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10 October, 2024
Decision
ORD_598458/2023 Düsseldorf (DE) Loca… EP3926698B1
R. 25.1 VerfO
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ORD_598458/2023
10 October, 2024
Decision

Summary
(AI generated)

Parties

Seoul Viosys Co., Ltd.
v. expert klein GmbH,
expert e-Commerce GmbH

Registry Information
Registry Number:

ACT_579244/2023

Court Division:

Düsseldorf (DE) Local Division

Type of Action:

Infringement Action

Language of Proceedings:

DE

Patent at issue

EP3926698B1

Sections

Headnotes (DE)

1. Möchte der Kläger mehrere Beklagte in Anspruch nehmen, hat er die Wahl, ob er die Beklagten jeweils einzeln verklagt oder ob er eine Klage erhebt, die sich gegen mehrere Beklagte richtet. Entscheidet sich der Kläger für Letzteres, sind die Klagen gleichwohl jeweils selbständig zu behandeln. Jeder Beklagte führt seinen eigenen Prozess formell und inhaltlich unabhängig von den anderen, ohne dass die jeweiligen Handlungen des einen Beklagten Vor- oder Nachteile für den anderen Beklagten bewirken. 2. Verlangt R. 25.1 VerfO die Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents, so-fern die Klageerwiderung die Behauptung umfasst, dass das angeblich verletzte Patent ungültig ist, gilt dies für jeden Beklagten gesondert. Dies schließt die gemeinsame Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage durch mehrere Beklagte nicht aus. Entscheiden sich jedoch einzelne Beklagte gegen die Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage und wird die Widerklage da-her ausdrücklich nur durch einzelne Beklagte erhoben, ist für die an der Nichtigkeitswider-klage unbeteiligten Beklagten die Rechtsbeständigkeitsargumentation formal ausgeschlossen. Sie können sich daher in ihrem Verfahren nicht mit Erfolg auf den fehlenden Rechtsbestand berufen. Solange das Gericht von einer Trennung der Verfahren gegen mehrere Beklagte absieht, wirkt sich dies jedoch faktisch nicht aus. 3. Die Beantwortung der Frage, ob eine Anordnung oder Entscheidung von einer vom Gericht festzusetzenden Sicherheit abhängig gemacht werden soll (R. 118.8 VerfO), bedarf stets einer Einzelfallprüfung, bei der das Interesse der Klägerin an einer effektiven Durchsetzung ihres Schutzrechts mit dem Interesse an der effektiven Durchsetzung möglicher Schadenersatzansprüche im Fall einer späteren Aufhebung des Urteils abzuwägen ist. Zu den Faktoren, die bei der Frage nach der Anordnung einer Sicherheitsleistung zu berücksichtigen sind, gehören die finanzielle Lage des Klägers, die Anlass zu der berechtigten und realen Sorge geben kann, dass ein möglicher Schadenersatzanspruch nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand durchgesetzt und/oder vollstreckt werden kann. Ob und inwieweit solche Faktoren vorliegen, ist anhand der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen und Argumente zu ermitteln.

Keywords (DE)

keine Sicherheitsleistung, unmittelbare Patentverletzung, unmittelbare Patentverletzung

Headnotes (EN)

1. If the claimant wishes to bring an action against more than one defendant, the claimant has the choice of suing each defendant individually or bringing an action against several defendants. If the Claimant decides to do the latter, each action must be dealt independently. Each defendant conducts its own action formally and substantively independently of the others, without the respective action of one defendant causing advantages or disadvantages for the other defendant. 2. If Rule 25.1 of the Rules of Procedure requires the filing of a counterclaim for revocation, provided that the statement of defence includes an assertion that the patent alleged to be infringed is invalid, this applies separately to each defendant. This does not preclude the joint filing of a counterclaim for revocation by several defendants. However, if individual defendants decide not to file a counterclaim for revocation and this counterclaim is therefore expressly filed by individual defendants only, the validity argument is formally excluded for the defendants not involved in the counterclaim for revocation. Therefore they cannot successfully raise the lack of validity in their proceedings. However, as long as the Court does not separate the proceedings against several defendants, this has no de facto effect. 3. The answer to the question whether an order or decision made subject to the deposit of a security determined by the Court (R. 118.8 RoP) always requires a case-by-case examination in which the interest of the Claimant in the effective enforcement of his intellectual property right must be weighed against the interest in the effective enforcement of possible claims for damages in the event of a subsequent reversal of the judgement. Among the factors to be taken into account in deciding whether security should be required is the financial situation of the claimant, which may give rise to a legitimate and real concern that a possible claim for damages may not be enforceable and/or enforceable at all or only at a disproportionate cost. Whether and to what extend such factors exist must be determined based on facts and arguments presented by the parties.

Keywords (EN)

no provision of security, direct patent infringement
Cited Legal Standards
Art. 123 Abs. 2 EPÜ
Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ
Art. 25 (a) EPGÜ
Art. 54 EPÜ
Art. 63 Abs. 1 EPGÜ
Art. 63 Abs. 2 EPGÜ
Art. 64 Abs. 2 (b), 4 EPGÜ
Art. 64 Abs. 2 (d), 64 Abs. 4 EPGÜ
Art. 64 Abs. 2 (e), 64 Abs. 4 EPGÜ
Art. 67 EPGÜ
Art. 68 Abs. 1 EPGÜ
Art. 69 Abs. 2 EPGÜ
Art. 69 EPÜ
Art. 73 Abs. 1 EPGÜ
Art. 82 Abs. 2 EPGÜ
Art. 82 EPGÜ
Art. 83 Abs. 3 EPGÜ
R. 118.5 VerfO
R. 118.8, 158.2, 354, 355.4 VerfO
R. 118.8 S. 1 VerfO
R. 118.8 S.2 VerfO
R. 118.8 VerfO
R. 152.2 VerfO
R. 158 VerfO
R. 171.2 VerfO
R. 171 VerfO
R. 19.7 VerfO
R. 220.1 (a), 224.1 (a) VerfO
R. 25.1 VerfO
R. 30.2 VerfO
R. 30.2. VerfO
R. 303.3 VerfO
R. 333.1 VerfO
R. 340 VerfO
R. 354.4 VerfO
Regel 303 Rz. 26). Verlangt daher R. 25.1 VerfO
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ORD_598458/2023

Lokalkammer Düsseldorf UPC_CFI_363/2023

Entscheidung

des Gerichts erster Instanz des einheitlichen Patentgerichts verkündet am 10. Oktober 2024 betreffend EP 3 926 698 B1

LEITSÄTZE:

    1. Möchte der Kläger mehrere Beklagte in Anspruch nehmen, hat er die Wahl, ob er die Beklagten jeweils einzeln verklagt oder ob er eine Klage erhebt, die sich gegen mehrere Beklagte richtet. Entscheidet sich der Kläger für Letzteres, sind die Klagen gleichwohl jeweils selbständig zu behandeln. Jeder Beklagte führt seinen eigenen Prozess formell und inhaltlich unabhängig von den anderen, ohne dass die jeweiligen Handlungen des einen Beklagten Vor- oder Nachteile für den anderen Beklagten bewirken.
    1. Verlangt R. 25.1 VerfO die Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents, sofern die Klageerwiderung die Behauptung umfasst, dass das angeblich verletzte Patent ungültig ist, gilt dies für jeden Beklagten gesondert. Dies schließt die gemeinsame Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage durch mehrere Beklagte nicht aus. Entscheiden sich jedoch einzelne Beklagte gegen die Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage und wird die Widerklage daher ausdrücklich nur durch einzelne Beklagte erhoben, ist für die an der Nichtigkeitswiderklage unbeteiligten Beklagten die Rechtsbeständigkeitsargumentation formal ausgeschlossen. Sie können sich daher in ihrem Verfahren nicht mit Erfolg auf den fehlenden Rechtsbestand berufen. Solange das Gericht von einer Trennung der Verfahren gegen mehrere Beklagte absieht, wirkt sich dies jedoch faktisch nicht aus.
    1. Die Beantwortung der Frage, ob eine Anordnung oder Entscheidung von einer vom Gericht festzusetzenden Sicherheit abhängig gemacht werden soll (R. 118.8 VerfO), bedarf stets einer Einzelfallprüfung, bei der das Interesse der Klägerin an einer effektiven Durchsetzung ihres Schutzrechts mit dem Interesse an der effektiven Durchsetzung möglicher Schadenersatzansprüche im Fall einer späteren Aufhebung des Urteils abzuwägen ist. Zu den Faktoren, die bei der Frage nach der Anordnung einer Sicherheitsleistung zu berücksichtigen sind, gehören die finanzielle Lage des Klägers, die Anlass zu der berechtigten und realen Sorge geben kann, dass ein möglicher Schadenersatzanspruch nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand durchgesetzt und/oder vollstreckt werden kann. Ob und inwieweit solche Faktoren vorliegen, ist anhand der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen und Argumente zu ermitteln.

SCHLAGWÖRTER:

isolierte Nichtigkeitswiderklage durch einzelne Beklagte; unmittelbare Patentverletzung; keine Sicherheitsleistung

Klägerin:

Seoul Viosys Co., Ltd., gesetzlich vertreten durch ihre vertretungsberechtigten Vorstände ChungHoon Lee und Young Ju Lee, 65-16, Sandan-ro 163 beon-gil, Danwon-gu, Ansan-si, Gyeonggi-do, 15429, Republik Korea,

vertreten durch:

Rechtsanwalt Dr. Bolko Ehlgen, Rechtsanwältin Dr. Julia Schön- bohm, Kanzlei Linklaters LLP, Taunusanlage 8, 60329 Frankfurt am Main, Deutschland,

unterstützt durch:

Patentanwalt Dr. Dipl.-Phys. Olaf Isfort, Kanzlei Schneiders & Beh- rendt, Huestraße 23, 44787 Bochum,

elektronische Zustelladresse:

bolko.ehlgen@linklaters.com

Streithelferin:

Seoul Semiconductor Co., Ltd., gesetzlich vertreten durch ihre vertretungsberechtigten Vorstände und CEOs Chung-Hoon Lee und Myeong-gi Hong, Building 0: 97-11, Sandan-ro 163 beon-gil, Danwon-gu, Ansan-si, Gyeonggi-do, 15429, Republik Korea, vertreten durch:

Rechtsanwalt Dr. Bolko Ehlgen, Rechtsanwältin Dr. Julia Schönbohm, Kanzlei Linklaters LLP, Taunusanlage 8, 60329 Frankfurt am Main, Deutschland, elektronische Zustelladresse:

bolko.ehlgen@linklaters.com

Beklagte:

    1. expert e-Commerce GmbH , gesetzlich vertreten durch ihre Geschäftsführer Dr. Stefan Müller und Michael Grandin, Bayernstraße 4, 30855 Langenhagen,

vertreten durch:

Rechtsanwalt Dr. Dirk Jestaedt, Kanzlei Krieger Mes & Graf von der Groeben Part mbB, Bennigsen-Platz 1, 40474 Düsseldorf, elektronische Zustelladresse:

info@krieger-mes.de unter Mitwirkung von:

Patentanwalt Bernhard Ganahl, HGF Europe LLP, Neumarkter Straße 18, 81673 München,

    1. expert klein GmbH, gesetzlich vertreten durch ihre Geschäftsführer Jens Oerter und Thomas Jacob, Jägerstraße 32, 57299 Burbach,

vertreten durch:

Rechtsanwalt Dr. Dirk Jestaedt, Kanzlei Krieger Mes & Graf von der Groeben Part mbB, Bennigsen-Platz 1, 40474 Düsseldorf,

elektronische Zustelladresse:

info@krieger-mes.de

unter Mitwirkung von:

Patentanwalt Bernhard Ganahl, HGF Europe LLP, Neumarkter Straße 18, 81673 München,

STREITPATENT:

Europäisches Patent Nr. 3 926 698 B1

SPRUCHKÖRPER/KAMMER:

Spruchkörper der Lokalkammer Düsseldorf

MITWIRKENDE RICHTER:

Die Entscheidung wurde verkündet unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Thomas als Berichterstatter, der rechtlich qualifizierten Richterin Dr. Thom, der rechtlich qualifizierten Richterin Mlakar sowie der technisch qualifizierten Richterin Sani.

VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch

GEGENSTAND: Verletzungsklage und Nichtigkeitswiderklage

MÜNDLICHE VERHANDLUNG: 5. September 2024

KURZE DARSTELLUNG DES SACHVERHALTS:

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen einer Verletzung des EP 3 926 698 B1 (nachfolgend: Streitpatent) in Anspruch. Das Streitpatent ist eine (mittelbare) Teilanmeldung des Europäischen Patents EP 2 757 598 B1, welches unmittelbar aus der EP 2 223 320 B1 abgezweigt wurde. Es beansprucht die Priorität der KR20110093396 vom 16. September 2011, der KR20210015758 vom 16. Februar 2012 und der KR20120052722 vom 17. Mai 2012. Das Europäische Patentamt hat den Hinweis auf die Erteilung des Streitpatents mit Wirkung (unter anderem) für Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Schweden am 4. Januar 2023 bekannt gemacht, wobei die Klägerin eingetragene Inhaberin des Streitpatents ist. Das Streitpatent steht in den vorgenannten Vertragsstaaten in Kraft.

Das in englischer Verfahrenssprache angemeldete Streitpatent trägt die Bezeichnung 'Light emitting diode' ('Lichtemittierende Diode'). Sein Schutzanspruch 1 lautet in englischer Verfahrenssprache:

'A light emitting diode comprising:

  • a light emitting structure formed on a substrate (100) and comprising a first conductivity type semiconductor layer (110), an active layer (120) and a second conductivity type semiconductor layer (130);

mesa-etched areas (150) formed from the surface of the second conductivity type semiconductor layer (130) to the first conductivity type semiconductor layer (110);

  • a reflective electrode (140) formed on the second conductivity type semiconductor layer (130) and including a reflective metal layer (142), a barrier metal layer (144) and a stress relieving layer (143) formed between the reflective metal layer (142) and the barrier metal layer (144), wherein the stress relieving layer (143) has a coefficient of thermal expansion between the coefficient of thermal expansion of the reflective metal layer (142) and the coefficient of thermal expansion of the barrier metal layer

(144);

a lower insulation layer (200) covering an overall surface of the structure formed by the first conductivity type semiconductor layer (110), the active layer (120), the second conductivity type semiconductor layer (130), the mesa-etched areas (150) and the reflective electrode (140), with the lower insulation layer (200) allowing an upper surface of the reflective electrode (140) to be partially exposed therethrough and further having openings disposed near an edge of the substrate which allow the surface of the first conductivity type semiconductor layer (110) to be exposed therethrough in the mesaetched areas (150);

a current spreading layer (210) formed on the lower insulation layer (200) covering the first conductivity type semiconductor layer (110) and being electrically connected to the first conductivity type semiconductor layer (110);

an upper insulation layer (220) formed on the current spreading layer (210), with both the current spreading layer (210) and the reflective electrode (140) being partially exposed through the upper insulation layer (220);

  • a first pad (230) electrically connected to the current spreading layer (210) exposed through the upper insulation layer (220);

and a second pad (240) electrically connected to the reflective electrode (140) exposed through the upper insulation layer (220).'

In der eingetragenen deutschen Übersetzung ist Patentanspruch 1 wie folgt formuliert:

'Leuchtdiode, aufweisend:

eine lichtemittierende Struktur, die auf einem Substrat (100) gebildet ist und eine Halbleiterschicht (110) eines ersten Leitfähigkeitstyps, eine aktive Schicht (120) und eine Halbleiterschicht (130) eines zweiten Leitfähigkeitstyps aufweist;

mesageätzte Bereiche (150), die von der Oberfläche der Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps zu der Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps gebildet sind;

eine reflektierende Elektrode (140), die auf der Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps gebildet ist und eine reflektierende Metallschicht (142), eine Metallsperrschicht (144) und eine Entspannungsschicht (143), die zwischen der reflektierenden Metallschicht (142) und der Metallsperrschicht (144) gebildet ist, aufweist, wobei die Entspannungsschicht (143) einen Wärmeausdehnungskoeffizienten zwischen dem Wärmeausdehnungskoeffizienten der reflektierenden Metallschicht (142) und dem Wärmeausdehnungskoeffizienten der Metallsperrschicht (144) aufweist;

eine untere Isolierschicht (200), die eine Gesamtoberfläche der Struktur bedeckt, die durch die Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps, die aktive Schicht (120), die Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps, die mesageätzten Bereiche (150) und die reflektierende Elektrode (140) gebildet ist, wobei die untere Isolierschicht (200) ermöglicht, dass eine obere Fläche der reflektierenden Elektrode (140) teilweise durch diese hindurch freiliegt, und ferner Öffnungen aufweist, die in der Nähe

eines Rands des Substrats angeordnet sind, welche ermöglichen, dass die Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps durch diese hindurch in den mesageätzten Bereichen (150) freiliegt;

eine Stromaufweitungsschicht (210), die auf der unteren Isolierschicht (200) gebildet ist, die die Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps bedeckt und elektrisch mit der Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps verbunden ist;

eine obere Isolierschicht (220), die auf der Stromaufweitungsschicht (210) gebildet ist, wobei sowohl die Stromaufweitungsschicht (210) als auch die reflektierende Elektrode (140) teilweise durch die obere Isolierschicht (220) hindurch freiliegen;

ein erstes Pad (230), das elektrisch mit der Stromaufweitungsschicht (210) verbunden ist, die durch die obere Isolierschicht (220) hindurch freiliegt;

und ein zweites Pad (240), das elektrisch mit der reflektierenden Elektrode (140) verbunden ist, die durch die obere Isolierschicht (220) hindurch freiliegt.'

Hinsichtlich der Formulierung der lediglich im Rahmen von 'insbesondere, wenn'-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 4 bis 6 sowie 9 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

Die nachfolgend eingeblendete und durch die Klägerin kolorierte Figur 10 erläutert die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels:

ORD_598458/2023

Zu sehen ist ein Substrat (21), auf dem eine erste leitfähige Halbleiterschicht (23) gebildet ist. Auf der ersten Halbleiterschicht ist eine Pluralität von Mesas M gebildet, die voneinander getrennt sind. Jede der Mesas M enthält eine aktive Schicht (25) und eine zweite leitfähige Halbleiterschicht (27). Die aktive Schicht (25) ist zwischen der ersten leitfähigen Halbleiterschicht (23) und der zweiten leitfähigen Halbleiterschicht (27) angeordnet. Darüber hinaus finden sich auf der Pluralität der Mesas M jeweils reflektierende Elektroden (30). Jede der reflektierenden Elektroden (30) verfügt über eine reflektierende Schicht (28) und eine Sperrschicht (29). Die untere Isolierschicht (31) bedeckt die Pluralität der Mesas M und die erste Halbleiterschicht (23) und weist untere Öffnungen (31a, 31b) auf, die in bestimmten Bereichen eine elektrische Verbindung mit der ersten leitfähigen

Halbleiterschicht (23) und der zweiten leitfähigen Halbleiterschicht (27) ermöglichen. Auf der unteren Isolierschicht (31) ist eine Stromverteilungsschicht (33) ausgebildet, welche die Pluralität der Mesas M und die erste Halbleiterschicht (23) bedeckt. Auf der Stromverteilungsschicht (33) ist eine obere Isolierschicht (35) ausgebildet, auf der sich wiederum ein erstes Pad (37a) und ein zweites Pad (37b) finden (vgl. Streitpatent, Abs. [0069] - [0085]).

