9 October, 2024
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Order
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ORD_53013/2024
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Luxembourg (LU)
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EP2043492
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R.226 VerfO
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EPG -Berufungsgericht UPC_CoA_297/2024 APL_32012/2024 App_52471/2024
ANORDNUNG
des Berufungsgerichts des Einheitlichen Patentgerichts
erlassen am 9. Oktober 2024 betreffend Antrag auf Zurückweisung der Berufungsgründe und Antrag auf Vorlage neuer Beweismittel
BERUFUNGSKLÄGERINNEN (UND BEKLAGTE IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GEI)
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- SharkNinja Europe Limited , Leeds, Großbritannien
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- SharkNinja Germany GmbH , Frankfurt am Main, Deutschland
- 1 -2 vertreten durch: Rechtsanwalt Wolrad Prinz zu Waldeck und Pyrmont, Advocate/Solicitor Dr. Christopher Stothers, Rechtsanwalt Kilian Seidel und Rechtsanwältin Caroline Horstmann (Freshfields Bruckhaus Deringer)
BERUFUNGSBEKLAGTE (UND KLÄGERIN IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GEI)
Dyson Technology Limited, Malmesbury, Wiltshire, Großbritannien vertreten durch: Rechtsanwältin Dr. Constanze Krenz, und Rechtsanwälte David Kleß und Dr. Joschua Fiedler (DLA Piper, München, Deutschland)
STREITPATENT
EP 2 043 492
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
SPRUCHKÖRPER UND ENTSCHEIDENDE RICHTERINNEN:
Zweiter Spruchkörper:
Rian Kalden, Vorsitzende Richterin und rechtlich qualifizierte Richterin
Ingeborg Simonsson, rechtlich qualifizierte Richterin und Berichterstatterin
Patricia Rombach, rechtlich qualifizierte Richterin
Graham Ashley, technisch qualifizierter Richter
Max Tilmann, technisch qualifizierter Richter
BEANSTANDETE ANORDNUNG DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
- □ Datum: 21. Mai 2024, Lokalkammer München
- □ Aktenzeichen des Gerichts erster Instanz: UPC_CFI_443/2023; ACT_589207/2023
STREITGEGENSTAND:
- -Antrag, dass mehrere Berufungsgründe vom Berufungsgericht außer Acht gelassen werden (R.226 VerfO, R.222.1 VerfO).
- -Antrag auf Zulassung neuer Beweismittel (R.222.2 VerfO).
ANTRÄGE DER PARTEIEN:
Nicht in der Berufungsbegründung angegebene Berufungsgründe
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- In der Zwischenanhörung vom 16. September 2024 beantragte Dyson, dass die folgenden Berufungsgründe, die Rechtsbestandsangriffe betreffen, vom Berufungsgericht außer Acht gelassen werden sollten:
- a) Fehlende erfinderische Tätigkeit in Bezug auf Gimelli 1962 (FBD 8) in Kombination mit US 048 (FBD 14)
- b) Fehlende erfinderische Tätigkeit in Bezug auf GB 572 (FBD 9) in Verbindung mit allgemeinem Fachwissen
- c) Fehlende erfinderische Tätigkeit in Bezug auf FR 452/D2 (FBD 11) in Verbindung mit allgemeinem Fachwissen
- d) Fehlende erfinderische Tätigkeit in Bezug auf Pifco Vacette (FBD 24) in Verbindung mit allgemeinem Fachwissen
- e) Fehlende Neuheit in Bezug auf JP 573 (FBD 10)
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- Dyson zufolge wurden die genannten Berufungsgründe von SharkNinja in der Berufungsbegründung nicht angegeben und sind daher als nicht mehr aufrechterhalten zu betrachten.
