
Lokalkammer Düsseldorf UPC_CFI_483/2023
Entscheidung
des Gerichts erster Instanz des einheitlichen Patentgerichts verkündet am 10. Oktober 2024 betreffend 3 223 320 B1
LEITSÄTZE:
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- Möchte der Kläger mehrere Beklagte in Anspruch nehmen, hat er die Wahl, ob er die Beklagten jeweils einzeln verklagt oder ob er eine Klage erhebt, die sich gegen mehrere Beklagte richtet. Entscheidet sich der Kläger für Letzteres, sind die Klagen gleichwohl jeweils selbständig zu behandeln. Jeder Beklagte führt seinen eigenen Prozess formell und inhaltlich unabhängig von den anderen, ohne dass die jeweiligen Handlungen des einen Beklagten Vor- oder Nachteile für den anderen Beklagten bewirken.
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- Verlangt R. 25.1 VerfO die Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents, sofern die Klageerwiderung die Behauptung umfasst, dass das angeblich verletzte Patent ungültig ist, gilt dies für jeden Beklagten gesondert. Dies schließt die gemeinsame Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage durch mehrere Beklagte nicht aus. Entscheiden sich jedoch einzelne Beklagte gegen die Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage und wird die Widerklage daher ausdrücklich nur durch einzelne Beklagte erhoben, ist für die an der Nichtigkeitswiderklage unbeteiligten Beklagten die Rechtsbeständigkeitsargumentation formal ausgeschlossen. Sie können sich daher in ihrem Verfahren nicht mit Erfolg auf den fehlenden Rechtsbestand berufen. Solange das Gericht von einer Trennung der Verfahren gegen mehrere Beklagte absieht, wirkt sich dies jedoch faktisch nicht aus.
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- Die Beantwortung der Frage, ob eine Anordnung oder Entscheidung von einer vom Gericht festzusetzenden Sicherheit abhängig gemacht werden soll (R. 118.8 VerfO), bedarf stets einer Einzelfallprüfung, bei der das Interesse der Klägerin an einer effektiven Durchsetzung ihres Schutzrechts mit dem Interesse an der effektiven Durchsetzung möglicher Schadenersatzansprüche im Fall einer späteren Aufhebung des Urteils abzuwägen ist. Zu den Faktoren, die bei der Frage nach der Anordnung einer Sicherheitsleistung zu berücksichtigen sind, gehören die finanzielle Lage des Klägers, die Anlass zu der berechtigten und realen Sorge geben kann, dass ein möglicher Schadenersatzanspruch nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand durchgesetzt und/oder vollstreckt werden kann. Ob und inwieweit solche Faktoren vorliegen anhand der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen und Argumente zu ermitteln.
SCHLAGWÖRTER:
isolierte Nichtigkeitswiderklage durch einzelne Beklagte; unmittelbare Patentverletzung; keine Sicherheitsleistung
Klägerin:
Seoul Viosys Co., Ltd., gesetzlich vertreten durch ihre vertretungsberechtigten Vorstände ChungHoon Lee und Young Ju Lee, 65-16, Sandan-ro 163 beon-gil, Danwon-gu, Ansan-si, Gyeonggi-do, 15429, Republik Korea,
vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Bolko Ehlgen, Rechtsanwältin Dr. Julia Schön- bohm, Kanzlei Linklaters LLP, Taunusanlage 8, 60329 Frankfurt am Main, Deutschland,
unterstützt durch:
Patentanwalt Dr. Dipl.-Phys. Olaf Isfort, Kanzlei Schneiders & Beh- rendt, Huestraße 23, 44787 Bochum,
elektronische Zustelladresse:
bolko.ehlgen@linklaters.com
Beklagte:
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- expert e-Commerce GmbH , gesetzlich vertreten durch ihre Geschäftsführer Dr. Stefan Müller und Michael Grandin, Bayernstraße 4, 30855 Langenhagen,
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- expert klein GmbH, gesetzlich vertreten durch ihre Geschäftsführer Jens Oerter und Thomas Jacob, Jägerstraße 32, 57299 Burbach,
vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Dirk Jestaedt, Kanzlei Krieger Mes & Graf von der Groeben Part mbB, Bennigsen-Platz 1, 40474 Düsseldorf,
elektronische Zustelladresse:
info@krieger-mes.de
unter Mitwirkung von:
Patentanwalt Bernhard Ganahl, HGF Europe LLP, Neumarkter Straße 18, 81673 München,
vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Dirk Jestaedt, Kanzlei Krieger Mes & Graf von der Groeben Part mbB, Bennigsen-Platz 1, 40474 Düsseldorf,
elektronische Zustelladresse:
info@krieger-mes.de
unter Mitwirkung von:
Patentanwalt Bernhard Ganahl, HGF Europe LLP, Neumarkter Straße 18, 81673 München,
STREITPATENT:
Europäisches Patent Nr. 3 223 320 B1
SPRUCHKÖRPER/KAMMER:
Spruchkörper der Lokalkammer Düsseldorf
MITWIRKENDE RICHTER:
Die Entscheidung wurde verkündet unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Thomas als Berichterstatter, der rechtlich qualifizierten Richterin Dr. Thom, der rechtlich qualifizierten Richterin Mlakar sowie der technisch qualifizierten Richterin Sani.
VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch
GEGENSTAND: Verletzungsklage und Nichtigkeitswiderklage
MÜNDLICHE VERHANDLUNG: 5. September 2024
KURZE DARSTELLUNG DES SACHVERHALTS:
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen einer Verletzung des EP 3 223 320 B1 (nachfolgend: Streitpatent) in Anspruch. Das Streitpatent ist eine Teilanmeldung des Europäischen Patents EP 2 757 598 B1. Es beansprucht die Priorität der KR20110093396 vom 16. September 2011, der KR20210015758 vom 16. Februar 2012 und der KR20120052722 vom 17. Mai 2012. Das Europäische Patentamt hat den Hinweis auf die Erteilung des Streitpatents mit Wirkung (unter anderem) für Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande am 21. Juli 2023 bekannt gemacht, wobei die Klägerin eingetragene Inhaberin des Streitpatents ist. Das Streitpatent steht in den vorgenannten Vertragsstaaten in Kraft.
Das in englischer Verfahrenssprache angemeldete Streitpatent trägt die Bezeichnung 'Light emitting diode' ('Lichtemittierende Diode'). Sein Schutzanspruch 1 lautet in englischer Verfahrenssprache:
'A light emitting diode, comprising:
- a first conductivity type semiconductor layer (110) formed on a substrate (100);
- a mesa disposed on the first conductivity type semiconductor layer (110), the mesa comprising an active layer (120) and a second conductivity type semiconductor layer (130);
- a reflective electrode (140) disposed on the mesa and configured to be in ohmic-contact with the second conductivity type semiconductor layer (130);
- a current spreading layer (210) disposed on the mesa and the reflective electrode (140), the current spreading layer (210) comprising a first portion configured to be in ohmic-contact with an upper surface of an end portion of the first conductivity type semiconductor layer (110);
- a lower insulating layer (200) disposed between the mesa and the current spreading layer (210) as well as the reflective electrode (140) and the current spreading layer (210), the lower insulating layer (200) configured to insulate the current spreading layer (210) from the mesa and the reflective electrode (140);
and an upper insulating layer (220) covering the current spreading layer (210), the upper insulating layer (220) comprising a first hole exposing a second portion of the current spreading layer (210) that is disposed on an upper portion of the mesa;
characterized in that the first conductivity type semiconductor layer is exposed in mesa-etched areas (150) through the lower insulation layer (200) including at an edge of the substrate (100).'
In der eingetragenen deutschen Übersetzung ist Patentanspruch 1 wie folgt formuliert:
'Leuchtdiode, umfassend:
eine Halbleiterschicht (110) eines ersten Leitfähigkeitstyps, die auf einem Substrat (100) ausgebildet ist;
eine Mesa, die auf der Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps angeordnet ist, wobei die Mesa eine aktive Schicht (120) und eine Halbleiterschicht (130) eines zweiten Leitfähigkeitstyps umfasst;
eine reflektierende Elektrode (140), die auf der Mesa angeordnet und so eingerichtet ist, dass sie in ohmschem Kontakt mit der Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps steht;
eine Stromausbreitungsschicht (210), die auf der Mesa und der reflektierenden Elektrode (140) angeordnet ist, wobei die Stromausbreitungsschicht (210) einen ersten Abschnitt umfasst, der so eingerichtet ist, dass er in ohmschem Kontakt mit einer Oberseite eines Endabschnitts der Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps steht;
eine untere Isolierschicht (200), die zwischen der Mesa und der Stromausbreitungsschicht (210) sowie der reflektierenden Elektrode (140) und der Stromausbreitungsschicht (210) angeordnet ist, wobei die untere Isolierschicht (200) so eingerichtet ist, dass sie die Stromausbreitungsschicht (210) von der Mesa und der reflektierenden Elektrode (140) isoliert; und eine obere Isolierschicht (220), welche die Stromausbreitungsschicht (210) bedeckt, wobei die obere Isolierschicht (220) ein erstes Loch umfasst, das einen zweiten Abschnitt der Stromausbreitungsschicht (210) freilegt, der auf einem oberen Abschnitt der Mesa angeordnet ist;
dadurch gekennzeichnet, dass die Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps in Mesageätzten Bereichen (150) durch die untere Isolierschicht (200) hindurch, einschließlich an einem Rand des Substrats (100), frei liegt.'
Hinsichtlich der Formulierung der lediglich im Rahmen von 'insbesondere, wenn'-Anträgen formulierten Hilfsanträge wird auf die Klageschrift Bezug genommen.
Die nachfolgend eingeblendete Figur 10 ist der Streitpatentschrift entnommen:

Zu sehen ist ein Substrat (21), auf dem eine erste leitfähige Halbleiterschicht (23) gebildet ist. Auf der ersten Halbleiterschicht ist eine Pluralität von Mesas M gebildet, die voneinander getrennt sind. Jede der Mesas M enthält eine aktive Schicht (25) und eine zweite leitfähige Halbleiterschicht (27). Die aktive Schicht (25) ist zwischen der ersten leitfähigen Halbleiterschicht (23) und der zweiten leitfähigen Halbleiterschicht (27) angeordnet. Darüber hinaus finden sich auf der Pluralität der Mesas M jeweils reflektierende Elektroden (30). Jede der reflektierenden Elektroden (30) verfügt über eine reflektierende Schicht (28) und eine Sperrschicht (29). Die untere Isolierschicht (31) bedeckt die Pluralität der Mesas M und die erste Halbleiterschicht (23) und weist untere Öffnungen (31a, 31b) auf, die in bestimmten Bereichen eine elektrische Verbindung mit der ersten leitfähigen Halbleiterschicht (23) und der zweiten leitfähigen Halbleiterschicht (27) ermöglichen. Auf der unteren Isolierschicht (31) ist eine Stromverteilungsschicht (33) ausgebildet, welche die Pluralität der Mesas M und die erste Halbleiterschicht (23) bedeckt. Auf der Stromverteilungsschicht (33) ist eine obere Isolierschicht (35) ausgebildet, auf der sich wiederum ein erstes Pad (37a) und ein zweites Pad (37b) finden (vgl. Streitpatent, Abs. [0070] - [0086]).
Die Beklagte zu 1) ist Teil der expert Handelsverbundgruppe für Consumer Electronics, Informationstechnologie, Telekommunikation, Entertainment und Elektrohausgeräte. Sie verantwortet in diesem Gefüge insbesondere den Online-Auftritt sowie die e-Commerce Aktivitäten der expert Unternehmensgruppe in Deutschland. Die Beklagte zu 2) ist nicht gesellschaftsrechtlich mit der Beklagten zu 1) und ihrer Unternehmensgruppe verbunden, sondern betreibt selbständig 25 Fachmärkte als Teil der 'Expert Fachhandels-Kooperation'.
