspatent keine Grundlage für eine solche Unterscheidung biete.
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- Die Lokalkammer komme zur Einschätzung, dass auch ein gar nicht existentes Tonsignal 'unterdrückt' werden könne. Dies sei nicht mit dem Wortlaut des Anspruchs, der Beschreibung und dem allgemeinen Verständnis des Begriffs zu vereinbaren.
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- Mammut macht weiterhin fehlende Ausführbarkeit geltend und trägt dazu unter Wiederholung und Vertiefung des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens unter anderem vor:
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- Dem Fachmann sei bekannt, dass es sich beim Lautsprecher um ein passives Bauelement handele. Gemäß den Merkmalen von Anspruch 1 sowie der Beschreibung sei es aber offensichtlich nicht die Steuerungseinrichtung, die den Lautsprecher mit dem Tonsignal ansteuere, wie es für das Sprachsignal explizit offenbart sei, sondern der Lautsprecher sei zur Ausgabe des Tonsignals ausgebildet. Der Fachmann erhalte von der Beschreibung oder den Ansprüchen keinerlei Hinweise darauf, wie ein Lautsprecher als passives Bauelement sich selbst mit dem Tonsignal ansteuern solle.
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- Mammut wiederholt und vertieft die Gründe, warum die von der Lokalkammer gewürdigten Entgegenhaltungen der Neuheit der streitgegenständlichen Patentansprüche entgegenstehen.
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- Mammut macht unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags, weiterhin die fehlende erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf die von der Lokalkammer erörterten Entgegenhaltungen geltend. Mammut trägt hierzu u.a. vor:
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- LVS-Geräte gehörten zur Gruppe der mobilen Navigationsgeräte mit Benutzerführung. Die Definition des Fachmanns durch die Lokalkammer sei nicht überzeugend. Es sei zwar davon auszugehen, dass der Fachmann auf dem Gebiet der LVS-Geräte dem Fachmann auf dem Gebiet von mobilen Navigationsgeräten nicht vollständig entspreche, zumindest aber die Funktionen der anderen Bereiche von mobilen Navigationsgeräte genau kenne, jedenfalls aber auch Erkenntnisse des Alltags insbesondere die Kenntnis von dem gezielten, automatischen Hervorheben eines Audiosignals (Ducking) bei Navigationsgeräten in Fahrzeugen berücksichtige.
-
- Hinsichtlich EP´679 sei nicht ersichtlich, inwieweit das Zusammenfügen zweier Ausführungsformen in einem Gerät eine erfinderische Tätigkeit begründen könne. Dies gelte erst recht vor dem Hintergrund, dass in Absatz 97 ja gerade explizit eine Kombination der Funktionen angeregt werde. Sei die angeregte Kombination vollzogen, stelle sich lediglich die Frage, wie Ton und Sprache so ausgegeben würden, dass sie dem Nutzer verständlich seien. Es sei insbesondere aus Navigationsgeräten seit langem bekannt, während der Sprachanweisung andere akustische Signale (Radio, Musik) zu unterbrechen oder leiser abzuspielen.
-
- Auch hinsichtlich WO´721 gelte, dass ein bloßes Aneinanderreihen von zwei Technologien nicht erfinderisch sein könne. Dies gelte umso mehr, als durch die alternative, abwechselnde Anwendung von als gleichwertig bekannten technischen Mitteln keinerlei weiterer technischer Effekt erzeugt werde.
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- Die DE´217 ziehe selbst einen Vergleich zwischen einem LVS-Gerät und einem Navigationsgerät. Es sei naheliegend, dass der Fachmann aus Navigationsgeräten bekannte Technologien auf LVS-Geräte zum Zwecke ihrer Weiterentwicklung und Verbesserung übertrage.
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- Anders als von der Lokalkammer angenommen, bestehe für den Fachmann auch Anlass, die EP´011 mit der WO´721 oder der DE´217 zu kombinieren, da diese eine andere technische Form der Suche (mittels Positionsdaten) als die Lehre der EP´011 (Peilungssuche) nutzen würden. Die Kombination von Tonsignalen mit einer Sprachausgabe sei eine allgemeine Verbesserung für LVS-Geräte unabhängig von der konkret verwendeten Suchmethode. Weiterhin gehe die Lokalkammer zu Unrecht davon aus, dass die Erweiterung des in EP´011 beschriebenen LVS-Geräts um eine Sprachführung nicht vorteilhaft sei.
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- Die mangelnde erfinderische Tätigkeit ergebe sich schon ausgehend von dem im Verfügungspatent beschriebenen klassischen LVS-Gerät der US 2006/0148423.
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- Die mangelnde erfinderische Tätigkeit zeige sich schon in der Begründung für den ISPO Award, wo von einem längst überfälligen 'Feature' gesprochen werde. Wenn eine allgemeine
Erwartungshaltung für eine Funktion herrsche, könne wohl kaum davon gesprochen werden, dass es sich um eine patentierfähige Erfindung handele.
-
- Hinsichtlich der Verletzung macht Mammut u.a. geltend:
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- Die Lokalkammer wende in der Anordnung ein unterschiedliches Verständnis der Steuerungseinrichtung bei der Frage der angeblichen Verletzung gegenüber der Beurteilung des angeblichen Rechtsbestands an.
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- Ähnliches gelte mit Blick auf den Begriff des 'Unterdrückens'. Wenn laut der angegriffenen Anordnung eine alternierende Abgabe zweier unterschiedlicher Signale beansprucht würde, würde sich die Frage der Lösung des angeblichen Problems der Überlappung und damit schlechteren Verständlichkeit per se nicht stellen. Die Lokalkammer stelle in der angegriffenen Anordnung bei der Frage der angeblichen erfinderischen Tätigkeit dagegen auf den Gedanken über eine angebliche 'Wechselwirkung' von zwei unterschiedlichen Signalen ab bzw. die Kombination von Tonsignal und Sprachnachricht und damit darauf, dass zwei Signale parallel ausgegeben würden.
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- Nach Ansicht der Lokalkammer seien vom Schutzbereich des Verfügungspatents nicht Gestaltungen umfasst, bei denen das Tonsignal und die Sprachnachricht unabhängig voneinander ausgegeben würden, ohne dass eine entsprechende Ansteuerung des Lautsprechers erfolge. Nach dieser Prämisse verletze die angegriffene Ausführungsform nicht. Es sei unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform über zwei Signalgeneratoren verfüge, welche jeweils unabhängig voneinander den Lautsprecher ansteuerten. Die konkrete technische Ausführung übergehe die Lokalkammer begründungslos.
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- Ortovox verteidigt die angegriffene Anordnung unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens.
GRÜNDE DER ANORDNUNG
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- Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Bestätigung der Anordnung einstweiliger Maßnahmen ist zu Recht erfolgt.
- A. Keine Berücksichtigung des Vortrags der Klageerwiderung des Hauptsacheverfahrens und der Widerklage auf Nichtigkeitserklärung
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- Gegenstand der Prüfung des Berufungsgerichts sind lediglich die Ausführungen der Parteien in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Vorbringen Mammuts in der Klageerwiderung im Hauptsacheverfahren und die separate Widerklage auf Nichtigkeitserklärung im Verletzungsverfahren vor der Lokalkammer Düsseldorf ist im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen.
-
- Der Prozessstoff des Berufungsverfahrens bestimmt sich nach R.222 VerfO. Nach R.222.1 VerfO stellen die von den Parteien gemäß Regeln 221, 225, 226, 236 und 238 vorgebrachten Anträge, Tatsachen und Beweismittel und rechtlichen Ausführungen vorbehaltlich des Absatzes 2 den Gegenstand des Verfahrens vor dem Berufungsgericht dar. Das Berufungsgericht zieht die Akte des Verfahrens vor dem Gericht erster Instanz bei. Danach ist der Prozessstoff auf das Vorbringen im Verfahren betreffend die Anordnung einstweiliger Maßnahmen beschränkt. Dazu gehört nicht das Vorbringen im Hauptverfahren.
Verletzungsverfahren und Verfahren auf Erlass einer Anordnung einstweiliger Maßnahmen betreffen unterschiedliche Verfahren (vgl. EPG-Berufungsgericht, Anordnung vom 26. April 2024, UPC_CoA_500/2023, APL_596892/2023 Rn. 8).
b) Merkmalsgliederung des Patentanspruchs 1
-
- Diese Aufgabe wird durch eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen (deutsche und damit maßgebliche Verfahrenssprache und englische Übersetzung unter Verwendung der vom Gericht erster Instanz vorgenommenen Merkmalsgliederung) gelöst:
1 |
Lawinen-Verschütteten- Suchgerät, |
Search device for avalanche victims, |
1.1 |
mit einer Sendeeinheit (16) zum Senden wenigstens eines Sendesignals (18), |
having a transmitting unit (16) for transmitting at least one transmit signal (18), |
1.2 |
einer Empfangseinheit (16) zum Empfangen wenigstens eines Sendesignals (30) von wenigstens einem weiteren Lawinen- Verschütteten-Suchgerät (32), |
a receiving unit (16) for receiving at least one transmit signal (30) from at least one further avalanche transceiver (32), |
1.3 |
und mit einer Steuerungseinrichtung (24) zum Ansteuern wenigstens eines Lautsprechers (22), |
and a control device (24) for controlling at least one loudspeaker (22), |
2 |
die Steuerungseinrichtung (24) ist dazu ausgebildet, in Abhängigkeit von wenigstens einem Ereignis den wenigstens einen Lautsprecher (22) zum Ausgeben zumindest einer Sprachnachricht anzusteuern, |
the control device (24) is designed to control the at least one loudspeaker (22) to output at least one voice message on the basis of at least one event, |
2.1 |
das wenigstens eine Ereignis steht mit einer Suche nach dem wenigstens einen weiteren Lawinen-Verschütteten- Suchgerät (32) in Zusammenhang |
wherein the at least one event is associated with a search for the at least one further avalanche transceiver (32), |
3 |
das Lawinen-Verschütteten- Suchgerät (10) weist den wenigstens einen Lautsprecher (22) auf und der wenigstens eine Lautsprecher (22) ist dazu ausgebildet, wenigstens ein Tonsignal auszugeben, |
the avalanche transceiver (10) has the at least one loudspeaker (22) and the at least one loudspeaker (22) is designed to issue at least one audio signal |
3.1 |
das wenigstens eine Tonsignal steht mit der Suche nach dem wenigstens einen weiteren Lawinen-Verschütteten-Suchgerät (32) in Zusammenhang |
the at least one audio signal is associated with the search for the at least one further transceiver (32), |
4 |
die Steuerungseinrichtung (24) ist dazu ausgebildet, den wenigstens einen Lautsprecher (22) derart anzusteuern, dass das wenigstens eine Tonsignal während des Ausgebens der zumindest einen Sprachnachricht unterdrückt wird oder mit einer verringerten Lautstärke ausgegeben wird. |
the control device (24) is designed to control the at least one loudspeaker (22) such that the at least one audio signal during the output of the at least one voice message is suppressed or output with a reduced volume. |
c) Auslegung des Patentanspruchs
(1) Grundsätze
-
- Maßgeblich für die Auslegung der Ansprüche und deren Merkmale sind nach der Rechtsprechung des EPG-Berufungsgerichts (Anordnung vom 26. Februar 2024 -UPC_CoA_335/2023 App_576355/2023, NanoString Technologies u.a. /10x Genomics u.a., GRUR 2024 Rn. 73 ff.; Anordnung vom 13. Mai 2024 - UPC_CoA_1/2024 APL_8/2024 Rn. 26) nach Art. 69 EPÜ und dem Protokoll zu seiner Auslegung (Auslegungsprotokoll) die folgenden Grundsätze: Der Patentanspruch ist nicht nur Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs des europäischen Patents. Für die Auslegung eines Patentanspruchs kommt es nicht allein auf seinen genauen Wortlaut im sprachlichen Sinne an, vielmehr sind die Beschreibung und die Zeichnungen als Erläuterungshilfen für die Auslegung stets mit heranzuziehen und nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten im Patentanspruch anzuwenden. Das bedeutet aber nicht, dass der Patentanspruch lediglich als Richtlinie dient und sich sein Gegenstand auch auf das erstreckt, was sich nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt.
-
- Der Patentanspruch ist aus Sicht der Fachperson auszulegen. Als solchen hat die Lokalkammer zutreffend einen Diplom-Ingenieur oder Master der Fachrichtung Elektrotechnik mit Abschluss an einer Fachhochschule oder Hochschule für angewandte Wissenschaften und mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von LVS-Geräten angesehen. Mammuts Einwände gegen diese Definition beziehen sich weniger auf die berufliche Qualifikation als auf die Frage, welchen Kenntnisstand die Fachperson hat. Dabei kann mit Mammut davon ausgegangen werden, dass die Fachperson zumindest die Funktionen von mobilen Navigationsgeräte genau kennt.