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- SharkNinja widersprach dem Antrag und trug vor, dass diese Berufungsgründe in der Berufungsbegründung wie folgt enthalten seien:
- a) In Absatz 5 der Berufungsbegründung erkläre SharkNinja, dass sämtlicher Vortrag aus den erstinstanzlich eingereichten Schriftsätzen vollumfänglich aufrechterhalten werde. Hinsichtlich der Kombination von Gimelli (FBD 8) und US 048 (FBD 14) seien die Gründe von SharkNinja in Absatz 157 ff. in Verbindung mit den Absätzen 138 ff., 119 ff. und 112 ff. der Klageerwiderung dargelegt.
- b) -d) Darüber hinaus führe SharkNinja in Absatz 155 ff. unter der Überschrift 'Alternativen zu Gimelli' aus, dass die Lokalkammer GB 572 (FBD 9), FR 452/D2 (FBD 11) und Pifco Vacette (FBD 24) kaum als alternativen Stand der Technik behandelt habe.
- e) Die fehlende Neuheit, die auf JP 573 (FBD 10) basiert, werde ausdrücklich in den Absätzen 158 -161 der Berufungsbegründung behandelt.
Berufungsgründe; Zurückweisung des Einwands der fehlenden Neuheit durch die Lokalkammer
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- Darüber hinaus führte Dyson an, dass der Einwand der fehlenden Neuheit in Bezug auf JP 573 von der Lokalkammer München implizit zurückgewiesen worden wäre und daher bereits allein aus diesem Grund nicht im Berufungsverfahren verhandelt werden sollte. Die implizite Zurückweisung könne in der beanstandeten Entscheidung wie folgt gesehen werden:
- -Die Lokalkammer habe betont, dass der Einwand, JP 573 sei neuheitsschädlich, erstmals in der
- mündlichen Verhandlung vorgebracht wurde, und zwar wie folgt: 'Dem Einwand der Neuheitsschädlichkeit der FDB 10, der erstmals in der Verhandlung erhoben wurde, ist entgegenzuhalten, dass im Betrieb - wie behauptet - die Klappe (28) eine ähnliche Luftverwirbelung wie in den angegriffenen Handstaubsauger entstehen lassen würde, nicht bewiesen wurde. Die FDB 10 offenbart daher nicht alle Merkmale, insbesondere nicht jene von 1.3. und 1.5.4 des Streitpatents. Selbst wenn dem so wäre, würden die Ausführungen zur Anlage FBD 8 ihre Gültigkeit behalten. In Anbetracht der geringen Relevanz der Anlage FBD 10 erübrigt sich eine weitere Stellungnahme des Gerichts bezüglich deren potentiell verspäteten Einreichung.'
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- SharkNinja widersprach diesem ebenfalls und argumentierte, dass es keine Zurückweisung dieses Einwands durch die Lokalkammer gegeben habe.
Neue Beweismittel
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- In der Zwischenanhörung vom 16. September 2024 stellte es die Berichterstatterin zur Diskussion, ob das von SharkNinja zusammen mit der Berufungsbegründung am 28. Juni 2024 eingereichte schriftliche Beweismittel FBD 27 zu spät vorgelegt wurde. FBD 27 ist eine Eingabe von Dyson in US-Verfahren.
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- SharkNinja erklärte in der Zwischenanhörung, dass ihr FBD 27 erst am 12. März 2024 zur Verfügung gestanden habe, zehn Tage vor der mündlichen Verhandlung in der Lokalkammer und nachdem das schriftliche Verfahren abgeschlossen war. SharkNinja macht gelend, dass sich aus FBD 27 ergäbe, dass Dyson der Ansicht sei, es sei für einen Fachmann naheliegend, eine Zyklon-Abscheidevorrichtung in einen Staubsauger einzubauen.