Die Beklagte zu 1) ist Teil der expert Handelsverbundgruppe für Consumer Electronics, Informationstechnologie, Telekommunikation, Entertainment und Elektrohausgeräte. Sie verantwortet in diesem Gefüge insbesondere den Online-Auftritt sowie die e-Commerce Aktivitäten der expert Unternehmensgruppe in Deutschland. Die Beklagte zu 2) ist nicht gesellschaftsrechtlich mit der Beklagten zu 1) und ihrer Unternehmensgruppe verbunden, sondern betreibt selbständig 25 Fachmärkte als Teil der 'Expert Fachhandels-Kooperation'.

Der Online-Vertrieb findet durch beide Beklagten gemeinsam statt. Bei Aufruf der Webseite www.expert.de wird der Nutzer aufgefordert, auf Grundlage seines Standortes einen passenden Fachmarkt im expert-Netzwerk auszuwählen. Eine entsprechende Auswahl führt zu einer Internetseite, die der Beklagten zu 2) zuzuordnen ist. Ausweislich des rechtlichen Hinweises auf dieser Internetseite und der Hinweise in deren Impressum ist die Beklagte zu 1) als 'Serviceabwickler' für den Vertrieb über die Internetseite zuständig. Auch im weiteren Prozess der Abwicklung von Bestellungen über die Internetseite sind die Beklagten eng verwoben. So ist auf der entsprechenden Bestellbestätigung, der Rechnung und den Lieferscheinen jeweils die Beklagte zu 1) im Zusammenhang mit der Beklagten zu 2) angeben. Die Beklagte zu 1) tritt dabei als Vertragspartnerin auf. Der Versand erfolgt jedoch durch die Beklagte zu 1).

Zu den von den Beklagten vertriebenen Produkten gehört das Smartphone 'SMART.5 32 GB' des Herstellers Emporia. In diesen Geräten ist jeweils auf der Rückseite im Zusammenhang mit dem Kamera-Modul eine LED-Lampe verbaut:

ORD_598458/2023

Diese LED-Lampe enthält jeweils einen, aus der nachfolgenden Abbildung ersichtlichen LED-Chip, der auf einer Platine aufgebracht ist (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform):

ORD_598458/2023

Die durch die Klägerin gefertigten mikroskopischen Aufnahmen der angegriffenen Ausführungsform zeigen die angegriffene Ausführungsform in Detailaufnahmen:

ORD_598458/2023

Detailaufnahme der Kontaktseite der Verletzungsform (links) und der Lichtextraktionsseite (rechts)

ORD_598458/2023

ORD_598458/2023

Die Klägerin stützt ihre Verletzungsklage auf eine unmittelbare Verletzung von Patentanspruch 1 des Streitpatents.

Auf eine ausdrücklich nur durch die Beklagte zu 2) erhobene und auf eine unzulässige Erweiterung sowie das Fehlen der erfinderischen Tätigkeit gestützte Nichtigkeitswiderklage hat die Klägerin am 23. März 2024 einen Antrag auf Änderung des Patents (App_14781/2024) gestellt, mit welchem sie insgesamt 11 Hilfsanträge in das Verfahren eingeführt hat.

Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2024 stellte die Klägerin darüber hinaus einen Antrag nach R. 30.2 VerfO, mit welchem die bisherigen Hilfsanträge um vier weitere Hilfsanträge ergänzt werden sollen. Mit einer Verfahrensanordnung vom 1. Juli 2024 hat der Berichterstatter mitgeteilt, für eine Zulassung des weiteren Änderungsantrages bestehe derzeit keine Veranlassung (Hervorhebung hinzugefügt). Im Hinblick auf diese Verfahrensanordnung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 15. Juli 2024 einen Antrag auf Überprüfung dieser Anordnung durch den Spruchkörper nach R. 333.1 VerfO gestellt, woraufhin die Anordnung des Berichterstatters am 5. August 2024 durch den Spruchkörper aufrechterhalten wurde.

ANTRÄGE DER PARTEIEN:

Klage:

Die Klägerin beantragt,

  • I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es zu unterlassen,

Leuchtdioden

auf dem Hoheitsgebiet der Republik Österreich, des Königreichs Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, des Großherzogtums Luxemburg, des Königreichs der Niederlande und des Königreichs Schweden anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen,

wenn diese aufweisen:

eine lichtemittierende Struktur, die auf einem Substrat (100) gebildet ist und eine Halbleiterschicht (110) eines ersten Leitfähigkeitstyps, eine aktive Schicht (120) und eine Halbleiterschicht (130) eines zweiten Leitfähigkeitstyps aufweist;

mesageätzte Bereiche (150), die von der Oberfläche der Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps zu der Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps gebildet sind;

eine reflektierende Elektrode (140), die auf der Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps gebildet ist und eine reflektierende Metallschicht (142), eine Metallsperrschicht (144) und eine Entspannungsschicht (143), die zwischen der reflektierenden Metallschicht (142) und der Metallsperrschicht (144) gebildet ist, aufweist, wobei die Entspannungsschicht (143) einen Wärmeausdehnungskoeffizienten zwischen dem Wärmeausdehnungskoeffizienten der reflektierenden Metallschicht (142) und dem Wärmeausdehnungskoeffizienten der Metallsperrschicht (144) aufweist;

eine untere Isolierschicht (200), die eine Gesamtoberfläche der Struktur bedeckt, die durch die Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps, die aktive Schicht (120), die Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps, die mesageätzten Bereiche (150) und die reflektierende Elektrode (140) gebildet ist, wobei die untere Isolierschicht (200) ermöglicht, dass eine obere Fläche der reflektierenden Elektrode (140) teilweise durch diese hindurch freiliegt, und ferner Öffnungen aufweist, die in der Nähe eines Rands des Substrats angeordnet sind, welche ermöglichen, dass die Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps durch diese hindurch in den mesageätzten Bereichen (150) freiliegt;

eine Stromaufweitungsschicht (210), die auf der unteren Isolierschicht (200) gebildet ist, die die Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps bedeckt und elektrisch mit der Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps verbunden ist;

eine obere Isolierschicht (220), die auf der Stromaufweitungsschicht (210) gebildet ist, wobei sowohl die Stromaufweitungsschicht (210) als auch die reflektierende Elektrode (140) teilweise durch die obere Isolierschicht (220) hindurch freiliegen;

ein erstes Pad (230), das elektrisch mit der Stromaufweitungsschicht (210) verbunden ist, die durch die obere Isolierschicht (220) hindurch freiliegt; und ein zweites Pad (240), das elektrisch mit der reflektierenden Elektrode (140) verbunden ist, die durch die obere Isolierschicht (220) hindurch freiliegt;

    1. im Falle einer Zuwiderhandlung gegen die Anordnung nach Ziffer I. 1. an das Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld bis zu EUR 250.000,00 zu zahlen;
    1. innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen nach der Zustellung der Mitteilung im Sinne von R. 118.8 S. 1 VerfO und gegebenenfalls der beglaubigten Übersetzung die seit dem 4. Januar 2023 ausgelieferten Erzeugnisse nach Ziffer I. 1 auf Kosten der Beklagten
  • a. aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem die Dritten, von denen die verletzenden Erzeugnisse zurückzurufen sind, darauf hingewiesen werden, dass dieses Gericht festgestellt hat, dass die Erzeugnisse das Europäische Patent EP 3 926 698 B1 verletzen, wobei die Beklagten den Dritten verbindlich zuzusagen haben, die entstandenen Kosten zu erstatten, die anfallenden Verpackungs- und Transportkosten zu übernehmen, die mit der Rücksendung der Produkte verbundenen Zoll- und Lagerkosten zu erstatten und die Produkte wieder entgegenzunehmen,

und

  • b. endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen indem die Beklagten unter Hinweis, dass dieses Gericht festgestellt hat, dass die Erzeugnisse das Europäische Patent EP 3 926 698 B1 verletzen, Dritte, die gewerbliche Abnehmer, aber nicht Endabnehmer sind, hinsichtlich der unter Ziffer I.1 genannten Erzeugnisse, auffordert, sämtliche Aufträge betreffend die in Ziffer I.1 genannten Erzeugnisse zu stornieren und dem Gericht und der Klägerin innerhalb des genannten Zeitraums von 30 Tagen nach der Zustellung der Mitteilung i.S.v. R. 118.8 S. 1 VerfO und gegebenenfalls der beglaubigten Übersetzung einen schriftlichen Nachweis über die durchgeführte Maßnahme vorzulegen;
    1. der Klägerin Auskünfte zu erteilen über
  • a. Ursprung und Vertriebswege der seit dem 4. Januar 2023 ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse nach Ziffer I. 1,
  • b. die seit dem 4. Januar 2023 ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Mengen und die Preise, die für die Erzeugnisse nach Ziffer I. 1 gezahlt wurden,

und

  • c. die Identität aller an der Herstellung oder dem Vertrieb von Erzeugnisse nach Ziffer I.1 seit dem 4. Januar 2023 beteiligten dritten Personen;
    1. innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen nach der Zustellung der Mitteilung i.S.v. R. 118.8 S. 1 VerfO und gegebenenfalls der beglaubigten Übersetzung die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen Erzeugnisse nach Ziffer A.I.1 auf Kosten der Beklagten zu vernichten.
  • II. die Beklagten zu verpflichten, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen während der Laufzeit von EP 3 926 698 B1 entstanden ist und noch entstehen wird;
  • III. die Verurteilung nach Ziffern I. und II. für sofort wirksam und vollstreckbar zu erklären;
  • IV. den Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Hinsichtlich der Formulierung der 'insbesondere, wenn'-Anträge wird auf die Klageschrift Bezug genommen.

Die Beklagten beantragen,

    1. die Klage der Klägerin abzuweisen;
    1. der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Widerklage und Änderungsanträge:

Die Beklagte zu 2) beantragt,

    1. das EP 3 926 698 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Republik Österreich, des Königreichs Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande und Schweden im Umfang der Ansprüche 1, 4, 5, 6 und 9 für nichtig zu erklären.
    1. der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage auf Nichtigerklärung abzuweisen.

Hinsichtlich der Formulierung der Änderungsanträge wird auf den Schriftsatz vom 25. März 2024 nebst Anlagen verwiesen.

In Bezug auf die Formulierung der nach R. 30.2. VerfO gestellten, aber bisher nicht zugelassenen weiteren Hilfsanträge wird auf den Schriftsatz vom 27. Juni 2024 (App_37320/2024) Bezug genommen.

TATSÄCHLICHE UND RECHTLICHE STREITPUNKTE:

Verletzung:

Nach Auffassung der Klägerin gestaltet sich der Aufbau der angegriffenen Ausführungsform wie folgt:

Detailaufnahme der Kontaktseite der Verletzungsform. links oben nach rechts unten: Von

ORD_598458/2023

  • Obere Isolierschicht (Beige) und zwei Pads (jeweils Rot und Königsblau);
    1. In der Chipstruktur darunter liegend: Stromaufweitungsschicht (Blau) und elektrische Verbindungsschicht (Rot) zwischen Pad und der reflektierenden Elektrode;
  • In der Chipstruktur darunter liegend: Untere Isolierschicht (Gelb) mit freiliegenden Bereichen der Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps (Hellblau) und der reflektie renden Elektrode (Rosa);
  • In der Chipstruktur darunter liegend: Mesa mit sichtbarer reflektierender Elektrode Rosa) sowie Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps (Hellblau)

Die nachfolgend eingeblendete Abbildung gibt den Schichtaufbau der angegriffenen Ausführungsform aus Sicht der Klägerin in einer schematischen Darstellung wieder:

ORD_598458/2023

Dies vorausgeschickt stellen die Beklagten das Vorhandensein einer Entspannungsschicht bei der angegriffenen Ausführungsform in Abrede. Ausweislich der Streitpatentschrift könne eine Metallsperrschicht aus einer Vielzahl von Schichten gebildet sein, welche die Funktion einer Metallsperrschicht wahrnehmen könnten. Hiervon zu unterscheiden sei die Entspannungsschicht, die keine Funktion der Metallsperrschicht aufweisen dürfe. Daneben sei im Hinblick auf die Entspannungsschicht nur die jeweilige Schicht von Bedeutung, welche direkt an der reflektierenden Schicht anliege. Willkürliche Zusammenfassungen von mehreren Schichten könnten nicht als Entspannungsschicht aufgefasst werden, weil es technisch darum gehe, welche konkrete Schicht mit welchem konkreten Wärmeausdehnungskoeffizienten an der reflektierenden Metallschicht anliege und damit das Problem bzw. das Risiko von Spannungen verursache.

Ausgehend von einem solchen Verständnis weise die angegriffene Ausführungsform keine Entspannungsschicht im Sinne des Streitpatents auf. An eine reflektierende Schicht aus Silber schließe sich dort eine aus der Schichtenfolge Ti-Ni-Ti-Ni-Ti gebildete Metallsperrschicht an. Silber habe einen Wärmeausdehnungskoeffizienten von 18,9 µm/(m·K), während der Wärmeausdehnungskoeffizient von Titan bei 8,6 µm/(m·K) liege. Der Wärmeausdehnungskoeffizent von Nickel liege bei 13,0 µm/(m·K) und damit zwischen diesen Werten. Bei der angegriffenen Ausführungsform existiere daher nur eine reflektierende Schicht sowie eine aus der Schichtenabfolge Ti, Ni, Ti, Ni, Ti gebildete Metallsperrschicht. Eine Entspannungsschicht sei nicht vorhanden.

Unter Zugrundelegung des durch die Klägerin im Rahmen der Nichtigkeitswiderklage vertretenen Verständnisses fehle es weiterhin an einer Stromaufweitungsschicht. Verlange man, wie die Klägerin im Zusammenhang mit der Entgegenhaltung D 3 geäußert habe, insoweit eine 'vollständige Schicht', sei eine solche bei der angegriffenen Ausführungsform nicht vorhanden. Dort fänden sich einzelne schmale Stege, welche dann mit einer größeren Fläche verbunden seien. Die seitlichen schmalen Stege würden zu einer erheblichen Inhomogenität der Stromverteilung führen und damit einen unsymmetrischen Stromfluss bewirken.

Darüber hinaus solle die untere Isolierschicht erfindungsgemäß die Gesamtoberfläche der Struktur bedecken. Auch dies sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht der Fall. Zwar seien dort im äußeren Bereich (rechts und links) gewisse Öffnungsbereiche vorhanden. Sei man jedoch mit der Klägerin der Auffassung, es bedürfe eines vollständigen Bedeckens mit Ausnahme der Öffnungen am Rand des Substrats, sei eine solche Ausgestaltung bei der angegriffenen Ausführungsform nicht verwirklicht.

Überdies habe die Klägerin im Nichtigkeitsverfahren vorgetragen, die Stromaufweitungsschicht befinde sich räumlich unterhalb der Isolierschicht. Dies sei bei der angegriffenen Ausführungsform unstreitig nicht der Fall. Dort bewege sich die Isolierschicht räumlich schräg nach oben und befinde sich daher jedenfalls nicht räumlich vollständig unterhalb der Isolierschicht.

Schließlich habe die Klägerin in ihrer Erwiderung auf die Nichtigkeitswiderklage darauf hingewiesen, dass eine 'obere Isolierschicht' nur dann vorhanden sei, wenn diese nur einzelne Löcher, nicht aber große offene Bereiche aufweise. Dies sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht der Fall. Dort seien die Öffnungen der oberen Isolierschicht noch deutlich größer, als dies bei der Entgegenhaltung D 3 der Fall sei. Entweder, man gehe mit der Klägerin im Rahmen der Nichtigkeitswiderklage davon aus, dass in diesem Fall das Merkmal nicht verwirklicht sei. Dann fehle es an einer Verletzung. Oder man vertrete die Auffassung, dies alles seien keine relevanten Anforderungen. Dann sei das Merkmal neuheitsschädlich getroffen.

Die Klägerin ist diesem Vorbringen entgegengetreten.

Sie meint, die in der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Materialien der reflektierenden Elektrode entsprächen exakt den Materialien, die das Streitpatent für die Metallsperrschicht und die Entspannungsschicht in einem Ausführungsbeispiel nenne. Das Streitpatent beschreibe in Abs. [0033] eine Metallsperrschicht aus Titan (Ti), eine Entspannungsschicht aus Nickel (Ni) und Titan (Ti) sowie eine Titanschicht (Ti) direkt unterhalb der Schicht aus Siliziumdioxid (SiO2), bei der es sich um die Metallsperrschicht handele.

Die Zuordnung zu den einzelnen Schichten sei funktional und anhand der Beschreibung des Streitpatents vorzunehmen. Die Funktion der Metallsperrschicht liege darin, eine Diffusion von Elementen aus der reflektierenden Metallschicht und ein Freiliegen der reflektierenden Metallsperrschicht zu verhindern. Dazu komme es auf die Materialkombination an. Die Entspannungsschicht könne patentgemäß aus mehreren Schichten bestehen und als Verbundschicht ausgebildet sein. Zudem müsse der Wärmeausdehnungskoeffizient der Entspannungsschicht zwischen dem der reflektierenden Schicht und der Metallsperrschicht liegen. In einer fertigen Schichtenstruktur seien auch die angrenzenden, verbundenen Schichten zu berücksichtigen, sowie bei einer Verbundschicht die Gesamtheit der Schichten und ihre wechselseitigen Einflüsse.

Mit ihren Einwänden zur Stromaufweitungsschicht verzerren die Beklagten nach Meinung der Klägerin ihr Vorbringen im Nichtigkeitsverfahren. Wenn in der Erwiderung zur Nichtigkeitswiderklage die Rede davon sei, dass die Stromaufweitungsschicht ein flächiges Gebilde sein müsse, sei dies im Kontext der Abgrenzung von der D 3 zu lesen. Diese offenbare eine flächige Struktur bestehend aus Stegen und schmalen Bereichen, die keine Schicht im Sinne des Streitpatents darstelle (links: Figur 5 der D 3: rechts: angegriffene Ausführungsform):

ORD_598458/2023

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Soweit die Beklagten das Vorliegen einer Isolierschicht in Abrede stellen, stehe es einer Verwirklichung der technischen Lehre des Streitpatents nicht entgegen, dass die untere Isolierschicht bei der angegriffenen Ausführungsform im Innenbereich weitere Öffnungen aufweise, über die ebenfalls die Halbleiterschicht kontaktiert werde:

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Bei der angegriffenen Ausführungsform bedecke die untere Isolierschicht die Gesamtoberfläche der Struktur. Öffnungen, die nicht der Kontaktierung dienten, existierten nicht.