-
- Das Gericht legt seiner Entscheidung das folgende Merkmalverständnis zugrunde:
- (1) Merkmale 1.1. und 1.2
Das LVS-Gerät weist nach Merkmal 1.1 eine Sendeeinheit (16) zum Senden wenigstens eines Sendesignals (18) und nach Merkmal 1.2 eine Empfangseinheit (16) zum Empfangen wenigstens eines Sendesignals (30) von wenigstens einem weiteren LVS-Gerät (32) auf. Die Sendeeinheit muss so ausgestaltet sein, dass sie geeignet ist, Sendesignale zu senden und Sendesignale anderer LVS-Geräte zu empfangen.
(2) Merkmal 3.1
-
- Das LVS-Gerät weist den wenigstens einen Lautsprecher auf, welcher dazu ausgebildet ist, wenigstens ein Tonsignal auszugeben (Merkmal 3). Das Tonsignal muss mit der Suche nach dem wenigstens einen weiteren LVS-Gerät in Zusammenhang stehen (Merkmal 3.1).
-
- Für einen solchen Zusammenhang mit der Suche ist - wie die Lokalkammer zutreffend ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat - ein Zusammenhang zwischen dem anderen Suchgerät (Merkmal 1.2) und dem Ton erforderlich. Dieser Zusammenhang wird durch das empfangene Sendesignal hergestellt. Die Fachperson entnimmt Merkmal 1.2 nämlich, dass für die Suche das empfangene Sendesignal genutzt wird. Für einen Zusammenhang genügt es, wenn beispielsweise die Tonhöhe, Amplitude oder Lautstärke abhängig von der gemessenen Feldstärke des empfangenen Sendesignals ist. Weitere Vorgaben wie dieser Zusammenhang ausgestaltet ist, macht Anspruch 1 nicht. Insbesondere setzen Merkmal 1.2, 3 und 3.1 nicht voraus, dass der Zusammenhang zwischen dem auszugebende Tonsignal und dem wenigstens einen weiteren LVS-Gerät ausschließlich über eine Variation der Lautstärke des Tonsignals hergestellt wird.
-
- Die Beschreibung bestätigt dieses Verständnis. Dort werden das Ansteigen der Frequenz des einzelnen Pieptons, die Wiederholungsrate der Pieptöne und deren Lautstärke im Falle der Annäherung des suchenden Suchgeräts an das sendende Suchgerät als eigenständige, aber auch kombinierbare Umsetzungsmöglichkeiten zum Herstellen eines Zusammenhangs angeführt. Als Beispiel wird dort die Kombination aller drei Eigenschaften beschrieben; so können etwa die Frequenz des einzelnen Pieptons sowie die Wiederholungsrate der Pieptöne und deren Lautstärke ansteigen, je weiter sich das suchende Suchgerät dem sendenden Suchgerät annähert. (Abs. 10 Zeile 49).
(3) Merkmal 3
-
- Die Lokalkammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass der zuständige Fachmann, unter Tonsignal im Sinne des Merkmals 3 jedes akustische Signal versteht, sofern es sich nicht um ein Sprachsignal handelt. Da Patentanspruch 1 zwischen Tonsignal (Merkmal 3) und Sprachnachricht (Merkmal 2) unterscheidet (vgl. insbesondere auch Merkmal 4), ist ein Signal, das menschliche Sprache, also Worte, wiedergibt, kein Tonsignal.
-
- Aus der Unterscheidung zwischen Tonsignal und Sprachnachricht folgt entgegen der Auffassung von Mammut keine Beschränkung des Patentanspruchs auf ein moduliertes Tonsignal, welches nur in der Lautstärke variiert und dessen semantischer Aussagegehalt auf zwei Informationen (z.B. richtig oder falsch) beschränkt ist. Vielmehr sind auch komplexere Tonmuster, die konkrete Anweisungen repräsentieren (wie gehe nach rechts/links oder kehre um), Tonsignale im Sinne der Merkmale 3, 3.1 und 4. Dem Patentanspruch lässt sich nicht entnehmen, dass Tonsignal und Sprachnachricht sich durch ihren semantischen Gehalt unterscheiden sollen.
-
- Entgegen der Auffassung von Mammut ist das Vorliegen eines oder mehrerer Worte ein geeignetes Unterscheidungskriterium für die Abgrenzung von Ton und Sprachnachricht. Soweit Mammut auf Khoisan-Sprachen, Pfeifsprachen und die türkische Vogelsprache verweist, ist auch insoweit eine Unterscheidung dieser Sprachen zu Tönen bzw. Tonmustern deshalb möglich, weil auch sie unmittelbar Worte wiedergeben. Wie sich dem in Rn. 347 der Berufungsbegründung verlinkten Artikel zu der Pfeifsprache auf La Gomera und El Hierro entnehmen lässt, haben die Menschen gelernt ihre Sprache zu pfeifen . Dass die Sprache - wie von Mammut ausgedrückt (Berufungsbegründung Rn. 348) - lediglich 'in einem anderen Sound daherkommt', ändert nichts daran, dass die Kommunikation direkt mittels Worten und nicht lediglich von Worten repräsentierenden Tonmustern erfolgt. Im Übrigen kann nicht angenommen werden, dass die Fachperson diese besonderen Kommunikationsformen dem Verständnis des Patentanspruchs zugrunde legt.
-
- Ein engeres Verständnis ergibt sich entgegen der Auffassung von Mammut auch nicht aus Merkmal 3.1. Wie ausgeführt, verlangt das Merkmal lediglich einen Zusammenhang zwischen Ton und empfangenem Sendesignal und setzt darüber hinaus nicht voraus, dass der Zusammenhang zwischen dem auszugebende Tonsignal und dem wenigstens einen weiteren LVS-Gerät ausschließlich über eine Variation der Lautstärke des Tonsignals hergestellt wird.
(4) Merkmale 2 und 2.1
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- Die Steuerungseinrichtung ist nach Merkmal 2 dazu ausgebildet, in Abhängigkeit von wenigstens einem Ereignis den wenigstens einen Lautsprecher (22) zum Ausgeben zumindest einer Sprachnachricht anzusteuern. Dieses Ereignis steht nach Merkmal 2 und 2.1 mit einer Suche nach dem wenigstens einen weiteren LVS-Gerät in Zusammenhang.
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- Entsprechend dem Verständnis zu Merkmal 3.1 verlangt Merkmal 2.1 einen Zusammenhang zwischen dem empfangenen Sendesignal (Merkmal 1.2) und dem Ereignis. Beispielsweise wird der Lautsprecher zum Ausgeben der zumindest einen Sprachnachricht angesteuert, wenn die Empfangseinheit eine Veränderung der empfangenen Stärke und/oder einer empfangenen Qualität des Sendesignals des weiteren LVS-Geräts erfasst (Abs. 15).
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- Kein abweichendes Verständnis liegt entgegen der Auffassung von Mammut dem Bescheid des Europäischen Prüfers vom 13. April 2018 (Anlage BB1 Beilage 31) zugrunde. Die dort enthaltene Aussage, dass es sich bei Merkmal 2 lediglich um ein Standardmerkmal eines LVSGeräts handelt, besagt für sich alleine nichts über die Bedeutung des Merkmals. Es bedarf deshalb keiner Klärung der Frage, ob Äußerungen im Erteilungsverfahren für die Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind.
(5) Merkmal 4
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- Nach Merkmal 4 ist die Steuerungseinrichtung dazu ausgebildet und damit geeignet, den wenigstens einen Lautsprecher (22) derart anzusteuern, dass das wenigstens eine Tonsignal während des Ausgebens der zumindest einen Sprachnachricht unterdrückt wird oder mit einer verringerten Laustärke ausgegeben wird (Abs. 11). Dadurch stören Tonsignale die Verständlichkeit der Sprachnachrichten nicht, was wiederum die Suche erleichtert (Sp. 3 Z. 3).
-
- Während für die zweite Alternative nach Merkmal 4 genügt, dass die Ausgabe des Tonsignals mit verringerter Lautstärke erfolgt, was eine Verringerung der Lautstärke bis ins quasi Unhörbare einschließt, erfolgt nach der ersten Alternative keine Ausgabe des Tonsignals.
Patentgemäß ist deshalb auch ein LVS-Gerät, bei dem die Tonsignale gar nicht erst erzeugt werden, während Sprachnachrichten ausgegeben werden.
-
- Der allgemeine Sprachgebrauch rechtfertigt entgegen der Auffassung von Mammut kein anderes Verständnis. Es trifft zwar zu, dass nur etwas Vorhandenes unterdrückt werden kann. Da der Patentanspruch verlangt, dass mindestens ein Tonsignal ausgegeben wird (Merkmal 3), ist ein solches Tonsignal zeitabschnittsweise auch vorhanden. Lediglich 'während' der Ausgabe der Sprachnachricht soll es nach Merkmal 4 unterdrückt werden. Das Verständnis, dass es genügt, dass bei derselben Suche zeitabschnittsweise ein Tonsignal ausgegeben wird, während der Ausgabe des Sprachsignals aber eine Ausgabe von Tonsignalen unterbleibt, wird dadurch bestätigt, dass nach der Beschreibung die Suche sowohl durch das Tonsignal (Spalte 3 Z. 5) als auch die Sprachnachricht (Abs. 7 Z. 14-15) unterstützt werden soll, und das Unterdrücken des Tonsignals lediglich dazu dient, die Verständlichkeit der Sprachnachricht zu gewährleisten (Spalte 3 Z. 3).
-
- Die Äußerungen von Ortovox im Erteilungsverfahren führen zu keinem anderen Verständnis. Es kann dahinstehen, ob nach Art. 24 Abs. 1 (c) EPGÜ i.V.m. Art. 69 EPÜ die Berücksichtigung der Erteilungsakte bei der Auslegung zulässig ist. Denn Ortovox hat entgegen der Auffassung von Mammut nicht mit einer Gleichzeitigkeit der Ton- und Sprachsignale argumentiert. Ortovox hat insoweit lediglich geltend gemacht, dass WO'721 nicht offenbare, dass ein Lautsprecher eines LVS-Geräts dazu ausgebildet sei, sowohl eine Sprachnachricht auszugeben als auch wenigstens ein Tonsignal, welches mit der Suche nach dem weiteren LVS-Gerät in Zusammenhang stehe (KAP 14, S. 3). Daraus ergibt sich keine Einschränkung auf LVS-Geräte, bei denen Tonsignale auch während der Ausgabe der Sprachnachrichten erzeugt werden, vielmehr kommt dadurch lediglich zum Ausdruck, dass zeitabschnittsweise wenigstens ein Tonsignal und zeitabschnittsweise eine Sprachnachricht die Suche unterstützt.
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- Auch bei diesem Verständnis kommt der Steuerungseinrichtung Bedeutung zu. In dem Fall, in dem das Unterdrücken des Tonsignals dadurch geschieht, dass Tonsignale gar nicht erst erzeugt werden, muss zwar keine Ansteuerung des Lautsprechers zur Ausgabe eines Tonsignals erfolgen. Dies ist nach Merkmal 4 jedoch auch nicht zwingend. Die Steuerungseinrichtung dient dem Zweck, aufgrund des Eintritts eines vordefinierten Ereignisses den Lautsprecher ' derart ' (Wortlaut Merkmal 4) anzusteuern, dass eine Sprachnachricht und kein Tonsignal über den Lautsprecher ausgegeben wird. Damit genügt, dass eine Steuerungseinrichtung vorhanden ist, die dazu ausgebildet ist, dass sie abhängig von einem bestimmten Ereignis (Merkmal 2.1) eine Ansteuerung des Lautsprechers zum Ausgeben einer Sprachnachricht vornimmt (Merkmal 2) und diese Ansteuerung zur Folge hat, dass während der Ausgabe der Sprachnachricht entweder das Tonsignal unterdrückt wird oder mit einer verringerten Lautstärke ausgegeben wird (Merkmal 4).
- 100.Wie die Lokalkammer zutreffend ausgeführt hat, bedarf es damit eines funktionalen Zusammenhangs zwischen der Ansteuerung des Lautsprechers und der Ausgabe der Sprachnachricht und dem Unterdrücken bzw. Reduzieren der Lautstärke des Tonsignals. Nicht vom Patentanspruch umfasst sind Konfigurationen der Steuerungseinrichtung, bei denen Sprachnachrichten und Tonsignale unabhängig voneinander ausgegeben werden, beispielsweise in einem Suchmodus die Ausgabe eines Tonsignals gänzlich abgeschaltet wird und z. B. in einem anderen Suchmodus nur Sprachnachrichten ausgegeben werden, aber nie ein Tonsignal. In Gesamtschau mit den Merkmalen 2.1 und 3.1. ergibt sich: Ob zum jeweiligen Zeitpunkt ein Tonsignal oder eine Sprachnachricht ausgegeben wird, hängt davon ab, ob das in Merkmal 2.1 genannte Ereignis eingetreten ist. Nur dann erfolgt eine Ausgabe der
Sprachnachricht und wird diese gegenüber dem Tonsignal im Sinne von Merkmal 4 vorrangig behandelt.