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- Nach der Zwischenanhörung reichte SharkNinja am 18. September 2024 beim Berufungsgericht neue Beweismittel ein (App_52471/2024). Es handelt sich um Beweismittel in Form eines Schriftsatzes aus einem Verfahren in den USA (FBD 28). SharkNinja trägt vor, dass das Beweismittel nur im Berufungsverfahren eingeführt werden konnte, da es sich um einen Schriftsatz handele, den Dyson zusammen mit anderen Unternehmen der Dyson-Gruppe erst am 15. August 2024 in einem Verfahren vor der US International Trade Commission eingereicht habe. SharkNinja zufolge, haben sie erst einen Monat vor der Vorlage des Schriftsatzes beim Berufungsgericht davon Kenntnis erlangt. SharkNinja behauptet, dass der Schriftsatz relevant sei, da er das bereits in erster Instanz vorgetragene Verständnis des Sachverständigen bestätige, dass die Verwendung und Austauschbarkeit von Zyklonabscheidern zum allgemeinen technischen Wissen gehörte.
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- Nachdem Dyson die Gelegenheit zur Stellungnahme zu FBD 28 gegeben wurde, macht Dyson geltend, dass dieses Beweismittel unzulässig sei, da es nicht relevant sei, und unabhängig davon nicht ersichtlich sei, warum SharkNinja den Schriftsatz nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt des Verfahrens hätte
einreichen können. Der Schriftsatz FBD 28 beziehe sich auf vier Patente, von denen nur eines eine Priorität aufweise, die mit der des Streitpatents vergleichbar sei. Die anderen Patente seien zehn Jahre jünger und sagten nichts zur Frage des Naheliegens zum Prioritätsdatum des Streitpatents aus. Zudem bezieht sich das einzige Patent mit vergleichbarer Priorität auf einen Bodenstaubsauger und nicht auf einen Handstaubsauger.
GRÜNDE
Berufungsgründe
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- Die Berufungsbegründung muss die Angabe, welche Teile der Entscheidung oder Anordnung angefochten werden, die Gründe für die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung oder Anordnung sowie eine Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Berufung gemäß R.222.1 und 2 VerfO stützt, enthalten (R.226 VerfO).
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- Anträge, Tatsachen, Beweismittel und rechtliche Ausführungen, die in der Berufungsschrift und der Berufungsbegründung vorgelegt werden, stellen auf Seiten des Berufungsklägers den Gegenstand des Verfahrens vor dem Berufungsgericht dar (R.222.1 VerfO). Das Berufungsgericht zieht die Akte des Verfahrens vor dem Gericht erster Instanz bei.
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- Das zur Erfüllung dieses Standards erforderliche Maß an Detailliertheit ist von Fall zu Fall zu beurteilen, unter anderem abhängig davon, wie detailliert die beanstandete Anordnung in den angefochtenen Teilen ist.
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- In diesem Fall stellt das Berufungsgericht fest, dass die von SharkNinja in der Berufungsbegründung gemachten Angaben im Hinblick auf R.226 VerfO ausreichend sind.
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- Die beanstandete Anordnung fällt in den Teilen, in denen die Lokalkammer die erfinderische Tätigkeit in Bezug auf FBD 9, FBD 10, FBD 11 und FBD 24 erörtert, sehr kurz aus. In der Berufungsbegründung hat SharkNinja Kritik an diesem Teil der beanstandeten Anordnung geäußert und Gründe dafür dargelegt, warum die Feststellungen der Lokalkammer in diesem Teil den Feststellungen in anderen Teilen der Anordnung (nämlich den Teilen zur Anspruchsauslegung und Verletzung) widersprechen. Dies genügt, um die Kriterien von R.226 VerfO in Verbindung mit R.222.1 VerfO in Bezug auf die Gründe b)-d) zu erfüllen.