Der Online-Vertrieb findet durch beide Beklagten gemeinsam statt. Bei Aufruf der Webseite www.expert.de wird der Nutzer aufgefordert, auf Grundlage seines Standortes einen passenden Fachmarkt im expert-Netzwerk auszuwählen. Eine entsprechende Auswahl führt zu einer Internetseite, die der Beklagten zu 2) zuzuordnen ist. Ausweislich des rechtlichen Hinweises auf dieser Internetseite und der Hinweise im Impressum der Internetseite ist die Beklagte zu 1) als 'Serviceab-
wickler' für den Vertrieb über die Internetseite zuständig. Auch im weiteren Prozess der Abwicklung von Bestellungen über die Internetseite sind die Beklagten eng verwoben. So ist auf der entsprechenden Bestellbestätigung, der Rechnung und den Lieferscheinen jeweils die Beklagte zu 1) im Zusammenhang mit der Beklagten zu 2) angeben. Die Beklagte zu 1) tritt dabei als Vertragspartnerin auf. Der Versand erfolgt jedoch durch die Beklagte zu 1).
Zu den von den Beklagten vertriebenen Produkten gehört das Smartphone 'SMART.5 32 GB' des Herstellers Emporia. In diesen Geräten ist jeweils auf der Rückseite im Zusammenhang mit dem Kamera-Modul eine LED-Lampe verbaut:
Photographie des SMARTS-Gerätes

Diese LED-Lampe enthält jeweils einen, aus der nachfolgenden Abbildung ersichtlichen LED-Chip, der auf einer Platine aufgebracht ist (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform):

Die durch die Klägerin gefertigten mikroskopischen Aufnahmen der angegriffenen Ausführungsform zeigen die angegriffene Ausführungsform in Detailaufnahmen:

Detailaufnahme der Kontaktseite der Verletzungsform (links) und der Lichtextraktionsseite (rechts)


Die Klägerin stützt ihre Verletzungsklage auf eine unmittelbare Verletzung von Patentanspruch 1 des Streitpatents.
Auf eine durch die Beklagte zu 2) erhobene und auf eine unzulässige Erweiterung, fehlende Neuheit sowie das Fehlen der erfinderischen Tätigkeit gestützte Nichtigkeitswiderklage hat die Klägerin am 23. März 2024 einen Antrag auf Änderung des Patents (App_12619/2024) gestellt, mit welchem sie insgesamt 7 Hilfsanträge in das Verfahren eingeführte.
Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2024 hat die Klägerin darüber hinaus einen Antrag nach R. 30.2 VerfO (App_37319/2024) gestellt, mit welchem die bisherigen Hilfsanträge um drei weitere Hilfsanträge ergänzt werden sollen.
Ihren Antrag auf Zulassung der weiteren Hilfsanträge begründete die Klägerin damit, die Beklagte zu 2) habe in der Replik zur Nichtigkeitswiderklage erstmals vorgetragen, in der D 3 sei bereits eine, die gesamte Oberfläche des Substrats bedeckende Stromausbreitungsschicht im Sinne der Einschränkung D verwirklicht, obwohl dort tatsächlich keine geschlossene Schicht, sondern eine Gitterstruktur offenbart sei, die erkennbar große Teile der Chipoberfläche freilasse. Die Klägerin verstehe diese Argumentation so, dass nach Meinung der Beklagten zu 2) die Gitterstruktur der D 3 gleichsam 'als Ganzes' als Stromausbreitungsschicht aufgefasst werde, die sich über die gesamte Chipoberfläche erstrecke. Diese Argumentation sei für die Klägerin nicht vorhersehbar gewesen. Andererseits trage die Beklagte zu 2) vor, aus der Angabe 'im Wesentlichen' in der Einschränkung D resultiere eine Unklarheit. Auch dieser Einwand komme für die Klägerin überraschend, weil die Klarheit eindeutig gegeben sei.
Den Argumenten der Beklagten trete die Klägerin entgegen. Dennoch sei es höchst vorsorglich geboten, eine gegenüber der bisherigen Einschränkung D geringfügig modifizierte Fassung der Einschränkung D' zu beantragen, die den Einwänden der Beklagten zu 2) im Hinblick auf die Klarheit die Grundlage entziehe.
Mit einer Verfahrensanordnung vom 1. Juli 2024 hat der Berichterstatter mitgeteilt, für eine Zulassung des weiteren Änderungsantrages bestehe derzeit keine Veranlassung (Hervorhebung hinzugefügt).
Im Hinblick auf diese Verfahrensanordnung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 15. Juli 2024 einen Antrag auf Überprüfung dieser Anordnung durch den Spruchkörper nach R. 333.1 VerfO gestellt, woraufhin die Anordnung des Berichterstatters am 5. August 2024 durch den Spruchkörper aufrechterhalten wurde.
ANTRÄGE DER PARTEIEN:
Klage:
Die Klägerin beantragt,
I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es zu unterlassen,
Leuchtdioden
auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, der Italienischen Republik und des Königreichs der Niederlande anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen,
wenn diese umfassen:
eine Halbleiterschicht (110) eines ersten Leitfähigkeitstyps, die auf einem Substrat (100) ausgebildet ist;
eine Mesa, die auf der Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps angeordnet ist, wobei die Mesa eine aktive Schicht (120) und eine Halbleiterschicht (130) eines zweiten Leitfähigkeitstyps umfasst;
eine reflektierende Elektrode (140), die auf der Mesa angeordnet und so eingerichtet ist, dass sie in ohmschem Kontakt mit der Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps steht;
eine Stromausbreitungsschicht (210), die auf der Mesa und der reflektierenden Elektrode (140) angeordnet ist, wobei die Stromausbreitungsschicht (210) einen ersten Abschnitt umfasst, der so eingerichtet ist, dass er in ohmschem Kontakt mit einer Oberseite eines Endabschnitts der Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps steht;
eine untere Isolierschicht (200), die zwischen der Mesa und der Stromausbreitungsschicht (210) sowie der reflektierenden Elektrode (140) und der Stromausbreitungsschicht (210) angeordnet ist, wobei die untere Isolierschicht (200) so eingerichtet ist, dass sie die Stromausbreitungsschicht (210) von der Mesa und der reflektierenden Elektrode (140) isoliert; und eine obere Isolierschicht (220), welche die Stromausbreitungsschicht (210) be deckt, wobei die obere Isolierschicht (220) ein erstes Loch umfasst, das einen zweiten Abschnitt der Stromausbreitungsschicht (210) freilegt, der auf einem oberen Abschnitt der Mesa angeordnet ist;
und dadurch gekennzeichnet ist, dass die Halbleiterschicht des ersten Leitfähikeitstyps in Mesageätzten Bereichen (150) durch die untere Isolierschicht (200) hindurch, einschließlich an einem Rand des Substrats (100), frei liegt;
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- im Falle einer Zuwiderhandlung gegen die Anordnung nach Ziffer I. 1. an das Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld bis zu EUR 250.000,- zu zahlen;
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- innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen nach der Zustellung der Mitteilung im Sinne von R. 118.8 S. 1 VerfO und gegebenenfalls der beglaubigten Übersetzung die seit dem 23. Juli 2023 ausgelieferten Erzeugnisse nach Ziffer I. 1 auf Kosten der Beklagten
- a. aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem die Dritten, von denen die verletzenden Erzeugnisse zurückzurufen sind, darauf hingewiesen werden, dass dieses Gericht festgestellt hat, dass die Erzeugnisse das Europäische Patent EP 3 223 320 B1 verletzen, wobei die Beklagten den Dritten verbindlich zuzusagen haben, die entstandenen Kosten zu erstatten, die anfallenden Verpackungs- und Transportkosten zu übernehmen, die mit der Rücksendung der Produkte verbundenen Zoll- und Lagerkosten zu erstatten und die Produkte wieder entgegenzunehmen,
und
- b. endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen indem die Beklagten unter Hinweis, dass dieses Gericht festgestellt hat, dass die Erzeugnisse das Europäische Patent 3 223 320 B1 verletzen, Dritte, die gewerbliche Abnehmer, aber nicht Endabnehmer sind, hinsichtlich der unter Ziffer I.1 genannten Erzeugnisse, auffordern, sämtliche Aufträge betreffend die in Ziffer I.1 genannten Erzeugnisse zu stornieren und dem Gericht und der Klägerin innerhalb des genannten Zeitraums von 30 Tagen nach der Zustellung der Mitteilung i.S.v. R. 118.8 S. 1 VerfO und gegebenenfalls der beglaubigten Übersetzung einen schriftlichen Nachweis über die durchgeführte Maßnahme vorzulegen;
4. der Klägerin Auskünfte zu erteilen über
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a. Ursprung und Vertriebswege der seit dem 21. Juli 2023 ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse nach Ziffer I. 1,
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b. die seit dem 21. Juli 2023 ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Mengen und die Preise, die für die Erzeugnisse nach Ziffer I. 1 gezahlt wurden, und
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c. die Identität aller an der Herstellung oder dem Vertrieb von Erzeugnisse nach Ziffer I. 1 seit dem 21. Juli 2023 beteiligten dritten Personen;
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- innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen nach der Zustellung der Mitteilung i.S.v. R. 118.8 S. 1 VerfO und gegebenenfalls der beglaubigten Übersetzung die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen Erzeugnisse nach Ziffer A.I.1 auf Kosten der Beklagten zu vernichten.
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II. die Beklagten zu verpflichten, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen während der Laufzeit von EP 3 223 320 B1 entstanden ist und noch entstehen wird.
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III. die Verurteilung nach Ziffern I. und II. für sofort wirksam und vollstreckbar zu erklären;
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IV. den Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Hinsichtlich der Formulierung der 'insbesondere, wenn'-Anträge wird auf die Klageschrift Bezug genommen.
Die Beklagten beantragen,
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- die Klage der Klägerin abzuweisen;
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- der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Widerklage und Änderungsanträge:
Die Beklagte zu 2) beantragt,
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- das EP 3 223 320 im Umfang der Ansprüche 1, 3, 4, 5 und 6 mit Wirkung für Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden für nichtig zu erklären;
-
- der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Klägerin beantragt, die Widerklage auf Nichtigerklärung abzuweisen.
Hinsichtlich der Formulierung der Änderungsanträge wird auf den Schriftsatz vom 25. März 2024 nebst Anlagen verwiesen.
In Bezug auf die Formulierung der nach R. 30.2. VerfO gestellten, aber bisher nicht zugelassenen weiteren Hilfsanträge wird auf den Schriftsatz vom 27. Juni 2024 (App_37320/2024) Bezug genommen.
TATSÄCHLICHE UND RECHTLICHE STREITPUNKTE:
Verletzung:
Nach Auffassung der Klägerin gestaltet sich der Aufbau der angegriffenen Ausführungsform wie folgt:

- Obere Isolierschicht (Beige) und zwei Pads (jeweils Rot und Königsblau);
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- In der Chipstruktur darunter liegend: Stromaufweitungsschicht (Blau) und elektrische Verbindungsschicht (Rot) zwischen Pad und der reflektierenden Elektrode;
- In der Chipstruktur darunter liegend: Untere Isolierschicht (Gelb) mit freiliegenden Bereichen der Halbleiterschicht des ersten Leitfahigkeitstyps (Hellblau) und der reflektie renden Elektrode (Rosa);
- In der Chipstruktur darunter liegend: Mesa mit sichtbarer reflektierender Elektrode Rosa) sowie Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps (Hellblau)
Die nachfolgend eingeblendete Abbildung gibt den Schichtaufbau der angegriffenen Ausführungsform aus Sicht der Klägerin in einer schematischen Darstellung wieder:

Dies vorausgeschickt stellen die Beklagten eine Verletzung mit der Begründung in Abrede, erfindungsgemäß müsse die Halbleiterschicht eines ersten Leitfähigkeitstyps an einem Rand des Sub-
strats freiliegen. Es reiche daher nicht, wenn die Öffnungsbereiche in der Nähe des Randes angeordnet seien. Bei der angegriffenen Ausführungsform seien die Öffnungsbereiche demgegenüber von einem nicht freigelegten Bereich umgeben, der sich dann bis zum Rand des Substrats erstrecke. Daher befänden sich die Öffnungen nicht wie von Patentanspruch 1 gefordert 'an einem Rand des Substrats.'