101.Damit macht Mammut auch ohne Erfolg geltend, für den Fachmann sei schon nicht ersichtlich, wie technisch eine Ansteuerung des Lautsprechers aussehen solle, wenn das Tonsignal vollständig unterbrochen würde.
- 102.Da der Patentanspruch keine Vorgaben dazu macht, ist auch nicht ausgeschlossen, dass die beiden Signale unabhängig voneinander durch zwei Signalgeneratoren erzeugt werden. Damit fallen auch Ausgestaltungen unter den Anspruch, bei denen zwei Signalgeneratoren vorhanden sind, die den Lautsprecher separat zur Ausgabe von Tonsignalen und Sprachnachrichten ansteuern, wenn und soweit die Ansteuerung des Lautsprechers den Vorgaben in Merkmal 3.1, 2.1 und 4 entspricht.
- 103.Die Merkmale des mit Patenanspruch 13 geschützten Verfahrens entsprechen denjenigen des Patentanspruchs 1. Sein Gegenstand unterliegt deshalb der gleichen Beurteilung wie derjenige von Patentanspruch 1.
C. Rechtsbestand und Verletzung
104.Nach der Rechtsprechung des EPG-Berufungsgerichts setzt die Anordnung einstweiliger Maßnahmen gemäß R.211.2 VerfO in Verbindung mit Art. 62 Abs. 1 EPGÜ voraus, dass überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller zur Einleitung eines Verfahrens berechtigt ist und das Patent verletzt wird. Ferner darf das Gericht es nicht als überwiegend wahrscheinlich ansehen, dass das Patent nicht gültig ist (EPG-Berufungsgericht, Spruchkörper 1, Anordnung vom 26. Februar 2024 - UPC_CoA_335/2023 App_576355/2023, NanoString Technologies u.a./10x Genomics u.a, S. 30, GRUR 2024, 527 Rn. 9192). Diese Voraussetzungen hat die Lokalkammer zu Recht bejaht.
I. Rechtsbestand
105.Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Verfügungspatent in der Fassung der Patentansprüche 1 und 13 nichtig ist.
1. Ausreichende Offenbarung (Art. 83 EPÜ)
106.Es bestehen keine erheblichen Zweifel daran, dass die Erfindung gemäß Patentansprüchen 1 und 13 so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann und damit die Voraussetzungen des Art. 83 EPÜ erfüllt werden.
107.Aus Vorstehendem ergibt sich, dass es bei richtigem Verständnis von den Patentansprüchen nicht an der Offenbarung der Ausführbarkeit der Erfindung im Hinblick auf die Ansteuerung des Lautsprechers und eines Unterscheidungskriteriums für die Abgrenzung von Sprachnachricht und Tonsignal fehlt.
108.Soweit Mammut geltend macht, der Fachmann erhalte von der Beschreibung oder den Ansprüchen keinerlei Hinweise darauf, wie ein Lautsprecher als passives Bauelement sich selbst mit dem Tonsignal ansteuern solle, wird verkannt, dass Merkmal 3 keine Ansteuerung durch den Lautsprecher verlangt. Wie sich aus Merkmalen 2 und 4 ergibt, wird die erforderliche Ansteuerung durch eine Steuerungseinrichtung bewerkstelligt.
-
- Neuheit gegenüber EP 1 577 679
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- Der Gegenstand von Patentanspruch 1 und 13 ist durch EP 1 577 679 (Anlage BB2, im Folgenden: EP´679) nicht neuheitsschädlich vorweggenommen.
- a) Zulassung des im Überprüfungsverfahren gehaltenen Vortrags zur EP´679
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- EP´679 und das hierzu im Verfahren auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen gehaltene Vorbringen ist im Berufungsverfahren zuzulassen.
- (1) Keine Bindung des Berufungsgerichts an die Präklusionsentscheidung des Gerichts erster Instanz
- 111.Die Lokalkammer hat den Vortrag zu der Entgegenhaltung EP´679 als verspätet zurückgewiesen, weil er erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung vor der Lokalkammer in das Verfahren eingeführt worden war. In einem obiter dictum hat die Lokalkammer ausgeführt, dass die Entgegenhaltung das Verfügungspatent nicht neuheitsschädlich vorwegnehme.
- 112.Es kann dahinstehen, ob die Lokalkammer das Vorbringen zu Recht nicht zugelassen hat. Das Berufungsgericht übt das ihm zustehende Ermessen dahin aus, das Vorbringen im Berufungsverfahren zuzulassen.
- 113.Der Gegenstand des Berufungsverfahrens bestimmt sich nach R.222 VerfO. Nach R.222.1 VerfO stellen die von den Parteien gemäß Regeln 221, 225, 226, 236 und 238 vorgebrachten Anträge, Tatsachen und Beweismittel und rechtlichen Ausführungen vorbehaltlich des Absatzes 2 den Gegenstand des Verfahrens vor dem Berufungsgericht dar. Das Berufungsgericht zieht die Akte des Verfahrens vor dem Gericht erster Instanz bei. Nach Absatz 2 der Regelung können Anträge, Tatsachen und Beweismittel, die von einer Partei während des Verfahrens vor dem Gericht erster Instanz nicht vorgebracht wurden, vom Berufungsgericht außer Acht gelassen werden.
- 114.Weder das EPGÜ noch die Verfahrensordnung enthalten eine Regelung, die ausdrücklich vorsieht, dass Angriffsund Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen wurden, im Berufungsverfahren ausgeschlossen bleiben müssen. Eine solche Regelung ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 73 Abs. 4 EPGÜ, die neue Tatsachen und Beweismittel nur zulässt, wenn dies mit der Verfahrensordnung in Einklang steht und vernünftigerweise nicht davon ausgegangen werden konnte, dass die betreffende Partei diese Tatsachen und Beweismittel im Verfahren vor dem Gericht erster Instanz hätte vorlegen können. Es kann keinen Unterschied machen, ob die Partei, die eine Zurückweisung wegen Verspätung befürchtet, von dem Vorbringen absieht oder ob Vorbringen einer Partei zu Recht wegen Verspätung zurückgewiesen wurde.
- 115.Da eine Präklusion die säumige Partei erheblich beschwert, bedürfte es für eine Bindung des Berufungsgerichts an die Zurückweisung des Vorbringens durch das Gericht erster Instanz einer ausdrücklichen Regelung. Deshalb entscheidet das Berufungsgericht unter Berücksichtigung aller Umstände nach Ermessen, ob ein vom Gericht erster Instanz zu Recht nicht zugelassenes Vorbringen im Berufungsverfahren zu berücksichtigen ist.
116.Für eine eigene Ermessensausübung durch das Berufungsgericht spricht auch R.222.2 VerfO. Bei der Ermessensausübung berücksichtigt das Gericht insbesondere, ob dieses neue Vorbringen während des Verfahrens vor dem Gericht erster Instanz vernünftigerweise noch nicht eingeführt werden konnte (a), die Erheblichkeit des neuen Vorbringens für die Berufungsentscheidung (b), die Haltung der anderen Partei hinsichtlich der Einführung neuen Vorbringens (c).
117.R.222.2 VerfO findet zwar auf die in erster Instanz vorgetragenen Tatsachen keine Anwendung. Es besteht jedoch in der Sache kein Unterschied zwischen Tatsachen, die in erster Instanz nicht vorgetragen wurden und solchen, die in erster Instanz zwar vorgetragen, aber wegen Verspätung nicht zugelassen wurden.
(2) Ausübung des Ermessens
118.Das Berufungsgericht übt das ihm danach zustehende Ermessen dahin aus, das zu EP´679 im Überprüfungsverfahren gehaltene Vorbringen im Berufungsverfahren zuzulassen. Dabei hat sich das Berufungsgericht von folgenden Umständen leiten lassen:
119.Durch die Berücksichtigung des Vorbringens zur Entgegenhaltung EP´679 wird das Verfahren nicht verzögert. Das Berufungsgericht ist in der Lage, auch bei Berücksichtigung des Vorbringens eine Entscheidung in der Sache zu treffen.
120.Den Parteien geht keine Tatsacheninstanz verloren, da die Lokalkammer Düsseldorf sich in einem obiter dictum mit der Entgegenhaltung auseinandergesetzt hat. Selbst wenn das Vorbringen in erster Instanz verspätet eingeführt worden wäre, führt dies nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens.
121.Für die Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren spricht, dass der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens dadurch gewahrt wird, dass Ortovox in der Berufungserwiderung ausreichend Gelegenheit hatte, zu dieser Entgegenhaltung vorzutragen und davon auch Gebrauch gemacht hat (vgl. EuG, Urteil vom 22.06.2017, T-236/16 ECLI:EU:T:2017:416 Rn. 20).
b) Neuheit gegenüber EP´679
122.EP´679 nimmt den Gegenstand des Verfügungspatents nicht vollständig vorweg.
(1) Grundsätze der Neuheitsprüfung
123.Die Beurteilung der Neuheit im Sinne des Art. 54 (1) EPÜ erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Es kommt darauf an, ob der Gegenstand des Verfügungspatents mit allen seinen Merkmalen in der Entgegenhaltung unmittelbar und eindeutig offenbart wird (vgl. EPG-Berufungsgericht, Spruchkörper 1, Anordnung vom 26. Februar 2024 - UPC_CoA_335/2023 App_576355/2023, NanoString Technologies u.a./10x Genomics u.a, S. 33 GRUR 2024, 527 Rn. 102).
(2) Beschreibung der EP´679
124.Die Erfindung gemäß EP´679 betrifft ein Suchgerät zur Ortung eines Senders, insbesondere ein LVS-Gerät (Abs. 1).
125.Nach den Ausführungen in der Beschreibung erzeugten herkömmliche Geräte zur Ortung nach Gehör (bzw. maximaler/minimaler Feldstärke) aus dem Sendesignal bei 457 kHz durch Heruntermischen einen hörbaren Suchton bei einer Frequenz von etwa 2 kHz. Da die eingebaute Antenne eine ausgeprägte Richtcharakteristik besitze, könne durch Drehen des Empfangsgerätes und Suchen des Lautstärke-Maximums bzw. Minimums die Richtung der maximalen Feldstärke des verschütteten Senders bestimmt werden. Diese Technik erfordere vom Suchenden hohe Konzentration, Übung, und gerade bei größerer Entfernung geringe Umgebungsgeräusche (Abs. 4).
126.Um den Suchenden auch ohne Übung und in Stresssituationen die Suche zu vereinfachen, seien Geräte mit mehreren, rechtwinklig zueinander angeordneten Antennen entwickelt worden. Durch Umschalten zwischen diesen Antennen könne die Empfangsrichtung des Sendesignals bestimmt werden (Abs. 5). Das Verfahren habe in der Praxis eine Reihe von Nachteilen (Abs. 6).
- 127.Eine besondere Herausforderung für den Suchenden liege vor, wenn er die Signale mehrerer Verschütteter zeitgleich empfange. Die Ortung rein nach Gehör erfordere hier außerordentlich viel Übung und eine umständliche Suchstrategie (Abs. 7).
- 128.Eine Aufgabe bestehe daher darin, ein gattungsgemäßes Suchgerät anzugeben, welches die Position des Verschütteten auf zuverlässige und kostengünstige Weise selbsttätig bestimme (Abs. 8).
- 129.Herkömmliche Suchgeräte wiesen eine Suchantenne zum Empfang von Sendesignalen, die vom Sender aus der momentanen Suchrichtung ausgestrahlt würden, eine Signalverarbeitungseinrichtung zur Verarbeitung von Verarbeitungssignalen aus den Sendesignalen und eine Ausgabeeinheit auf, der die Verarbeitungssignale zugeführt würden, zur Ausgabe von Ergebnissignalen, welche die Verarbeitungssignale repräsentieren, an den Benutzer (Abs. 10). Gemäß EP'679 wird vorgeschlagen ein derartiges Suchgerät weiterhin mit einem Magnetfeldsensor auszustatten, der das Erdmagnetfeld betreffende Sensorsignale an die Signalverarbeitungseinrichtung ausgibt, die als Verarbeitungssignal der Ausgabeeinheit zugeführt werden und jeder Suchrichtung einen festen Suchwinkel, relativ zum Erdmagnetfeld zuordnen (Abs. 11, Abs. 1).