Widerklage:

Nach Auffassung der Beklagten zu 2) nimmt das Streitpatent jedenfalls die Priorität der KR 201100093396 sowie der KR 20120015758 nicht wirksam in Anspruch. Während es bei der KR ´396 an der Offenbarung einer Entspannungsschicht fehle, weise die in der KR ´758 offenbarte Gestaltung eine transparente Elektrodenschicht auf. Es fehle daher an der Offenbarung einer reflektierenden Elektrode im Sinne des Streitpatents.

Des Weiteren gehe der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus. Zum einen erfasse Anspruch 1 jedenfalls nach Auffassung der Klägerin in der erteilten Fassung nicht nur Ausgestaltungen mit mehreren Mesas, sondern auch solche, die nur eine Mesa aufweisen. Derartige Gestaltungen mit nur einer Mesa seien in der ursprünglichen Patentanmeldung nicht offenbart. Dort seien lediglich Ausgestaltungen mit einer Mehrzahl von Mesas gezeigt. Abgesehen davon verlange Anspruch 1 nur noch, dass die reflektierende Metallschicht, die Metallsperrschicht und die Entspannungsschicht gebildet seien und dass die reflektierende Elektrode diese Schichten aufweise. Auch dies sei in der ursprünglichen Patentanmeldung nicht offenbart. Dort sei das seitliche Umfangen der reflektierenden Metallschicht und der Entspannungsschicht technisch entscheidend dafür, dass ein Diffundieren von Ionen von diesen Schichten in die zweite Halbleiterschicht verhindert werde. Dafür müssten gerade die Seitenbereiche der Schichten abgedeckt sein.

Überdies fehle es auch an der erfinderischen Tätigkeit.

In der US 2005/0067624 A1 (D 3) seien alle Merkmale von Anspruch 1 offenbart mit Ausnahme der Entspannungsschicht sowie deren Wärmeausdehnungskoeffizient. Ausgehend von der Entgegenhaltung D 3 bestehe für den Fachmann die objektive Aufgabe, Spannungen zwischen einer reflektierenden Metallschicht und einer Metallsperrschicht zu reduzieren. Dass dies sinnvoll sei und solche Spannungen vermieden werden sollen, erfahre der Fachmann aus der EP 1 806 790 A2 (D 5), indem diese erläutere, eine Entspannungsschicht mit einem angepassten Wärmeausdehnungskoeffizenten zwischen der reflektierenden Metallschicht und der Metallsperrschicht vorzusehen. Weitere Schwierigkeiten bei der Kombination bestünden nicht. Insofern sei zu beachten, dass das technische Problem der Spannungen zwischen den Schichten keine Auswirkungen auf andere Schichten oder im Übrigen den Aufbau der LED habe. Eine Kombination müsse vor diesem Hintergrund keine weiteren technischen Schwierigkeiten überwinden.

Auch ausgehend von der US 2009/283787 A1 (D 2) sei die erfinderische Tätigkeit zu verneinen. Die dort in Figur 3 gezeigte Leuchtdiode nehme sämtliche Merkmale vorweg. Es fehle nur an einer reflektierenden Elektrode sowie Öffnungen der unteren Isolierschicht, die in der Nähe eines Rands des Substrats angeordnet seien. Eine reflektierende Elektrode sei allerdings in Figur 2 der Entgegenhaltung gezeigt. Die Kombination der reflektierenden Elektrode mit den weiteren in dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2 offenbarten Schichten mit der in Figur 3 offenbarten Ausgestaltung sei schon deshalb naheliegend, weil beide Ausführungsbeispiele in der D 2 offenbart seien. Vor diesem Hintergrund könnten für den Fachmann naheliegend bestimmte Ausführungsvarianten der einzelnen Gestaltungen der LED miteinander kombiniert werden. Öffnungen in der Nähe des Rands des Substrats seien in den Figuren 2, 3, 5 und 6 sowie in dem Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 14 und 15 der D 1 (US 2010/ 0 117 111 A1) offenbart. Insofern gehe es darum, den Reihenwiderstand der Vorrichtung zu verringern. Dies sei dadurch möglich, dass die Stromverteilung ver-

bessert werde, indem eine Stromkontaktierung auch am Rand vorgesehen werde. Mit dem weitergehenden Aufbau der LED habe dies nicht unmittelbar zu tun. Es könne somit eigenständig vom Fachmann ergänzt werden, ohne dass weitergehende Nachteile entstünden.

Die Klägerin ist dem entgegengetreten.

Bereits im Erteilungsverfahren habe die unzulässige Erweiterung keine Rolle gespielt. Die ursprüngliche Anmeldung zeige in den Figuren 24 bis 26 ein weiteres Ausführungsbeispiel, bei dem nur eine Mesa auf dem LED-Chip vorhanden sei. Damit sei eine einzelne Mesa ebenfalls Teil der Offenbarung der ursprünglichen Anmeldung. Darüber hinaus offenbare die ursprüngliche Anmeldung nicht nur Ausgestaltungen, bei denen die Metallsperrschicht die reflektierende Diode seitlich umfange.

Soweit sich die Beklagte zu 2) im Rahmen der Erörterung der erfinderischen Tätigkeit auf die D 3 beziehe, beschreibe diese in den Figuren 5 bis 7 sowie 14 und 15 zwei unterschiedliche Ausführungsbeispiele, die bei der Erörterung der erfinderischen Tätigkeit getrennt zu behandeln seien. Die Gesamtoffenbarung der D 3 stelle die Realisierung der Stromverteilung durch das Gitter der dünnen Verbindungsleitungen (15a, 15b) in den Vordergrund. Es sei nichts ersichtlich, was den Fachmann dazu veranlassen könnte, stattdessen eine die Mesa-Bereiche bedeckende Stromaufweitungsschicht vorzusehen mit einer oberen Isolierschicht, durch welche hindurch die Stromaufweitungsschicht freiliege.

Die durch die Beklagte mit der D 3 kombinierte D 5 beschränke sich im Hinblick auf die Vermeidung von thermisch induzierten Spannungen auf die Auswahl von zwei Materialien für zwei benachbartes Schichten (die reflektierende Silber-Schicht und die Palladium-Schicht) der reflektierenden Elektrode mit nahezu identischem Ausdehnungskoeffizienten. Nicht von der Lehre der D 5 umfasst sei folglich eine eigens für den Spannungsaufbau vorgesehene Entspannungsschicht als zusätzliche Schicht zwischen den beiden äußeren Schichten mit einem mittleren Wärmeausdehnungskoeffizienten zur Vermeidung von Delaminationen in der dreischichtigen Struktur als Ganzes vorzusehen. Ausgehend von der D 3 würde der Fachmann für die dortige reflektierende Metallschicht und für die Metallsperrschicht Materialien mit möglichst ähnlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten auswählen. Er erhalte aber keinen Hinweis darauf, eigens eine dazwischenliegende Entspannungsschicht mit einem Wärmeaustauschkoeffizienten vorzusehen, der zwischen dem der reflektierenden Metallschicht und dem der Metallsperrschicht liege.

Die D 2 sei bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt und nicht als patenthindernd bewertet worden. Abgesehen davon sei die Entgegenhaltung auch nicht bei einer Zusammenschau mit der D 3 geeignet, die erfinderische Tätigkeit in Frage zu stellen.

Vollstreckbarkeit:

Im Hinblick auf die Rechtsfolgen kommt aus Sicht der Beklagten eine sofortige Vollstreckbarkeit vorliegend nicht in Betracht. Die Beklagten seien reine Handelsunternehmen, die mit Mobiltelefonen handeln. Ob und welche Bauteile dort verbaut seien, sei für die Beklagten nicht erkennbar. Darüber hinaus handele es sich bei den streitgegenständlichen LEDs um Standardbauteile, die zu einem Preis in einer Größenordnung von 70 Cent bis 80 Cent pro Stück erworben würden. Es bestehe insofern ein krasses Missverhältnis zu dem jeweiligen Mobiltelefon. Dies veranschauliche, dass es sich bei der streitgegenständlichen LED um ein Kleinstbauteil handele, das für den wirtschaftlichen Erfolg der Produkte, also Mobiltelefone, keine Relevanz besitze. Die Wertverhältnisse würden verdeutlichen, dass eine vorläufige Vollstreckbarkeit im Vergleich zu den Ansprüchen der Klägerin einen unangemessenen Schaden herbeiführen würde, welche durch eine Patentverletzung begründet werden könnten. Entscheide sich die Klägerin dafür, nicht gegen den Hersteller,

sondern gegen einen an Herstellung und Vertrieb Unbeteiligten vorzugehen, müsse sie jedenfalls akzeptieren, dass sie eine Sicherheit leisten müsse.

Die Klägerin ist dem entgegengetreten.

Im Hinblick auf das weitere Vorbringen der Parteien wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

Die Nichtigkeitswiderklage ist zulässig, aber unbegründet.

A. Zulässigkeit der Klage und der Nichtigkeitswiderklage

Sowohl die Klage als auch die Nichtigkeitswiderklage sind zulässig.

I.

Nachdem die Beklagten innerhalb der Einspruchsfrist keinen Einspruch eingelegt haben, gelten sowohl die Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts als auch die Zuständigkeit der Lokalkammer Düsseldorf als anerkannt, R. 19.7 VerfO.

II.

Hinsichtlich der Zulässigkeit der Widerklage bestehen keine Bedenken.

1.

Insbesondere ist das Einheitliche Patentgericht (EPG) auch international zuständig. Gemäß Art. 32 Abs. 1 (e) EPGÜ ist das EPG für Widerklagen auf Nichtigkeit von (europäischen) Patenten ausschließlich zuständig. Da derzeit kein Opt-Out (Art. 83 Abs. 3 EPGÜ) von der ausschließlichen Zuständigkeit des Gerichts in Bezug auf das Streitpatent in Kraft ist, ist das EPG - als gemeinsames Gericht der Mitgliedstaaten des EPGÜ - gemäß Art. 24 Abs. 4, 71a Abs. 2 a), 71b Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 für die vorliegende Widerklage international zuständig.

Dass die Nichtigkeitswiderklage ausdrücklich allein durch die Beklagte zu 2), nicht aber durch die Beklagte zu 1) erhoben wurde, steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen.

Grundsätzlich hat der Kläger bei mehreren Beklagten die Wahl, ob er die Beklagten jeweils einzeln verklagt oder ob er eine Klage erhebt, die sich gegen mehrere Beklagte richtet. Entscheidet sich der Kläger für Letzteres, kann das Gericht gemäß R. 303.3 VerfO eine Verfahrenstrennung anordnen. Für den Fall einer getrennten Klageerhebung kann das Gericht die Verfahren nach R. 340 VerfO verbinden (vgl. Bopp/Kircher, Handbuch Europäischer Patentprozess, 2. Aufl., § 12 Rz. 211).

Daraus folgt, dass die Klagen gegen die einzelnen Beklagten jeweils selbstständig zu behandeln sind (vgl. Tilmann/Plassmann/Dorn, Einheitspatent, Einheitliches Patentgericht, EPGVerfO § 303 Rz. 15). Jeder Beklagte führt seinen eigenen Prozess formell und inhaltlich unabhängig von den anderen, ohne dass die jeweiligen Handlungen des einen Beklagten Vor- oder Nachteile für den anderen Beklagten bewirken (vgl. Luginbühl/Hüttermann, Einheitspatentsystem, Regel 303 Rz. 26). Verlangt daher R. 25.1 VerfO die Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents, sofern die Klageerwiderung die Behauptung umfasst, dass das angeblich verletzte Patent ungültig ist,

gilt dies für jeden Beklagten gesondert. Dies schließt die gemeinsame Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage durch mehrere Beklagte nicht aus.

Auf den vorliegenden Fall gewendet folgt daraus, dass die Beklagte zu 2) der ihr obliegenden Verpflichtung zur Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage nachgekommen ist. Dass die Beklagte zu 1) auf die Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage verzichtet hat, hat auf die Zulässigkeit der Nichtigkeitswiderklage der Beklagten zu 2) keinen Einfluss.

Umgekehrt folgt aus dem Vorstehenden aber auch, dass die Beklagte zu 1) keine Nichtigkeitswiderklage erhoben hat. Für sie ist daher die Rechtsbeständigkeitsargumentation formal ausgeschlossen (vgl. dazu: Luginbühl/Hüttermann, Einheitspatentsystem, R. 25 Rz. 4).

Entscheidet sich das Gericht - wie vorliegend nicht - für eine Trennung der Verfahren gegen beide Beklagte, könnte sich die Beklagte zu 1) daher in ihrem Verfahren nicht mit Erfolg auf den fehlenden Rechtsbestand berufen. Ohne eine solche Abtrennung wirkt sich die Selbstständigkeit der Prozessverhältnisse für die Beklagte zu 1) demgegenüber jedenfalls solange faktisch nicht aus, wie die Kammer von einer Abtrennung der Verfahren absieht. Wird das Streitpatent aufgrund der Nichtigkeitsklage eines Beklagten für nichtig erklärt, fehlt der Verletzungsklage insgesamt bereits die Grundlage.

B. Schutzbereich des Streitpatents

Im Hinblick auf den Schutzbereich des Streitpatents gilt Folgendes:

I. Das Streitpatent betrifft eine lichtemittierende Diode und insbesondere eine lichtemittierende Diode vom Flip-Chip-Typ mit verbesserter Lichtausbeute.

Wie das Streitpatent einleitend ausführt, werden lichtemittierende Dioden auf Galliumnitridbasis durch Aufwachsen von Epitaxieschichten auf einem Substrat gebildet. Sie umfassen eine Halbleiterschicht vom n-Typ, eine Halbleiterschicht vom p-Typ und eine dazwischenliegende aktive Schicht. Auf der n-Halbleiterschicht wird ein n-Elektrodenpad und auf der p-Halbleiterschicht wird ein p-Elektrodenpad gebildet. Zum Betrieb wird die lichtemittierende Diode über die Elektrodenpads elektrisch mit einer externen Stromquelle verbunden. Zu diesem Zeitpunkt fließt Strom von dem p-Elektrodenpad zu dem n-Elektrodenpad durch die Halbleiterschicht (Abs. [0003]).

Um die Wärmeleitung zu verbessern und gleichzeitig den Lichtverlust durch das p-Elektrodenpad zu verhindern wird im Stand der Technik eine lichtemittierende Diode mit Flip-Chip-Struktur verwendet. Im Stand der Technik (siehe US 6 486 499 B1 = Entgegenhaltung D 6 in der Nichtigkeitswiderklage) wurden zur Verbesserung der Stromverteilung in großflächig lichtemittierenden Dioden mit dieser Struktur verschiedene Elektrodenstrukturen vorgeschlagen. Beispielswiese wird eine reflektierende Elektrode auf der Halbleiterschicht vom p-Typ gebildet. Darüber hinaus werden Erweiterungen für die Stromausbreitung auf einem Bereich der Halbleiterschicht vom n-Typ gebildet, freigelegt durch Ätzen der Halbleiterschicht vom p-Typ und der aktiven Schicht (Abs. [0004]). Dabei kommen lineare Verlängerungen zum Einsatz, welche die Stromverteilung aufgrund ihres hohen Widerstandes einschränken (Abs. [0006]).

Bei aus dem Stand der Technik bekannten Lösungen reflektiert die auf der Halbleiterschicht vom p-Typ gebildete reflektierende Elektrode das in der aktiven Schicht erzeugte Licht, um die Lichtextraktionseffizienz zu erhöhen und unterstützt die Stromverteilung in der Halbleiterschicht vom p-

Typ (Abs. [0005]). Da eine reflektierende Elektrode nur auf der Halbleiterschicht vom p-Typ angeordnet ist, kommt es zu erheblichen Lichtverlusten durch die Pads und die Verlängerungen (Abs. [0006]).

LEDs mit einer Flip-Chip-Struktur zeichnen sich dadurch aus, dass Licht durch ein Substrat emittiert wird. Dementsprechend wird nach der Bildung von Halbleiterschichten auf dem Substrat eine metallische Reflexionsschicht über den Halbleiterschichten oder eine Stromverteilungsschicht gebildet, so dass Licht von der Reflektionsschicht reflektiert werden kann (Abs. [0007]).

Die nachfolgend verkleinert eingeblendete, der Streitpatentschrift entnommene und gerichtsseitig kolorierte Figur 1 ist eine Teilschnittansicht einer lichtemittierenden Diode mit einer reflektierenden Schicht aus dem Stand der Technik (Abs. [0008]):

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Zu sehen sind insbesondere eine Mesa-Schicht (10), eine aus einem leitfähigen Metall oder einem leitfähigen Oxid gebildete ohmsche Schicht (12) sowie eine aus Silber (Ag) oder Aluminium (Al) bestehende Reflexionsschicht (13). Bei der Sperrschicht (14) sind abwechselnd erste, Nickel (Ni) und zweite, Wolfram (W) oder Wolfram-Titan (TiW) enthaltende Sperrschichten (14b) übereinandergestapelt. Die Sperrschicht (14) verhindert die Diffusion von Metallelementen, welche die reflektierende Schicht (13) bilden. Die reflektierende Schicht (13) hat einen höheren Wärmeausdehnungskoeffizienten als die Sperrschicht (14). Dies führt zu Spannungen in der reflektierenden Schicht (13). Dementsprechend wird die reflektierende Schicht (13) von der ohmschen Schicht (12) oder der Mesa-Schicht (10) unter der ohmschen Schicht (12) aufgrund er in der reflektierenden Schicht (13) bei gleicher Temperatur erzeugten Spannung getrennt (Abs. [0012]).

Darüber hinaus wurden im Stand der Technik verschiedene Methoden entwickelt, um die Leistungsfähigkeit der lichtemittierenden Diode zu verbessern. So umfasst die in der US 2009/0283787 A1 (= Entgegenhaltung D 2 in der Nichtigkeitswiderklage) offenbarte Lösung eine lichtemittierende Diode, umfassend einen Diodenbereich mit einer ersten und einer zweiten Fläche, die sich gegenüberliegen, und der eine Schicht vom n-Typ und eine Solche vom p-Typ enthält. Ein Anodenkontakt kontaktiert die Schicht vom p-Typ ohmsch und erstreckt sich auf der ersten Fläche. Darüber hinaus erstreckt sich eine transparente Isolierschicht auf der ersten Fläche außerhalb des Anodenkontakts. Die Schicht vom n-Typ wird durch einen reflektierenden Kathodenkontakt elektrisch kontaktiert, welcher sich durch eine transparente Isolierschicht und auf die sich außerhalb des Anodenkontakts befindliche, transparente Isolierschicht erstreckt, um im Wesentlichen die gesamte erste Fläche, die sich außerhalb des Anodenkontakts befindet, mit dem reflektierenden Kathodenkontakt zu bedecken (Abs. [0013]).