Unter Zugrundelegung des durch die Klägerin im Rahmen der Nichtigkeitswiderklage zugrunde gelegten Verständnisses fehle es weiterhin an einer Stromausbreitungsschicht. Verlange man, wie die Klägerin im Zusammenhang mit der Entgegenhaltung D 3 (US 2005/0067624 A1) geäußert habe, insoweit eine 'vollständige Schicht', sei eine solche bei der angegriffenen Ausführungsform nicht vorhanden. Dort fänden sich einzelne schmale Stege, welche dann mit einer größeren Fläche verbunden seien. Die seitlichen schmalen Stege würden zu einer erheblichen Inhomogenität der Stromverteilung führen und damit einen unsymmetrischen Stromfluss herbeiführen.
Des Weiteren solle die Stromausbreitungsschicht erfindungsgemäß auf der Mesa und der reflektierenden Elektrode angeordnet sein. Wie die vorstehend eingeblendete Abbildung verdeutliche, befinde sich die dort eingezeichnete blaue Stromausbreitungsschicht nicht auf der Mesa. Vielmehr lasse sie den Bereich der Mesa frei.
Die Klägerin ist diesem Vorbringen entgegengetreten.
Mit ihrer Forderung nach einer Anordnung der Öffnungen ausschließlich am äußersten Rand setzten sich die Beklagten in Widerspruch zum Vorbringen der Beklagten zu 2) im Rahmen der Nichtigkeitswiderklage. Dort definiere die Beklagte zu 2) selbst den Rand als den nicht-mittigen Bereich der LED und stelle dies einem 'äußersten Rand' gegenüber. Der Begriff 'Rand' sei mit dem Begriff 'Endabschnitt' zu verstehen. Es gehe darum, den Randbereich bzw. Endabschnitt der LED von dem mittleren Bereich der LED abzugrenzen, in welchem sich die Mesa befinde. Die Kontaktierung solle im Randbereich bzw. Endabschnitt erfolgen, um die vom Streitpatent gewünschten Verbesserungen im Stromfluss zu erreichen. Die Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps solle durch die untere Isolierschicht dort freiliegen, wo die Kontaktierung durch die Stromausbreitungsschicht erfolgen solle. Um die Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps in einem Endabschnitt zu kontaktieren, müssten die mesageätzten Bereiche durch die untere Isolierschicht hindurch an einem Rand des Substrats freiliegen. Die Position des freiliegenden Bereichs sei daher auf die Form der Stromverteilungsschicht abgestimmt.
Eine engere Auslegung des Begriffes 'am Rand' ließe sich auch nicht technisch begründen. Die Ausgestaltung habe ausdrücklich den Zweck, eine verbesserte Stromverteilung in der LED zu ermöglichen. Dazu werde eine elektrische Kontaktierung mit der Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps außerhalb der Mesa hergestellt, so dass der Strom nicht aus der Mitte des Chips in die Randbereiche der Mesa und damit der aktiven Schicht fließen müsse, sondern von außen nach innen fließen könne. Entscheidend sei dabei, dass die Kontaktierung außerhalb der Mesa erfolge, also zwischen der Mesa und dem äußersten Rand des Substrats. Technisch spiele es dagegen keine Rolle, ob die äußerste Kante der Halbleiterschicht isoliert sei und die Kontaktierung zwischen Mesa und Isolierung liege, oder ob die Kontaktierung bis zur äußersten Kante der Halbleiterschicht reiche. Bei beiden Gestaltungen erfolge der Stromfluss von außen in die Mesa. Dort werde das Licht erzeugt. Dieser Stromfluss sei maßgeblich. Darüber hinaus wäre eine Kontaktierung am äußersten Rand sogar technisch nachteilig. Dies würde die Länge des Weges, den der Strom fließen müsse, und damit auch den elektrischen Widerstand erhöhen, ohne gleichzeitig einen Vorteil zu bieten. Ein zweiter Nachteil liege darin, dass eine elektrisch leitende Metallschicht an der Seite des LEDChips freiliegen würde. Dadurch entstünde ein Kurzschlussrisiko, was zu Defekten und Schäden am Chip oder anderen Bauteilen führen könnte, wenn der freiliegende Bereich ungewollt kontaktiert
werde. Ein dritter Nachteil läge im Fertigungsverfahren. Die freiliegende Metallseite führe zu Schwierigkeiten beim Schneiden der LED-Chips in der Fertigung ('chip dicing'). Dabei würden die zusammenhängend hergestellten Chips manuell geschnitten. Dies funktioniere deutlich besser, wenn die Schnittstelle aus dem Substrat und Isolierschichten bestehe, als bei Metallkanten.
Mit ihren Einwänden zur Stromausbreitungsschicht verzerrten die Beklagten nach Meinung der Klägerin ihr Vorbringen im Nichtigkeitsverfahren. Wenn in der Erwiderung zur Nichtigkeitswiderklage die Rede davon sei, dass die Stromausbreitungsschicht ein flächiges Gebilde sein müsse, sei dies im Kontext der Abgrenzung von der D 3 zu lesen. Diese enthalte eine flächige Struktur bestehend aus Stegen und schmalen Bereichen, die keine Schicht im Sinne des Streitpatents darstelle (links: Figur 5 der D 3: rechts: angegriffene Ausführungsform):


Widerklage:
Nach Auffassung der Beklagten zu 2) geht der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus und beruhe daher auf einer unzulässigen Erweiterung. Patentanspruch 1 verlange das Vorhandensein einer einzigen Mesa. Derartige Gestaltungen mit nur einer Mesa seien in der ursprünglichen Patentanmeldung nicht offenbart. Dort seien lediglich Ausgestaltungen mit einer Mehrzahl von Mesas gezeigt.
Überdies nehme die US 2005/0067624 A1(D 3) Patentanspruch 1 des Streitpatents neuheitsschädlich vorweg. Dies gelte insbesondere auch im Hinblick auf die Forderung nach einem Freiliegen der ersten Halbleiterschichten an einem Rand des Substrats. Nicht gemeint sei in diesem Zusammenhang, dass sich die Randbereiche 'am äußersten Rand' befinden müssten und somit nicht mehr von der unteren Isolierschicht umgeben sein dürften. Davon ausgehend befänden jedenfalls einige der in der nachfolgend eingeblendeten Figur 5 der Entgegenhaltung gezeigten mesageätzten Bereiche im Randbereich:

Darüber hinaus fehle es auch auf der Grundlage der US 2010/0117111 A1 (D 1) an der Neuheit. Sollte das Gericht der Auffassung sein, dass die Entgegenhaltung keine Öffnungen im Randbereich offenbare, folge daraus zunächst, dass in diesem Fall auch eine Verletzung des Streitpatents nicht bejaht werden könne. Die angegriffene Ausführungsform unterscheide sich nicht von der D 1. Jedenfalls sei eine solche Ausgestaltung der Isolierschicht in der D 3 offenbart. Ausgehend von der D 1 liege die Aufgabe der Erfindung darin, die Stromausbreitung in der Halbleiterschicht zu verbessern. Auf Grundlage der Entgegenhaltung D 1 sei der Fachmann veranlasst, die Erläuterungen und Offenbarungen der D 3 heranzuziehen. Dort werde die vorgenannte Aufgabe ausdrücklich thematisiert. Zur Lösung schlage die Entgegenhaltung zum Beispiel in der Ausgestaltung der Figuren 3, 5 und 5 vor, dass eine Mehrzahl von Kontakten angeordnet werde, die verteilt über die LED angeordnet seien, also auch in den Randbereichen des Substrats. Gleiches gelte für die Ausgestaltung gemäß der Figuren 14 und 15, wo ein durchgängiger Randbereich vorgesehen sei, der den Rand des Substrats vollumfänglich für die Kontaktierung nutze.
Darüber hinaus sei das Prinzip, insbesondere bei großflächigen Mesa-LEDs die Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps am Rand des Substrats zu kontaktieren, auch aus der US 6 486 499 B1 (D 6) bekannt.
Schließlich fehle es auch ausgehend von der US 2009/0283787 A1 (D 2) an der erfinderischen Tätigkeit. Figur 3 dieser Entgegenhaltung nehme nahezu sämtliche Merkmale vorweg. Es fehle nur an einer reflektierenden Elektrode sowie an Öffnungen der unteren Isolierschicht, die am Rand des Substrats angeordnet seien. Eine solche Elektrode werde jedoch in Figur 2 der Entgegenhaltung offenbart. Die Kombination der reflektierenden Elektrode mit den weiteren in dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2 offenbarten Schichten mit der in Figur 3 offenbarten Ausgestaltung sei schon deshalb naheliegend, weil beide Ausführungsbeispiele in der D 2 offenbart seien. Vor diesem Hintergrund könnten für den Fachmann naheliegend bestimmte Ausführungsvarianten der einzelnen Gestaltungen der LED miteinander kombiniert werden.
Soweit zusätzlich das Thema des Freiliegens der Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps am Rand des Substrats im Raum stehe, zeige die D 3 eine entsprechende Ausgestaltung, sowohl in dem Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 2, 3, 5 und 6 sowie dem Ausführungsbeispiel gemäß Figuren 14 und 15. Insofern handele es sich um eine eigenständige Frage, welche sich für den Fachmann stelle. Davon ausgehend gehe es darum, die Stromverteilung zu verbessern, indem eine Stromkontaktierung auch am Rand vorgesehen werde. Mit dem weitergehenden Aufbau der LED habe dies nicht unmittelbar zu tun. Es könne somit eigenständig vom Fachmann ergänzt werden,
ohne dass weitergehende Nachteile oder Schwierigkeiten bei der Kombination verknüpft würden.
Die Klägerin ist dem entgegengetreten.
Der Einwand der unzulässigen Erweiterung sei bereits im Erteilungsverfahren erhoben, jedoch durch die Anmelderin ausgeräumt worden. Eine Mesa sei im allgemeinen Sprachgebrauch eine Erhebung mit einer ebenen Oberfläche und einer (mehr oder weniger) steilen Flanke. Im Bereich der LED-Technologie werde unter eine Mesa eine Struktur oder Topographie in Form einer erhabenen Fläche oder eines Plateaus auf der Oberfläche eines Halbleitermaterials verstanden, die durch Ätzverfahren geformt werde. Davon ausgehend zeige die ursprüngliche Anmeldung in den Figuren 24 bis 26 ein weiteres Ausführungsbeispiel, bei dem nur eine Mesa auf dem LED-Chip vorhanden sei. Der dort dargestellte LED-Chip weise nur ein einziges Plateau auf, in das durch Ätzen mehrere lochförmige Vertiefungen in einem Rechteckmuster eingebracht seien. Durch die Vertiefungen werde die erste Halbleiterschicht jeweils freigelegt. Damit sei eine einzelne Mesa ebenfalls Teil der Offenbarung der ursprünglichen Anmeldung.
Soweit sich die Beklagte zu 2) im Rahmen der Erörterung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit auf die D 3 beziehe, beschreibe diese in den Figuren 5 bis 7 sowie 14 und 15 zwei unterschiedliche Ausführungsbeispiele, die sowohl bei der Erörterung der Neuheit als auch der erfinderischen Tätigkeit getrennt zu behandeln seien. In beiden Ausführungsbeispielen sei eine Vielzahl von Merkmalen nicht offenbart, weshalb der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents ausgehend von beiden Ausführungsbeispielen neu sei. Im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit stelle die Gesamtoffenbarung der D 3 die Realisierung der Stromverteilung durch das Gitter der dünnen Verbindungsleitungen (15a, 15b) in den Vordergrund. Es sei nichts ersichtlich, was den Fachmann dazu veranlassen könnte, stattdessen eine die Mesa-Bereiche bedeckende Stromausbreitungsschicht vorzusehen. Überdies könnten beide Ausführungsbeispiele der D 3 auch nicht miteinander kombiniert werden. Während es sich bei dem ersten Ausführungsbeispiel um eine LED handele, bei der die Maximierung der aktiven Fläche im Fokus stehe ('large junction device'), betreffe das zweite Ausführungsbeispiel ein 'small injunction device', bei dem eine kleine aktive Fläche gewünscht sei.