130.Als einen wesentlichen Gedanken hebt die EP'679 hervor, dass ein Suchgerät im Idealfall wie ein Radar arbeiten und die Antenne ständig um einen Winkelbereich, beispielsweise 180 Grad drehen würde. Weil dabei bekannt sei, in welchem Winkel die Antenne gerade stehe, könne zu jedem Zeitpunkt ein empfangenes Signal mit der jeweiligen Feldstärke dem momentanen Winkel der Antenne zugeordnet werden. Dies sei so in der Praxis aber nicht durchführbar. Immerhin werde aber die Drehung um 180 Grad dadurch erreicht, dass die suchende Person das Gerät beim Gehen in der Hand halte und nach links und rechts schwenke. Das Problem bestehe dann darin festzustellen, in welchem Winkel zu einem äußeren Bezugskoordinatensystem sich das Gerät zu einem gegebenen Zeitpunkt befinde (Abs. 12).
131.Es könnten Informationen über den Suchwinkel unter Umständen auch aus der Auswertung des GPS-Signals gewonnen werden. Dem stünden die relativ hohen Kosten eines GPSEmpfängers und die -für Rettungsanwendungen -im Allgemeinen unzureichende Verfügbarkeit ausreichender GPS-Signale entgegen (Abs. 14).
- 132.Nach der Lehre der EP´679 soll das Erdmagnetfeld als derartiges, festes und permanent verfügbares Bezugskoordinatensystem herangezogen werden. Damit sei zu jeder Zeit eine Zuordnung des empfangenen Sendesignals eines Senders zu einem festen Suchwinkel möglich (Abs. 15).
- 133.Darüber hinaus seien Magnetfeldsensoren mit einer Genauigkeit von 1 Grad preisgünstiger als ein GPS-Empfänger, so dass das erfindungsgemäße Suchgerät kostengünstiger gefertigt werden könne (Abs. 17).
- 134.Das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 zeigt ein nach der Lehre der EP679 ausgebildetes LVSGerät. Die Kommunikation mit dem Benutzer erfolgt über ein beleuchtetes Display (10) und zwei Bedientasten (12, 13). Das Display (10) erlaubt die grafische Anzeige der Position eines oder mehrerer Verschütteten relativ zum eigenen Standort. Das Gerät 1 verfügt zusätzlich über einen Lautsprecher (14) zur Ausgabe eines synthetisch generierten Suchtons an den Benutzer als akustisches Feedback sowie eine LED (15), wie dies für herkömmliche Geräte bekannt sei. Der Lautsprecher (14) und die rote LED (15) ermöglichten eine konventionelle Suche auch ohne Nutzung der graphischen Anzeige über das Display (10) (Abs. 49).
- 135.Das Gerät (1) ist mit einer nach außen nicht sichtbaren Antenne zum Senden und Suchen auf einer Suchfrequenz von 457 kHz ausgestattet. Eine automatische Ortung der Verschütteten erfolgt aus der natürlichen Schwenkbewegung des Suchenden bzw. Benutzers. Gemäß der Lehre der EP679 sei jedoch keine manuelle Peilung wie bei herkömmlichen Geräten erforderlich. Zusätzlich verfügt das dargestellte Gerät 1 über einen Peilmodus zur Konzentration auf den ausgewählten Verschütteten (Abs. 53).
- 136.Der Suchvorgang laufe dabei so ab, dass der Suchende das Gerät (1) nach dem Umschalten von Sende- auf Suchbetrieb einige Male um ca. 180 Grad hin- und herschwenke. Die erreichbare Peil- und Suchgenauigkeit liege anfangs bei ± 10 Grad. Beim Schwenken würden alle Sende- bzw. Sendersignale der Sender von Verschütteten erfasst, die sich in Reichweite befinden. Eine manuelle Peilung, d.h. das Halten des Gerätes (1) in Richtung des stärksten Signals, sei nicht erforderlich.
- 137.Die erfassten Sender (22) würden nach Richtung und Entfernung auf dem Display (10) angezeigt, wobei die maßstäbliche Darstellung der Entfernung des Senders (22) vom Suchenden (im Zentrum des Koordinatenfeldes (16), d.h. des Fadenkreuzes (23)) durch Entfernungsangaben (24) in Metern präzisiert werde (54).
- 138.Der Suchende könne sich nun durch 'Ansuchen' des Verschütteten, der als erstes aufgefunden werden solle, und Betätigen der Taste 'PEILEN' auf diesen fokussieren und die weiteren Sender (22) ausblenden. Während des Suchvorgangs würden Entfernungsangaben (24) und Positionsangaben (22) ständig an die aktuelle Position des Suchenden angepasst (Abs. 55).
(3)Offenbarung der Merkmale 1, 1.1, 1.2, 1.3 und Merkmal 3 und 3.1
- 139.Damit sind die Merkmale 1, 1.1, 1.2, 1.3 und Merkmal 3 und 3.1 unmittelbar und eindeutig offenbart. Wie sich insbesondere aus Absatz 49 der Beschreibung ergibt, kann das erfindungsgemäße Suchgerät 'zusätzlich' über einen Lautsprecher (14) zur Ausgabe eines synthetisch generierten Suchtons an den Benutzer als akustisches Feedback sowie eine LED (15), wie dies für herkömmliche Geräte bekannt ist, verfügen. Der Lautsprecher (14) und die
rote LED (15) ermöglichen eine 'konventionelle Suche' auch ohne Nutzung der graphischen Anzeige über das Display (10) (Abs. 49).
-
(4) Keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung der Merkmale 2, 2.1 und 4
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140.Zu Recht hat die Lokalkammer angenommen, dass Merkmale 2., 2.1 und 4 in EP´679 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart werden.
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141.Nach der Entgegenhaltung seien zahlreiche Abwandlungen des dort beispielhaft beschriebenen Suchgeräts denkbar (Abs. 94).
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142.Insbesondere, schlägt EP'679 vor, dieses LVS-Gerät mit einem GPS-System zu kombinieren, wobei das GPS-System eine naturgetreue Darstellung des Geländes bereitstellt. Der Standpunkt des Suchenden und die von dem Suchgerät erfassten Sendeorte, d.h. die vermuteten Liegepunkte der Verschütteten, werden der Darstellung des GPS-Systems überlagert. Ein derartiges System ermögliche es dem Suchenden, die Position des Liegepunktes anhand von eventuell vorhandenen, markanten Geländepunkten intuitiv, d.h. rasch zu erfassen, so dass er mit geringstmöglicher Verzögerung den Liegepunkt aufsuchen könne (Abs. 96).
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143.EP'679 offenbart weiter, dass das Suchgerät alternativ oder zusätzlich mit einer Sprachsteuerung kombiniert werden könne, wie dies etwa bei GPS-Systemen für KFZ bekannt sei. Hierbei erhalte der Suchende akustische Anweisungen, etwa in Form einer vom Suchgerät erzeugten Stimme. Dies ermögliche dem Suchenden, sich auf das Gelände zu konzentrieren (Abs. 97).
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144.Wie die Lokalkammer zu Recht angenommen hat, nimmt Absatz 97 mit der Angabe 'alternativ oder zusätzlich' auf eine Ausgestaltung gemäß Absatz 96 Bezug. Damit können 'alternativ oder zusätzlich' zu der naturgetreuen Darstellung des Geländes akustische Anweisungen, etwa in Form eines vom Suchgerät erzeugten Stimme ausgegeben werden.
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145.Damit wird nicht unmittelbar und eindeutig ein LVS-Gerät offenbart, bei welchem die Steuerungseinrichtung dazu ausgebildet ist, den Lautsprecher derart anzusteuern, dass das wenigstens eine Tonsignal während des Ausgebens der zumindest einen Sprachnachricht unterdrückt wird oder mit einer geringeren Lautstärke ausgegeben wird.
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146.Die Kombinationsmöglichkeiten, die in Absatz 94 bis 97 beschrieben werden, beziehen sich auf ein 'erfindungsgemäßes Suchgerät' (Abs. 97). Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass die Position des Verschütteten 'selbsttätig' bestimmt wird (Abs. 8). Da das Suchgerät gemäß EP´679 von dem Erdmagnetfeld als Bezugskoordinatensystem Gebrauch macht (Abs. 15), ist die grafische Anzeige der Position eines Verschütteten relativ zum eigenen Standort möglich (Abs. 49). Es unterscheidet sich damit von 'herkömmlichen' Geräten zur Ortung nach Gehör (Abs. 4), welche vom Suchenden hohe Konzentration, Übung und gerade bei größerer Entfernung geringe Umgebungsgeräusche (Abs. 4) und bei dem zeitgleichen Empfang von Signalen mehrerer Verschütteter außerordentlich viel Übung und eine umständliche Suchstrategie erforderten (Abs. 7). Während bei den 'herkömmlichen' oder konventionellen Geräten sich die Suche anhand des Tons an den Feldlinien orientiert, ist die Position des Verschütteten relativ zum eigenen Standort bei einem 'erfindungsgemäßen Suchgerät' bekannt. Dem entnimmt der Fachmann, dass die Vorteile eines 'erfindungsgemäßen Suchgeräts' gerade darin liegen, dass es keiner Ausgabe eines Tonsignals bedarf.
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147.Daraus ergibt sich, dass bei dem in EP´679 vorgeschlagenen Suchgerät eine Ausgabe der zugehörigen Ergebnissignale gerade nicht durch einen Lautsprecher erfolgen soll. Der Fachmann bezieht den Hinweis auf die Kombinationsmöglichkeiten damit insbesondere auf ein Suchgerät mit dem in Absatz 49 beschriebenen Display, das die Position eines oder mehrerer Verschütteter relativ zum eigenen Standort grafisch anzeigt. Die im Patentanspruch 1 genannte Ausgabeeinheit schließt zwar begrifflich eine Ausgabeeinheit zur Ausgabe eines akustischen Signals nicht aus. In der Beschreibung der EP´679 werden solche Ausgestaltungen jedoch nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Soweit in Absatz 49 ausgeführt wird, das Gerät verfüge zusätzlich über einen Lautsprecher zur Ausgabe eines synthetisch generierten Suchtons an den Benutzer als akustisches Feedback sowie eine LED, wie sie für herkömmliche Geräte bekannt seien, lässt sich dem aus Sicht der Fachperson lediglich entnehmen, dass ein Suchgerät nach EP´679 zusätzlich mit einer konventionellen Suchfunktion bzw. Suchmodus ausgestattet werden kann, wobei die Ausgabe der 'erfindungsgemäß ermittelten Ergebnissignale' (vgl. Patentanspruch 1) jedoch weiterhin über das Display erfolgt. Der aus dem Stand der Technik bekannte Suchton dient lediglich der konventionellen Suche im Sinne von Absatz 4.
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148.Auch den übrigen Textstellen und den Unteransprüchen lässt sich nicht entnehmen, dass 'die erfindungsgemäß ermittelten' Ergebnissignale durch einen Lautsprecher ausgegeben werden können.
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149.Lediglich Unteranspruch 7 gestaltet die Ausgabeeinheit weiter aus und betrifft wiederum nur eine graphische Ausgabe (Abs. 92, Fig. 3).
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150.Während für die LED beschrieben wird, dass sie für die Zielsuche im Nahbereich unterstützend eingesetzt wird (Abs. 56), fehlt es an entsprechenden Hinweisen hinsichtlich des Lautsprechers.
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151.Solche Hinweise ergeben sich auch nicht aus Absatz 65. Danach gibt der Lautsprecher 'nur noch' in entfernungsabhängiger Weise den Suchton des angepeilten Verschütteten wieder. Durch die Worte 'nur noch' wird zum Ausdruck gebracht, dass nach Auswählen eines Verschütteten durch die Taste (12, 'Peilen') für die weitere Suche sich die Suche auf die ausgewählte Person beschränkt. Der Suchton repräsentiert damit weiterhin lediglich die Signalauswertung der konventionelle Suche.
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152.Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus Absatz 96, wonach denkbar sei, dass ein 'erfindungsgemäßes Suchgerät" mit einem GPS-System kombiniert werden kann, welches eine naturgetreue Darstellung des Geländes bereitstellt, lediglich, dass das zuvor beschriebene Display durch die naturgetreue Darstellung des Geländes eine Weiterbildung erfährt. Ein Wechsel zu einer Darstellung des Verschütteten auf Grundlage eines GPS-Signals abweichend von der beschriebenen Positionsbestimmung anhand des Erdmagnetfelds lässt sich Absatz 96 nicht entnehmen. Dies stünde auch in Widerspruch zu den Ausführungen in Absatz 14, wonach die Informationsgewinnung über den Suchwinkel über GPS-Signale die relativ hohen Kosten eines GPS-Empfängers und die für Rettungsanwendungen im Allgemeinen unzureichende Verfügbarkeit ausreichender GPS-Signale entgegenstehen.
