
Lokalkammer München UPC_CFI_292/2023
Entscheidung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts betreffend die Kostenfestsetzung für die Berufungsinstanz erlassen am 11. Oktober 2024
Leitsätze:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Regel 320 EPGVerfO verdrängt in ihrem Anwendungsbereich als lex specialis die allgemeine Regel 9.3 (a) EPGVerfO zur Fristverlängerung.
UPC_CFI_292/2023
ANTRAGSTELLERIN (ANTRAGSGEGNERIN IM KOSTENFESTSETZUNGSVERFAHREN)
SES-imagotag SA , 55 Place Nelson Mandela, 92000 Nanterre, Frankreich
vertreten durch: Alexandre Hoffmann
ANTRAGSGEGNERINNEN (ANTRAGSTELLERINNEN IM KOSTENFESTSETZUNGSVERFAHREN)
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- Hanshow Technology Co. Ltd , Floor 4, Building 1 and Floor 7, Building 5, Jiaxing Guangfu Innovation Park, No. 1288 Kanghe Road, 314031, Jiaxing City, Xiuzhou District, Zhejiang Province, China
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- Hanshow Germany GmbH , Ria-Thiele-Straße 2a, 40549 Düsseldorf, Deutschland
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- Hanshow France SAS , 88 Rue du Dôme, 92100, Boulogne-Billancourt, Frankreich
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- Hanshow Netherlands B.V. , Transformatorweg 86, 1014 AK, Amsterdam, Niederlande
vertreten durch: Roland Küppers
Sachverhalt
Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen wurde in erster Instanz abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung hiergegen am 13. Mai 2024 zurückgewiesen.
Am 18. Juni 2024 und damit mehr als einen Monat später haben die Antragsgegnerinnen beim Berufungsgericht einen Kostenfestsetzungsantrag hinsichtlich der Kosten für die Berufungsinstanz gestellt.
Am 29. Juli 2024 hat das Berufungsgericht den Antrag auf Kostenerstattung in der Berufungsinstanz an den Berichterstatter des Gerichts erster Instanz verwiesen und diesen angewiesen, den 18. Juni 2024 als Datum der Einreichung des Kostenerstattungsantrages beim Gericht erster Instanz gelten zu lassen.
Die Antragsgegnerinnen haben im Kostenfestsetzungsverfahren zuletzt b e a n t r a g t ,
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- die am 13. Juni 2024 abgelaufene Frist zur Beantragung der Kostenfestsetzung rückwirkend um 3 Werktage bis zum 18. Juni 2024 zu verlängern (R. 9.3 (a) VerfO);
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- die im Schriftsatz vom 2. August 2024 unter Ziff. II bezeichneten Kosten der Berufungsinstanz (APL_8/2024, UPC_CoA_1/2024) in Höhe von EUR 131.874,80 gegen die Antragsgegnerin festzusetzen.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass die Antragsgegnerinnen die Monatsfrist gemäß Regel 151 EPGVerfO zur Einleitung des Kostenfestsetzungsverfahrens versäumt haben. Der Antrag auf rückwirkende Fristverlängerung sei unzulässig und unbegründet.
Gründe
Der Antrag auf rückwirkende Fristverlängerung ist als unstatthaft zurückzuweisen. Der Antrag auf Festsetzung der Kosten für die Berufungsinstanz ist wegen Fristversäumnis zurückzuweisen.
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- Die Antragsgegnerinnen haben die in Regel 151 EPGVerfO bestimmte Frist zur Beantragung der Kostenfestsetzung versäumt. Die Antragsgegnerinnen haben beim zuständigen Gericht erster Instanz allerdings den erforderlichen Wiedereinsetzungsantrag nicht gestellt.
Die Lokalkammer kann dahinstehen lassen, ob es nach Regel 9.3 (a) EPGVerfO zulässig ist, dass eine Partei einen Fristverlängerungsantrag erst nach Ablauf der Frist stellt und dementsprechend um rückwirkende Fristverlängerung ersucht; diese Möglichkeit besteht jedenfalls im Falle der Versäumung der Frist für den Antrag auf Kostenfestsetzung nach Regel 151 EPGVerfO nicht.