Die Entgegenhaltung D 1 sei im Erteilungsverfahren bereits diskutiert worden. Die Erteilung des Streitpatents basiere auf der Feststellung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamtes (EPA), dass die D 1 den Gegenstand des Streitpatents gerade nicht vorwegnehme. Insbesondere habe es das EPA als neuheitsbegründend angesehen, dass dort die Kontaktierung in den Öffnungen (11) innerhalb des Mesa-Bereichs und damit nicht am Rand des Substrats erfolge. Der Gegenstand des Streitpatents werde durch die D 1 auch nicht nahegelegt. Dies gelte auch in Kombination mit den Entgegenhaltungen D 3 und D 6. Mit dem in der D 1 offenbarten Design sei es überhaupt nicht möglich, einen elektrischen Kontakt der n-Schicht (6) am Rand des Substrats herzustellen. Der Fachmann würde nicht in Betracht ziehen, bei dem LED-Design der D 1 eine Kontaktierung einer am Rand des Substrats freiliegenden n-Schicht in einem Endbereich der n-Schicht vorzusehen. Gegen eine Kombination mit dem zweiten Ausführungsbeispiel der D 3 spreche außerdem, dass es in der D 1 um die Effizienzsteigerung bei einer LED gehe, d.h. darum, die emittierte Lichtmenge zu maximieren. Zur Stromverteilung setze die D 1 prinzipiell auf die gleichen Maßnahmen wie das erste Ausführungsbeispiel der D 3, d.h. ein Raster aus miteinander verbundenen Ausnehmungen/Vias, um die n-Schicht an einer Mehrzahl von über der Chip-Oberfläche verteilten Kontaktstellen mit Strom versorgen zu können. Genau diese Maßnahmen würden auch in dem ersten Ausführungsbeispiel der D 3 zur Verbesserung der Stromverteilung vorgeschlagen. Es sei daher kein Anlass erkennbar, warum der Fachmann hiervon abweichen sollte. Insbesondere würde der Fachmann auch nicht in Betracht ziehen, einen Kontaktring der n-Schicht wie bei dem zweiten Ausführungsbeispiel der D 3 vorzusehen. Ebenso wenig werde der Fachmann die 'Finger' der D 6 zur
Anwendung bei dem LED-Design der D 1 überhaupt in Betracht ziehen.
Die D 2 sei bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt und nicht als patenthindernd bewertet worden. Abgesehen davon habe der Fachmann weder Anlass, die in den Figuren 2 und 3 der D 2 gezeigten Ausführungsbeispiele, noch die D 2 mit der D 3 zu kombinieren.
Im Hinblick auf das weitere Vorbringen der Parteien wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Die Nichtigkeitswiderklage ist zulässig und begründet.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
A. Zulässigkeit der Klage und der Nichtigkeitswiderklage
Sowohl die Klage als auch die Nichtigkeitswiderklage sind zulässig.
I.
Nachdem die Beklagten innerhalb der Einspruchsfrist keinen Einspruch eingelegt haben, gelten sowohl die Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts als auch die Zuständigkeit der Lokalkammer Düsseldorf als anerkannt, R. 19.7 VerfO.
II.
Hinsichtlich der Zulässigkeit der Widerklage bestehen keine Bedenken.
Insbesondere ist das Einheitliche Patentgericht (EPG) auch international zuständig. Gemäß Art. 32 Abs. 1 (e) EPGÜ ist das EPG für Widerklagen auf Nichtigkeit von (europäischen) Patenten ausschließlich zuständig. Da derzeit kein Opt-Out (Art. 83 Abs. 3 EPGÜ) von der ausschließlichen Zuständigkeit des Gerichts in Bezug auf das Streitpatent in Kraft ist, ist das EPG - als gemeinsames Gericht der Mitgliedstaaten des EPGÜ - gemäß Art. 24 Abs. 4, 71a Abs. 2 a), 71b Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 für die vorliegende Widerklage international zuständig.
Dass die Nichtigkeitswiderklage ausdrücklich allein durch die Beklagte zu 2), nicht aber durch die Beklagte zu 1) erhoben wurde, steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen.
Grundsätzlich hat der Kläger bei mehreren Beklagten die Wahl, ob er die Beklagten jeweils einzeln verklagt oder ob er eine Klage erhebt, die sich gegen mehrere Beklagte richtet. Entscheidet sich der Kläger für Letzteres, kann das Gericht gemäß R. 303.3 VerfO eine Verfahrenstrennung anordnen. Für den Fall einer getrennten Klageerhebung kann das Gericht die Verfahren nach R. 340 VerfO verbinden (vgl. Bopp/Kircher, Handbuch Europäischer Patentprozess, 2. Aufl., § 12 Rz. 211).
Daraus folgt, dass die Klagen gegen die einzelnen Beklagten jeweils selbstständig zu behandeln sind (vgl. Tilmann/Plassmann/Dorn, Einheitspatent, Einheitliches Patentgericht, EPGVerfO § 303 Rz. 15). Jeder Beklagte führt seinen eigenen Prozess formell und inhaltlich unabhängig von den anderen, ohne dass die jeweiligen Handlungen des einen Beklagten Vor- oder Nachteile für den anderen Beklagten bewirken (vgl. Luginbühl/Hüttermann, Einheitspatentsystem, Regel 303 Rz. 26). Verlangt daher R. 25.1 VerfO die Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents, sofern die Klageerwiderung die Behauptung umfasst, dass das angeblich verletzte Patent ungültig ist,
gilt dies für jeden Beklagten gesondert. Dies schließt die gemeinsame Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage durch mehrere Beklagte nicht aus.
Auf den vorliegenden Fall gewendet folgt daraus, dass die Beklagte zu 2) der ihr obliegenden Verpflichtung zur Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage nachgekommen ist. Dass die Beklagte zu 1) auf die Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage verzichtet hat, hat auf die Zulässigkeit der Nichtigkeitswiderklage der Beklagten zu 2) keinen Einfluss.
Umgekehrt folgt aus dem Vorstehenden aber auch, dass die Beklagte zu 1) keine Nichtigkeitswiderklage erhoben hat. Für sie ist daher die Rechtsbeständigkeitsargumentation formal ausgeschlossen (vgl. dazu: Luginbühl/Hüttermann, Einheitspatentsystem, R. 25 Rz. 4).
Entscheidet sich das Gericht - wie vorliegend nicht - für eine Trennung der Verfahren gegen beide Beklagte, könnte sich die Beklagte zu 1) daher in ihrem Verfahren nicht mit Erfolg auf den fehlenden Rechtsbestand berufen. Ohne eine solche Abtrennung wirkt sich die Selbstständigkeit der Prozessverhältnisse für die Beklagte zu 1) demgegenüber jedenfalls solange faktisch nicht aus, wie die Kammer von einer Abtrennung der Verfahren absieht. Wird das Streitpatent aufgrund der Nichtigkeitsklage eines Beklagten für nichtig erklärt, fehlt der Verletzungsklage insgesamt bereits die Grundlage.
B. Schutzbereich des Streitpatents
Im Hinblick auf den Schutzbereich des Streitpatents gilt Folgendes:
I.
Das Streitpatent betrifft eine lichtemittierende Diode und insbesondere eine lichtemittierende Diode vom Flip-Chip-Typ mit verbesserter Lichtausbeute.
Wie das Streitpatent einleitend ausführt, werden lichtemittierende Dioden auf Galliumnitridbasis durch Aufwachsen von Epitaxieschichten auf einem Substrat gebildet. Sie umfassen eine Halbleiterschicht vom n-Typ, eine Halbleiterschicht vom p-Typ und eine dazwischenliegende aktive Schicht. Auf der n-Halbleiterschicht wird ein n-Elektrodenpad und auf der p-Halbleiterschicht wird ein p-Elektrodenpad gebildet. Zum Betrieb wird die lichtemittierende Diode über die Elektrodenpads elektrisch mit einer externen Stromquelle verbunden. Zu diesem Zeitpunkt fließt Strom von dem p-Elektrodenpad zu dem n-Elektrodenpad durch die Halbleiterschicht (Abs. [0003]).
Um die Wärmeleitung zu verbessern und gleichzeitig den Lichtverlust durch das p-Elektrodenpad zu verhindern wird im Stand der Technik eine lichtemittierende Diode mit Flip-Chip-Struktur verwendet. Im Stand der Technik (siehe US 6 486 499 B1 = Entgegenhaltung D 6 in der Nichtigkeitswiderklage) wurden zur Verbesserung der Stromverteilung in großflächig lichtemittierenden Dioden mit dieser Struktur verschiedene Elektrodenstrukturen vorgeschlagen. Beispielswiese wird eine reflektierende Elektrode auf der Halbleiterschicht vom p-Typ gebildet. Darüber hinaus werden Erweiterungen für die Stromausbreitung auf einem Bereich der Halbleiterschicht vom n-Typ gebildet, freigelegt durch Ätzen der Halbleiterschicht vom p-Typ und der aktiven Schicht (Abs. [0004]). Dabei kommen lineare Verlängerungen zum Einsatz, welche die Stromverteilung aufgrund ihres hohen Widerstandes einschränken (Abs. [0006]).
Bei aus dem Stand der Technik bekannten Lösungen reflektiert die auf der Halbleiterschicht vom p-Typ gebildete reflektierende Elektrode das in der aktiven Schicht erzeugte Licht, um die Lichtextraktionseffizienz zu erhöhen, und unterstützt die Stromverteilung in der Halbleiterschicht vom pTyp (Abs. [0005]). Da eine reflektierende Elektrode nur auf der Halbleiterschicht vom p-Typ angeordnet ist, kommt es zu erheblichen Lichtverlusten durch die Pads und die Verlängerungen (Abs.
[0006]).
LEDs mit einer Flip-Chip-Struktur zeichnen sich dadurch aus, dass Licht durch ein Substrat emittiert wird. Dementsprechend wird nach der Bildung von Halbleiterschichten auf dem Substrat eine metallische Reflexionsschicht über den Halbleiterschichten oder eine Stromverteilungsschicht gebildet, so dass Licht von der Reflexionsschicht reflektiert werden kann (Abs. [0007]).
Die nachfolgend verkleinert eingeblendete, der Streitpatentschrift entnommene und gerichtsseitig eingefärbte Figur 1 ist eine Teilschnittansicht einer lichtemittierenden Diode mit einer reflektierenden Schicht aus dem Stand der Technik (Abs. [0008]):

Zu sehen sind insbesondere eine Mesa-Schicht (10), eine aus einem leitfähigen Metall oder einem leitfähigen Oxid gebildete ohmsche Schicht (12) sowie eine aus Silber (Ag) oder Aluminium (Al) bestehende Reflexionsschicht (13). Bei der Sperrschicht (14) sind abwechselnd erste, Nickel (Ni) enthaltende Sperrschichten (14a) und zweite, Wolfram (W) oder Wolfram-Titan (TiW) übereinandergestapelt. Die Sperrschicht (14) verhindert die Diffusion von Metallelementen, welche die reflektierende Schicht (13) bilden. Die reflektierende Schicht (13) hat einen höheren Wärmeausdehnungskoeffizienten als die Sperrschicht (14). Dies führt zu Spannungen in der reflektierenden Schicht (13). Dementsprechend wird die reflektierende Schicht (13) von der ohmschen Schicht (12) oder der Mesa-Schicht (10) unter der ohmschen Schicht (12) aufgrund er in der reflektierenden Schicht (13) bei gleicher Temperatur erzeugten Spannung getrennt (Abs. [0012]).
Darüber hinaus wurden im Stand der Technik verschiedene Methoden entwickelt, um die Leistungsfähigkeit, d.h. die interne und die externe Quanteneffizienz, der lichtemittierenden Diode zu verbessern. So wurde im Stand der Technik eine Technik zur Verbesserung der Lichtextraktionseffizienz entwickelt (Abs. [0013]).
Die US 2010/0117111 A1 (= Entgegenhaltung D 1 in der Nichtigkeitswiderklage) beschreibt ein optoelektronisches Bauelement umfassend: einen Halbleiterkörper umfassend ein aktives Gebiet, das zur Erzeugung von Strahlung geeignet ist, und zwei elektrische Kontakte, die auf dem Halbleiterkörper angeordnet sind, wobei die Kontakte elektrisch leitend mit dem aktiven Gebiet verbunden sind und die Kontakte jeweils eine Anschlussfläche aufweisen, die von dem Halbleiterkörper abgewandt ist, wobei sich die Anschlussflächen auf einer Anschlussseite des Bauelements befinden, wobei eine von der Anschlussseite verschiedene Seite des Bauelements mit einer Spiegelbeschichtung beschichtet ist, und ein Verfahren zur Herstellung solcher Bauteile (Abs. [0014]).