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153.Soweit Absatz 97 alternativ oder zusätzlich eine Kombination mit einer Sprachsteuerung vorschlägt, wie sie etwa bei GPS-Systemen für Kraftfahrzeuge bekannt ist, ergibt sich aus den
vorstehenden Gründen, dass ein Wechsel zu einer Zielort-Bestimmung im Wege von absoluten GPS-Daten des Ziels nicht vorgeschlagen wird.
- 154.'Alternativ oder zusätzlich' in Absatz 97 bezieht sich auf die in Absatz 96 beschriebene Ausgestaltung eines 'erfindungsgemäßen Suchgerätes' mit einem Display mit naturgetreuer Darstellung des Geländes. Damit kann die Sprachsteuerung mit, aber auch ohne die naturgetreue Darstellung des Geländes am Display erfolgen. Nähere Ausführungen wie die Sprachsteuerung ausgestaltet ist, enthält Absatz 97 nicht. Es ist insoweit lediglich von akustischen Anweisungen, etwa in Form einer vom Suchgerät erzeugten Stimme die Rede. Der angesprochene Fachmann wird Absatz 96 jedoch auch insoweit in Zusammenhang mit den vorangehenden Ausführungen lesen, wonach bei der dort vorgeschlagenen naturgetreuen Darstellung des Geländes der Standpunkt des Suchenden und die vom Suchgerät erfassten Senderorte, d.h. die vermuteten Liegepunkte der Verschütteten, der Darstellung des GPSSystems überlagert werden und ein derartiges System es dem Suchenden ermöglicht, die Position des Liegepunktes anhand von eventuell vorhandenen markanten Geländepunkten intuitiv d.h. rasch zu erfassen. Daraus entnimmt die Fachperson, dass die akustischen Anweisungen sich auf Hinweise auf markante Geländepunkte zur Erfassung des Liegepunktes beziehen.
155.Damit ist Merkmal 2.1 nicht offenbart. Es ergibt sich aus diesen Ausführungen nicht unmittelbar und eindeutig, dass die Sprachsteuerung den Lautsprecher zum Ausgeben einer Sprachnachricht bei einem Ereignis ansteuert, das im Zusammenhang mit einem von dem weiteren LVS-Gerät empfangenen Sendesignal steht.
156.Auch Merkmal 4 ist nicht offenbart. Eine Kombination des in Absatz 49 beschriebenen Ausführungsbeispiels, bei dem das Gerät zusätzlich zu dem beleuchteten Display über einen Lautsprecher zur Ausgabe eines synthetisch generierten Suchtons verfügt, offenbart EP´679 nicht. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, bezieht sich die Einleitung in Absatz 97 'alternativ oder zusätzlich' allein auf das Display mit naturgetreuer Darstellung des Geländes gemäß Absatz 96.
157.Selbst wenn der Fachmann der Druckschrift unmittelbar entnehmen würde, das Ausführungsbeispiel gemäß Absatz 49 mit der Sprachsteuerung zu kombinieren, wäre Merkmal 4 nicht offenbart. Das LVS-Gerät verfügte dann zwar über eine Sprachsteuerung, ein Display und einen Lautsprecher zur Ausgabe des Suchtons. Da der Lautsprecher jedoch lediglich eine konventionelle Suche auch ohne Nutzung der graphischen Anzeige über das Display ermöglichen soll (Abs. 49), ist damit allenfalls offenbart, dass abhängig von der Auswahl des Benutzers entweder in einem Suchmodus die Sprachausgabe und in einem davon zu unterscheidenden Suchmodus die Ausgabe eines Tonsignals erfolgt. Da diese beiden Suchmodi nicht gleichzeitig aktiviert werden können, ist ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Ansteuerung des Lautsprechers und der Ausgabe der Sprachnachricht und dem Unterdrücken bzw. Reduzieren der Lautstärke des Tonsignals durch eine Steuerungseinrichtung gemäß Merkmal 4 nicht offenbart.
158.Keine andere Beurteilung ergibt sich für Patentanspruch 13.
3. Neuheit gegenüber EP 2 527 011
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- Auch die Entgegenhaltung EP 2 527 011 (Anlage KAP 18, im Folgenden: EP´011) nimmt weder Patentanspruch 1 noch Patentanspruch 13 neuheitsschädlich vorweg.
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160.Die EP'011 betrifft ein LVS-Gerät, welches eine Empfangseinheit zum Bestimmen einer Empfangseinrichtung eines Sendesignals, eine Verarbeitungseinheit und einen akustischen Signalgenerator umfasst (Abs. 1). Die Beschreibung sieht es als nachteilig an, dass bei den bekannten Such- und Sendegeräten die Suche nach einem Verschütteten viel Zeit und Übung erfordere. Davon ausgehend macht EP'011 sich zur Aufgabe, den Suchvorgang zu erleichtern (Abs. 9).
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161.Diese Aufgabe soll durch ein LVS-Gerät gelöst werden, bei dem die Empfangsrichtung durch die Verarbeitungseinheit einem von wenigstens zwei Raumwinkelbereichen um das Such- und Sendegerät zuordenbar ist, wobei durch den akustischen Signalgenerator abhängig von dem der Empfangsrichtung zugeordneten Raumwinkelbereich eines von wenigstens zwei Tonmustern erzeugbar ist (Abs. 10). Der Begriff Raumwinkelbereich bezeichnet dabei einen Teil des Raumes um das Such- und Sendegerät herum, beispielsweise in Form von vom Gerät ausgehenden, nach außen offenen Kugelsektoren (Abs. 12).
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- Nach der Beschreibung der EP'011 habe dies den Vorteil, dass dem Suchenden die Empfangsrichtung des Sendesignals mit der Genauigkeit eines Raumwinkelbereichs akustisch signalisiert werde. Dadurch könne sich der Suchende durch das akustische Signal (Tonmuster) leiten lassen und müsse sich nicht in erster Linie auf eine optische Anzeige konzentrieren (Abs. 14).
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163.Weiter habe dies den Vorteil, dass das akustische Signal nicht einfach, wie vorher bekannt, proportional zur Stärke des empfangenen Sendesignals und zur Ausrichtung der Empfangsantenne zur Empfangsrichtung des Sendesignals sei (Abs. 16).
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164.Nach den Ausführungen in EP'011 unterscheiden sich die Tonmuster vorzugsweise in einer Kombination der Parameter Tonfrequenz, Wiederholrate von Einzeltönen, Dauer der Einzeltöne und der Lautstärke (Abs. 45).
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165.Das in Figur 1 gezeigte Such- und Sendegerät umfasst einen akustischen Signalgenerator mit einem Lautsprecher (2) (Abs. 55 Z. 38 f.). Weiter umfasst das Such- und Sendegerät 1 eine Sendeeinheit, mittels welcher ein Sendesignal gesendet werden kann, wenn sich das Suchund Sendegerät (1) im Sendemodus befindet (Abs. 55 Z. 50-54). Weiter umfasst das Such- und Sendegerät (1) eine Empfangseinheit (Abs. 56).
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166.Bei einem weiteren Ausführungsbeispiel (Figur 3) umfasst das Such- und Sendegerät (51) eine optische Anzeige (58), in welcher die von der Empfangseinheit bestimmte Empfangsrichtung dargestellt werden könne (Abs. 64 Z. 50-56).
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167.Damit sind in EP'011 die Merkmale 1, 1.1 bis 1.3 und 3 offenbart.
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168.Zutreffend ist die Lokalkammer davon ausgegangen, dass eine Sprachnachricht im Sinne von Merkmalen 2, 2.1 und 4 nicht offenbart ist. Die in EP'011 beschriebenen Tonmuster bestehen ausschließlich aus Tönen und unterscheiden sich in einer Kombination der Parameter Tonfrequenz, Wiederholrate von Einzeltönen, Dauer der Einzeltöne und der Lautstärke (Abs. 45 Z.1-41). Eine Handlungsanweisung in Form von gesprochenen Worten ist dort nicht beschrieben. Vielmehr soll der Suchende die Empfangsrichtung 'intuitiv' aus dem durch den Signalgenerator erzeugten Tonmuster ablesen können (Abs. 45 Z.54-56).
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169.Ohne Erfolg beruft sich Mammut zur Stützung der gegenteiligen Auffassung auf Absatz 46 der Druckschrift. Danach solle unter dem Begriff Tonmuster auch ein leeres oder stilles bzw. unhörbares Tonmuster verstanden werden, das keinerlei Töne umfasse. Dies sei beispielsweise dann der Fall, wenn der Signalgenerator still bleiben, d.h. kein bzw. ein unhörbares, akustisches Signal erzeugen solle, wenn die Empfangsrichtung einem oder mehreren bestimmten Raumwinkelbereichen zugeordnet worden sei. Eine Signalisierung in Form von Sprache ergibt sich daraus nicht.
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- Soweit Mammut unter Hinweis auf die Druckschrift DE 10 2014 204 630 (Abs. 9, Anlage BB1/ Beilage 58, im Folgenden: DE´630) geltend macht, es sei nach allgemeinem Verständnis des Fachmanns davon auszugehen, dass ein Tonmuster alle Arten von Signalen umfasse, die über die Lautsprecher eines Kopfhörers ausgegeben werden können, also auch gesprochene Sprache, findet sich dort keine Definition der 'Tonmuster', es werden lediglich akustische Quellsignale definiert. Da es dort an einem Hinweis auf das allgemeine Verständnis des Fachmanns fehlt, ergibt sich daraus im Übrigen nicht, dass der dortigen Definition das allgemeine Verständnis des Fachmanns zugrunde liegt.
4. Neuheit gegenüber WO 2006/051721
- 171.Zutreffend ist die Lokalkammer davon ausgegangen, dass der Gegenstand der Patentanspüche 1 und 13 auch nicht durch WO 2006/051721 (Anlage KAP 17 und BB1, Beilage 32, im Folgenden: WO'721) neuheitsschädlich vorweggenommen ist.
- 172.Die Lehre gemäß WO'721 betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Auffinden von Personen und Objekten, insbesondere ein LVS-Gerät (S. 1, Z. 11-13).
- 173.Bei den herkommlichen Geräten, bei denen das Empfangsgerät die empfangenen Frequenzimpulse detektiere, sei die optimale Vorgehensweise beim Suchen aufwendig zu erlernen. Insbesondere technisch weniger versierte Benutzer hätten oft Mühe, gerade in einer Stress-Situation die schnelle Lokalisierung eines Verschütteten zu bewerkstelligen (S. 2 Z. 1020).
- 174.Diese Problematik habe zu Weiterentwicklungen geführt. Danach würden mittlerweile für den Empfang zwei oder drei Antennen verwendet. Dies ermögliche, im Suchgerät eine Richtung zu berechnen und den Suchvorgang zu vereinfachen. Zusätzlich zeigten aktuelle Suchgeräte die Distanz zu einem Sendegerät in Meter an (S. 2 Z. 21-26).
- 175.Trotz der mehrfachen Empfangsantennen funktionierten auch die heutigen Geräte nicht immer zuverlässig, was vorwiegend in den der Funktionsweise zugrundeliegenden physikalischen Gesetzen und dem gewählten Suchverfahren begründet liege (S. 2 Z.28-31).
- 176.Seien mehrere Personen zusammen verschüttet, würden mitunter Signale von verschiedenen Sendegeräten gleichzeitig empfangen, was die Ortung erschwere (S. 3 Z. 6-8). Es sei daher eine Aufgabe, einerseits eine genauere und schnellere Ortung von Personen und Objekten zu ermöglichen, und andererseits zusätzlich nützliche Funktionen wie z.B. die Ausgabe von Navigationsdaten integrierbar zu machen (S. 3 Z. 11-15).
- 177.Die offenbarte Vorrichtung sieht wenigstens eine erste Teileinheit vor, die wenigstens eine erste Empfangseinrichtung und wenigstens eine erste Sendeeinrichtung aufweist, wobei die erste Empfangseinrichtung wenigstens zum Empfang eines Positionssignals geeignet ist, und
wobei die erste Sendeeinrichtung wenigstens ein Ortungssignal wenigstens zeitweise aussendet. Dabei enthält das Ortungssignal wenigstens eine aus dem Positionssignal abgeleitete Information (S. 4 Z. 6-14).
178.Bei diese Vorrichtung ist eine zweite Teileinheit vorgesehen, welche wenigstens eine zweite Empfangseinrichtung aufweist, wobei die zweite Empfangseinrichtung wenigstens zum Empfang des Ortungssignals geeignet und mit wenigstens einer Ausgabeeinrichtung zur Ausgabe wenigstens eines aus dem Ortungssignal abgeleiteten Signals signalverbunden ist. Bevorzugt ist das Ortungssignal einer Gruppe von Signalen entnommen, welche elektromagnetische Signale und damit auch optische Signale, sowie Schallsignale, bevorzugt jedoch Funksignale enthält (S.4 Z. 15-23; vgl. auch S.11 Z. 27-30).