Davon ausgehend liegt dem Streitpatent nach der Streitpatentbeschreibung die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, eine lichtemittierende Diode mit einer verbesserten Stromverteilungsleistung sowie mit einer verbesserten Lichtextraktionseffizienz durch eine Verbesserung des Refle-

xionsvermögens bereitzustellen, die in der Lage ist, die durch eine reflektierende Schicht verursachte Spannung zu verringern. Darüber hinaus soll ein Verfahren zur Herstellung einer lichtemittierenden Diode bereitgestellt werden, welches die Stromverteilungsleistung verbessern und gleichzeitig einen komplizierten Herstellungsprozess vermeiden kann. Schließlich soll eine Technik zur Verbesserung der Lichtextraktionseffizienz durch Oberflächenstrukturierung mit einem kostengünstigen und einfachen Verfahren bereitgestellt werden (Abs. [0014] - [0018]).

Zur Lösung dieser Aufgabe stellt Patentanspruch 1 des Streitpatents eine Leuchtdiode unter Schutz, die durch eine Kombination der folgenden Merkmale gekennzeichnet ist:

1. Leuchtdiode, aufweisend

  • 1.1. eine lichtemittierende Struktur;
  • 1.2. mesageätzte Bereiche (150);
  • 1.3. eine reflektierende Elektrode (140);
  • 1.4. eine untere Isolierschicht (200);
  • 1.5. eine Stromaufweitungsschicht (210);
  • 1.6. eine obere Isolierschicht (220);
  • 1.7. ein erstes Pad (230);
  • 1.8. ein zweites Pad (240).

2. Die lichtemittierende Struktur

  • 2.1. ist auf einem Substrat (100) gebildet;

2.2. weist auf:

  • 2.1.1. eine Halbleiterschicht (110) eines ersten Leitfähigkeitstyps,
  • 2.1.2. eine aktive Schicht (120) und
  • 2.1.3. eine Halbleiterschicht (130) eines zweiten Leitfähigkeitstyps.
    1. Die mesageätzten Bereiche (150) sind von der Oberfläche der Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps zu der Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps gebildet.

4. Die reflektierende Elektrode (140)

  • 4.1. ist auf der Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps gebildet;
  • 4.2. weist auf:
  • 4.2.1. eine reflektierende Metallschicht (142);
  • 4.2.2. eine Metallsperrschicht (144);
  • 4.2.3. eine Entspannungsschicht (143);
  • 4.2.3.1. Die Entspannungsschicht (143)

4.2.3.1.1.

ist zwischen der reflektierenden Metallschicht (142) und der Metallsperrschicht (144) gebildet;

  • 4.2.3.1.2. weist einen Wärmeausdehnungskoeffizienten zwischen dem Währmeausdehnungskoeffizenten der reflektierenden Metallschicht

(142) und dem Wärmeausdehnungskoeffizienten der Metallsperrschicht (144) auf.

5. Die untere Isolierschicht (200)

  • 5.1. bedeckt die eine Gesamtoberfläche der Struktur, die gebildet ist durch:
  • 5.1.1. die Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps,
  • 5.1.2. die aktive Schicht (120),
  • 5.1.3. die Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps;
  • 5.1.4. die mesageätzten Bereiche (150) und
  • 5.1.5. die reflektierende Elektrode (140).
  • 5.2. weist Öffnungen auf, die in der Nähe eines Rands des Substrats angeordnet sind;
  • 5.3. ermöglicht, dass
  • 5.3.1. eine obere Fläche der reflektierenden Elektrode (140) teilweise durch diese hindurch freiliegt;
  • 5.3.2. die Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps durch diese hindurch in den mesageätzten Bereichen (150) freiliegt;

6. Die Stromaufweitungsschicht (210)

  • 6.1. ist auf der unteren Isolierschicht (200) gebildet;
  • 6.2. bedeckt die Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps;
  • 6.3. ist elektrisch mit der Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps verbunden.

7. Die obere Isolierschicht (220)

  • 7.1. ist auf der Stromaufweitungsschicht (210) gebildet.
  • 7.2. sowohl die Stromaufweitungsschicht (210) als auch die reflektierende Elektrode (140) liegen teilweise durch die obere Isolierschicht (220) hindurch frei.
    1. Das erste Pad (230) ist elektrisch mit der Stromaufweitungsschicht (210) verbunden, die durch die obere Isolierschicht (220) hindurch freiliegt.
    1. Das zweite Pad (240) ist elektrisch mit der reflektierenden Elektrode (140) verbunden, die durch die obere Isolierschicht (220) hindurch freiliegt.

Einige Merkmale bedürfen der Auslegung.

a)

Gemäß Art. 69 EPÜ i.V.m. dem Protokoll über dessen Auslegung ist der Patentanspruch nicht nur der Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs eines europäischen Patents. Für die Auslegung eines Patentanspruchs kommt es nicht allein auf

seinen genauen Wortlaut im sprachlichen Sinne an. Vielmehr sind die Beschreibung und die Zeichnungen als Erläuterungshilfen für die Auslegung des Patentanspruchs stets mit heranzuziehen und nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten im Patentanspruch anzuwenden. Das bedeutet aber nicht, dass der Patentanspruch lediglich als Richtlinie dient und sich sein Gegenstand auch auf das erstreckt, was sich nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt (UPC_CoA_335/2023, Anordnung v. 26.02.2023 i.V.m. Anordnung v. 11.03.2024, GRUR-RS 2024, 2829, Leitsatz 2. und Rz. 73 - 77 - 10x Genomics v. NanoString; UPC_COA_182/2024, Anordnung v. 25.09.2024, Rz. 82 - Mammut Sports v. Ortovox Sportartikel; vgl. auch UPC_CFI_7/2024 (LD Düsseldorf), Entscheidung v. 03.07. 2024, ORD_598324/2023 Franz Kaldewei v. Bette).

b)

Der relevante Fachmann ist nach Auffassung der Lokalkammer ein Diplom-Ingenieur oder Master der Elektrotechnik oder der Halbleiterphysik mit einem Abschluss an einer Fachhochschule für angewandte Wissenschaften und mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von lichtemittierenden Dioden und Verfahren zu deren Herstellung.

c)

Dies vorausgeschickt gilt Folgendes:

aa)

Erfindungsgemäß verfügt die Leuchtdiode über mesageätzte Bereiche (150).

(1)

Der Fachmann, der sich der Frage nach der technischen Gestaltung derartiger Bereiche zuwendet, entnimmt Patentanspruch 1, dass die mesageätzten Bereiche von der Oberfläche der Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps zu der Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps gebildet sind (Merkmal 3.). Daraus schließt der Fachmann zweierlei: Es muss sich um mesageätzte Bereiche (Plural) und damit mindestens zwei handeln. Das Vorliegen eines einzelnen solchen Bereichs genügt für die Verwirklichung der durch das Streitpatent unter Schutz gestellten technischen Lehre nicht. Außerdem müssen sich die mesageätzten Bereiche jedenfalls von der Oberfläche der Halbleiterschicht des zweiten Leitfähigkeitstyps zu der Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps erstrecken.

Darüber hinausgehend finden die mesageätzten Bereiche in Patentanspruch 1 nur noch dahingehend Erwähnung, dass sie Teil der durch die untere Isolierschicht bedeckten Struktur sind (Merkmale 5.1. und 5.1.4.) und dass die Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps durch die untere Isolierschicht hindurch in den mesageätzten Bereichen freiliegt. Weitere Vorgaben, etwa zur Form oder zur Frage der Überlagerung mesageätzter Bereiche, sucht der Fachmann in Patentanspruch 1 vergebens.

(2)

Wendet er sich davon ausgehend der Patentbeschreibung zu, richtet sich der Blick des Fachmanns zunächst auf Abs. [0125], wo es heißt:

'Referring to Figure 14 , part of the active layer 120 and part of the second semiconductor layer 130 are removed by typical etching. As a result, the first semiconductor layer 110 is partially exposed. Through the etching process, an upper surface of the first semiconductor layer 110 is exposed, and side surfaces of the active layer 120 and the second semiconductor layer 130 are exposed. As a result, the active layer 120 and the second semiconductor layer 130 are partially removed to form trenches and holes through the etching process. In other words, the mesa-etched areas 150 formed from the surface of the second semiconductor layer 130 […] to the surface of the first semiconductor layer 110

may be a trench-shaped stripe type or a hole type.'

Und ausgehend von der als Anlage LL 6a vorgelegten Übersetzung:

'Bezugnehmend auf Figur 14 werden ein Teil der aktiven Schicht 120 und ein Teil der zweiten Halbleiterschicht 130 durch typisches Ätzen entfernt. Als Ergebnis wird die erste Halbleiterschicht 110 freigelegt. Durch den Ätzvorgang wird eine obere Fläche der ersten Halbleiterschicht 110 freigelegt, und Seitenflächen der aktiven Schicht 120 und der zweiten Halbleiterschicht 130 werden freigelegt. Als Ergebnis werden die aktive Schicht 120 und die zweite Halbleiterschicht 130 teilweise entfernt, um durch den Ätzprozess Gräben und Löcher zu bilden. Mit anderen Worten, die mesageätzten Bereiche 150, die von der Oberfläche der zweiten Halbleiterschicht 130 […] bis zur Oberfläche der ersten Halbleiterschicht 110 gebildet werden, können grabenförmig, streifenförmig oder lochförmig sein.'

(Hervorhebung hinzugefügt)

Auch wenn es sich bei Figur 14 nebst der zugehörigen Beschreibung um ein Ausführungsbeispiel handelt, auf welches die Erfindung nicht reduziert werden darf, führt der vorstehend wiedergegebene Auszug der Streitpatentbeschreibung dem Fachmann vor Augen, weshalb es erfindungsgemäß mesageätzter Bereiche bedarf: Werden im Rahmen des Ätzvorgangs Teile der aktiven Schicht und der zweiten Halbleiterschicht entfernt, wird in den mesageätzten Bereichen die erste Halbleiterschicht freigelegt (vgl. auch Abs. [0147], [0165], [0167], [0195] sowie [0004] a.E., [0019] und [0071], wobei Letzterer von einer 'Strukturierung der zweiten leitfähigen Halbleiterschicht und der aktiven Schicht' spricht). Damit korrespondierend versteht die Streitpatentschrift unter einem 'Mesa-Ätzen' einen Prozess des teilweisen Ätzens der zweiten leitfähigen Halbleiterschicht, um die erste leitfähige Halbleiterschicht freizulegen (Abs. [0230]). Da die erste Halbleiterschicht zudem in den mesageätzten Bereichen nicht durch die untere Isolierschicht bedeckt ist, wird so eine elektrische Verbindung vom ersten Pad (230) (Merkmal 8.) über die Stromaufweitungsschicht (210) (Merkmal 6.3.) zur ersten Halbleiterschicht ermöglicht. Die erste Halbleiterschicht (110) ist daher mit dem ersten Pad (130) elektrisch verbunden (vgl. Abs. [0085] und [0160]).

(3)

Wie der Fachmann der Streitpatentbeschreibung weiter entnimmt, können die mesageätzten Bereiche graben-, streifen- oder lochförmig ausgestaltet sein (vgl. Abs. [0125] a.E., [0126], [0141], [0144], [0164], [0168]). Nachdem Patentanspruch 1 die Form der mesageätzten Bereiche allerdings unerwähnt lässt und zudem auch nicht ersichtlich ist, dass die mesageätzten Bereiche die ihnen erfindungsgemäß zugewiesene Funktion der Freilegung der ersten Halbleiterschicht nur mit einer bestimmten Form erfüllen können, ist die Gestaltung der Form der mesageäzten Bereiche in das Belieben des Fachmanns gestellt, solange diese Bereiche, wie von Merkmal 3 gefordert, von der ersten Halbleiterschicht des zweiten Leitfähigkeitstyps zu der Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps gebildet sind. Dies schließt auch die Möglichkeit der teilweisen Überlagerung mesageätzter Bereiche mit ein, solange mindestens zwei derartige Bereiche identifizierbar bleiben.

(4)

Keine Erwähnung findet bzw. finden im Patentanspruch 1 die als Folge des Vorhandenseins entsprechender mesageätzter Bereiche (150) entstehende(n) Mesa(s). Deren Anzahl lässt Patentanspruch 1 offen.

Soweit in der Streitpatentbeschreibung wiederholt eine Pluralität von Mesas Erwähnung findet (vgl. etwa Abs. [0020] - [0023], [0027], [0037], [0039], [0041], [0044], [0070] - [0073], [0076] f., [0080], [0091], [0093] f.), hat eine Solche im Anspruch keinen Niederschlag gefunden. Vom Schutzbereich erfasst sind daher nicht nur Gestaltungen, bei denen sich mehrere, d.h. mindestens zwei Mesas identifizieren lassen. Ebenfalls geschützt sind vielmehr auch Leuchtdioden mit nur einer

Mesa, solange die Leuchtdiode über mesageätzte und damit mindestens zwei derartige Bereiche verfügt.

Stellt Patentanspruch 1 allein auf das Vorhandensein mesageätzter Bereiche und damit nicht auf die Mesa selbst ab, ist auch die Form einer oder mehrerer Mesa(s) nicht entscheidend. Diese kann bzw. können beispielsweise eine längliche Form aufweisen und sich parallel zueinander in Richtung einer Seite des Substrats erstrecken (vgl. Abs. [0022], [0072]), ohne dass die Erfindung auf eine solche Formgebung beschränkt wäre.

bb) Erfindungsgemäß weist die auf der Halbleiterschicht des zweiten Leitfähigkeitstyps gebildete Elektrode (140) eine reflektierende Metallschicht (142), eine Metallsperrschicht (144) sowie eine Entspannungsschicht (143) auf (Merkmale 4., 4.1., 4.2.1. - 4.2.3.).

(1)

Vorgaben zur chemischen Zusammensetzung der vorgenannten Schichten sucht der Fachmann in Patenanspruch 1 vergebens. Diese werden vielmehr lediglich in Bezug auf die ihnen jeweils zugewiesene Funktion und ihre Eigenschaften definiert und voneinander abgegrenzt.

(a)

So dient die reflektierende Metallschicht (Merkmal 4.2.1.) dazu, dass in der aktiven Schicht (Merkmal 2.1.2.) erzeugte Licht zu reflektieren (vgl. Abs. [0010], Abs. [0112]). Auch wenn sich Patentanspruch 1 nicht zu den Inhaltstoffen der Schicht verhält, ist damit klar, dass die reflektierende Metallschicht aus einem Material mit einer hohen Leitfähigkeit und einem hohen Reflexionsvermögen in Bezug auf Licht gebildet sein muss. Beispielhaft nennt die Streitpatentschrift als mögliche Inhaltsstoffe der reflektierenden Metallschicht Silber (Ag) bzw. Silberlegierungen oder Aluminium (Al) bzw. Aluminiumlegierungen (vgl. Unteranspruch 4 sowie Abs. [0010] a.E., [0075], [0098], [0112], [0115] f., [0129], [0140]).

(b)

Die in der reflektierenden Metallschicht enthaltenen Metallelemente oder Ionen können jedoch in die benachbarten Schichten diffundieren. Um dies (und damit letztlich eine Verschlechterung der reflektierenden Eigenschaften) der reflektierenden Metallschicht zu verhindern (Abs. [0011] und [0115]), verfügt die reflektierende Elektrode erfindungsgemäß weiterhin über eine Metallsperrschicht (Merkmal 4.2.2.). Zur Verbesserung der Sperrwirkung kann die ggf. auch mehrschichtige Metallsperrschicht neben einer oberen Fläche (auch) die Seitenflächen der reflektierenden Schicht abdecken (Unteranspruch 7 sowie Abs. [0011], [0024], [0075], [0137] f.). Bedingung für eine Verwirklichung der durch Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten technischen Lehre ist dies jedoch nicht. Als mögliche Materialien der Metallsperrschicht erwähnt die Streitpatentschrift unter anderem Wolfram (W), Wolfram-Titan (TiW), Titan (Ti), Nickel (Ni), Molybdän (Mo) oder Palladium (Pd) (vgl. Unteranspruch 6 sowie Abs. [0011], [0033] - [0036], [0075] a.E., [0115] f., [0136], [0140]), ohne dass der Schutzbereich auf diese Materialen beschränkt ist.

(c)

Da die reflektierende Metallschicht und die Metallsperrschicht unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten haben, kann es zu Spannungen in der reflektierenden Metallschicht kommen, wodurch die reflektierende Metallschicht von den Mesas und damit letztlich von der zweiten Halbleiterschicht getrennt werden kann (Abs. [0099]).

Um diese Spannungen abzubauen ist erfindungsgemäß zwischen der reflektierenden Metallschicht

(142) und der Metallsperrschicht (144) eine Entspannungsschicht, deren Wärmeausdehnungskoeffizient zwischen demjenigen der reflektierenden Schicht und demjenigen der Metallsperrschicht liegt vorgesehen (Merkmale 4.2.3., 4.2.3.1. und 4.2.3.1.1.). Dementsprechend wird die Spannung, die durch den Unterschied der Wärmeausdehnungskoeffizienten zwischen der reflektierenden Metallschicht (142) und der Metallsperrschicht (144) verursacht wird, von der Spannungsentlastungsschicht (143) absorbiert (Abs. [0142]), wodurch eine Trennung der reflektierenden Metallschicht von der Halbleiterschicht verhindert werden kann (Abs. [0045] a.E., [0113]).

Was die Materialien der Entspannungsschicht angeht, kann es sich dabei beispielhaft entweder um eine, etwa aus Silber (Ag), Kupfer (Cu), Nickel (Ni), Titan (Ti) oder Palladium (Pd) gebildete Einzelschicht oder um eine Verbundschicht aus Kupfer (Cu), Nickel (Ni), Titan (Ti), Palladium (Pd) oder Gold (Au) handeln (vgl. Unteranspruch 9 sowie Abs. [0033] - [0035] sowie Abs. [0112] - [0114]). Da der Wärmeausdehnungskoeffizient der Entspannungsschicht jedoch zwischen demjenigen der reflektierenden Metallschicht und der Metallsperrschicht liegen soll und sowohl die reflektierende Metallschicht als auch die Metallsperrschicht aus einer Vielzahl von Materialien zusammengesetzt sein können, ist das Material der Entspannungsschicht zwangsläufig vom Material der anderen Schichten abhängig (Abs. [0113], [0132] und [0140]). Dieses ist so zu wählen, dass der Wärmeausdehnungskoeffizient der betreffenden Schicht zwischen demjenigen der reflektierenden Metallschicht und der Metallsperrschicht liegt.