Darüber hinaus beschreibt die US 2009/02833787 A1 (= Entgegenhaltung D 2 der Nichtigkeitswiderklage) eine lichtemittierende Diode umfassend: Diodenbereich mit einer ersten und einer zweiten Fläche, die sich gegenüberliegen, und der darin eine Schicht vom n-Typ und eine Schicht vom p-Typ enthält; einen Anodenkontakt, der die Schicht vom p-Typ ohmsch kontaktiert und sich auf
der ersten Fläche erstreckt; eine transparente Isolierschicht, die sich auf der ersten Fläche außerhalb des Anodenkontakts erstreckt; und einen reflektierenden Kathodenkontakt, der die Schicht vom n-Typ elektrisch kontaktiert und der sich durch die transparente Isolierschicht auf die transparente Isolierschicht erstreckt, die sich außerhalb des Anodenkontakts befindet, um im Wesentlichen die gesamte erste Fläche, die sich außerhalb des Anodenkontakts befindet, mit dem reflektierenden Kathodenkontakt zu bedecken, und Herstellungsverfahren dafür.
Davon ausgehend liegt dem Streitpatent nach der Streitpatentbeschreibung die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, eine lichtemittierende Diode mit einer verbesserten Stromverteilungsleistung sowie mit einer verbesserten Lichtextraktionseffizienz durch eine Verbesserung des Reflexionsvermögens bereitzustellen, die in der Lage ist, die durch eine reflektierende Schicht verursachte Spannung zu verringern. Darüber hinaus soll ein Verfahren zur Herstellung einer lichtemittierenden Diode bereitgestellt werden, welches die Stromverteilungsleistung verbessern und gleichzeitig einen komplizierten Herstellungsprozess vermeiden kann. Schließlich soll eine Technik zur Verbesserung der Lichtextraktionseffizienz durch Oberflächenstrukturierung mit einem kostengünstigen und einfachen Verfahren bereitgestellt werden (Abs. [0017] - [0020]).
Zur Lösung dieser Aufgabe stellt Patentanspruch 1 des Streitpatents eine Leuchtdiode unter Schutz, die durch eine Kombination der folgenden Merkmale gekennzeichnet ist:
1. Leuchtdiode, umfassend
- 1.1. eine Halbleiterschicht (110) eines ersten Leitfähigkeitstyps;
- 1.2. eine Mesa;
- 1.3. eine reflektierende Elektrode (140);
- 1.4. eine Stromausbreitungsschicht (210);
- 1.5. eine untere Isolierschicht (200);
- 1.6. eine obere Isolierschicht (220),
2. Die Halbleiterschicht (110) eines ersten Leitfähigkeitstyps
- 2.1. ist auf einem Substrat (100) ausgebildet;
- 2.2. liegt in den mesageätzten Bereichen (150) durch die untere Isolierschicht (200) hindurch, einschließlich an einem Rand des Substrats (100), frei.
3. Die Mesa
- 3.1. ist auf der Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps angeordnet;
- 3.2. umfasst eine aktive Schicht (120) und eine Halbleiterschicht (130) eines zweiten Leitfähigkeitstyps.
4. Die reflektierende Elektrode (140)
- 4.1. ist auf der Mesa angeordnet
und
- 4.2. so eingerichtet, dass sie in ohmschem Kontakt mit der Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps steht.
5. Die Stromausbreitungsschicht (210)
- 5.1. ist auf der Mesa und der reflektierenden Elektrode (140) angeordnet;
- 5.2. umfasst einen ersten Abschnitt, der so eingerichtet ist, dass er in ohmschem Kontakt mit einer Oberseite eines Endabschnitts der Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps steht.
6. Die untere Isolierschicht (200)
- 6.1. ist zwischen der Mesa und der Stromausbreitungsschicht (210) sowie der reflektierenden Elektrode (140) und der Stromausbreitungsschicht (210) angeordnet
- und
- 6.2. so eingerichtet, dass sie die Stromausbreitungsschicht (210) von der Mesa und der reflektierenden Elektrode (140) isoliert.
7. Die obere Isolierschicht (220)
- 7.1. bedeckt die Stromausbreitungsschicht (210);
- 7.2. umfasst ein erstes Loch, das einen zweiten Abschnitt der Stromausbreitungsschicht (210) freilegt, der auf einem oberen Abschnitt der Mesa angeordnet ist.
Einige Merkmale bedürfen der Auslegung.
a)
Gemäß Art. 69 EPÜ i.V.m. dem Protokoll über dessen Auslegung ist der Patentanspruch nicht nur der Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs eines europäischen Patents. Für die Auslegung eines Patentanspruchs kommt es nicht allein auf seinen genauen Wortlaut im sprachlichen Sinne an. Vielmehr sind die Beschreibung und die Zeichnungen als Erläuterungshilfen für die Auslegung des Patentanspruchs stets mit heranzuziehen und nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten im Patentanspruch anzuwenden. Das bedeutet aber nicht, dass der Patentanspruch lediglich als Richtlinie dient und sich sein Gegenstand auch auf das erstreckt, was sich nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt (UPC_CoA_335/2023, Anordnung v. 26.02.2023 i.V.m. Anordnung v. 11.03.2024, GRUR-RS 2024, 2829, Leitsatz 2. und Rz. 73 - 77 - 10x Genomics v. NanoString; UPC_COA_182/2024, Anordnung v. 25.09.2024, Rz. 82 - Mammut Sports v. Ortovox Sportartikel; vgl. auch UPC_CFI_7/2024 (LD Düsseldorf), Entscheidung v. 03.07. 2024, ORD_598324/2023 Franz Kaldewei v. Bette).
b)
Der relevante Fachmann ist nach Auffassung der Lokalkammer ein Diplom-Ingenieur oder Master der Elektrotechnik oder der Halbleiterphysik mit einem Abschluss an einer Fachhochschule für an-
gewandte Wissenschaften und mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von lichtemittierenden Dioden und Verfahren zu deren Herstellung.
c)
Dies vorausgeschickt gilt Folgendes:
aa)
Erfindungsgemäß verfügt die Leuchtdiode über eine Halbleiterschicht (110) eines ersten Leitfähigkeitstyps, die auf einem Substrat ausgebildet ist und die in den mesageätzten Bereichen (150) durch die untere Isolierschicht (200) hindurch, einschließlich an einem Rand des Substrats, freiliegt (Merkmalsgruppe 2.)
(1)
Der Fachmann, der sich der Frage nach der technischen Gestaltung derartiger Bereiche zuwendet, entnimmt Patentanspruch 1, dass es sich um mesageätzte Bereiche (Plural) und damit um mindestens zwei handeln muss. Das Vorliegen eines einzelnen solchen Bereichs genügt für die Verwirklichung der durch das Streitpatent unter Schutz gestellten technischen Lehre nicht. Des Weiteren werden die mesageätzten Bereiche in Patentanspruch 1 lediglich mittelbar dahingehend beschrieben, dass (a) in ihnen die Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps freigelegt ist und dass (b) ein solches Freiliegen 'einschließlich an einem Rand des Substrats' vorliegen muss. Weitere Vorgaben, etwa zur Form oder zur Frage der Überlagerung mesageätzter Bereiche, sucht der Fachmann in Patentanspruch 1 vergebens.
(2)
Wendet er sich davon ausgehend der Patentbeschreibung zu, richtet sich sein Blick zunächst auf Abs. [0125], wo es heißt:
'Referring to Figure 14, part of the active layer 120 and part of the second semiconductor layer 130 are removed by typical etching. As a result, the first semiconductor layer 110 is partially exposed. Through the etching process, an upper surface of the first semiconductor layer 110 is exposed, and side surfaces of the active layer 120 and the second semiconductor layer 130 are exposed. As a result, the active layer 120 and the second semiconductor layer 130 are partially removed to form trenches and holes through the etching process. In other words, the mesa-etched areas 150 formed from the surface of the second semiconductor layer 130 […] to the surface of the first semiconductor layer 110 may be a trench-shaped stripe type or a hole type.'
(Hervorbebung hinzugefügt)
Und in deutscher Fassung (Anlage LL 8a):
'Bezugnehmend auf Figur 14 werden ein Teil der aktiven Schicht 120 und ein Teil der zweiten Halbleiterschicht 130 durch typisches Ätzen entfernt. Als Ergebnis wird die erste Halbleiterschicht 110 freigelegt. Durch den Ätzvorgang wird eine obere Fläche der ersten Halbleiterschicht 110 freigelegt, und Seitenflächen der aktiven Schicht 120 und der zweiten Halbleiterschicht 130 werden freigelegt. Als Ergebnis werden die aktive Schicht 120 und die zweite Halbleiterschicht 130 teilweise entfernt, um durch den Ätzprozess Gräben und Löcher zu bilden. Mit anderen Worten, die mesa-geätzten Bereiche 150, die von der Oberfläche der zweiten Halbleiterschicht 130 […] bis zur Oberfläche der ersten Halbleiterschicht 110 gebildet werden, können grabenförmig, streifenförmig oder lochförmig sein.'
(Hervorhebung hinzugefügt)
Auch wenn es sich bei Figur 14 nebst der zugehörigen Beschreibung um ein Ausführungsbeispiel
handelt, auf welches die Erfindung nicht reduziert werden darf, führt der vorstehend wiedergegebene Auszug der Streitpatentbeschreibung dem Fachmann vor Augen, weshalb es erfindungsgemäß mesageätzter Bereiche bedarf: Werden im Rahmen des Ätzvorgangs Teile der aktiven Schicht und der zweiten Halbleiterschicht entfernt, wird in den mesageätzten Bereichen die erste Halbleiterschicht freigelegt (vgl. auch Abs. [0147], [0165], [0167], [0195] sowie [0004] a.E. und [0072], wobei Letzterer von einer 'Strukturierung der zweiten leitfähigen Halbleiterschicht und der aktiven Schicht spricht). Damit korrespondierend versteht die Streitpatentschrift unter einem 'Mesa-Ätzen' einen Prozess des teilweisen Ätzens der zweiten leitfähigen Halbleiterschicht und der aktiven Schicht, um die erste leitfähige Halbleiterschicht freizulegen (Abs. [0230]). Da die erste Halbleiterschicht zudem in den mesageätzten Bereichen nicht durch die untere Isolierschicht bedeckt ist, wird so eine elektrische Verbindung über die Stromausbreitungsschicht (210) zur Halbleiterschicht eines ersten Leitfähigkeitstyps ermöglicht.
(3)
Wie der Fachmann der Streitpatentbeschreibung weiter entnimmt, können die mesageätzten Bereiche graben-, streifen- oder lochförmig ausgestaltet sein (vgl. Abs. [0125] a.E., [0126], [0141], [0144], [0164], [0168]). Nachdem Patentanspruch 1 die Form der mesageätzten Bereiche allerdings unerwähnt lässt und zudem auch nicht ersichtlich ist, dass die mesageätzten Bereiche die ihnen erfindungsgemäß zugewiesene Funktion der Freilegung der ersten Halbleiterschicht nur mit einer bestimmten Form erfüllen können, ist die Gestaltung der Form der mesageätzten Bereiche in das Belieben des Fachmanns gestellt.
(4)
Erfindungsgemäß liegt die Halbleiterschicht eines ersten Leitfähigkeitstyps in den mesageätzten Bereichen durch die untere Halbleiterschicht hindurch, einschließlich am Rand des Substrats (100), frei (Merkmal 2.2.).
Solange die Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps zumindest auch in den genannten Bereichen freiliegt, führen Öffnungen der unteren Isolierschicht in anderen Bereichen nicht aus dem Schutzbereich des Streitpatents heraus. Ein ausschließliches Freiliegen in den mesageätzten Bereichen einschließlich an einem Rand des Substrats fordert Patentanspruch 1 nicht.
Versucht der Fachmann, sich die Reichweite von Merkmal 2.2. zu erschließen, erkennt er, dass die Halbleiterschicht an einem Rand des Substrats freiliegen soll. Er sieht jedoch auch, dass Merkmal 2.2. weder die Forderung nach einer Anordnung am äußersten Rand verlangt noch explizit vorsieht, dass sich an die freigelegten Abschnitte keine weiteren Bereiche anschließen dürfen.