179.Vorweggenommen sind damit Merkmale 1, 1.1, 1.2, 1.3, 3 und 3.1.
180.Die Entgegenhaltung offenbart zwar auch eine Vorrichtung mit einer Sprachausgabe im Sinne der Merkmale 2 und 2.1. Jedoch ist eine Vorrichtung, die zusätzlich auch Merkmale 3, 3.1 und 4 aufweist, nicht vorweggenommen.
181.Zutreffend hat die Lokalkammer eine Offenbarung von Sprachnachrichten und Tonsignalen nicht in den Ausführungen in WO'721 gesehen, wonach unter Ausgabeeinrichtung jede Einrichtung verstanden werde, die für die menschlichen Sinne wahrnehmbaren Reize erzeuge, wie bevorzugt optische Reize in Form optischer Anzeigen und/oder akustische Reize in Form von Summern oder Lautsprechern (S.5 Z. 16-19). Damit ist zwar eine Ausgabeeinrichtung offenbart, die optische 'und/oder' akustische Reize erzeugen kann. Nicht unmittelbar und eindeutig offenbart ist jedoch, dass diese akustischen Reize sowohl von einem Summer als auch einem Lautsprecher erzeugt werden können, so dass sowohl Tonsignale als auch Sprachnachrichten (entweder parallel oder alternativ) erzeugt werden können. Denn insoweit ist lediglich von 'Summern oder Lautsprechern' (Hervorhebung durch das Gericht) die Rede.
182.Die Verwendung des Plurals für die Summer und Lautsprecher stellt entgegen der Auffassung von Mammut nicht klar, dass verschiedene Signale gleichzeitig ausgegeben werden können. Der Fachmann erkennt dies lediglich als Hinweis, dass es eine Vielzahl konkreter Bauformen für optische Anzeigen, Bildschirme, Summer oder Lautsprecher gibt.
183.Nichts anderes gilt für die Ausführungen auf Seite 11 Zeilen 21 bis 30, wonach die Informationen auf der (…) Ausgabeeinrichtung mittels entsprechend zugeordneter Signale, Symbole oder Zeichen ausgegeben werden könnten. Bevorzugt würden die Informationen auf optischen Anzeigen (…) dargestellt. Denkbar seien jedoch auch Kosten sparende Ausführungsformen mit LED-Richtungspfeilen und LED-Entfernungsskalen. In komfortablen Weiterbildungen der erfindungsgemäßen Vorrichtung sei eine Sprachausgabeeinrichtung vorgesehen, welche den Benutzer sprachgesteuert zu der aufzufindenden Person oder zum aufzufindenden Objekt leite. Dem lässt sich lediglich entnehmen, dass eine Ausgabeeinrichtung mit optischer Anzeige oder eine solche mit optischer und akustischer Ausgabe möglich ist.
5. Neuheit gegenüber DE 299 22 217
184.Die Berufung wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Auffassung der Lokalkammer, dass sich das Verfügungspatent auch gegenüber der Gebrauchsmusterschrift DE 299 22 217 (Anlage KAP 19 bzw. BB1 Beilage 33, im Folgenden DE'217) als neu erweist.
- DE'217 betrifft ein Verschüttetensuchgerät, insbesondere LVS-Gerät. DE'217 sieht es als nachteilig an, dass die Suche mit dem bekannten LVS-Gerät, bei dem die Suche anhand der Stärke des empfangenen Signals, das auf einem Display angezeigt werde, erfolgt, viel Erfahrung erfordere (S. 1 Z.11-17).
186.Vor diesem Hintergrund macht es sich DE'217 zur Aufgabe, ein Verschüttetensuchgerät zu entwickeln, mit dem es auch ungeübten Personen ermöglicht werde, eine verschüttete Person in kürzester Zeit aufzufinden (S.2 Abs. 4).
187.Im Gegensatz zu den bekannten Verschüttetensuchgeräten werde bei dem Verschüttetensuchgerät nach DE'217 nicht die Stärke eines Signals zur Positionsbestimmung herangezogen (S. 3 Abs. 2). Das Verschüttetensuchgerät nach einem Ausführungsbeispiel weist einen dGPS-Empfänger auf, der Zeit- und Positionssignale ZP von Satelliten empfange. Gleichzeitig würden Zeit- und Positionssignale ZP von einer Referenzstation empfangen, die eine aus den Zeit- und Positionssignalen ZP errechnete Position mit einer Referenzposition vergleiche, und Korrektursignale K, die einer Abweichung der errechneten Position von der Referenzposition entsprechen, an den dGPS-Empfänger sendet. Das Verschüttetensuchgerät weise eine Positions-Recheneinrichtung auf, die anhand der Zeit- und Positionssignale ZP der Satelliten 16 und der Korrektursignale K eine zentimetergenaue Position des Verschüttetensuchgeräts errechne (S.3/4).
188.Beispielsweise könne die Entfernung und die Richtung zum Verschütteten auf einem Display angezeigt werden, so dass sich der Suchende nur so lange in die angezeigte Richtung bewegen müsse, bis die Entfernung zum Verschütteten Null betrage (S. 3 Abs. 3).
189.Bei einer bevorzugten Ausführungsform sei zusätzlich ein Sprachprozessor vorgesehen, der die Richtung und die Entfernung zu dem Verschütteten vorzugsweise über einen Kopfhörer ausgebe. Diese Ausführungsform habe den Vorteil, dass der Suchende bei der Suche nach einem Verschütteten beide Hände frei habe, was besonders bei großen Schneemassen von Vorteil sei (S. 3 Abs. 4, vgl. auch S.6 Abs. 4 und Patentanspruch 7).
190.Wie die Lokalkammer zutreffend angenommen hat, fehlt es damit jedenfalls an der Offenbarung der Ausgabe wenigstens eines Tonsignals im Sinne der Merkmale 3, 3.1 und 4. Die Ausgabe von Tonsignalen wird in der Entgegenhaltung nicht erwähnt.
191.Ohne Erfolg macht Mammut geltend, Anspruch 1 offenbare allgemein eine Ausgabeeinrichtung, die Bestimmungswerte ausgebe. Auch wenn der Fachmann unter Heranziehen seines Fachwissens in der Lage ist, andere Ausgabeeinheiten als die in der Entgegenhaltung unmittelbar beschriebenen herzustellen, die unter Anspruch 1 fallen, folgt daraus nicht, dass alle diese Ausgabeeinheiten unmittelbar und eindeutig durch die Entgegenhaltung offenbart werden.
- 192.Auch die in Anspruch 8 angesprochene Signaleinrichtung (34), die ein auffälliges Signal abgibt, wenn die ersten und zweiten Positionswerte übereinstimmen, offenbart nicht die Ausgabe wenigstens eines Tonsignals. Der Wortlaut von Patentanspruch 8 lässt die Signalform des auffälligen Signals offen. Bezugszeichen (34) führt den Fachmann zur Signalleuchte (34) der Beschreibung, die leuchtet, wenn der Abstand zu dem zweiten Verschüttetensuchgerät weniger als 1 Meter beträgt (S. 6 zweiter vollständiger Absatz) und offenbart damit lediglich eine Signaleinrichtung mit einem optischen Signal.
193.Auch Merkmale 2 und 2.1 sind nicht vorweggenommen. Dass die Ausgabe der Sprachnachricht abhängig von einem bestimmten Ereignis im Zusammenhang mit der Suche steht, ist nicht offenbart.
6. Erfinderische Tätigkeit
194.Gemäß Art. 56 EPÜ gilt eine Erfindung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Die Lokalkammer hat zu Recht angenommen, dass nicht überwiegend wahrscheinlich ist, dass sich der Gegenstand der Patentansprüche 1 und 13 als nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend erweisen wird.
a) Erfinderische Tätigkeit ausgehend von EP'679
195.Ausgehend von EP´679 hatte der Fachmann keinen Anlass, Tonsignale im Sinne des Merkmals 3.1 gemeinsam mit Sprachnachrichten zur Anzeige von Suchergebnissen anzuzeigen. EP´679 sieht die Ortung rein nach Gehör als nachteilig an (Abs. 7), die Entgegenhaltung schlägt deshalb eine selbsttätige Positionsbestimmung (Abs. 9) vor. Die Entfernung und die Position werden in ausreichender Weise bestimmt und über ein Display angezeigt. Ausgehend von EP´679 wird der Fachmann, der vor der Aufgabe steht, die Suche zu vereinfachen, von der Verwendung von Tonsignalen weggeführt. Dies folgt auch daraus, dass die gleichzeitige Verwendung von konventioneller Suche und der in EP´679 vorgeschlagenen Suche zu widersprüchlichen Ergebnissen führen könnte, was den Suchenden verwirren könnte. Die konventionelle Suche würde nämlich den Suchenden auf einer gekrümmten Bahn, entlang der durch das LVS-Gerät des Verschütteten erzeugten Magnetfeldlinien, führen, während die in EP´679 vorgeschlagene Suche den Suchenden in gerader Linie zum Verschütteten hin führen würde (gegebenenfalls mit Umwegen um mögliche Hindernisse zu vermeiden).
b) Ausgehend von WO'721
- Es ist nicht ersichtlich, dass der Fachmann ausgehend von WO'721 Anlass gehabt hat, das dort offenbarte LVS-Gerät mit einer Steuerungseinrichtung zu versehen, die abhängig von den in Merkmalen 2.1, 3.1 und 4 genannten Bedingungen eine alternative Ansteuerung des Lautsprechers mit Sprachnachrichten und Tonsignalen vornimmt. Wie ausgeführt, offenbart die Entgegenhaltung den Summer und Lautsprecher als Alternativen, nicht als Kombination. Die Textstelle auf Seite 11, Zeilen 21 bis 30 bezeichnet die Sprachausgabeeinrichtung als besonders komfortable Weiterbildung und stellt deshalb dem um Vereinfachung der Suche bemühten Fachmann eine abgeschlossene, nicht ergänzungsbedürftige Lehre bereit.
197.Ohne Erfolg macht Mammut geltend, das Aneinanderreihen von zwei bekannten Technologien (Sprachführung und Führung durch das Tonsignal) könne keinen erfinderischen Schritt begründen, dies gelte umso mehr, als durch die alternative, abwechselnde Anwendung von als gleichwertig bekannten technischen Mitteln keinerlei weiterer technischer Effekt erzeugt werde. Es bedarf keiner Entscheidung, ob es eines solchen weiteren technischen Effekts für eine erfinderische Tätigkeit bedürfte. Entgegen der Auffassung von Mammut hat die Kombination von Tonsignalen und Sprachführung einen über die Einzelmerkmale hinausgehenden technischen Effekt. Durch das Ausgeben der zumindest einen Sprachnachricht wird die durch die Tonsignale geleitete Suche zusätzlich unterstützt (Abs. 8).
Die Abhängigkeit der Ausgabe der Sprachnachricht von dem wenigstens einen Ereignis erlaubt die Sprachausgabe von bestimmten Suchsituationen abhängig zu machen (Abs. 13).
c) Ausgehend von DE'217
-
- Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht hinsichtlich der DE'217. Ohne Erfolg macht Mammut geltend, eine Kombination von Sprachnachrichten und Tonsignalen sei dort in den Ansprüchen 7 und 8 angelegt.
199.Es mag sein, dass der Fachmann anstelle einer Signalleuchte einen Signalton für das auffällige Signal in Erwägung zieht. Es macht aber keinen Sinn, dieses Tonsignal bei Ausgabe der Sprachnachricht zu unterdrücken oder mit einer verringerten Lautstärke auszugeben, da es sich um ein auffälliges Tonsignal handeln muss. Damit ist jedenfalls Merkmal 4 nicht offenbart.
d)Ausgehend von EP`011
200.Auch ausgehend von EP`011 hatte der Fachmann keine Veranlassung, bei einem LVS-Gerät neben der dort offenbarten Ausgabe von Tonmustern eine Sprachausgabe, wie etwa aus WO'721 und DE´217 bekannt, vorzusehen. Die nach Raumwinkel variierenden Tonmuster ermöglichen, wovon zu Recht auch die Lokalkammer ausgegangen ist, eine ausreichende Leitung des Nutzers.
- 201.Für eine Kombination der EP`011 mit WO'721 oder DE´217 besteht - worauf ebenfalls die Lokalkammer zu Recht hingewiesen hat - im Übrigen bereits deshalb keine Veranlassung, weil die Suche bei den zuletzt genannten beiden Schriften auf der Grundlage GPS-gestützter Positionssignale erfolgt, die eine feste Zuordnung bestimmter Tonmuster zu bestimmten Vektoren, wie sie EP'011 vorsieht, unnötig machen.