(d)

Was die Abgrenzung der Schichten zueinander angeht, lässt sich diese ausgehend von den vorstehenden Überlegungen schon deshalb nicht allein anhand der in der jeweiligen Schicht enthaltenen Materialen vornehmen, weil bereits die Streitpatentbeschreibung die gleichen Materialien teilweise in unterschiedlichen Schichten zulässt. So findet etwa Silber sowohl als Bestandteil der reflektierenden Metallschicht als auch der Spannungsentlastungsschicht Erwähnung (vgl. Unteransprüche 4 und 9 sowie Abs. [0033]). Gleiches gilt für Titan und Nickel, die sowohl als Bestandteil der Spannungsentlastungsschicht als auch der Metallsperrschicht Erwähnung finden (vgl. Unteransprüche 6 und 9; Abs. [0033] - [0036] und [0115] f.). Dabei können bestimmte Materialien nach der Streitpatentbeschreibung nicht nur alternativ bestimmten Schichten angehören. Vielmehr lässt es die Streitpatentbeschreibung auch zu, dass sich bestimmte Materialen in einer Ausführungsform sowohl in der Metallsperrschicht als auch in der Entspannungsschicht finden. So findet in Abs. [0033] der Streitpatentbeschreibung folgende Gestaltung Erwähnung:

'[…] and the barrier metal layer may include one of W, TiW, Mo, Ti, Cr, Pt, Rh, Pd, and Ni . Further, the stress relieving layer may be formed as a single layer of Ag, Cu, Ni , Pt, Ti , Rh, Pd or Cr, or as a composite layer of a plurality of metals selected from Cu, Ni , Pt, Ti , Rh, Pd or Au.'

Und in der als Anlage LL 6a vorgelegten Übersetzung:

'[…] und die Sperrmetallschicht kann eines von W, TiW, Mo, Ti , Cr, Pt, Rh, Pd und Ni enthalten. Darüber hinaus kann die Spannungsentlastungsschicht als einzelne Schicht aus Ag, Cu, N i, Pt, Ti , Rh, Pd oder Cr oder als Verbundschicht aus einer Vielzahl von Metallen, ausgewählt aus Cu, Ni, Pt, Ti, Rh, Pd oder Au, gebildet werden.'

(Hervorhebungen hinzugefügt)

Diese, im allgemeinen Teil der Streitpatentbeschreibung zu findenden Ausführungen führen dem Fachmann daher vor Augen, dass Nickel und Titan sowohl Bestandteil der Metallsperrschicht als auch der Spannungsentlastungsschicht sein können, und zwar mangels Einschränkung auch in ein und derselben Ausgestaltung und unabhängig davon, ob die Spannungsentlastungsschicht als einzelne Schicht oder als Verbundschicht ausgestaltet ist.

Ergänzend dazu heißt es in Abs. [0115] f. unter anderem:

  • '[…] when the reflective metal layer 142 includes Al or Al alloys and the barrier metal layer 144 includes Cr, Pt, Rh, Pd or Ni , the stress relieving layer 143 may be formed as a single layer of Ag or Cu or as a composite layer of Ni , Au, Cu or Ag.

[…]

when the reflective metal layer 142 includes Ag or Ag alloys and the barrier metal layer 144 includes Cr or Ni , the stress relieving layer 143 may be formed as a single layer of Cu, Cr, Rh, Pd, TiW or Ti, or as a composite layer of Ni , Au or Cu'.

Und in deutscher Übersetzung (vgl. Anlage LL 6a):

  • '[…] enthält die reflektierende Metallschicht 142 weiterhin Al oder Al-Legierungen und die Sperrmetallschicht 144 Cr, Pt, Rh, Pd oder Ni , so kann die Spannungsentlastungsschicht 143 als Einzelschicht aus Ag oder Cu oder als Verbundschicht aus Ni , Au, Cu oder Ag ausgebildet sein.

[…]

Wenn die reflektierende Metallschicht 142 Ag oder Ag-Legierungen und die Sperrmetallschicht 144 Cr und Ni enthält, kann die Spannungsentlastungsschicht 143 als Einzelschicht aus Cu, Cr, Rh, Pd, TiW oder Ti oder als Verbundschicht aus Ni, Au oder Cu gebildet werden.'

(Hervorhebungen hinzugefügt)

Im ersten Fall ist mithin Nickel in der Metallsperrschicht enthalten. Zugleich kann sich Nickel auch in der Spannungsentlastungsschicht finden, soweit diese als Verbundschicht ausgebildet ist. Bei der zweiten Gestaltung ist Nickel in der Metallsperrschicht enthalten, kann jedoch auch Bestandteil der Spannungsentlastungsschicht sein, soweit diese als Verbundschicht ausgestaltet ist.

Davon ausgehend kann die Bestimmung und Zuordnung bestimmter Schichten nicht allein anhand bestimmter Materialien erfolgen. Entscheidend ist vielmehr die Funktion der betreffenden Schicht (Reflektion, Entspannung, Sperrung). Nachdem dieselben Stoffe Bestandteil verschiedener Schichten sein können, die jeweils bestimmte Eigenschaften aufweisen, ist zugleich klar, dass sich bestimmte Funktionen der Schichten ggf. auch überlagern können. Verhindert die Entspannungsschicht aufgrund der dort enthaltenen Stoffe etwa teilweise den Durchtritt von Metallelementen und Ionen aus der reflektierenden Metallschicht, führt dies dann nicht aus dem Schutzbereich heraus, wenn (1) eine weitere Metallsperrschicht vorhanden ist und (2) der Wärmeausdehnungskoeffizient der Entspannungsschicht zwischen demjenigen der reflektierenden Metallschicht und der Metallsperrschicht liegt, so dass die Entspannungsschicht ihre spannungsreduzierende Wirkung entfalten kann.

cc)

Wie der Fachmann der Merkmalsgruppe 5. der vorstehend eingeblendeten Merkmalsgliederung entnimmt, soll die Gesamtoberfläche der durch die Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps, die aktive Schicht, die Halbleiterschicht des zweiten Leitfähigkeitstyps, die mesageätzten Bereiche und die reflektierende Elektrode gebildete Struktur durch die untere Isolierschicht bedeckt sein (Merkmale 5. und 5.1.).

(1)

Damit beide unterhalb der unteren Isolierschicht angeordneten Halbleiterschichten ausgehend von den oberhalb angeordneten Pads mit Strom versorgt werden können (vgl. Merkmalsgruppen

  1. und 9.), dürfen die Halbleiterschichten nicht vollständig von den Pads isoliert sein. Dem Bedarf nach einer elektrischen Verbindung trägt die Merkmalsgruppe 5.3. Rechnung, wonach sowohl die obere Fläche der reflektierenden Elektrode teilweise als auch die Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps durch diese hindurch in den mesageätzten Bereichen freiliegen soll. Eine Möglichkeit der Umsetzung erläutern die Abs. [0077] - [0079] der Streitpatentbeschreibung. Danach weist die untere Isolierschicht Öffnungen (31a, 31b) auf, die in einem Bereich zwischen den Mesas M und in der Nähe einer Kante des Substrats angeordnet sind. Nachdem derartige, zwischen den Mesas M und in der Nähe einer Kante des Substrats angeordnete Öffnungen allerdings in Patentanspruch 1 keine Erwähnung finden, handelt es sich lediglich um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel, welches den Schutzbereich nicht beschränkt. Patentanspruch 1 beschreibt die untere Isolierschicht lediglich funktional dahingehend, dass sie ein entsprechendes (teilweises) Freiliegen der reflektierenden Elektrode und der Halbleiterschicht des ersten Typs ermöglichen muss. Die konkrete technische Umsetzung ist dem Fachmann überlassen.

(2)

Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Vielmehr muss die untere Isolierschicht nach Merkmal 5.2. Öffnungen aufweisen, die in der Nähe eines Rands des Substrats ('openings disposed near an edge of the substrate') angeordnet sind.

Solange derartige Öffnungen vorhanden sind, kann eine Gestaltung in den Schutzbereich von Patentanspruch 1 fallen. Allein aus der Forderung nach einer Anordnung von Öffnungen in der Nähe des Rands lässt sich nicht im Umkehrschluss folgern, diese dürften nicht auch in anderen Bereichen vorhanden sein. Die ausschließliche Anordnung der Öffnungen am Rand fordert Patentanspruch 1 nicht.

Versucht der Fachmann, sich die Reichweite von Merkmal 5.2. zu erschließen, erkennt er, dass die Öffnungen in der Nähe des Rands des Substrats angeordnet sein sollen (Merkmal 5.2., Unterstreichung hinzugefügt). Nicht erforderlich ist daher die Anordnung entsprechender Öffnungen am Rand. Es reicht mithin, wenn sie sich in dessen Nähe befinden.

Zu den technischen Hintergründen einer solchen Anordnung der Öffnungen schweigt die Streitpatentschrift. Eine entsprechende Anordnung der Öffnungen der unteren Isolierschicht findet lediglich in Abs. [0078] Erwähnung ('The openings 31a are disposed in a region between the mesas M and near an edge of the substrate 21 […]; in deutscher Übersetzung: 'Die Öffnungen 31a und 31b sind in einem Bereich zwischen den Mesas M und in der Nähe einer Kante des Substrats 21 angeordnet […].').

Der Hintergrund einer solchen Anordnung erschließt sich jedoch mit Blick auf die durch Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Gesamtanordnung der Leuchtdiode. Weist die untere Isolierschicht auch in ihren Randbereichen Öffnungen auf, kann die Stromaufweitungsschicht in diesen Bereichen in Randnähe mit der Halbleiterschicht des ersten Typs in Kontakt stehen (vgl. Merkmal 5.2. i.Vm. Merkmal 6.3.). Damit erfolgt die eigentliche Kontaktierung der ersten Halbleiterschicht durch die Stromaufweitungsschicht auch in den Randbereichen der Halbleiterschicht. Hierdurch wird nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Klägerin der nötige Strompfad in der Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps verkürzt. Nach dem Ohm'schen Gesetz wird hierdurch der elektrische Widerstand reduziert und die Effizienz der LED gesteigert (Klageschrift, S. 21 unten, Rz. 35 und S. 37, Rz. 65).

ee)

Um das mit der Erfindung angestrebte Ziel einer verbesserten Stromverteilungsleistung (vgl. Abs.

[0014] und [0044]) zu erreichen weist die durch Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Leuchtdiode eine Stromaufweitungsschicht auf (Merkmalsgruppe 6.).

Diese wird in Patentanspruch 1 dahingehend näher charakterisiert, dass sie auf der unteren Isolierschicht ausgebildet ist (Merkmal 6.1.), die Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps bedeckt (Merkmal 6.2.) und elektrisch mit der Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps verbunden ist (Merkmal 6.3.).

Weitere Vorgaben zur technischen Gestaltung der Stromaufweitungsschicht finden sich in Patentanspruch 1 nicht. Soweit die Stromaufweitungsschicht (Stromverteilungsschicht) in Abs. [0080] im Zusammenhang mit der Erläuterung der in Figur 8 gezeigten Gestaltung dahingehend charakterisiert wird, dass sie die Pluralität der Mesas M bedeckt (vgl. auch Abs. [0021] und [0093] f.) und über Öffnungen im oberen Bereich verfügt, durch welche die reflektierenden Dioden freigelegt sind, hat dies im Patentanspruch keinen Niederschlag gefunden. Es handelt sich um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel, welches den Schutzbereich nicht beschränkt. Gleiches gilt, soweit die Stromaufweitungsschicht nach Abs. [0097] im Wesentlichen eine Gesamtfläche der ersten leitfähigen Schicht zwischen den Mesas M bedecken soll. Patentanspruch 1 lässt eine Bedeckung der ersten Halbleiterschicht ausreichen. Eine Bedeckung der Gesamtfläche der ersten Halbleiterschicht fordert er demgegenüber ebenso wenig wie eine durchgängige Ausbildung der Stromaufweitungsschicht. Dass das Streitpatent auch eine solche durchgängige Ausbildung von Schichten kennt, führt Abs. [0091] vor Augen, wonach die erste Halbleiterschicht durchgängig ausgebildet sein soll. Derartiges fordert Patentanspruch 1 in Bezug auf die Stromaufweitungsschicht gerade nicht.

ff)

Erfindungsgemäß soll auf der Stromaufweitungsschicht eine obere Isolierschicht gebildet sein (Merkmalsgruppe 7.).

Solange die betreffende Schicht isolierend wirkt und auf der Stromaufweitungsschicht angeordnet ist, steht ihre nähere technische Gestaltung im Belieben des Fachmanns. Sie muss darüber hinausgehend lediglich noch so ausgebildet sein, dass die Stromaufweitungsschicht und die reflektierende Diode durch sie hindurch teilweise freiliegen (Merkmal 7.2.). Dies gewährleistet, dass das erste und das zweite Pad, wie von den Merkmalen 8. und 9. gefordert, entweder mit der Stromaufweitungsschicht (erstes Pad) oder mit der reflektierenden Elektrode (zweites Pad) elektrisch verbunden sein können. Die technische Umsetzung dieser Offenlegung ist dem Fachmann überlassen. Hierfür kommen beispielsweise Öffnungen, wie sie in Figur 9 gezeigt und in Abs. [0083] f. und [0095] beschrieben werden, in Betracht. Beschränkt ist die Erfindung auf eine solche Gestaltung jedoch nicht.

C. Begründetheit der Widerklage

Die Widerklage hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 geht nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus und beruht daher nicht auf einer unzulässigen Erweiterung.

Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ sieht vor, dass ein europäisches Patent mit Wirkung für einen Vertragsstaat für nichtig erklärt werden kann, wenn der Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung oder, wenn das Patent aufgrund einer Teilanmeldung erteilt wurde, über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich

eingereichten Fassung hinausgeht (Art. 123 Abs. 2 EPÜ).

Das ist vorliegend nicht der Fall.

a)

Soweit die Beklagte zu 2) versucht, eine unzulässige Erweiterung damit zu begründen, in der ursprünglichen Patentanmeldung seien lediglich Gestaltungen mit mehreren Mesas, nicht aber solche mit einer Mesa offenbart, finden die Mesas selbst, wie bereits ausgeführt, in Patentanspruch 1 keine Erwähnung. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr das Vorhandensein mesageätzter Bereiche, die von der Oberfläche der Halbleiterschicht des zweiten Leitfähigkeitstyps zu der Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps gebildet sind (Merkmal 3.). Derartige mesageätzte Bereiche sind unter anderem in Figur 24 der Offenlegungsschrift gezeigt, die nachfolgend in der durch die Klägerin zur Akte gereichten kolorierten Fassung eingeblendet ist:

ORD_598458/2023

Wie die vorstehend wiedergegebene Abbildung verdeutlicht, sind die mesageätzten Bereiche (150) lochförmig ausgebildet, wobei die erste Halbleiterschicht in den mesageätzten Bereichen (150) freigelegt ist (vgl. Anlage B5a, Abs. [0163] und [0167]).

Ausgehend von dem vorstehend bereits im Einzelnen herausgearbeiteten Verständnis sind die als Löcher ausgebildeten mesageätzten Bereiche nicht nur in der Mitte, sondern auch in der Nähe eines Rands angeordnet. Ist die erste Halbleiterschicht in den mesageätzten Bereichen freigelegt, folgt daraus zwangsläufig, dass auch die untere Isolierschicht in diesen Bereichen entsprechende Öffnungen aufweisen muss (Merkmal 5.2.).

Zwar weist die Beklagte zu 2) zu Recht darauf hin, dass sich eine Anordnung der mesageätzten Bereiche in der Nähe des Randes nicht allein mit den in der vorstehenden Abbildung links und rechts zu sehenden, blau markierten Bereichen begründen lässt. Der Schnitt D-D endet jeweils in einem Loch, so dass sich von dort nach außen noch ein nicht mesageätzter Bereich anschließt. Aber

auch unabhängig davon befinden sich die äußeren Lochreihen in der Nähe des Randes. Mehr verlangt Merkmal 5.2. nicht. Insbesondere bedarf es keiner Anordnung am Rand. Dass bei einer Anordnung, wie sie in Figur 24 gezeigt ist, das mit der randseitigen Anordnung der mesageätzten Bereiche angestrebte Ziel einer besseren Stromverteilung nicht erreichbar wäre, behauptet die Beklagte zu 2) nicht. Derartiges ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr kann die Stromaufweitungsschicht die erste Halbleiterschicht auch bei der gezeigten Gestaltung in den Randbereichen kontaktieren, wodurch die Stromverteilung auf der ersten Halbleiterschicht verbessert werden kann.

b)

Soweit die Beklagte zu 2) darüber hinaus eine unzulässige Erweiterung damit zu begründen versucht, die Merkmalsgruppe 4.2. verlange lediglich die Bildung einer reflektierenden Metallschicht (142), einer Metallsperrschicht (144) und einer Entspannungsschicht (143) sowie dass die reflektierende Elektrode (140) diese Schichten aufweise, während nach der ursprünglichen Offenbarung (Anlagen B 5/B 5a) (gerade auch) die Seitenbereiche der Schichten bedeckt sein müssten, vermag die Lokalkammer dem unter Berücksichtigung des Gesamtoffenbarungsgehalts der Offenlegungsschrift nicht zu folgen.

Auch wenn die Metallsperrschicht dort im Rahmen der Erläuterung des bevorzugten Ausführungsbeispiels dahingehend beschrieben wird, dass sie auf der Entspannungsschicht angeordnet ist und die Seitenoberfläche der reflektierenden Metallschicht und der Entspannungsschicht umfasst (vgl. Anlage B 5a, Abs. [0113], vgl. auch Unteranspruch 3), erschöpft sich darin nicht der Offenbarungsgehalt der Offenlegungsschrift. Vielmehr heißt es dort auf Seite 3 unten bis Seite 4 oben (vgl. Anlage B 5):

'Each of the reflective electrodes may include a reflective metal layer and a barrier metal layer. Further, the barrier metal layer may cover an upper surface and a side surface of the reflective metal layer.'

Und ausgehend von der als Anlage B 5a vorgelegten Übersetzung (dort Abs. [0023]):

'Jede der reflektierenden Elektroden kann eine reflektierende Metallschicht und eine Sperrmetallschicht enthalten. Außerdem kann die Sperrmetallschicht eine Oberseite und eine Seitenfläche der reflektierenden Metallschicht bedecken .'

(Hervorhebung hinzugefügt)

Auch dann, wenn die optionale Metallsperrschicht vorhanden ist, handelt es sich demnach bei der Bedeckung der Seitenfläche der reflektierenden Metallschicht um eine Möglichkeit, aber keine Notwendigkeit.

II.

Dass die durch Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte technische Lehre neu ist (Art. 54 EPÜ), steht zwischen den Parteien nicht in Streit. Ausführungen zu dieser Frage sind daher entbehrlich. Darüber hinaus ist auch erfinderische Tätigkeit zu bejahen.

1.

Gemäß Artikel 56 EPÜ gilt eine Erfindung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann in Anbetracht des Standes der Technik nicht in naheliegender Weise ergibt.

Nach Auffassung der Zentralkammer München (UPC_CFI_1/2023 (CD München), Entscheidung vom 16.07.2024 - Sanofi v. Amgen), der sich die Lokalkammer anschließt, bedarf es im Rahmen

der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit immer einer Beurteilung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen und Umstände. Dabei ist ein objektiver Ansatz zu wählen. Die subjektiven Vorstellungen des Anmelders oder Erfinders sind unerheblich. Es ist nur relevant, was die beanspruchte Erfindung tatsächlich zum Stand der Technik beiträgt.