Zur Beantwortung der Frage der Reichweite der Forderung nach einer Anordnung am Rand des Substrats wird sich der Fachmann daher der Funktion der geforderten Anordnung zuwenden.
Die Streitpatentschrift schweigt zu den technischen Hintergründen der geforderten Anordnung. Sie findet lediglich in Abs. [0078] Erwähnung, wobei die Streitpatentschrift an dieser Stelle anders als Patentanspruch 1 nicht von einer Anordnung am Rand, sondern von einer Solchen in der Nähe eines Randes spricht ('The openings 31a are disposed in a region between the mesas M and near an edge of the substrate 21 […] 'Die Öffnungen 31a und 31b sind in einem Bereich zwischen den Mesas M und in der Nähe einer Kante des Substrats 21 angeordnet […].').
Der Hintergrund einer solchen Anordnung erschließt sich jedoch mit Blick auf die durch Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Gesamtanordnung der Leuchtdiode. Liegt die Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps in den Randbereichen frei, kann sie dort durch die Stromausbreitungsschicht kontaktiert werden (Merkmale 2.2. und 5.2.). Damit erfolgt die eigentliche Kontaktierung
der ersten Halbleiterschicht durch die Stromausbreitungsschicht auch in den Randbereichen der Halbleiterschicht. Wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, verfolgt die Anordnung des freiliegenden Bereichs am Rand des Substrats das Ziel, eine verbesserte Stromverteilung in der LED zu ermöglichen. Dabei spielt es technisch keine Rolle, ob die äußerste Kante der Halbleiterschicht isoliert ist und die Kontaktierung zwischen Mesa und Isolierung liegt, oder ob die Kontaktierung bis zur äußersten Kante der Halbleiterschicht reicht. Bei beiden Gestaltungen erfolgt der Stromfluss von außen in die Mesa. Dort wird das Licht erzeugt und dieser Stromfluss ist maßgeblich.
Demgegenüber wäre eine Anordnung der freiliegenden Bereiche am äußersten Rand unstreitig mit einer Reihe von Nachteilen verbunden. Neben dem durch eine solche Anordnung verbundenen Kurzschlussrisiko würde sich die Länge des durch den Strom zurückzulegenden Weges und damit auch der elektrische Widerstand erhöhen, ohne gleichzeitig einen Vorteil zu bieten. Darüber hinaus würde eine freiliegende Metallseite im Fertigungsverfahren zu Schwierigkeiten beim Schneiden der LED-Chips (sog. 'chip dicing') führen, wobei die zusammenhängend hergestellten Chips manuell geschnitten werden. Das funktioniert unstreitig besser, wenn die Schnittstelle aus dem Substrat und Isolierschichten besteht, als bei Metallkanten (vgl. Replik, S. 4).
Davon ausgehend gelangt der Fachmann zu der Erkenntnis, dass die Anordnung 'am Rand' nicht im Sinne einer Anordnung am äußersten Rand zu verstehen ist. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr, dass sich die freiliegenden Bereiche derart im Randbereich befinden, dass der vorstehend erläuterte Stromfluss von außen nach innen ermöglicht und die vorstehend genannten Nachteile vermieden werden.
bb)
Neben der in den mesageätzten Bereichen freigelegten Halbleiterschicht eines ersten Leitfähigkeitstyps umfasst die Leuchtdiode eine Mesa (M), die auf der ersten Halbleiterschicht (110) des ersten Leitfähigkeitstyps angeordnet sein soll und eine aktive Schicht (120) und eine Halbleiterschicht (130) eines Leitfähigkeitstyps umfasst (Merkmalsgruppe 3.).
Darüber hinausgehend definiert die Streitpatentschrift den Begriff der Mesa nicht. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin (vgl. Erwiderung auf die Nichtigkeitswiderklage, S. 2 f.) ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter einer Mesa eine Erhebung mit einer ebenen Oberfläche und (mehr oder weniger) steiler Flanke zu verstehen. Im LED-Bereich beschreibt der Begriff Mesa eine Struktur oder Topographie in Form einer erhabenen Fläche oder eines Plateaus auf der Oberfläche des Halbleitermaterials, die durch Ätzverfahren geformt wird.
Obwohl in der Streitpatentbeschreibung wiederholt eine Vielzahl (bzw. Pluralität) von Mesas sowie mehrere Mesas Erwähnung finden (vgl. etwa Abs. [0021] - [0023], [0028], [0038], [0040], [0042], [0044], [0071] - [0074], [0077] f., [0080], [0091], [0093] f.), umfasst die Leuchtdiode nach dem für die Reichweite des Schutzbereichs maßgebliche Patentanspruch eine Mesa M ('a mesa', und damit weder zumindest eine Mesa noch eine Pluralität der Mesas). Das diese Vorgabe im Sinne einer zahlenmäßigen Begrenzung auf genau eine Mesa zu verstehen ist, wird bereits mit Blick auf die Merkmale 4. und 4.1. der vorstehend eingeblendeten Merkmalsgliederung deutlich: Danach ist die reflektierende Elektrode auf der Mesa angeordnet ('disposed on the mesa'). Damit korrespondierend spricht auch Unteranspruch 2 von der Oberfläche der Mesa ('the mesa'). Das Vorhandensein mehrerer Mesas führt daher aus dem Schutzbereich heraus.
Die Frage, ob jedenfalls öffentlich zugängliche Unterlagen, wie etwa die Offenlegungsschrift, herangezogen werden könne, um den Patentanspruch in der geltenden Anspruchsfassung zu deuten (vgl. dazu: UPC_CFI_292/2023 (LK München), Anordnung v. 20.12.2024 - SES-imagotag SA v. Hanshow Technology Co. Ltd. et al.; UPC_CFI_452/2023 (LK Düsseldorf), Anordnung v. 09.04.2024 -
Mammut Sports Group GmbH v. Ortovox Sportartikel GmbH), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Die Offenlegungsschrift bestätigt das bereits auf der Grundlage der Streitpatentschrift gefundene Ergebnis. Während Patentanspruch 1 der Offenlegungsschrift von einer 'Pluralität der Mesas' ('plurality of mesas') spricht, hat dies in Patentanspruch 1 des Streitpatents keinen Niederschlag gefunden. Dieser nimmt vielmehr von der Notwendigkeit des Vorhandenseins mehrerer Mesas Abstand und fordert stattdessen, dass die Leuchtdiode neben weiteren Bauteilen 'eine Mesa' umfasst. Mithin legt sich Patentanspruch 1 in Bezug auf die Anzahl der Mesa(s) fest: Die Leuchtdiode soll (genau) eine Mesa umfassen. Davon gehen auch die Parteien übereinstimmend im Rahmen ihrer Ausführungen aus.
cc)
Erfindungsgemäß weist die Leuchtdiode weiterhin eine auf der Mesa angeordnete reflektierende Elektrode auf, die so eingerichtet ist, dass sie in ohmschem Kontakt mit der Halbleiterschicht (130) des zweiten Leitfähigkeitstyps steht (Merkmalsgruppe 4).
Solange die Elektrode reflektierende Eigenschaften aufweist und in ohmschem Kontakt mit der Halbleiterschicht des zweiten Leitfähigkeitstyps steht, ist ihre weitere technische Gestaltung dem Fachmann überlassen. Eine Möglichkeit, die Elektrode reflektierend auszugestalten, ist das Vorsehen einer reflektierenden Metallschicht, die das in der aktiven Schicht erzeugte Licht reflektiert (vgl. etwa Abs. [0010] und [0112] sowie Figuren 10 und 12). Als mögliche Materialien einer solchen Schicht nennt die Streitpatentbeschreibung Silber (Ag) bzw. Silberlegierungen oder Aluminium (Al) bzw. Aluminiumlegierungen (Abs. [0010] a.E., [0075], [0098], [0112], [0115] f., [0129], [0140]).
Der Begriff 'ohmscher Kontakt' (engl. 'ohmic contact') wird in der Streitpatentschrift nicht definiert. Unstreitig handelt es sich um einen im technischen Sprachgebrauch bekannten Begriff. Ein ohmscher Kontakt in einem Halbleiter bezieht sich auf eine Verbindung, an der der elektrische Widerstand zwischen dem Halbleitermaterial und einem anderen elektrischen Element, wie etwa einer Elektrode, ohmsch ist. Das bedeutet, dass der elektrische Strom proportional zur angelegten Spannung ist, d.h. dem ohmschen Gesetz folgt. Eine 'übliche' Metall-Halbleiter-Kontaktierung, also ein Metall, das unmittelbar an einem Halbleiter anliegt, bildet einen ohmschen Kontakt (vgl. Klageschrift, S. 41).
dd)
Um das mit der Erfindung angestrebte Ziel einer verbesserten Stromverteilungsleistung (vgl. Abs. [0014] und [0044]) zu erreichen, weist die durch Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Leuchtdiode eine Stromausbreitungsschicht auf (Merkmalsgruppe 5.).
Diese wird in Patentanspruch 1 dahingehend näher charakterisiert, dass sie auf der Mesa und der reflektierenden Elektrode angeordnet ist (Merkmal 5.1.). Zudem soll sie einen ersten Abschnitt umfassen, der so eingerichtet ist, dass er in ohmschem Kontakt mit einer Oberseite eines Endabschnitts der Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps steht (Merkmal 5.2.).
Weitere Vorgaben zur technischen Gestaltung der Stromausbreitungsschicht finden sich in Patentanspruch 1 nicht. Soweit die Stromverteilungsschicht (33) in Abs. [0080] im Zusammenhang mit der Erläuterung der in Figur 8 gezeigten Gestaltung dahingehend charakterisiert wird, dass sie die Pluralität der Mesas M bedeckt (vgl. auch Abs. [0022] und [0093] f.) und über Öffnungen im oberen Bereich verfügt, durch welche die reflektierenden Dioden freigelegt sind, hat dies im Patentanspruch keinen Niederschlag gefunden. Es handelt sich um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel, auf welches die Erfindung nicht reduziert werden darf. Gleiches gilt, soweit die Stromausbreitungsschicht nach Abs. [0097] im Wesentlichen eine Gesamtfläche der ersten leitfähigen
Schicht zwischen den Mesas M bedecken soll. Dazu, in welchem Umfang die Stromausbreitungsschicht bestimmte Bereiche bedeckt, verhält sich Patentanspruch 1 nicht. Er lässt es ausreichen, dass die Stromausbreitungsschicht auf der Mesa und der reflektierenden Elektrode angeordnet ist. Eine Bedeckung der Gesamtfläche der ersten Halbleiterschicht fordert er demgegenüber ebenso wenig wie eine durchgängige Ausbildung der Stromausbreitungsschicht. Dass das Streitpatent auch eine solche durchgängige Ausbildung von Schichten kennt, führt Abs. [0091] vor Augen, wonach die erste Halbleiterschicht durchgängig ausgebildet sein soll. Derartiges fordert Patentanspruch 1 in Bezug auf die Stromausbreitungsschicht gerade nicht.
Soll die Stromausbreitungsschicht elektrisch einen Abschnitt umfassen, der so eingerichtet ist, dass er in ohmschem Kontakt mit einer Oberseite eines Endabschnitts der Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps steht, muss sie diese Halbleiterschicht in einem Maße bedecken, welches eine derartige Verbindung ermöglicht. Sie muss daher zumindest im Bereich des Endabschnitts der Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps stehen. Zudem muss die Stromausbreitungsschicht so gestaltet sein, dass sie durch die obere Isolierschicht bedeckt werden kann (Merkmal 7.1.).
Mehr verlangt Patentanspruch 1 nicht. Solange die Stromausbreitungsschicht mit Strom versorgt werden kann und einen ersten Abschnitt aufweist, der so eingerichtet ist, dass er in ohmschem Kontakt mit einer Oberseite eines Endabschnitts der Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps steht, führen Unterbrechungen in der Stromausbreitungsschicht nicht aus dem Schutzbereich des Streitpatents heraus.