- e)Ausgehend von dem klassischen LVS-Gerät
-
- Auch ausgehend von dem allgemeinen LVS-Gerät ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Erfindung nahelag. Ohne Erfolg macht Mammut geltend, bei dem in der US 2006/0148423 (BB1 Beilage 34) offenbarten LVS-Gerät seien bereits alle Merkmale des Streitpatents enthalten mit Ausnahme der Kombination aus Tonsignalen und Sprachnachrichten sowie die Regelung des Verhältnisses dieser beiden Audioquellen untereinander. Da es an einer entsprechenden Anregung aus dem Stand der Technik fehlt, lag diese Merkmalskombination nicht nahe.
203.Eine solche Anregung ergibt sich auch nicht aus der Kenntnis des Fachmanns, dass Richtungsangaben des GPS mittels Sprachausgabe angezeigt werden. Der Fachmann sieht nämlich von einer Kombination von Richtungsangaben mittels GPS und herkömmlichen Tonsignalen deshalb ab, weil die gleichzeitige Verwendung von konventioneller Suche und Richtungsangaben mittels GPS zu widersprüchlichen Ergebnissen führen könnte, was die Suche nicht vereinfachen, sondern den Suchenden verwirren würde. Die konventionelle Suche würde nämlich den Suchenden auf einer gekrümmten Bahn, entlang der durch das LVS-Gerät des Verschütteten erzeugten Magnetfeldlinien, führen, während die Richtungsangaben über GPS den Suchenden in gerader Linie zum Verschütteten hin führen würde.
204.Soweit die Sprachunterstützung in der Begründung für die Auszeichnung der angegriffenen Ausführungsform mit dem ISPO Award im Jahr 2021 als 'längst überfälliges Feature'
bezeichnet wird, vermag dies das Naheliegen der Kombination zum Prioritätstag entgegen der Auffassung von Mammut nicht zu begründen.
II. Unmittelbare Patentverletzung
1. V erwirklichung der Merkmale des Patentanspruchs 1
- 205.Die Lokalkammer hat zutreffend angenommen, dass das 'Barryvox S2', soweit es über eine Sprachausgabe verfügt (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform) wortsinngemäß von der technischen Lehre des Patentanspruchs 1 Gebrauch macht.
- 206.Eine Verwirklichung der Merkmalsgruppe 1 sowie der Merkmale 2 und 2.1 steht zwischen den Parteien zu Recht nicht im Streit.
- 207.Entgegen der Auffassung von Mammut machen die angegriffenen Ausführungsformen auch von Merkmalen 3, 3.1 und 4 Gebrauch.
- 208.Die Muster des 'Barryvox S2', welche über eine Sprachunterstützung verfügen, enthalten zwei unterschiedliche Signalquellen, die eine für akustische Muster (Tonmuster) und die andere für akustische Sprache. Während des Betriebs des Geräts im Suchmodus wird zeitweilig eine der beiden Quellen ausgewählt und über den Lautsprecher wiedergegeben. Die Ausgabe der Tonmuster wird vollständig eingestellt, während eine Sprachnachricht ausgegeben wird. Es wird von einem Signalgenerator auf einen vollständig unabhängigen zweiten Signalgenerator umgeschaltet, so dass während der Ausgabe der akustischen Sprache der Signalgenerator der akustischen Muster deaktiviert ist, vor der Ausgabe und nach der Ausgabe der akustischen Sprache aber aktiv ist ('umgeschaltet'). Die Generierung des Tonsignals wird vollständig ausgesetzt, während die Sprachnachricht erzeugt und ausgegeben wird.
- 209.Wie ausgeführt, handelt es sich bei Tonmustern um Tonsignale im Sinne des Patentanspruchs 1.
- 210.Da während des Betriebs des Geräts im selben Suchmodus - also ohne dass eine weitere Benutzereingabe erforderlich ist - eine alternative Ansteuerung des Lautsprechers entweder mit Tonsignalen oder mit Sprachnachrichten erfolgt, wird auch Merkmal 4 verwirklicht.
- 211.Soweit Mammut geltend macht, es gebe keine Steuerungseinrichtung für das Ansteuern, die auf beide Signale (Ton oder Sprache) zugreife, da entweder der eine oder der andere Signalgenerator aktiv sei, genügt aus den oben genannten Gründen zur Patentverletzung, dass die Aktivierung der Signalgeneratoren die Ausgabe der Ton- bzw. Sprachsignale entsprechend den Vorgaben in Merkmalen 2.1, 3.1 und 4 bewirkt. Insbesondere wird durch die Aktivierung jeweils nur eines der beiden Signalgeneratoren ausgeschlossen, dass Tonsignal und Sprachnachricht zeitgleich ausgegeben werden.
-
- Verletzung (Art. 62 Abs. 1 EPGÜ)
- 212.Ohne Erfolg macht Mammut geltend, es gebe 'das' Barryvox S2 nicht, da jedenfalls in der Testphase verschiedene Ausführungsvarianten bestehen.
213.Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen der Lokalkammer ist unstreitig, dass einer der Prototypen mit einer Sprachunterstützung ausgestattet ist und dass ein solches Gerät auf der Messe ISPO in München ausgestellt wurde. Dies wird auch dadurch belegt, dass die Sprachausgabe in der Begründung des ISPO-Awards ausdrücklich Erwähnung findet. Vor diesem Hintergrund ist die Lokalkammer zu Recht davon ausgegangen, dass aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, die ein Barryvox S2 im Internet bestellen können, jedenfalls solange sie keine abweichenden Informationen erhalten, das letztlich gelieferte Produkt im Wesentlichen dem Gerät entspricht, welches auf der Messe ausgestellt wurde.
214.Es bedarf keiner Entscheidung, ob sich die Angebotshandlungen im Internet auf diesen Prototyp beziehen. Für den Erlass der einstweiligen Maßnahmen reicht es nämlich aus, dass eine solche Verletzung in Deutschland und Österreich droht (Art. 62 Abs. 1 EPGÜ). Davon ist aufgrund des Messeauftritts in München und der Bestellmöglichkeit des Barryvox S2 im Internet auszugehen.
III. Mittelbare Patentverletzung
- 215.Die Lokalkammer hat auch zu Recht angenommen, dass das Angebot der angegriffenen Ausführungsformen eine mittelbare Verletzung des Patentanspruchs 13 nach Art. 26 Abs. 2 EPGÜ darstellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe der Entscheidung der Lokalkammer verwiesen.
- IV. Kein Benutzungsrecht Mammuts wegen älteren Rechts
- 216.Die Lokalkammer hat zu Recht angenommen, dass die Nutzung des Patents nicht wegen des älteren Rechts von Mammut an EP'011 erlaubt ist.
- 217.Es bedarf keiner Entscheidung, ob ein solcher Einwand vor dem Einheitlichen Patentgericht erhoben werden kann. Auch nach dem durch den Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen, kann sich auf das ältere Recht jedenfalls nur derjenige berufen, wer ausschließlich dessen Lehre benutzt und nicht von zusätzlichen Merkmalen Gebrauch macht, die erst von dem jüngeren Schutzrecht gelehrt werden (BGH, GRUR 2009, 655 Rn. 27 Trägerplatte). Wie oben ausgeführt, sind in EP'011 nicht alle Merkmale der Patentansprüche 1 und 13 vorweggenommen.
V. Erschöpfung
- 218.Die Lokalkammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass Mammut sich im Hinblick auf den zwischen der Mammut GmbH und Ortovox geschlossenen Lizenzvertrag (auszugsweise vorgelegt als Anlage KAP 36) nicht auf Erschöpfung berufen kann.
- a)Verfügungspatent nicht Gegenstand des Lizenzvertrags
219.Der Lizenzvertrag erfasst aus den von der Lokalkammer genannten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, nicht das Verfügungspatent.
b)Präklusion weitergehenden Vortrags
220.Das Vorbringen von Mammut in dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten, nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15. März 2024 zur Reichweite des Lizenzvertrages hat die Lokalkammer zu Recht nicht berücksichtigt.
221.Schriftsätze, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die die Entscheidung ergeht, eingereicht werden, dürfen vom Gericht bei seiner Entscheidung nicht mehr berücksichtigt werden. Gemäß R.195.3 VerfO i.V. mit R.197.1 Satz 2 und 212.3 VerfO ergeht die Entscheidung so bald wie möglich nach Abschluss der mündlichen Verhandlung (vgl. auch R.118.6 Satz 1 und R.118.7 VerfO für das Hauptverfahren). Hält das Gericht dies für angemessen, kann die Entscheidung den Parteien am Ende der mündlichen Verhandlung mündlich verkündet werden; danach ist sie jedoch so bald wie möglich schriftlich abzufassen. Das bedeutet, dass Entscheidungsgrundlage lediglich das schriftliche und das mündliche Vorbringen vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung sein kann.
222.Der Schriftsatz ist auch nicht im Berufungsverfahren zuzulassen. Das Vorbringen in dem Schriftsatz vom 15. März 2024 ist nicht erheblich (R.222.2 (b) RoP). Dass sich die Lizenz gemäß Ziffer 4 der Vereinbarung auch auf Nachfolgemodelle des 'Pulse Barryvox' beziehen soll, bedeutet angesichts der eindeutigen Regelung in Ziffer 1 und der Präambel nicht, dass damit Abwandlungen, die von anderen als den genannten Patenten Gebrauch machen, lizenziert werden.
VI. Rechtsmissbrauch
223.Das Vorgehen gegen den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen ist entgegen der Auffassung von Mammut nicht wegen des andere Schutzrechte betreffenden Lizenzvertrages rechtsmissbräuchlich. Ein Rechtsmissbrauch käme allenfalls dann in Betracht, wenn das Verfügungspatent nicht von zusätzlichen Merkmalen Gebrauch machte, die über den Gegenstand der lizenzierten Schutzrechte hinausgehen.
224.Wie oben ausgeführt, offenbart EP´679 die streitgegenständliche Lehre jedoch nicht vollständig.
D. Interessenabwägung
225.Gemäß Art. 62 (2) EPGÜ und R.211.3 VerfO wägt das Gericht nach Ermessen die Interessen der Parteien gegeneinander ab und berücksichtigt dabei insbesondere den möglichen Schaden, der einer der Parteien aus dem Erlass der Verfügung oder der Abweisung des Antrags erwachsen könnte. Wie die Lokalkammer zutreffend angenommen hat, fällt die Interessenabwägung zugunsten von Ortovox aus.
I. Unangemessenes Zuwarten/Dringlichkeit
226.Bei der Interessenabwägung berücksichtigt das Gericht gemäß R.211.4 VerfO ein unangemessenes Zuwarten der Beantragung einstweiliger Maßnahmen. Dem liegt zugrunde, dass der Patentinhaber mit einem solchen Verhalten zeigt, dass die Durchsetzung seiner Rechte für ihn nicht dringlich ist. In einem solchen Fall bedarf es keines vorläufigen Rechtsschutzes.
227.Zutreffend hat die Lokalkammer angenommen, dass Ortovox mit dem Antrag auf einstweilige Maßnahmen vom 1. Dezember 2023 nicht unangemessen lange zugewartet hat.
1. Beginn des Zeitraums des Zuwartens
228.Der Zeitraum des Zuwartens im Sinne R.211.4 VerfO ist ab dem Tag zu bemessen, an dem der Antragsteller von der Rechtsverletzung eine solche Kenntnis hat oder hätte haben müssen, die ihn in die Lage versetzt, einen Antrag auf einstweilige Maßnahmen nach R.206.2 VerfO erfolgversprechend zu stellen.
- 229.Mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, hat die Lokalkammer angenommen, dass eine ausreichende Kenntnis oder ein Kennenmüssen nicht bereits am 12. Oktober 2023 vorlag, als Mitarbeiter einen Prototyp der angegriffenen Ausführungsform auf einer Messe in den USA in Augenschein nahmen. Entscheidend ist insoweit, dass es sich lediglich um einen Prototyp von mehreren handelte und nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden konnte, dass gerade dieser Prototyp auch in Österreich und Deutschland angeboten und vertrieben wird.
230.An dieser Sachlage hatte sich nichts geändert, als Ortovox Anfang November 2023 den Hinweis eines Händlers erhalten hat, dass das 'Barryvox S2' für das Jahr 2024 vorbestellt werden könne. Dementsprechend durfte sich Ortovox auf der am 28. November 2024 stattfindenden Messe erst einmal ein Bild von der dort ausgestellten Version machen.
2. Dauer des Zeitraums
- 231.Ortovox hat mit dem Antrag nicht unangemessen lange zugewartet.