Die erfinderische Tätigkeit ist aus der Sicht des Fachmanns auf der Grundlage des gesamten Standes der Technik einschließlich des allgemeinen Fachwissens zu beurteilen. Es ist davon auszugehen, dass der Fachmann zum maßgeblichen Zeitpunkt Zugang zum gesamten allgemein zugänglichen Stand der Technik hatte. Entscheidend ist, ob sich der beanspruchte Gegenstand so aus dem Stand der Technik ergibt, dass der Fachmann ihn aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten gefunden hätte, z. B. durch naheliegende Abwandlungen des bereits Bekannten.

Um zu beurteilen, ob eine beanspruchte Erfindung für einen Fachmann naheliegend war oder nicht bedarf es zunächst der Bestimmung eines Ausgangspunktes im Stand der Technik. Es muss begründet werden, warum der Fachmann einen bestimmten Teil des Standes der Technik als realistischen Ausgangspunkt ansehen würde. Ein Ausgangspunkt ist realistisch, wenn seine Lehre für einen Fachmann von Interesse gewesen wäre, der zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents ein ähnliches Erzeugnis oder Verfahren wie das im Stand der Technik offenbarte zu entwickeln suchte, das also ein ähnliches Grundproblem wie die beanspruchte Erfindung hat (vgl. UPC_CoA_335/2024, Anordnung v. 26.02.2024, S. 34 - Nanostring v. 10x Genomics, unter 'cc' in der deutschen Originalfassung, 'Für eine Fachperson, die sich zum Prioritätszeitpunkt des Verfügungspatents vor die Aufgabe gestellt sah, war [...] D 6 von Interesse'). Es kann mehrere realistische Ausgangspunkte geben, wobei es nicht notwendig, den 'vielversprechendsten' Ausgangspunkt zu bestimmen.

Vergleicht man den beanspruchten Gegenstand nach Auslegung mit dem Stand der Technik, so stellt sich die Frage, ob es für den Fachmann naheliegend gewesen wäre, ausgehend von einer realistischen Offenbarung des Standes der Technik in Anbetracht des zugrundeliegenden Problems zu der beanspruchten Lösung zu gelangen. Wenn es nicht naheliegend war, zu dieser Lösung zu gelangen, erfüllt der beanspruchte Gegenstand die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

Im Allgemeinen ist eine beanspruchte Lösung naheliegend, wenn der Fachmann, ausgehend vom Stand der Technik, motiviert wäre (d.h. einen Anreiz hätte, siehe den CoA in NanoString/10x Genomics, S. 34), die beanspruchte Lösung in Betracht zu ziehen und als nächsten Schritt ('nächster Schritt', vgl. UPC_CoA_335/2024, Anordnung v. 26.02.2024, S. 35, zweiter Absatz - Nanostring v. 10x Genomics) bei der Entwicklung des Standes der Technik umzusetzen. Andererseits kann es von Bedeutung sein, ob der Fachmann mit besonderen Schwierigkeiten bei der Durchführung des nächsten Schritts oder der nächsten Schritte gerechnet hätte. Je nach den Tatsachen und Umständen des Falles kann es zulässig sein, Offenbarungen aus dem Stand der Technik zu kombinieren.

Eine technische Wirkung oder ein Vorteil, der durch den beanspruchten Gegenstand im Vergleich zum Stand der Technik erzielt wird, kann ein Hinweis auf erfinderische Tätigkeit sein. Ein Merkmal, das willkürlich aus mehreren Möglichkeiten ausgewählt wurde, kann im Allgemeinen nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen.

Einseitigkeit muss vermieden werden. Die Frage der erfinderischen Tätigkeit sollte nicht dadurch beantwortet werden, dass bei Kenntnis des patentierten Gegenstands oder der patentierten Lösung im Nachhinein nach (kombinierten) Offenbarungen des Stands der Technik gesucht wird, aus denen diese Lösung abgeleitet werden könnte.

Zu Recht ist die Klägerin dem Einwand der Beklagten zu 2), die Streitpatentschrift nehme die Priorität der KR 20110009396 (Anlage B 6) sowie der KR20120015758 (Anlage B 7) nicht wirksam in Anspruch, nicht entgegen getreten.

Weder in der KR ´396 (Anlage B 6) noch in der KR ´758 (Anlage B 7) ist der Gegenstand des Streitpatents offenbart. Während es in der KR ´396 (Anlage B 6) an der Offenbarung einer Entspannungsschicht und ihres Wärmeausdehnungskoeffizenten fehlt (Merkmalsgruppe 4.3.), offenbart die KR `758 (Anlage B 7) weder eine obere Isolationsschicht noch eine Entspannungsschicht der reflektierenden Diode.

Das Prioritätsdatum ist daher der 17. Mai 2012.

  1. Das Streitpatent ist in der eingetragenen Fassung gegenüber einer Kombination der D 3 (US 2005/0067624 A1) mit der D 5 (EP 1 806 790 A2) erfinderisch.

a)

Zwischen den Parteien steht zurecht nicht in Streit, dass es sich bei der D 3 (US 2005/0067624 A1) um einen realistischen Startpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit handelt.

b) Die Entgegenhaltung D 3 stellt eine lichtemittierende Vorrichtung mit einer Schicht eines ersten Leitfähigkeitstyps, einer Schicht eines zweiten Leitfähigkeitstyps und einer lichtemittierenden Schicht unter Schutz (Patentanspruch 1). Mithin ist die Merkmalsgruppe 2. offenbart.

Davon ausgehend zeigen die nachfolgend verkleinert eingeblendeten Figuren 5 bis 7 der Entgegenhaltung ein Ausführungsbeispiel der Erfindung mit einer großflächigen lichtemittierenden III-Nitrid-Flip-Chip-Vorrichtung. Figur 5 ist eine Draufsicht auf ein lichtemittierendes Bauelement mit Durchkontaktierungen und Lötverbindungen:

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Bei den in einer durch die Kammer kolorierten Fassung eingeblendeten Figuren 6 und 7 handelt es sich um Querschnittsansichten der in Figur 5 gezeigten Vorrichtung entlang der Achse AA (Figur 6) bzw. BB (Figur 7).

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Fig. 6

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Wie aus den vorstehenden Abbildungen ersichtlich ist werden ein oder mehrere n-Typ-Schichten (11) über einem Substrat (10) gebildet. Darüber findet sich ein aktiver Bereich (12) und eine oder mehrere p-Schichten (13). Mehrere Durchgangslöcher (14) sind in dem Bauelement bis zu den nTyp-Schichten (11) gebildet, indem die p-Typ-Schichten (13) und der aktive Bereich weggeätzt werden (Abs. [0027]). Auch die Merkmalsgruppe 3. (mesageätzte Bereiche) ist mithin offenbart. In der vorstehend eingeblendeten Figur 6 ist das n-Metall (21) in die Durchgangslöcher (14) eingebracht.

Eine oder mehrere p-Metallschichten (20), welche die Elektrode oder den Kontakt zu den p-TypSchichten (13) bilden, sind auf den p-Typ-Schichten aufgebracht, wobei das p-Metall ein reflektierendes Material, zum Beispiel Silber, sein kann (Abs. [0029]). Die p-Metallschicht (20) erfüllt daher die Anforderungen an eine reflektierende Metallschicht im Sinne des Streitpatents (Merkmal 4.1.1.).

Wie der Fachmann Abs. [0030] entnimmt, kann über der p-Metallschicht eine optionale, in den Figuren 6 und 7 aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht gezeigte (vgl. Abs. [0038]) Schutzmetallschicht (50) angeordnet sein. Diese verhindert, dass das silberne p-Metall in andere Teile des Bauelements migriert. Es handelt sich mithin um eine Metallsperrschicht i.S.v. Merkmal 4.2.2.

Eine dielektrische Schicht (22) isoliert das p-Metall (20) und das Schutzmetall (50) von einem nMetall, wobei die dielektrische Schicht am Boden des Durchgangs (14) entfernt ist. Bei der dielektrischen Schicht (22) handelt es sich daher um eine die Gesamtoberfläche der Struktur bedeckende untere Isolierschicht, durch welche die Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps in den mesageätzten Bereichen freiliegt (Merkmale 5., 5.1. und 5.3.2.). Da der Unterbauanschluss (16) mit Teilen des p-Metalls des Bauelements verbunden ist (Abs. [0036]), muss auch die Oberfläche der reflektierenden Elektrode teilweise durch diese hindurch freigelegt sein (Merkmal 5.3.1.).

Wie Figur 5 verdeutlicht, weist die untere Isolierschicht ausgehend von dem vorstehend herausgearbeiteten Verständnis auch Öffnungen auf, die in der Nähe eines Rands des Substrats angeordnet sind (Merkmal 5.2.). Eine exakte und vollständige Anordnung der Öffnungen am Rand ist hierfür nicht erforderlich.

c)

Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob die mit den Durchkontaktierungen (14) verbundenen horizontalen und vertikalen Verbindungen (15a, 15b) gebildete Gitterstruktur die Anforderungen an eine Stromaufweitungsschicht im Sinne des Streitpatents erfüllt. Ebenso wenig ist entscheidend, ob die durch die Beklagte zu 2) als obere Isolierschicht identifizierte dielektrische Schicht (23) tatsächlich, wie von Merkmal 7.1. gefordert, auf der Stromaufweitungsschicht angeordnet ist. Jedenfalls fehlt es in der D 3 unstreitig an einer Offenbarung einer Entspannungsschicht einschließlich der Wärmeausdehnungskoeffizienten im Sinne der Merkmalsgruppe 4.2.3.

d)

Wie der Fachmann Abs. [0031] der D 3 entnimmt, handelt es sich bei der Sperrschicht (50) um eine Schicht, welche die Migration von Silber in weitere Teile der Vorrichtung verhindert. Materialen, die in einer solchen Schicht verwendet werden können, finden in der D 3 jedoch keine Erwähnung. Der Fachmann wird daher im Stand der Technik nach Materialen für diese Schicht Ausschau halten und wird in der D 5 fündig.

Diese beschreibt ebenfalls eine lichtemittierende Diode, weshalb der Fachmann diese Schrift als geeigneten Stand der Technik in Betracht ziehen wird. Dort wird dem Fachmann eine Gestaltung offenbart, bei welcher auf einen erste reflektiere Metallschicht (6) eine Metallschicht (7) aus Palladium (Pd) oder Platin (Pt) aufgebracht wird (Abs. [0016]), welche die Migration des Silbers aus der reflektierenden Metallschicht verhindert (vgl. Abs. [0071] a.E).

Befasst sich der Fachmann näher mit den Ausführungen in Abs. [0016] der D 5, findet er dort unter anderem folgendes:

  • '[…] The second metal film may have any composition basically as long as it is composed mainly of palladium and/or platinum . […]';

Und in deutscher Übersetzung:

  • '[…] Die zweite Metallschicht kann grundsätzlich jede beliebige Zusammensetzung haben, solange sie hauptsächlich aus Palladium oder Platin besteht. […]'

(Hervorhebungen hinzugefügt)

Ergänzend dazu entnimmt der Fachmann, wie ausgeführt, Abs. [0071] der Entgegenhaltung, dass eine solche aus Palladium oder Platin gebildete Schicht die Migration des in der ersten Metallschicht enthaltenen Silbers verhindert. Soll die zweite Metallschicht aus Palladium und/oder Platin bestehen und weist sie zugleich die geforderte Sperrwirkung auf, zieht der Fachmann daraus den Schluss, dass er die in der D 3 offenbarte Metallsperrschicht zumindest aus Palladium oder Platin ausgestalten kann. Ihm stehen damit grundsätzlich geeignete Materialien für die Ausgestaltung einer solchen Metallsperrschicht zur Verfügung.

Bevor der Fachmann davon ausgehend die Frage beantwortet, ob er vor diesem Hintergrund bei der Ausgestaltung der in der D 3 offenbarten Metallsperrschicht tatsächlich auf Palladium und Platin zurückgreift, wird er sich zunächst mit den weiteren Eigenschaften einer solchen Schicht befassen. Auch insoweit wird er in der D 5 und dort genauer in Abs. [0069] fündig, wo es heißt:

'[…] The linear expansion coefficients of Ag and Pd are almost equal to each other: 19 x 10 -6 /K and 11x 10 -6 /K, respectively. Therefore, even when the temperature changes, distortion due to a thermal stress hardly occurs between the first and second metal films 6 and 7. […]'

Auf Deutsch:

' […] Die linearen Ausdehnungskoeffizienten von Ag und Pd sind nahezu gleich: 19 x 10 -6 /K bzw. 11 x 10 -6 /K. Daher kommt es zwischen der ersten und der zweiten Metallschicht 6 und 7 auch bei Temperaturveränderungen kaum zu Verformungen aufgrund thermischer Spannungen. […]'

(Hervorhebungen hinzugefügt)

Lehrt die D 5 dem Fachmann davon ausgehend, dass eine aus Palladium oder Platin ausgebildete Metallsperrschicht in Bezug auf die darunterliegende Silberschicht die notwendige Sperrwirkung bereitstellt und wird ihm zugleich offenbart, dass es zumindest bei einer aus Palladium ausgebildeten Metallsperrschicht zu nahezu keinen Spannungen zwischen der Silber- und der Palladiumschicht kommt, hat der Fachmann keinen Anlass, nach einer Lösung zu suchen, mögliche Spannungen zwischen beiden Schichten zu reduzieren und dafür möglicherweise eine weitere (Entspannungs-) Schicht vorzusehen. Ihm steht für die Ausgestaltung der Metallsperrschicht mit Palladium bereits ein Material zur Verfügung, bei welchem derartige Spannungen gar nicht erst auftreten. Er wird daher die Metallsperrschicht ausgehend von der D 3 unter Heranziehung der D 5 aus Palladium ausgestalten und ist damit mit seinen Überlegungen am Ende. Er hat daher ausgehend von der D 3 auch in Verbindung mit der D 5 keinen Anlass, eine dreilagige Schichtfolge (reflektierende Metallschicht, Entspannungsschicht, Metallsperrschicht) vorzusehen, sondern wird es vielmehr bei einem zweischichtigen Aufbau aus reflektierender Metallschicht und Metallsperrschicht belassen.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des in Abs. [0074] - [0081] der D 5 offenbarten, weiteren Ausführungsbeispiels. Soweit dort weitere, etwa aus Titan (Ti) oder Wolfram-Titan (TiW) bestehende Metallschichten (10, 11) auf die Metallschicht (7) aufgebracht werden, dienen diese dazu, die Diffusion von Gold (Au) oder Sn (Zinn) zu verhindern (vgl. Abs. [0077]). Keiner dieser Stoffe ist in der D 3 jedoch als Bestandteil der reflektierenden Metallschicht offenbart. Nach der dortigen Beschreibung besteht diese aus einem stark reflektierenden Material wie zum Beispiel Silber (Abs. [0029]). Dessen Diffusion wird jedoch auch bei der im dritten Ausführungsbeispiel der D 5 offenbarten Gestaltung (bereits) durch die Metallschicht (7) und damit die Palladium- bzw. Platinschicht verhindert. Der Fachmann, der sich ausgehend von der D 3 auf die Suche nach einem Material für die dort offenbarte Metallsperrschicht begibt, hat mithin auch unter Berücksichtigung des dritten Ausführungsbeispiels der D 5 keine Veranlassung, die in der D 3 gezeigte Gestaltung mit weiteren Schichten und insbesondere mit einer zusätzlichen, etwa aus Titan- bzw. Wolfram-Titan gebildeten Metallsperrschicht zu versehen. Dies gilt umso mehr, da die Aufbringung weiterer, die Metallschicht (7) ergänzender Metallschichten in der D 5 dann empfohlen wird, wenn über dieser (zweiten) Metallschicht eine weitere Schicht aus einem leicht diffundierenden Material wie Zinn (Sn) oder Gold (Au) angeordnet wird (vgl. Abs. [0016], '[…] If a layer (e.g. a pad electrode or soled layer) containing a metal that easily diffuses such as tin (Sn) or gold (Au) is formed above the second metal film, it is preferable that a third metal film composed of e.g. at least one metal selected from the group consisting tungsten, molybdenum, and titanium is provided on the second metal film, in order to prevent tin and gold from reacting with the second metal film.'). Der Fachmann begreift die weiteren Metallschichten daher eher als Sperrschichten für die Pads, nicht aber für die reflektierende Metallschicht.

4.

Auch die D 2 (US 2009/0283787 A1, Übersetzung Anlage D 2a) lässt die erfinderische Tätigkeit weder für sich genommen noch in Kombination mit der D 1 (US 2010/0117111 A1) entfallen.

a)

Dass es sich bei der nachfolgend in einer kolorierten Fassung eingeblendeten Figur 3 der D 2 um einen realistischen Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit handelt, steht zwischen den Parteien zu Recht nicht in Streit:

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Gezeigt sind ein Substrat (120), eine n-Typ-Schicht (112) sowie eine p-Typ-Schicht (114) (vgl. Abs. [0040]). In dem zwischen letzteren angeordneten Bereich (116) können weitere Schichten und damit insbesondere auch die für die Funktion der LED notwendige aktive Schicht angeordnet sein. Offenbart ist somit eine lichtemittierende Struktur einer Leuchtdiode im Sinne der Merkmalsgruppe 2.

Ein reflektierender Kathodenkontakt (150, 'n-Kontakt') kontaktiert die n-Typ-Schicht (112) und erstreckt sich durch die transparente Isolierschicht (140) und auf die transparente Isolierschicht, die sich außerhalb des Anodenkontakts (130) befindet (Abs. [0041]). In den Bereichen, in denen der Kathodenkontakt (150) die p-Typ-Schicht (112) kontaktiert, finden sich daher mesageätzte Bereiche (150) im Sinne der Merkmalsgruppe 3., die von der Oberfläche der p-Typ-Schicht und damit der Oberfläche des zweiten Halbleiterstyps zu der Halbleiterschicht des ersten Typs gebildet sind (Merkmalsgruppe 3). Da die Isolierschicht (140) beide Halbleiterschichten und die mesageätzten Bereiche bedeckt, handelt es sich dem Grunde nach um eine untere Isolierschicht im Sinne der Merkmalsgruppe 5. Allerdings ist die Elektrode (130'') bei der in Figur 3 gezeigten Gestaltung transparent ausgebildet (vgl. Abs. [0065]), so dass die untere Isolierschicht nicht, wie von Merkmal 5.1.5. gefordert, eine reflektierende Elektrode bedeckt. Des Weiteren weist die untere Isolierschicht auch unter Zugrundelegung des weiten Verständnisses keine in der Nähe des Rands des Substrats angeordneten Öffnungen im Sinne von Merkmal 5.2. auf.

Der reflektierende Kathodenkontakt (150) bedeckt die Halbleiterschicht (116) und ist elektrisch mit dieser verbunden. Es handelt sich daher um eine Stromaufweitungsschicht (210) im Sinne des Streitpatents. Die Isolierschicht (340) verhindert, dass die Anoden- und Kathodenkontaktflächen (160, 170) einander kurzschließen. Sie ist auf der Stromaufweitungsschicht (210) angeordnet, wobei sowohl die Stromaufweitungsschicht (210) als auch die reflektierende Elektrode (140) teilweise durch diese Schicht freiliegen. Mit der Isolierschicht (340) ist somit eine, sämtliche Merkmale der Merkmalsgruppe 7 aufweisende obere Isolierschicht offenbart.