Dass das Streitpatent auch eine Bedeckung der Gesamtoberfläche des Substrats kennt, verdeutlicht Abs. [0082] der Streitpatentbeschreibung, wo es unter anderem heißt:
'The current spreading layer 33 is formed substantially over the entirety of the upper surface of the substrate 31 excluding the openings 33a. With this structure, current can be easily spread through the current spreading layer 33.'
Und in deutscher Fassung (Anlage LL 8a):
'Die Stromverteilungsschicht 33 ist im Wesentlichen über die gesamte Oberfläche des Substrats mit Ausnahme der Öffnungen 33a ausgebildet. Bei dieser Struktur kann der Strom leicht durch die Stromverteilungsschicht 33 geleitet werden.'
(Hervorhebung hinzugefügt)
Auf eine solche Einschränkung, wie sie im Rahmen der Erläuterung des in Figur 8 gezeigten Ausführungsbeispiels Erwähnung findet, ist Patentanspruch 1 jedoch nicht beschränkt. Die Forderung nach der Ausbildung der Stromverteilungsschicht über die gesamte Oberfläche des Substrats hat in Patentanspruch 1 keinen Niederschlag gefunden.
Dass eine durchgängige Ausbildung der Stromausbreitungsschicht, wie die Klägerin im Einzelnen vorgetragen hat, möglicherweise zu einer verbesserten Stromverteilung führt, kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden. Lässt Patentanspruch 1 auch eine nicht-vollflächige Ausgestaltung der Stromausbreitungsschicht zu, nimmt er die damit verbundenen Nachteile in Kauf. Eine Einschränkung des Schutzbereichs unter den Wortlaut des Patentanspruchs lässt sich mit derartigen funktionalen Erwägungen nicht begründen.
Selbst wenn die Stromausbreitungsschicht erfindungsgemäß auch als Reflektor dienen kann, was möglicherweise eine vollflächige durchgehende Schicht voraussetzt, rechtfertigt dies keine abwei-
chende Bewertung. Bei der Ausstattung der Stromausbreitungssschicht mit reflektierenden Eigenschaften handelt es sich lediglich um eine optionale Gestaltung (Abs. [0024], [0098], [0149] [0151], [0170] - [0173]), die sich lediglich mit einer bestimmten Ausgestaltung der Stromausbreitungsschicht realisieren lässt. Dies betrifft nicht nur den Einsatz bestimmter reflektierender Materialen, wie etwa Aluminium, sondern auch die Form der Stromausbreitungsschicht. Weder die Ausstattung der Stromausbreitungsschicht mit reflektierenden Eigenschaften noch deren Materialzusammensetzung haben jedoch in Patentanspruch 1 Niederschlag gefunden. Möchte der Fachmann der Stromausbreitungsschicht eine solche Funktion zuweisen, wird der Stromausbreitungsschicht mit entsprechenden reflektierenden Materialien ausstatten und sich für eine Form der Schicht entscheiden, die eine solche Reflektion ermöglicht. Bedingung für eine Verwirklichung des deutlich breiter formulierten Patentanspruchs 1 ist dies jedoch nicht.
ee)
Wie der Fachmann der Merkmalsgruppe 6. der vorstehend eingeblendeten Merkmalsgliederung entnimmt, ist erfindungsgemäß zwischen der Mesa und der Stromausbreitungsschicht sowie der reflektierenden Elektrode und der Stromausbreitungsschicht eine untere Isolierschicht angeordnet, die so eingerichtet ist, dass sie die Stromausbreitungsschicht von der reflektierenden Elektrode isoliert. Solange die untere Isolierschicht diese ihr zugedachte Isolierfunktion wahrnehmen kann, ist ihre nähere technische Gestaltung dem Fachmann überlassen.
ff)
Erfindungsgemäß soll die Stromausbreitungsschicht von einer oberen Isolierschicht bedeckt sein (Merkmalsgruppe 6). Dabei umfasst die obere Isolierschicht ein Loch, das einen zweiten Abschnitt der Stromausbreitungsschicht freilegt, der auf einem oberen Abschnitt der Mesa angeordnet ist.
Weshalb es einer solchen oberen Isolierschicht bedarf, erschließt sich dem Fachmann mit Blick auf die zum allgemeinen Fachwissen gehörende Funktionsweise einer Leuchtdiode: Sowohl die Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps als auch die Halbleiterschicht des zweiten Leitfähigkeitstyps müssen jeweils an eine externe Stromquelle angeschlossen werden. Während eine der Halbleiterschichten positiv geladen ist, ist die andere Schicht negativ geladen. Dementsprechend muss jede Halbleiterschicht getrennt elektrisch kontaktiert werden. Es entstehen zwei Kontaktbereiche, in denen einerseits nur die Stromausbreitungsschicht, verbunden mit der Halbleiterschicht des ersten Leitfähigkeitstyps (Merkmale 2.2., 5.2.), und andererseits nur die reflektierende Elektrode mit der Halbleiterschicht des zweiten Leitfähigkeitstyps verbunden sind (Merkmal 4.2.). Vor diesem Hintergrund muss die obere Isolierschicht dort isolierend wirken und dementsprechend die Stromausbreitungsschicht (erster Leitfähigkeitstyp) abdecken, wo die Stromversorgung der Elektrode (zweiter Leitfähigkeitstyp) erfolgt. Ist dies gewährleistet, deckt die obere Isolierschicht die Stromausbreitungsschicht, wie von Merkmal 7.1 gefordert, ab. Einer vollständigen Bedeckung der Stromausbreitungsschicht, die lediglich das erste Loch im Sinne von Merkmal 7.2. aufweist, bedarf es demgegenüber nicht.
Liest der Fachmann die Merkmale 5.2. und 7.2. zusammen, verfügt die Stromausbreitungsschicht damit über (mindestens) zwei Abschnitte: Ein erster Abschnitt steht in ohmschem Kontakt mit einer Oberseite des Endabschnitts der ersten Halbleiterschicht. Ein zweiter Abschnitt ist oberhalb der Mesa angeordnet und liegt dort aufgrund eines entsprechenden Loches frei. Dadurch ist gewährleistet, dass die Stromausbreitungsschicht, etwa über ein oberhalb der Isolierschicht angeordnetes Pad, mit Strom versorgt werden kann. Ihr obliegt sodann die Stromversorgung der Halbleiterschicht eines ersten Leitfähigkeitstyps über den zwischen der Stromausbreitungsschicht und einem Endabschnitt der Halbleiterschicht eines ersten Leitfähigkeitstyps bestehenden ohmschen Kontakt (vgl. Abs. [0085] und [0095]).
C. Begründetheit der Nichtigkeitswiderklage
Die Nichtigkeitswiderklage hat in der Sache Erfolg.
Das Streitpatent erweist sich weder in der eingetragenen Fassung noch in der Fassung der Änderungsanträge als schutzfähig.
I.
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 geht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehen und beruht daher auf einer unzulässigen Erweiterung.
Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ sieht vor, dass ein europäisches Patent mit Wirkung für einen Vertragsstaat für nichtig erklärt werden kann, wenn der Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung oder, wenn das Patent aufgrund einer Teilanmeldung erteilt wurde, über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Art. 123 Abs. 2 EPÜ).
Das ist vorliegend der Fall. Es fehlt in der Offenlegungsschrift an der Offenbarung einer Leuchtdiode mit einer Mesa und einer auf ihr angeordneten reflektierenden Elektrode (Merkmalsgruppen 3. und 4.), wie sie Patentanspruch 1 unter Schutz stellt.
b)
Dass die Offenlegungsschrift (vgl. Anlage B 4) in wesentlichen Teilen Gestaltungen mit einer Vielzahl ('Plurality') von Mesas und mit auf diesen angeordneten reflektierenden Elektroden beschreibt, stellt die Klägerin zu Recht nicht in Abrede.
(1)
So wird die Leuchtdiode in Patentanspruch 1 der Offenlegungsschrift unter anderem wie folgt charakterisiert:
'A light emitting diode, comprising
[…]
a plurality of mesas separated from each other on the first conducted type semiconductor layer and each comprising an active layer and a second conductive type semiconductor layer;
reflective electrodes each disposed on the corresponding mesa area and in the ohmic contact with the second conductive type semiconductor layer; […]'
(Hervorhebungen hinzugefügt)
Und in deutscher Übersetzung (Anlage B 4a):
'Leuchtdiode, umfassend:
[…]
eine Vielzahl von Mesas, die auf der Halbleiterschicht eines ersten Leitfähigkeitstyps voneinander getrennt sind und jeweils eine aktive Schicht und eine Halbleiterschicht eines zweiten Leitfähigkeitstyps umfassen;
reflektierende Elektroden, die jeweils auf dem entsprechenden Mesa-Bereich angeordnet sind und in ohmschen Kontakt mit der Halbleiterschicht des zweiten Leitfähigkeitstyps stehen […]'
(Hervorhebungen hinzugefügt)
Die so umschriebene Leuchtdiode zeichnet sich somit durch eine Vielzahl voneinander getrennter Mesas sowie reflektierenden Elektroden aus, die jeweils auf dem entsprechenden Bereich der Mesa angeordnet sind.
(2)
Damit korrespondierend spricht auch die allgemeine Beschreibung der Offenlegungsschrift von einer Vielzahl voneinander getrennter und auf der ersten Halbleiterschicht angeordneter Mesas sowie von Elektroden, die jeweils auf dem entsprechenden Mesa-Bereich angeordnet sind (Anlage B 4, S. 3 Mitte; Anlage B4a, Abs. [0019]). Ein Hinweis auf eine nur mit einer Mesa und einer Elektrode ausgestattete Leuchtdiode findet sich im allgemeinen Teil der Beschreibung der Offenlegungsschrift nicht (vgl. Anlage B 4, S. 3 Mitte - S. 6 oben; Anlage B 4a, Abs. [0019] - [0042]). Vielmehr beschreibt die Offenlegungsschrift dort durchgängig Gestaltungen mit einer Vielzahl von Mesas und reflektierenden Elektroden auf diesen Mesas. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Ausführungen zur räumlich-körperlichen Ausgestaltung der Mesas, als auch in Bezug auf die Erläuterung möglicher Herstellungsverfahren.
(3)
Vergleichbares gilt für die in den Figuren 6 bis 10, 13 bis 18 sowie 19 bis 23 nebst der zugehörigen Beschreibung erläuterten Ausführungsbeispiele (Anlage B 4, S. 9 unten - S. 14 Mitte; S. 16 oben S. 20 oben; S. 20 oben - S. 22 oben; Anlage B 4a, Abs. [0067] - [0098]; Abs. [0116] - [0141]; Abs. [0142] - [0161]). An keiner Stelle findet dort eine Gestaltung mit nur einer Mesa und einer, auf dieser angeordneten reflektierenden Elektrode Erwähnung. Vielmehr weist die Leuchtdiode bei den dort beschriebenen Ausführungsbeispielen entweder eine Vielzahl von Mesas ('plurality of mesas') sowie jeweils auf diesen angeordneten Elektrod en ('reflective electrod es ', Hervorhebung hinzugefügt) oder, soweit sich die Beschreibung lediglich mit den mesageätzten Bereichen und nicht mit der Zahl der Mesas beschäftigt, mehrere reflektierende Elektroden auf (vgl. Anlage B 4, S. 19 unten und S. 20 Mitte; Anlage B 4a, Abs. [0141] und [0146]). Allein der im Rahmen der Erläuterung der Figuren 19 bis 23 zu findende Hinweis, die Zahl der freiliegenden Elektroden könne je nach Bedarf geändert werden (Anlage B 4, S. 20 Mitte; Anlage B 4a, Abs. [0145]) bietet für den Fachmann schon deshalb keinen Anlass zu der Annahme, es solle entgegen der Ansprüche und der weiteren Beschreibung nunmehr auch eine Gestaltung mit nur einer Mesa und einer, auf dieser angeordneten Elektrode unter Schutz gestellt werden, weil sich die Offenlegungsschrift im Zusammenhang mit den Figuren 19 bis 23 überhaupt nicht mit der Zahl der Mesas beschäftigt. Gegenstand dieses Ausführungsbeispiels ist vielmehr ein Verfahren zur Herstellung einer Leuchtdiode, im Rahmen dessen ein Teil der reflektierenden Elektroden freigelegt wird.