- 232.Wann ein unangemessen langes Zuwarten im Sinne von R.211.4 VerfO vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
- 233.Nachdem Ortovox am 28. November 2023 erstmals Kenntnis von einer drohenden Patentverletzung hatte, hat Ortovox mit dem Antrag vom 1. Dezember 2023 nicht unangemessen lange zugewartet, Ortovox hat ihn vielmehr zügig gestellt.
- 234.Dass die Zustellungen der Anordnungen erst am 21. bzw. 22. Dezember 2023 erfolgt sind, und damit das Vorweihnachtsgeschäft, wie von Ortovox beabsichtigt, nicht verhindert werden konnte, ist kein Umstand, der mit dem in Anspruch genommenen Zeitraum bis zur Antragstellung in Zusammenhang steht. Unabhängig davon wäre auch bei Würdigung aller Umstände dieser Zeitraum nicht unangemessen lang.
II. Interessenabwägung
1. Schaden
- 235.Zutreffend hat die Lokalkammer angenommen, dass es hier gerechtfertigt ist, einstweilige Maßnahmen anzuordnen.
-
- Ohne Erfolg macht Mammut geltend, Ortovox verfolge nur monetäre Interessen, denen durch Schadensersatz hinreichend entsprochen werden könne.
237.Entgegen der Auffassung von Mammut ist ein nicht wiedergutzumachender Schaden keine notwendige Bedingung für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen (vgl. EuGH, Urt. v. 28. April 2022, C-44/21, Phoenix/Harting ECLI:EU:C:2022:309 Rn. 32). Art. 62 (2) EPGÜ und R.211.3 VerfO stellen lediglich auf einen möglichen Schaden ab, der bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist. Selbst R.212.1 VerfO, die eine Anordnung ex-parte erlaubt, verlangt nicht zwingend einen nicht wiedergutzumachenden Schaden. Danach kann das Gericht einstweilige Maßnahmen ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners 'insbesondere' dann anordnen, wenn durch eine Verzögerung dem Antragsteller wahrscheinlich ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstünde.
238.Ausreichend ist damit, dass die Interessen des Patentinhabers an dem Erlass einstweiliger Maßnahmen gegenüber den Interessen des Verletzers überwiegen. Dass die Anordnung vom 11. Dezember 2023 ex-parte ergangen ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung, da die hier angefochtene Anordnung im zweiseitigen Verfahren ergangen ist.
-
- Die Lokalkammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Interessen Ortovox hier überwiegen. Durch den zumindest drohenden Verkauf eines patentgemäßen Konkurrenzprodukts entzieht Mammut Ortovox die mit dem Patentschutz verbundene Marktchance.
- 240.Die Lokalkammer hat in die Abwägung zu Recht eingestellt, dass Ortovox auf effektiven Rechtsschutz angewiesen ist, weil in einem Hauptsacheverfahren mit einer mündlichen Verhandlung erst innerhalb eines Jahres zu rechnen ist. Der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform für die Wintersaison 2024/2025 ließe sich durch eine daraufhin ergangene Entscheidung jedenfalls für einen unwesentlichen Zeitraum nicht effektiv verhindern.
- 241.Ohne Erfolg macht Mammut geltend, im Falle einer Unterlassungsanordnung im Hauptverfahren würden die Aufträge storniert und die Nachfrage lebe wieder auf. Denn dies würde bedeuten, dass Ortovox, um den dann frei werdenden Bedarf kurzfristig decken zu können, die Ware auf eigenes Risiko vorproduzieren müsste.
- 242.Angesichts der festgestellten Verletzung hat Mammut kein gegenteiliges Interesse an der Sicherung der bereits getätigten Vorbestellungen.
- 243.Aus den genannten Gründen hat die Lokalkammer es zu Recht abgelehnt, Mammut die patentverletzenden Handlungen gegen Sicherheitsleistung zu gestatten.
2. Rechtsdurchsetzung in der Schweiz
244.Zutreffend ist die Lokalkammer davon ausgegangen, dass Ortovox sich auf ein mögliches Eilverfahren in der Schweiz nicht verweisen lassen muss, mit dem Mammut die Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen hätte verboten werden können. Denn ein solcher Unterlassungstitel beträfe nicht die hier in Rede stehenden Benutzungshandlungen in Deutschland und Österreich.
- Es kann zugunsten von Mammut unterstellt werden, dass das Herstellungsverbot in der Schweiz faktisch für einen bestimmten Zeitraum (nämlich bis zur Umstellung der Produktion) zu einer Einstellung des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsformen geführt hätte. Denn daraus folgt nicht, dass Ortovox gehalten war, gegen die Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen in der Schweiz vorzugehen. Es ist nämlich grundsätzlich dem
Patentinhaber überlassen, hinsichtlich welcher Benutzungshandlungen er (Eil-)Rechtsschutz in Anspruch nehmen will.
3. Drittinteressen
246.Ob Drittinteressen in die Interessenabwägung einzubeziehen sind, kann dahinstehen. Da die angegriffenen Ausführungsformen nicht die einzigen LVS-Geräte mit Sprachunterstützung sind, sondern Ortovox auch entsprechende Geräte vertreibt, ist die Verfügbarkeit des Geräts zur Verbesserung der Überlebensrate von Lawinenverschütteten nicht zwingend erforderlich.
4. Herausgabe
-
- Aus den dargelegten Gründen ist auch die von der Lokalkammer ausgesprochene Beschlagnahmeanordnung gemäß Art. 62 Abs. 3 EPGÜ in Verbindung mit R.211.1 (b) VerfO nicht zu beanstanden.
5. Zwangsgeld und Sicherheitsleistung
- Aus den Gründen in der angefochtenen Anordnung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, bestehen auch gegen das angedrohte Zwangsgeld und die angeordnete Sicherheit keine Bedenken.
E. Vorläufige Kostenerstattung zugunsten Ortovox
249.Im Ergebnis zu Recht hat die Lokalkammer Ortovox gemäß R.211.1 (d) VerfO Kostenerstattung als vorläufige Maßnahme zugesprochen.
250.Dass Ortovox den Antrag auf Kostenerstattung erstmals im Verfahren auf Überprüfung der Anordnung vorläufiger Maßnahmen gestellt hat, steht dem nicht entgegen. Allerdings muss der Antrag auf einstweilige Maßnahmen gemäß R.206.2 (b) VerfO die Angabe der einstweiligen Maßnahmen enthalten, die beantragt werden. Dazu gehört gemäß R.211.1 (d) VerfO auch eine vorläufige Kostenerstattung. Es ist aber möglich, im Rahmen des Verfahrens auf Überprüfung der Anordnung einstweiliger Maßnahmen insoweit die Zulassung von Klageänderung oder -erweiterung zu beantragen (R.263 VerfO). Der Antrag von Ortovox die einstweilige Anordnung um die Anordnung der vorläufigen Kostenerstattung zu ergänzen, enthält (implizit) einen Antrag auf Zulassung einer solchen Klageerweiterung.
251.Gemäß R.263.2 VerfO wird vorbehaltlich des Absatzes 3 die Zulassung von Klageänderung oder -erweiterung abgelehnt, wenn die Partei, welche die Änderung (oder Erweiterung) beantragt, unter Berücksichtigung aller Umstände das Gericht nicht davon überzeugen kann, dass (a) die in Rede stehende Änderung bei gebotener Sorgfalt nicht früher vorgenommen werden konnte und (b) die Änderung die andere Partei in ihrer Verfahrensführung nicht unangemessen behindert.
252.Ohne Erfolg macht Mammut geltend, dass R.263 VerfO auf Anträge vorläufiger Kostenerstattung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine Anwendung findet, weil es sich insoweit nicht um eine Klage im Sinne dieser Regelung handelt. R.263 VerfO findet auch auf Anträge auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen Anwendung. Wie sich aus Art. 32 (1) (c) EPGÜ ergibt, handelt es sich bei 'Klagen auf Erlass einstweiliger Maßnahmen' gemäß Art. 62 EPGÜ um eigenständige Klagen (vgl. auch EPG-Berufungsgericht, Anordnung vom 26.
April 2024, UPC_CoA_500/2023, APL_596892/2023 Rn. 8). Dass nach dem Wortlaut der englischen und der französischen Sprachfassung R.263.1 RoP die Änderung oder Erweiterung der 'action' (englische Sprachfassung) bzw. der 'demande' (französische Sprachfassung) betrifft, während die entsprechenden Fassungen von Art. 32 (1) (c) EPGÜ von 'actions' bzw. 'les actions' sprechen, hat deshalb keine Bedeutung, weil nach beiden Sprachfassungen R.263 VerfO nicht auf die Änderung oder Erweiterung von 'claims' oder 'demande' beschränkt ist, sondern darüber hinaus ermöglicht, 'to amend its case' bzw. 'de modifier la nature de son affaire', und sich damit auf eine Änderung oder Erweiterung des gesamten Streitgegenstands bezieht.
253.Die Voraussetzungen, bei denen gemäß R.263.2 VerfO die Zulassung der Klageänderung oder Erweiterung abgelehnt wird, liegen nicht vor. Einer Partei, die gemäß R.206.3 VerfO eine Anordnung einstweiliger Maßnahmen ohne Anhörung der anderen Partei beantragt, ist es in der Regel daran gelegen, dass das Gericht in der Sache so bald wie möglich entscheidet. Sie hat deshalb regelmäßig ein Interesse daran, dass weder sie noch das Gericht eine Berechnung der Kosten vornehmen muss. Vor diesem Hintergrund ist es in der Regel kein Verstoß gegen die gebotene Sorgfalt, wenn der Antrag auf vorläufige Kostenerstattung in diesen Fällen zurückgestellt und erst im Verfahren auf Überprüfung der Anordnung einstweiliger Maßnahmen gestellt wird. Dies ist zweckmäßig, da ein Überprüfungsverfahren zu weiteren Kosten führen kann, die bei dem dann gestellten Antrag Berücksichtigung finden könnten.
254.Mammut wird durch die nachträgliche Zulassung der vorläufigen Kostenerstattung nicht behindert. Mammut hatte bereits im Verfahren vor dem Gericht erster Instanz Gelegenheit, zum Antrag auf vorläufige Kostenerstattung Stellung zu nehmen.
255.Da Ortovox durch das Berufungsverfahren weitere Kosten entstanden sind, ist die Höhe der vorläufigen Kostenerstattung, wie von Ortovox beantragt, anzupassen. Entgegen der Auffassung von Mammut ist der Antrag im Berufungsverfahren zuzulassen. Da Ortovox nicht sicher davon ausgehen konnte, dass die Entscheidung in erster Instanz Gegenstand eines Berufungsverfahrens sein wird, war es sachdienlich, diesen Antrag erst im Berufungsverfahren zu stellen (vgl. R.222.2 (b) VerfO).
F. Kostenerstattung zugunsten Mammut
256.Da Mammut als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen hat (Art. 69 Abs. 1 VerfO, EPG-Berufungsgericht, vom 26. Februar 2024 -UPC_CoA_335/2023 App_576355/2023, Tenor Ziffer 7), ist für eine Kostenerstattung zu ihren Gunsten kein Raum.
G. Kostengrundentscheidung
257.Die Lokalkammer hat den Antrag Ortovoxs auf Erlass einer Kostengrundentscheidung mit der Begründung abgelehnt, es gebe keine Rechtsgrundlage hierfür. Zwar trifft dies nicht zu, da auch im summarischen Verfahren nach R.242.1 VerfO eine Kostengrundentscheidung möglich ist (vgl. EPG-Berufungsgericht, Anordnung vom 6. August 2024, UPC_CoA_335/2024, App_22399/2024 Rn. 29). Da Ortovox insoweit kein Rechtsmittel eingelegt hat, ist diese Entscheidung jedoch hinzunehmen.
- Dagegen ist dem Antrag von Ortovox, die Kosten des Berufungsverfahrens Mammut aufzuerlegen, stattzugeben.
ANORDNUNG
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- Der Antrag, die Klageerwiderung und die separate Widerklage auf Nichtigerklärung in der Hauptsache im Berufungsverfahren zuzulassen, wird abgelehnt.
-
- Die Berufung wird zurückgewiesen.
-
- Es wird angeordnet, dass Mammut der Antragsgegnerin weitere vorläufige Kosten in Höhe von 19.858,40 € zu erstatten haben.
-
- Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt Mammut.
ERLASSEN AM :
- September 2024
NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN
Vorsitzende Richterin Rian Kalden
Rechtlich qualifizierte Richterin Ingeborg Simonsson
Rechtlich qualifizierte Richterin und Berichterstatterin Patricia Rombach
Technisch qualifizierter Richter Eric Augarde
Technisch qualifizierter Richter Max Tilmann
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