Das Anodenpad (160) und das Kathodenpad (170) erfüllen schließlich sämtliche Anforderungen der Merkmale 7. und 8.; es handelt sich um das erste und das zweite Pad im Sinne von Patentanspruch 1.

b)

Unstreitig fehlt es in Figur 3 nebst der zugehörigen Beschreibung an der Offenbarung einer reflektierenden Elektrode im Sinne der Merkmalsgruppe 4. sowie von Öffnungen in der Isolierschicht, die in der Nähe eines Rands des Substrats angeordnet sind (Merkmal 5.2.).

Es kann dahinstehen, ob sich eine Anordnung der Öffnungen in der Nähe eines Rands, wie von der Beklagten zu 2) behauptet, aus der D 1 (US 2010/0117111 A1) ergibt und ob der Fachmann insbesondere auch beide Schriften miteinander kombiniert. Selbst wenn dies der Fall wäre, fehlt es an der naheliegenden Offenbarung einer reflektierenden Elektrode im Sinne der Merkmalsgruppe 4.

Eine reflektierende Elektrode ist in Figur 2 der Entgegenhaltung offenbart, die ein weiteres Ausführungsbeispiel beschreibt (vgl. Abs. [0059], reflektierender Anodenkontakt (130')). Auch wenn die Figuren 2 und 3 Bestandteil derselben Schrift sind, zeigen sie unterschiedliche Ausführungsbeispiele. Welchen Anlass der Fachmann, ohne in eine stets unzulässige rückschauende Betrachtung zu verfallen, haben sollte, beide, in sich geschlossenen Lösungen miteinander zu kombinieren, ist nicht ersichtlich und hat die Beklagte zu 2) auch nicht darzulegen vermocht.

Bei der in Figur 3 gezeigten Gestaltung erstreckt sich die transparente Isolierschicht (140) auf dem transparenten Anodenkontakt (130''). Der reflektierende Kathodenkontakt (150) erstreckt sich auf der transparenten Isolierschicht (140). Diese erstreckt sich ihrerseits auf den transparenten Anodenkontakt (130''), der außerhalb des Abschnitts liegt, auf dem die Stromverteilungsschicht (330) vorgesehen ist. Der reflektierende Kathodenkontakt (150) erstreckt sich auch auf die transparente Isolierschicht (140), die sich auf dem transparenten Anodenkontakt (130'') außerhalb dieses Abschnitts befindet. Auf diese Weise wird ein integrierter n-Kontakt-Hybridspiegel bereitgestellt, der Licht, das durch den transparenten Anodenkontakt (130'') hindurchtritt, zurück in den Diodenbereich (110) reflektiert (vgl. Abs. [0066]). Dementsprechend können Ausführungsformen von Figur 3 eine reflektierende Struktur bereitstellen, die eine reflektierende Oberfläche des Kathodenkontakts (150), die eine reflektierende Oberfläche des Kathodenkontakts (150), welche die n-TypSchicht (112) ohmisch kontaktiert, und eine reflektierende Oberfläche einer Verlängerung (150a) des Kathodenkontakts (150), sich auf den transparenten Anodenkontakt (130'') erstreckt, in Kombination mit der transparenten Isolierschicht (140) umfasst (Abs. [0067]).

Somit offenbart Figur 3 eine in sich geschlossene Struktur aus einer transparenten Isolierschicht auf einem transparenten Anodenkontakt, die mit einem reflektierenden Kathodenkontakt kombiniert werden. Mit dem Kathodenkontakt (150) verfügt die in Figur 3 gezeigte Gestaltung daher bereits über ein reflektierendes Bauteil, durch welches das gesamte Licht, das aus dem Dioden(110) in den Anoden- und Kathodenbereich austritt, in den Diodenbereich zurückreflektiert wird, mit Ausnahme des zu vernachlässigenden Lichts, welches von der Sperrschicht (210) an den Seitenwänden des Anodenkontakts (130) absorbiert wird (Abs. [0064]). Davon ausgehend hat der Fachmann keinen Anlass, die unter dem reflektierenden Kathodenkontakt (150) angeordnete, transparente Diode durch eine reflektierende Diode, wie sie in Figur 2 gezeigt wird, zu ersetzen.

D. Begründetheit der Klage

Die Klage ist begründet. Da die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Streitpatents Gebrauch macht, verletzen die Beklagten das Streitpatent durch das Angebot und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform unmittelbar wortsinngemäß (Art. 25 (a)

EPGÜ).

I.

Zu Recht ist zwischen den Parteien eine Verwirklichung der Merkmalsgruppen 1. bis 4.2.2., 5.3. sowie 7.2. bis 9. nicht streitig , so dass es insoweit keiner weiteren Ausführungen bedarf.

II.

Darüber hinaus macht die angegriffene Ausführungsform auch von den übrigen Merkmalen des Streitpatents Gebrauch.

1.

Die reflektierende Elektrode der angegriffenen Ausführungsform verfügt nicht nur über eine Metallsperrschicht (Merkmal 4.2.2.), sondern auch über eine Entspannungsschicht im Sinne der Merkmalsgruppe 4.2.3.1.

a)

In der nachfolgend eingeblendeten, S. 10 der Replik im Verletzungsverfahren entnommenen Abbildung lässt sich die bei der angegriffenen Ausführungsform zu findende Schichtfolge einschließlich der jeweiligen Schichtdicken erkennen:

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Auf die zweite GaN-Halbleitschicht folgt eine reflektierende Metallschicht aus Silber, an welche sich die Schichtfolge Titan-Nickel-Titan-Nickel-Titan anschließt. Es folgen eine Siliziumdioxidschicht und eine Aluminiumschicht.

b)

Die Klägerin hat zur Begründung ihres Verletzungsvorwurfs vorgetragen, bei der oberen Titanschicht handele es sich um die Metallsperrschicht im Sinne des Streitpatents. Als Entspannungsschicht sei die darunterliegende Schichtfolge Titan-Nickel-Titan-Nickel anzusehen. Dabei handele sich um eine Verbundschicht mit einem Wärmeausdehnungskoffizienten (CTE) von 11,79 µm/(m·K). Dieser liege zwischen dem CTE von reinem Silber (18,9 µm/(m·K)) und demjenigen von reinem Titan (8,6 µm/(m·K)), jeweils bei 20 °C (vgl. Replik v. 25. März 2024, S. 11). Davon ausgehend sei die Titan-Nickel-Titan-Nickel-Verbundschicht bei der angegriffenen Ausführungsform als Entspannungsschicht anzusehen, deren Wärmeausdehnungskoeffizient, wie von Merkmal 4.2.3.1.2.

gefordert, zwischen demjenigen der reflektierenden Metallschicht aus Silber und der als Metallsperrschicht fungierenden oberen Titanschicht liege.

Wie die Klägerin weiterhin erläutert hat, haben die jeweiligen Schichten bei der angegriffenen Ausführungsform eine Dicke von 50 bis 65 Nanometern. Derart dünne Schichten würden sich gegenseitig beeinflussen. So dehne sich eine Nickelschicht mehr aus als eine Titanschicht und übe deshalb Spannung auf diese Titanschicht aus. Innerhalb der LED-Struktur äußere sich dies dadurch, dass sich die Nickelschicht etwas weniger ausdehnen lasse. Der Verbund beider Schichten dehne sich damit in einem Maß aus, das zwischen den isolierten Ausdehnungen von Nickel und Titan liege. Bei der angegriffenen Ausführungsform grenze die unterste Titanschicht an das sich relativ stark ausdehnende Silber, was dazu führe, dass sich die an der Silberschicht anliegende Titanschicht anders verhalte als diejenige, welche die Metallsperrschicht bilde. Die Schichten seien alle miteinander verbunden. Daher dehne sich die Silberschicht stärker aus als das Titan und übe zusätzlich zu der Nickelschicht eine Spannung auf das Titan aus. Dieser Effekt verstärke die Spannung, die von der auf der anderen Seite anliegenden Nickelschicht ausgeübt werde. Bei einer Schichtdicke im zweistelligen Nanometerbereich, wie er sich bei der angegriffenen Ausführungsform finde, sei dieser Effekt auch für die Schichten insgesamt relevant. Die Metallsperrschicht liege dagegen zwischen Nickel und Siliziumdioxid, welches eine geringere Wärmeausdehnung als Silber habe. Der Spannungseffekt auf diese Titanschicht sei somit geringer und die Metallsperrschicht dehne sich in der Folge weniger aus als die unterste Schicht der Entspannungsschicht. Beide Titanschichten würden sich daher in ihrer Wärmeausdehnung und damit auch in ihrer Zuordnung zu den patentgemäßen Schichten unterscheiden.

c)

Dieses Vorbringen haben die Beklagten nicht konkret bestritten. Es ist daher gemäß R. 171.2 VerfO als unstreitig anzusehen.

aa)

Soweit die Beklagten unter Verweis auf den in Figur 1 gezeigten Stand der Technik Nickel stets der Metallsperrschicht zuordnen wollen, setzen sie sich damit sowohl in Widerspruch zu den Unteransprüchen 6 und 9 als auch zu Abs. [0033] - [0035] der Streitpatentbeschreibung. Dort wird Nickel ausdrücklich sowohl als möglicher Bestandteil der Metallsperrschicht als auch der Entspannungsschicht genannt.

Ebenso wenig können sich die Beklagten mit Erfolg darauf berufen, bei Titan handele es sich erfindungsgemäß um einen Bestandteil der Metallsperrschicht, weshalb es ausgeschlossen sei, eine Kombination von 'Verbundschichten', bestehend aus Einzelschichten aus Titan, Nickel, Titan und Nickel, als Entspannungsschicht anzusehen. Eine solche Gestaltung sieht Abs. [0033] ausdrücklich als eine Möglichkeit einer patentgemäßen Schichtfolge vor, indem es dort unter anderem heißt:

'[…] and the barrier metal layer may include one of […] Ti […]. Further, the stress relieving layer may be formed […] as a composite layer of a plurality of metals selected from […] Ni […] Ti […].'

Und in deutscher Übersetzung:

'… und die Sperrmetallschicht kann eines von […] Ti […] enthalten. Darüber hinaus kann die Spannungsentlastungsschicht […] als Verbundschicht aus einer Vielzahl von Metallen, ausgewählt aus […] Ni , […], Ti , gebildet sein.'

Die Streitpatentbeschreibung selbst sieht daher die Kombination einer Metallsperrschicht aus Titan mit einer als Verbundschicht ausgestalteten Entspannungsschicht aus Titan und Nickel als erfindungsgemäß an.

bb)

Der Behauptung der Klägerin, die bei der angegriffenen Ausführungsform zu findenden Titan-Nickel-Titan-Nickelschichten bildeten eine Verbundschicht mit einem Wärmeausdehnungskoeffizenten von 11,79 µm/(m·K), sind die Beklagten ebenso wenig konkret entgegengetreten wie der vorstehend bereits im Einzelnen wiedergegebenen Erläuterung der wechselseitigen Beeinflussung der Schichten zueinander. Die lediglich pauschale Behauptung, bei der angegriffenen Ausführungsform lägen fünf Einzelschichten und keine Verbundschicht vor, genügt vor dem Hintergrund der durch die Klägerin im Einzelnen geschilderten technischen Zusammenhänge ebenso wenig für ein konkretes Bestreiten wie der Verweis darauf, die bei der angegriffenen Ausführungsform zu findende Schichtfolge entspreche der in Figur 1 des Streitpatents erläuterten Gestaltung.

(1)

Dass sich die einzelnen Schichten unter Berücksichtigung der Zuordnung bestimmter Stoffe zu mehreren Schichten in der Streitpatentbeschreibung nicht allein über die Stoffzusammensetzung voneinander abgrenzen lassen, hat die Lokalkammer im Rahmen der Auslegung im Einzelnen dargelegt. Der bloße Verweis auf die in der in Figur 1 gezeigten Metallsperrschicht enthaltenen Materialien verhilft den Beklagten mithin nicht zum Erfolg.

(2)

Im Hinblick auf das Bestreiten des Vorliegens einer Verbundschicht haben die Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage ihr Verständnis einer solchen Schicht dahingehend näher erläutert, dass es sich um Schichten handeln müsse, die unter Mitwirkung von Atomen ineinander übergehen. Dem durch die Klägerin hiergegen erhobenen Einwand, derart werde eine Legierung, nicht aber eine Verbundschicht definiert, haben die Beklagten nichts entgegenzusetzen vermocht.

Derartige Legierungen ('alloys') kennt das Streitpatent auch (vgl. Abs. [0033] f.]), unterscheidet diese jedoch von Verbundschichten ('composite layer'). Beide Begriffe sind daher nicht gleichzusetzen. Für das Vorliegen einer Verbundschicht ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass sich die übereinanderliegenden Schichten wechselseitig beeinflussen. Dass dies bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall ist, hat die Klägerin im Einzelnen und unter Berücksichtigung der bei der angegriffenen Ausführungsform zu findenden Schichtdicken dargelegt. Mit diesem, an die wechselseitige Beeinflussung der einzelnen Schichten anknüpfenden Vorbringen der Klägerin haben sich die Beklagten nicht im Einzelnen auseinandergesetzt und die entsprechenden Tatsachenbehauptungen damit auch nicht konkret bestritten. Es gilt daher insbesondere auch als unstreitig (R. 171 VerfO), dass sich ausgehend von den bei der angegriffenen Ausführungsform zu findenden Schichtdicken die an das Silber angrenzende Titanschicht anders verhält als die Titanschicht, welche an die Siliziumdioxidschicht angrenzt. Dass es sich bei beiden Schichten um Titanschichten handelt, schließt es daher nicht aus, Erstere als Teil der die Entspannungsschicht bildenden Verbundschicht und Letztere als Metallsperrschicht im Sinne des Streitpatents zu klassifizieren.

Soweit die Beklagten weiterhin die durch die Klägerin zur Ermittlung des Wärmeausdehnungskoeffizienten der Verbundschicht eingesetzte Berechnungsmethode (vgl. Anlage LL 13) beanstanden, rechtfertigt dieses Vorbringen schon deshalb keine andere Bewertung, weil es erfindungsgemäß nicht auf die genauen Werte der Wärmeausdehnungskoeffizienten, sondern lediglich auf das Verhältnis der Wärmeausdehnungskoeffizienten der einzelnen Schichten zueinander ankommt. Dieses liegt nach dem Klägervortrag im patentgemäßen Bereich, ohne dass die Beklagten dies konkret bestritten hätten. Insbesondere fehlt es an Vortrag der Beklagten zum Wärmeausdehnungskoffizienten der Titan-Nickel-Titan-Nickel-Verbundschicht. Da Merkmal 4.2.3.1.2. auf den Wärmeausdehnungskoeffizienten der Entspannungsschicht insgesamt und daher im Fall der Ausgestaltung als Verbundschicht nicht auf deren Einzelschichten abstellt, hilft den Beklagten ihr auf die Wärme-

koeffizienten von Titan und Nickel und damit auf die jeweiligen Einzelschichten bezogenes Vorbringen an dieser Stelle nicht weiter.

cc)

Davon ausgehend führt auch der weitere Hinweis der Beklagten, bei der angegriffenen Ausführungsform seien die aufgeführten Nickel- und Titanschichten allein als Metallsperrschicht vorgesehen (Duplik, S. 9 Mitte), zu keinem anderen Ergebnis.

Weist die Titan-Nickel-Titan-Nickel-Verbundschicht einen Wärmeausdehnungskoeffizenten auf, der zwischen demjenigen der reflektierenden Metallschicht und demjenigen der Metallsperrschicht liegt, wirkt sie zumindest auch als Entspannungsschicht. In diesem Fall entlastet sie die auf die reflektierende Metallschicht ausgeübte Spannung und verhindert dadurch, dass die reflektierende Metallschicht von der zweiten Halbleiterschicht abgelöst wird (vgl. Abs. [0026]). Eine vollständige Verhinderung von Spannungen strebt das Streitpatent nicht an. Vielmehr zielt die Erfindung lediglich auf eine Verringerung der durch die reflektierende Schicht verursachten Spannung ab (Abs. [0017]). Dass die als Entspannungsschicht fungierende Titan-Nickel-Titan-Nickel-Verbundschicht darüber hinaus möglicherweise auch bereits Metallelemente und Ionen aus der reflektierenden Metallschicht sperrt, führt aus dem Schutzbereich nicht heraus. Zum einen schließt das Streitpatent nicht aus, dass die Entspannungsschicht zugleich als Metallsperrschicht fungiert. Ausgeschlossen ist nur eine Gestaltung, in welcher neben der Entspannungsschicht keine weitere, als Metallsperrschicht fungierende Schicht mehr vorhanden ist. Ein solcher Fall ist bei der angegriffenen Ausführungsform jedoch nicht gegeben, wo auf die Titan-Nickel-Titan-Nickel-Verbundschicht eine weitere, als Metallsperrschicht zu klassifizierende Titanschicht folgt. Zum anderen kommt es für die Beurteilung der Verletzungsfrage nicht darauf an, ob die Metallsperrschicht beim Einsatz der angegriffenen Ausführungsform tatsächlich eine Sperrwirkung entfaltet. Ausreichend, aber auch erforderlich ist nur, dass sie eine entsprechende Eignung aufweist. Das ist bei einer Titanschicht unstreitig der Fall.

2.

Dass die untere Isolierschicht der angegriffenen Ausführungsform die Gesamtoberfläche der Struktur bedeckt und zumindest auch über Öffnungen in der Nähe des Randes des Substrats verfügt, lässt sich anhand der nachfolgend eingeblendeten, S. 58 der Klageschrift entnommene Abbildung erkennen:

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Die entsprechenden Öffnungen sind in der vorstehend rechts eingeblendeten Abbildung ellipsenförmig markiert. Soweit sich in der Mitte der Struktur weitere, kreisförmige Öffnungen finden, führt dies nicht aus dem Schutzbereich des Streitpatents heraus. Derartige weitere Öffnungen schließt Patentanspruch 1 ausgehend von dem bereits im Einzelnen herausgearbeiteten Verständnis des Schutzbereichs nicht aus.

Dies zugrunde gelegt verfügt die angegriffene Ausführungsform auch über eine Stromaufweitungsschicht im Sinne der Merkmalsgruppe 6:

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Die Stromaufweitungsschicht der angegriffenen Ausführungsform ist in der vorstehend eingeblendeten, S. 67 der Klageschrift entnommenen Abbildung blau eingefärbt.

Der auf der linken Seite der Abbildung ersichtliche Bereich steht einer Verwirklichung der durch Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten technischen Lehre nicht entgegen. Ein vollständiges Bedecken der ersten Halbleiterschicht durch die Stromaufweitungsschicht ist für eine Verwirklichung der beanspruchten technischen Lehre keine Bedingung.