(4)
Soweit die Klägerin vor diesem Hintergrund im Hinblick auf die Offenbarung der durch das Streitpatent unter Schutz gestellten Leuchtdiode mit einer Mesa und einer auf ihr angeordneten Elektrode auf das in den Figuren 24 bis 26 gezeigte Ausführungsbeispiel verweist, fehlt es auch dort an einer entsprechenden Offenbarung. Die nachfolgend (verkleinert) eingeblendete Abbildung zeigt Figur 24 der Offenlegungsschrift in einer durch die Klägerin kolorierten Fassung:

Die Gestaltung weist lochförmig ausgebildete mesageätzte Bereiche (150) auf, wobei die erste Halbleiterschicht in den mesageätzten Bereichen (150) freigelegt ist (vgl. Anlage B 4, S. 22 Mitte; Anlage B 4a, Abs. [0163] und [0167]). Die Mesa findet in der Beschreibung im Rahmen der Erläuterung der Figuren 23 bis 26 keine Erwähnung.
Anders verhält es sich allerdings mit der Zahl der Elektroden. Dazu findet sich unter anderem Folgendes:
'[…] The lower insulation layer 200 exposes part of an upper surface of each of the reflective electrodes 140 […].'
'In some areas, the reflective electrodes 140 are exposed […].'
'[…] the reflective electrodes 140 are electrically isolated from the current spreading layer […]'
'[…] Specifically, in the sectional view taken along line D-D', two reflective electrodes 140 are exposed in a portion intersection the two exposed reflective electrodes 140 , and in a portion along line intersecting a region buried only by the incurrent layer 210, the lower insulation layer 200 is formed on the reflective electrodes 140 and the current spreading layer 200 is formed on the lower insulation layer 200.'
(Hervorhebungen hinzugefügt)
Und in deutscher Übersetzung (Anlage B 4a):
'[…] Die untere Isolierschicht 200 legt einen Teil der oberen Oberfläche jeder der reflektierenden Elektroden 140 frei […]' (Abs. [0164])
'In einigen Bereichen sind die reflektierenden Elektroden 140 freiliegend […]' (Abs. [0166])
'[…] die reflektierenden Elektroden 140 sind durch eine untere Isolierschicht 200 elektrisch von der Stromverbreitungsschicht 210 isoliert.' (Abs. [0169])
'[…] Insbesondere sind in der Schnittansicht entlang der Linie D-D' zwei reflektierende Elektroden 140 in einem Abschnitt freigelegt, der die beiden freigelegten Elektroden 140 schneidet, und in einem Abschnitt entlang der Linie, die einen Bereich schneidet, der nur durch die Stromverteilungsschicht bedeckt ist, ist die untere Isolierschicht 200 auf den reflektierenden Elektroden 140 und die Stromverteilungsschicht 210 auf der unteren Isolierschicht ausgebildet.' (Abs. [0170])
Davon ausgehend gelangt der Fachmann, der sich dem in den Figuren 23 bis 26 gezeigten Ausführungsbeispiel ausgehend von der Beschreibung nähert, zu der Erkenntnis, dass die den Gegenstand dieses Ausführungsbeispiels bildende Leuchtdiode über mehrere, zumindest aber über mindestens zwei Elektroden (140) verfügt. Dass die Offenlegungsschrift im Rahmen der Erläuterung von Figur 26 einmalig davon spricht, 'die reflektierende Elektrode' (Singular) werde durch die obere Isolierschicht 220 teilweise freigelegt, verleitet den Fachmann schon deshalb nicht zu einer anderen Bewertung, weil die Offenlegungsschrift bereits im Folgesatz, im Einklang mit der weiteren Beschreibung, erneut von den 'reflektierenden Elektroden 140' (Plural) spricht.
Soweit die Klägerin die Verwendung des Plurals im Rahmen der mündlichen Verhandlung mit Besonderheiten der koreanischen Sprache zu erklären versucht hat, kann sie damit schon deshalb nicht durchdringen, weil das Streitpatent in englischer Sprache angemeldet und die Anmeldung auch in dieser Sprache offengelegt wurde. Allein diese Sprachfassung ist mithin bei der Beurteilung der unzulässigen Erweiterung maßgeblich. Eventuelle Übersetzungsfehler gehen zu Lasten der Patentinhaberin und damit vorliegend der Klägerin. Abgesehen davon belässt es die Offenlegungsschrift in Bezug auf die Elektroden auch nicht bei der Verwendung des Plurals, sondern spricht ausdrücklich von 'zwei reflektierenden Elektroden' bzw. von 'jeder der reflektierenden Elektroden'. Mit bloßen Übersetzungsfehlern bzw. einer vermeintlich in der koreanischen Sprache fehlenden Sensibilität in der Unterscheidung von Singular und Plural lässt sich die Bezugnahme auf mehrere Elektroden in der Beschreibung mithin nicht erklären.
Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen hat, gehört es zum allgemeinen Fachwissen im Bereich der LED-Technik, dass jeweils eine Mesa mit einer Elektrode ausgestattet ist oder - umgekehrt formuliert - dass eine Mesa nicht über mehr als eine Elektrode verfügen kann. Ist dem so, lässt dies für den Fachmann ausgehend von der Beschreibung der Offenlegungsschrift und den dort beschriebenen mehreren Elektroden nur den Schluss zu, die in Figur 24 gezeigte Gestaltung verfüge über mehr als eine Mesa. Nachdem die Beschreibung die Zahl der Mesas unerwähnt lässt, zugleich aber ausdrücklich mehrere Elektroden beschreibt, hat der Fachmann jedenfalls keinen Grund zu der Annahme, es werde nur eine Gestaltung mit einer Mesa und einer auf dieser angeordneten Elektrode offenbart.
Nichts anderes gilt für den Fall, dass sich der Fachmann dem Ausführungsbeispiel ausgehend von Figur 24 nähert. Zwar wird der Fachmann erkennen, dass in der Schnittdarstellung unten, anders als in den Figuren 6 bis 10, nicht zwingend eine Mehrzahl von Mesas gezeigt ist. Der Wechsel zwischen erhabenen und flachen Abschnitten resultiert aus dem gewählten Schnitt, der mehrere lochförmige mesageätzte Bereiche umfasst. Jedoch lässt allein die Figur auch nicht den zwingenden Schluss zu, dort sei lediglich eine Mesa gezeigt. Eine solche ist weder in der Draufsicht noch in der Schnittdarstellung klar zu sehen. Was der Fachmann allerdings sieht, sind die Elektroden (140), von denen insgesamt drei zu sehen sind. Zieht der Fachmann davon ausgehend das von der Klägerin selbst geschilderte und unbestritten gebliebene allgemeine Fachwissen heran und geht er vor diesem Hintergrund davon aus, dass im Bereich der LED-Technik stets jede Elektrode einer Mesa zugeordnet ist und eine Mesa nicht mit mehreren Elektroden ausgestattet sein kann, lässt auch Figur 24 für ihn nur einen Schluss zu: Die Figur zeigt nicht eine, sondern mehrere Mesas mit jeweils einer Elektrode. Auch bei einer solchen Betrachtung offenbart Figur 24 daher keine Leuchtdiode mit einer Mesa und einer auf dieser angeordneten reflektierenden Elektrode. Richtet der Fachmann seinen Blick demgegenüber zunächst isoliert auf die Gesamtdarstellung und sieht er davon ausgehend in Figur 24 die Darstellung einer Mesa, wird er sich im Anschluss mit den weiteren Eigenschaften der dargestellten Gestaltung beschäftigen. Spätestens dann fällt sein Blick auf die dargestellten drei Elektroden und er erkennt, dass es sich unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens nicht um die Darstellung einer Mesa handeln kann. Auch bei einer solchen Betrachtung fehlt es
mithin an der Offenbarung einer Mesa mit einer auf ihr angeordneten reflektierenden Elektrode, wie sie Patentanspruch 1 unter Schutz stellt.
II. Die durch die Klägerin formulierten Hilfsanträge verlangen durchweg ebenfalls das Vorhandensein einer Mesa, auf welcher die reflektierende Elektrode angeordnet ist. Sie sind daher von vornherein nicht geeignet, die unzulässige Erweiterung zu beseitigen.
D. Begründetheit der Klage
Die Klage ist unbegründet. Aufgrund der Nichtigkeit des Streitpatents fehlt der Verletzungsklage bereits die Grundlage.
E. Rechtsfolgen
Auf die Nichtigkeitswiderklage ist das Europäische Patent EP 3 223 320 B1 für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, der Italienischen Republik und des Königreichs der Niederlande für nichtig zu erklären.
Die Verletzungsklage ist abzuweisen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (Art. 69 Abs. 1 EPGÜ).
Gemäß Art. 69 Abs. 1 VerfO sind die Kosten bis zu einer gemäß der Verfahrensordnung festgelegten Obergrenze zu tragen. Bei einem Streitwert von 500.000,- EUR sieht die durch den Verwaltungsausschluss am 24. April 2023 auf der Grundlage von R. 152.2 VerfO beschlossene Tabelle eine Obergrenze für die erstattungsfähigen Kosten in Höhe von bis zu 56.000,- EUR vor, die vorliegend sowohl für die Klage als auch die Nichtigkeitswiderklage festzusetzen war. Soweit die Parteien in der mündlichen Verhandlung wechselseitig einen erstattungsfähigen Betrag von 100.000,- EUR als erstattungsfähig anerkannt haben, ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass sich dieser Betrag hälftig auf die Klage und die Nichtigkeitswiderklage verteilt. Er liegt dementsprechend unterhalb der festgesetzten Obergrenze. Gegen die Erstattungsfähigkeit bestehen daher keine Bedenken.
ENTSCHEIDUNG:
- A. Auf die Nichtigkeitswiderklage wird das europäische Patent EP 3 223 320 B1 für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, der Italienischen Republik und des Königreichs der Niederlande für nichtig erklärt.
- B. Die Anträge auf Änderung des Streitpatents werden zurückgewiesen.
- C. Die Verletzungsklage wird abgewiesen.
- D. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- E. Der Streitwert für die Klage und die Nichtigkeitswiderklage wird auf jeweils 500.000,EUR festgesetzt.
- F. Die Obergrenze der erstattungsfähigen Vertretungskosten wird für die Klage sowie für die Nichtigkeitswiderklage auf jeweils 56.000,- EUR festgesetzt.
DETAILS DER ANORDNUNG:
Hauptaktenzeichen ACT_594849/2023 und CC_3555/2024
UPC-Nummer: UPC_CFI_483/2023
Verfahrensart: Verletzungsklage und Nichtigkeitswiderklage
Düsseldorf am 10. Oktober 2024 NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN
Vorsitzender Richter Thomas
Rechtlich qualifizierte Richterin Dr. Thom
Rechtlich qualifizierte Richterin Mlakar
Technisch qualifizierte Richterin Sani
Für den Hilfskanzler Boudra-Seddiki
INFORMATIONEN ZUR BERUFUNG:
Gegen die vorliegende Entscheidung kann durch jede Partei, die ganz oder teilweise mit ihren Anträgen erfolglos war, binnen zwei Monaten ab Zustellung der Entscheidung beim Berufungsgericht Berufung eingelegt werden (Art. 73 (1) EPGÜ, R. 220.1 (a), 224.1 (a) VerfO).
Informationen zur Vollstreckung (Art. 82 EPGÜ, Art. 37 Abs. 2 EPGS, R. 118.8, 158.2, 354, 355.4 VerfO):
Eine beglaubigte Kopie der vollstreckbaren Entscheidung wird vom Hilfskanzler auf Antrag der vollstreckenden Partei ausgestellt, R. 69 RegR.
Anweisung an das Register:
Eine beglaubigte Kopie der Entscheidung ist an das Europäische Patentamt sowie an das Deutsche Patentund Markenamt, an das Institut National de la Propriété Industrielle, an das italienische Patent- und Markenamt sowie an das niederländerische Patentamt zu übermitteln, sobald die Entscheidung zu den Nichtigkeitswiderklagen rechtskräftig geworden ist.
Diese Entscheidung wurde am 10. Oktober 2024 in öffentlicher Sitzung verkündet.
Vorsitzender Richter Thomas