Im Kostenfestsetzungsverfahren gilt zur Geltendmachung der zu erstattenden Kosten die Monatsfrist nach Regel 151 EPGVerfO. Wird sie versäumt, verliert der Berechtigte das Recht auf Kostenerstattung (so zutreffend Plassmann in Tilmann/Plassmann, Regel 151 EPGVerfO, Rn. 5). Für den Fall, dass eine Partei eine nach der Verfahrensordnung festgelegte Frist versäumt und als unmittelbare Folge des Fristversäumnisses ein Recht (hier: Kostenerstattung) verliert, kann der maßgebliche Spruchkörper des Gerichts auf Antrag dieser Partei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren (Regel 320.1 EPGVerfO). Damit ist die Wiedereinsetzung für den hier vorliegenden Fall (Verlust des Rechts auf Kostenerstattung wegen Fristversäumnis) gegenüber der allgemeinen Regel 9.3 (a) EPGVerfO zur Fristverlängerung der speziellere und damit vorrangige Rechtsbehelf (zur Anwendbarkeit der lex specialis-Regel im Unionsrecht siehe etwa EuGH GRUR 2012, 904). Andernfalls liefe Regel 320 EPGVerfO weitgehend leer. Dies kann mit Blick auf die im Vergleich zu einem Fristverlängerungsantrag nach Regel 9.3 (a) EPGVerfO bestehenden Anforderungen (siehe dazu Regel 320 EPGVerfO) an eine zu gewährende Wiedereinsetzung nicht im Sinne der Verfahrensordnung sein; diese Anforderungen ließen sich leicht umgehen,
wenn man es in das Belieben des Antragstellers stellt, statt eines Wiedereinsetzungsantrages einen Antrag auf (rückwirkende) Fristverlängerung zu stellen.
Einen Wiedereinsetzungsantrag haben die Antragsgegnerinnen beim zuständigen Gericht erster Instanz nicht gestellt.
Soweit die Antragsgegnerinnen mit Schriftsatz vom 18. Juni 2028 und damit innerhalb der Monatsfrist der Regel 320.2 EPGVerfO einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt haben, haben sie diesen beim unzuständigen Berufungsgericht gestellt. Auf die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages beim Gericht erster Instanz haben die Antragsgegnerinnen mit Schriftsatz vom 2. August 2024 bewußt verzichtet.
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- Die Antragsgegnerinnen haben auch die Gebühr für einen Wiedereinsetzungsantrag nicht entrichtet.
Selbst wenn die Antragsgegnerinnen einen Wiedereinsetzungsantrag beim Gericht erster Instanz gestellt hätten oder der beim Berufungsgericht gestellte Wiedereinsetzungsantrag als beim Gericht erster Instanz gestellt behandelt werden könnte, haben es die Antragstellerinnen versäumt, auch die entsprechende Gebühr einzuzahlen (Regel 320.2 EPGVerfO).
Nach Regel 371.1 EPGVerfO ist die Gebühr nach Regel 320.2 EPGVerfO im Zeitpunkt der Einreichung des Wiedereinsetzungsantrages (18. Juni 2024 beim Berufungsgericht) zu entrichten; der Zahlungsnachweis ist zusammen mit dem entsprechenden Schriftsatz oder Antrag einzureichen (Regel 371.2 EPGVerfO). Dies ist nicht geschehen. Damit ist auch der beim Berufungsgericht eingereichte Wiedereinsetzungsantrag mangels Entrichtung der dafür bestimmten Gebühr als nicht eingereicht zu behandeln (Regel 15.2 EPGVerfO). Für dieses Versäumnis wird keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt (Regel 320.5 EPGVerfO).
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- Da der Kostenfestsetzungsantrag nicht fristgerecht gestellt wurde, war er als unzulässig zurückzuweisen.
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- Da die Entscheidung nicht nur die Kostenfestsetzung, sondern auch eine notwendige Wiedereinsetzung betrifft, entscheidet der Spruchkörper (Regel 320.1 EPGVerfO).
Aus den vorgenannten Gründen ergeht durch die Lokalkammer München folgende
Entscheidung
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- Der Antrag auf rückwirkende Verlängerung der Frist zur Beantragung der Kostenfestsetzung für die Berufungsinstanz wird als unstatthaft zurückgewiesen.
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- Der Antrag auf Kostenfestsetzung für die Berufungsinstanz (APL_8/2024, UPC_CoA_1/2024) wird als unzulässig zurückgewiesen.
INFORMATIONEN ZUR BERUFUNG
Gegen die vorliegende Entscheidung kann gemäß Regel 221 Berufung vor dem Berufungsgericht eingelegt werden.
DETAILS DER ENTSCHEIDUNG
UPC-Nummer:
UPC_CFI_292/2023
Verfügungsantrag:
ACT_567009/2023
Antrag auf Kostenerstattung:
App_44953/2024
Dr. Zigann Vorsitzender Richter
Pichlmaier Berichterstatter
Kokke rechtlich qualifizierte Richterin
Schwengelbeck technisch qualifizierter Richter