  1. Schließlich verfügt die angegriffene Ausführungsform auch über eine obere Isolierschicht im Sinne des Streitpatents (Merkmalsgruppe 7). Deren Vorhandensein verdeutlicht die nachfolgende, S. 70 der Klageschrift entnommene schematische Abbildung:

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Ersichtlich ist, dass die obere Isolierschicht auf der Stromaufweitungsschicht gebildet ist. Ebenso lässt sich erkennen, dass sowohl die Stromaufweitungsschicht als auch die reflektierende Elektrode teilweise durch die obere Isolierschicht freiliegen.

III.

Indem die Beklagten die angegriffene Ausführungsform anbieten und vertreiben, haben sie unstreitig auch Verletzungshandlungen im Sinne von Art. 25 (a) EPGÜ begangen. Dabei begründet das Anbieten und in Verkehr bringen zugleich eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Beklagten die angegriffene Ausführungsform ebenfalls gebrauchen bzw. zu den Zwecken des Anbietens, in Verkehrbringens oder Gebrauchens einführen oder besitzen (UPC_CFI_7/2024 (Lokalkammer

Düsseldorf), Entscheidung v. 03.07.2024 - Kaldewei v. Bette).

E. Rechtsfolgen

Die vorherigen Ausführungen rechtfertigen die nachfolgend im Einzelnen erläuterten Rechtsfolgen:

I.

Die Klägerin hat unter Berücksichtigung der Umstände des Falles ein Recht auf Untersagung der Fortsetzung der Verletzung gem. Art. 25 (a) EPGÜ i.V.m. Art. 63 Abs. 1 EPGÜ.

II.

Ebenfalls hat die Klägerin ein Recht auf Auskunft gem. Art. 25 (a) EPGÜ i.V.m. Art. 67 EPGÜ. Im Hinblick auf die begehrte Art und Weise der Auskunft bestehen keine Bedenken.

III.

Der Entscheidung hinsichtlich des Rückrufs aus den Vertriebswegen in Bezug auf die unmittelbar verletzenden Erzeugnisse rechtfertigt sich nach Art. 64 Abs. 2 (b), 4 EPGÜ. Die zuletzt gestellte Fassung des Antrages ist auch unter Bestimmtheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden.

IV.

Vergleichbares gilt im Hinblick auf die begehrte endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen. Insoweit findet die begehrte Anordnung ihre Grundlage in Art. 64 Abs. 2 (d), 64 Abs. 4 EPGÜ.

Die endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen ist ausweislich des Wortlauts des EPGÜ eine eigenständige, von dem Rückruf zu trennende Maßnahme. Sie flankiert den Rückruf, wobei eine Entfernung nur dann in Betracht kommt, wenn der Verletzer hierzu die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten hat. Die Formulierung konkreter und hinreichend bestimmter Maßnahmen hat sich hieran auszurichten (vgl. UPC_CFI_7/2024 (Lokalkammer Düsseldorf), Entscheidung v. 03.07.2024 - Kaldewei v. Bette). Dem trägt die Anspruchsfassung in ausreichendem Maße Rechnung.

V.

Die Anordnung der Vernichtung findet ihre Grundlage in Art. 64 Abs. 2 (e), 64 Abs. 4 EPGÜ.

Das Gericht kann von Amts wegen anordnen, dass die betreffenden Maßnahmen auf Kosten des Verletzers durchgeführt werden, es sei denn, es werden besondere Gründe geltend gemacht, die dagegen sprechen. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall, so dass eine entsprechende Anordnung von Gesetzes wegen ergehen konnte. Da sich die Beklagten insoweit auch nicht auf eine Unverhältnismäßigkeit berufen, war eine weitergehende Konkretisierung des Antrages entbehrlich.

VI.

Die Feststellung der Zuerkennung der Schadensersatzleistung dem Grunde nach ist auf der Grundlage von Art. 68 Abs. 1 EPGÜ möglich. Die Beklagten hätten bei entsprechender Sorgfalt erkennen müssen, dass sie durch ihre Handlungen das Streitpatent verletzten.

VII.

Die Androhung von Zwangsgeld für die Unterlassung (Art. 63 Abs. 2 EPGÜ) begegnet keinen Bedenken. Dies gilt auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten. Das angedrohte Zwangsgeld von bis zu 250.000,- EUR pro Fall der Zuwiderhandlung gibt der Lokalkammer die notwendige Flexibilität, um im Fall der Zuwiderhandlung die jeweiligen Umstände des Einzelfalls einschließlich des Verhaltens des Verletzers zu berücksichtigen und davon ausgehend gemäß Art. 82 Abs. 4 S. 2 EPGÜ

i.V.m. R. 354.4 VerfO ein angemessenes Zwangsgeld festsetzen zu können.

F. Kostengrundentscheidung

Gemäß Art. 69 Abs. 2 EPGÜ i.V.m. R. 118.5 VerfO war eine Kostengrundentscheidung zu treffen.

Da die Beklagten in Bezug auf die Klage vollumfänglich unterliegen, ist es gerechtfertigt, ihnen die Kosten insoweit vollumfänglich aufzuerlegen und sie zur jeweils hälftigen Zahlung der Kosten zu verpflichten.

Die allein durch die Beklagte zu 2) erhobene Nichtigkeitswiderklage ist unbegründet. Deren Kosten hat daher die Beklagte zu 2) zu tragen.

Gemäß Art. 69 Abs. 1 VerfO sind die Kosten bis zu einer gemäß der Verfahrensordnung festgelegten Obergrenze zu tragen. Bei einem Streitwert von 500.000,- EUR sieht die durch den Verwaltungsausschluss am 24. April 2023 auf der Grundlage von R. 152.2 VerfO beschlossene Tabelle eine Obergrenze für die erstattungsfähigen Kosten in Höhe von bis zu 56.000,- EUR vor, die vorliegend sowohl für die Klage als auch die Nichtigkeitswiderklage festzusetzen war. Soweit die Parteien in der mündlichen Verhandlung wechselseitig einen erstattungsfähigen Betrag von 100.000,- EUR als erstattungsfähig anerkannt haben, ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass sich dieser Betrag hälftig auf die Klage und die Nichtigkeitswiderklage verteilt. Er liegt dementsprechend unterhalb der festgesetzten Obergrenze. Gegen die Erstattungsfähigkeit bestehen daher keine Bedenken.

G. Vollstreckbarkeit

Soweit sich die Beklagten gegen die sofortige Vollstreckbarkeit einer Unterlassungsanordnung mit der Begründung wenden, bei den streitgegenständlichen LEDs handele es sich um Standardbauteile, die einen minimalen Bruchteil der Mobiltelefone darstellen würden, weshalb ein krasses Missverhältnis zu dem jeweiligen Mobiltelefon bestehe, vermag die Kammer diesem Einwand nicht zu folgen. Dass den Beklagten durch eine Vollstreckung unverhältnismäßige Schäden entstehen, behaupten sie allenfalls pauschal, ohne solche möglichen Schäden konkret zu benennen. Dass das Verbot des Vertriebs eines bestimmten Mobiltelefons die Beklagten als Elektronikhändler erheblich einschränkt, haben die Beklagten nicht hinreichend darzulegen vermocht. Vor diesem Hintergrund genießt das Interesse der Klägerin an einer effektiven Durchsetzung ihrer Rechte Vorrang.

H. Keine Sicherheitsleistung

Gemäß Art. 82 Abs. 2 EPGÜ, R. 118.8 S.2 VerfO kann das Gericht jede Anordnung bzw. Maßnahme von einer Sicherheitsleistung abhängig machen, die es festzusetzen hat. Für eine solche Anordnung sieht die Lokalkammer vorliegend jedoch weder einen Anlass noch ein Bedürfnis.

I.

Wie bereits der Wortlaut der vorgenannten Norm verdeutlicht, steht der Lokalkammer bei der Anordnung einer Sicherheitsleistung ein Ermessen zu, wobei das Interesse der Klägerin an einer effektiven Durchsetzung ihres Schutzrechts mit dem Interesse an der effektiven Durchsetzung möglicher Schadenersatzansprüche im Fall einer späteren Aufhebung des Urteils abzuwägen ist.

Es bedarf mithin stets einer Einzelfallprüfung. Zu den Faktoren, die bei der Frage nach der Anordnung einer Sicherheitsleistung zu berücksichtigen sind, gehören die finanzielle Lage des Klägers, die Anlass zu der berechtigten und realen Sorge geben kann, dass ein möglicher Schadenersatzanspruch bei einer Aufhebung oder Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht oder nur mit

einem unverhältnismäßigen Aufwand durchgesetzt und/oder vollstreckt werden kann. Ob und inwieweit solche Faktoren vorliegen, ist nicht anders als bei einem Antrag auf Sicherheitsleistung nach R. 158 VerfO, anhand der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen und Argumente zu ermitteln. Macht die Lokalkammer eine Anordnung oder Maßnahme von einer Sicherheitsleistung abhängig, dient dies dem Schutz der Position und der potenziellen Rechte des Beklagten. Dessen Schutz muss gegen die Belastung des Klägers durch die Anordnung einer Sicherheitsleistung abgewogen werden. Vor diesem Hintergrund obliegt es dem Beklagten, Tatsachen und Argumente vorzubringen, warum es im konkreten Fall angemessen erscheint, die Anordnung oder Maßnahme gemäß R. 118.8 VerfO von einer vom Gericht festzusetzenden Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Ist der Beklagte dem nachgekommen, obliegt es dem Kläger, diese Tatsachen und Gründe substantiiert zu bestreiten, zumal er in der Regel über Kenntnisse und Beweise zu seiner finanziellen Situation verfügt. Ebenso obliegt es dem Kläger, gegebenenfalls darzulegen, weshalb trotz der durch den Beklagten vorgebrachten Gründe sein Interesse an der Durchsetzung seines Schutzrechts ohne Sicherheitsleistung überwiegt (vgl. zum Antrag auf Sicherheitsleistung nach R. 158 VerfO: UPC_COA_328/2024, Anordnung v. 26.08.2024 -Ballinno v. Kinexon Sports; UPC_CFI_373/2024 (LK Düsseldorf), Anordnung v. 05.08.2024 -Sodastream v. Aarke; UPC_CFI_514/2023 (LK München), Anordnung v. 23.04.2024 - Volkswagen v. NST m.w.N.).

II.

Davon ausgehend bietet das Vorbringen der Beklagten keinen Anlass, die Vollstreckung vorliegend von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

Bei den Beklagten handelt es sich um Händler, denen das Angebot und der Vertrieb eines konkreten Mobiltelefons untersagt wird. Dass diesen allein dadurch Schäden drohen, die nicht unmittelbar gegenüber der Klägerin effektiv durchgesetzt werden könnten, lässt sich ihrem Vortrag nicht entnehmen. Dies gilt erst Recht für die begehrte Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000.000,- EUR, welche dem 10-fachen des Streitwertes entspricht. Für die Anordnung einer derartigen Sicherheit hätte es der konkreten Darlegung entsprechender potentieller Schäden, an der es hier fehlt.

ENTSCHEIDUNG:

A. Es wird den Beklagten untersagt,

Leuchtdioden

auf dem Hoheitsgebiet der Republik Österreich, des Königreichs Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, des Großherzogtums Luxemburg, des Königreichs der Niederlande und des Königreichs Schweden anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen,

wenn diese aufweisen:

eine lichtemittierende Struktur, die auf einem Substrat (100) gebildet ist und eine Halbleiterschicht (110) eines ersten Leitfähigkeitstyps, eine aktive Schicht (120) und eine Halbleiterschicht (130) eines zweiten Leitfähigkeitstyps aufweist;

mesageätzte Bereiche (150), die von der Oberfläche der Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps zu der Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps gebildet sind;

eine reflektierende Elektrode (140), die auf der Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps gebildet ist und eine reflektierende Metallschicht (142), eine Metallsperrschicht (144) und eine Entspannungsschicht (143), die zwischen der reflektierenden Metallschicht (142) und der Metallsperrschicht (144) gebildet ist, aufweist, wobei die Entspannungsschicht (143) einen Wärmeausdehnungskoeffizienten zwischen dem Wärmeausdehnungskoeffizienten der reflektierenden Metallschicht (142) und dem Wärmeausdehnungskoeffizienten der Metallsperrschicht (144) aufweist;

eine untere Isolierschicht (200), die eine Gesamtoberfläche der Struktur bedeckt, die durch die Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps, die aktive Schicht (120), die Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps, die mesageätzten Bereiche (150) und die reflektierende Elektrode (140) gebildet ist, wobei die untere Isolierschicht (200) ermöglicht, dass eine obere Fläche der reflektierenden Elektrode (140) teilweise durch diese hindurch freiliegt, und ferner Öffnungen aufweist, die in der Nähe eines Rands des Substrats angeordnet sind, welche ermöglichen, dass die Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps durch diese hindurch in den mesageätzten Bereichen (150) freiliegt;

eine Stromaufweitungsschicht (210), die auf der unteren Isolierschicht (200) gebildet ist, die die Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps bedeckt und elektrisch mit der Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps verbunden ist;

eine obere Isolierschicht (220), die auf der Stromaufweitungsschicht (210) gebildet ist, wobei sowohl die Stromaufweitungsschicht (210) als auch die reflektierende Elektrode (140) teilweise durch die obere Isolierschicht (220) hindurch freiliegen;

ein erstes Pad (230), das elektrisch mit der Stromaufweitungsschicht (210) verbunden ist, die durch die obere Isolierschicht (220) hindurch freiliegt; und ein zweites Pad (240), das elektrisch mit der reflektierenden Elektrode (140) verbunden ist, die durch die obere Isolierschicht (220) hindurch freiliegt.

  • B. Die Beklagten werden verurteilt,
  • I. im Falle einer Zuwiderhandlung gegen die Anordnung nach Ziffer A. an das Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld von bis zu 250.000,- EUR zu zahlen;
  • II. innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen nach der Zustellung der Mitteilung im Sinne von R. 118.8 S. 1 VerfO und gegebenenfalls der beglaubigten Übersetzung die seit dem 4. Januar 2023 ausgelieferten Erzeugnisse nach Ziffer A. auf Kosten der Beklagten
    1. aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem die Dritten, von denen die verletzenden Erzeugnisse zurückzurufen sind, darauf hingewiesen werden, dass dieses Gericht festgestellt hat, dass die Erzeugnisse das Europäische Patent EP 3 926 698 B1 verletzen, wobei die Beklagten den Dritten verbindlich zuzusagen haben, die entstandenen Kosten zu erstatten, die anfallenden Verpackungs- und Transportkosten zu übernehmen, die mit der Rücksendung der Produkte verbundenen Zoll- und Lagerkosten zu erstatten und die Produkte wieder entgegenzunehmen,

und

    1. endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen indem die Beklagten unter Hinweis, dass dieses Gericht festgestellt hat, dass die Erzeugnisse das Europäische Patent EP 3 926 698 B1 verletzen, Dritte, die gewerbliche Abnehmer, aber nicht Endabnehmer sind, hinsichtlich der unter Buchstabe A. genannten Erzeugnisse, auffordern, sämtliche Aufträge betreffend die unter dem Buchstaben A. genannten Erzeugnisse zu stornieren und dem Gericht und der Klägerin innerhalb des genannten Zeitraums von 30 Tagen nach der Zustellung der Mitteilung i.S.v. R. 118.8 S. 1 VerfO und gegebenenfalls der beglaubigten Übersetzung einen schriftlichen Nachweis über die durchgeführte Maßnahme vorzulegen.
  • III. der Klägerin Auskünfte zu erteilen über

    1. Ursprung und Vertriebswege der seit dem 4. Januar 2023 ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse nach Buchstabe A.,
    1. die seit dem 4. Januar 2023 ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Mengen und die Preise, die für die Erzeugnisse nach Buchstabe A. gezahlt wurden, und
    1. die Identität aller an der Herstellung oder dem Vertrieb von Erzeugnisse nach Buchstabe A. seit dem 4. Januar 2023 beteiligten dritten Personen;
  • IV. innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen nach der Zustellung der Mitteilung i.S.v. R. 118.8 S. 1 VerfO und gegebenenfalls der beglaubigten Übersetzung die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen Erzeugnisse nach Buchstabe A. auf Kosten der Beklagten zu vernichten.

  • C. Die Beklagten werden verpflichtet, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Buchstabe A. bezeichneten Handlungen während der Laufzeit von EP 3 926 698 B1 entstanden ist und noch entstehen wird.

  • D. Die Nichtigkeitswiderklage wird abgewiesen.

  • E. Die Kosten der Klage tragen die Beklagten je zur Hälfte.

  • Die Kosten der Nichtigkeitswiderklage trägt die Beklagte zu 2).

  • F. Der Streitwert für die Klage und die Nichtigkeitswiderklage wird auf jeweils 500.000,EUR festgesetzt.

  • G. Die Obergrenze der erstattungsfähigen Vertretungskosten wird für die Klage sowie für die Nichtigkeitswiderklage auf jeweils 56.000,- EUR festgesetzt.

  • H. Die Anordnungen zu Buchstaben A. sowie B. I. bis IV. sind erst vollstreckbar, nachdem die Klägerin dem Gericht mitgeteilt hat, welchen Teil der Anordnungen sie zu vollstrecken beabsichtigt und eine beglaubigte Übersetzung der Anordnungen in die Amtssprache des Vertragsmitgliedstaats, in dem die Vollstreckung erfolgen soll, eingereicht hat und nachdem den Beklagten die Mitteilung und die (jeweilige) beglaubigte Übersetzung zugestellt wurde.

DETAILS DER ANORDNUNG:

Hauptaktenzeichen ACT_579244/2023 und CC_3580/2024

UPC-Nummer: UPC_CFI_363/2023

Verfahrensart: Verletzungsklage und Nichtigkeitswiderklage

Düsseldorf am 10. Oktober 2024 NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN

Vorsitzender Richter Thomas

Rechtlich qualifizierte Richterin Dr. Thom

Rechtlich qualifizierte Richterin Mlakar

Technisch qualifizierte Richterin Sani

Für den Hilfskanzler Boudra-Seddiki

INFORMATIONEN ZUR BERUFUNG:

Gegen die vorliegende Entscheidung kann durch jede Partei, die ganz oder teilweise mit ihren Anträgen erfolglos war, binnen zwei Monaten ab Zustellung der Entscheidung beim Berufungsgericht Berufung eingelegt werden (Art. 73 Abs. 1 EPGÜ, R. 220.1 (a), 224.1 (a) VerfO).

Informationen zur Vollstreckung (Art. 82 EPGÜ, Art. 37 Abs. 2 EPGS, R. 118.8, 158.2, 354, 355.4 VerfO):

Eine beglaubigte Kopie der vollstreckbaren Entscheidung wird vom Hilfskanzler auf Antrag der vollstreckenden Partei ausgestellt, R. 69 RegR.

Diese Entscheidung wurde am 10. Oktober 2024 in öffentlicher Sitzung verkündet.

Vorsitzender Richter Thomas

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