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- Der Grund a) ist durch die allgemeine Erklärung von SharkNinja in der Berufungsbegründung angesprochen, dass sämtlicher Vortrag aus den erstinstanzlich eingereichten Schriftsätzen vollumfänglich aufrechterhalten werde. Dies ist jedoch nicht ausreichend. Die im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Schriftsätze sind Dokumente, die der angefochtenen Entscheidung zeitlich vorausgehen, und daher nicht als Gründe für die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung oder Anordnung oder als Angaben der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Berufung stützt, betrachtet werden können. Dasselbe gilt für einen bloßen Verweis auf diese Schriftsätze in der Berufungsbegründung. Aus den Absätzen 91 bis 101 der Berufungsbegründung ergibt sich jedoch, dass SharkNinja eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs geltend macht, da ihr in der Verhandlung vor der Lokalkammer nicht die Möglichkeit gegeben wurde, ihren vollständigen Standpunkt zur Gültigkeit des Streitpatents darzulegen. SharkNinja zufolge wurden die mit der Duplik vorgebrachten Argumente nicht
verspätet eingereicht und hätten daher von der Lokalkammer in der Verhandlung nicht als verspätet zurückgewiesen werden dürfen. Aus diesem Zusammenhang, in Verbindung mit SharkNinjas ursprünglicher Erklärung, dass sämtlicher Vortrag aus den erstinstanzlich eingereichten Schriftsätzen vollumfänglich aufrechterhalten werde, wird deutlich, dass SharkNinja auch die Argumente aus der Duplik, die sie in der Anhörung vor der Lokalkammer nicht vorbringen konnten, zum Gegenstand der Berufung machen möchte. Dies umfasst den Grund a), der in der Duplik in den Absätzen 119 bis 121 ausführlich dargelegt wird.
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- SharkNinja hat in der Berufungsbegründung hinreichend erläutert, warum die beanstandete Anordnung ihrer Ansicht nach in Bezug auf den Neuheitseinwand (JP 573) fehlerhaft ist.
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- Bezüglich des Einwands der fehlenden Neuheit wurde dieser von der Lokalkammer in der Sache geprüft (siehe das Zitat in Absatz 4 oben).
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- Der Antrag von Dyson, die in Absatz 1.a) -e) genannten Berufungsgründe außer Acht zu lassen, ist folglich zurückzuweisen.
Neue Beweismittel
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- Nach R.222.2 VerfO können Anträge, Tatsachen und Beweismittel, die eine Partei im Verfahren vor dem Gericht erster Instanz nicht vorgelegt hat, vom Berufungsgericht außer Acht gelassen werden. Bei der Ermessensausübung berücksichtigt das Gericht insbesondere, (a) ob die Partei, die neues Vorbringen einführen möchte, begründen kann, dass dieses im Verfahren vor dem Gericht erster Instanz vernünftigerweise nicht hätten vorgebracht werden können; (b) die Relevanz des neuen Vorbringes für die Entscheidung über die Berufung; und (c) die Haltung der anderen Partei zur Einführung des neuen Vorbringens.
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- SharkNinja hat nicht überzeugend dargelegt, warum das Vorbringen aus den US-Verfahren für die Entscheidung in diesem Fall relevant ist. Bezüglich FBD 27 ist hinzuzufügen, dass es im Verfahren vor der Lokalkammer nicht eingereicht wurde, sondern erst mehr als drei Monate, nachdem SharkNinja es erhalten hatte, dem Berufungsgericht vorgelegt wurde. Ebenso wurde FBD 28 etwa einen Monat, nachdem SharkNinja es erhalten hatte, vorgelegt.
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- Aus den dargelegten Gründen übt das Berufungsgericht sein Ermessen aus, FBD 27 und FBD 28 außer Acht zu lassen.
ANORDNUNG
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- Das Berufungsgericht weist Dysons Antrag zurück, dass mehrere Berufungsgründe (siehe Absatz 1 oben) außer Acht gelassen werden sollen.
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- Das Berufungsgericht lässt die Beweise FBD 27 und FBD 28 außer Acht.
Erlassen am 9. Oktober 2024
Rian Kalden, Vorsitzende Richterin und rechtlich qualifizierte Richterin
Ingeborg Simonsson, rechtlich qualifizierte Richterin und Berichterstatterin
Patricia Rombach, rechtlich qualifizierte Richterin
Graham Ashley, technisch qualifizierter Richter
Max Tilmann, technisch qualifizierter Richter
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