21 October, 2024
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Order
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ORD_55853/2024
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Luxembourg (LU)
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EP2043492
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R.222.2 VerfO
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EPG -Berufungsgericht UPC_CoA_297/2024 APL_32012/2024 App_55674/2024
ANORDNUNG
des Berufungsgerichts des Einheitlichen Patentgerichts erlassen am 21. Oktober 2024
betreffend einen Antrag auf Vorlage neuer Beweismittel
BERUFUNGSKLÄGERINNEN (UND BEKLAGTE IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GEI)
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- SharkNinja Europe Limited , Leeds, Großbritannien
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- SharkNinja Germany GmbH , Frankfurt am Main, Deutschland
- 1 -2 vertreten durch: Rechtsanwalt Wolrad Prinz zu Waldeck und Pyrmont, Advocate/Solicitor Dr. Christopher Stothers, Rechtsanwalt Kilian Seidel und Rechstanwältin Caroline Horstmann (Freshfields Bruckhaus Deringer)
BERUFUNGSBEKLAGTE (UND KLÄGERIN IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GEI)
Dyson Technology Limited, Malmesbury, Wiltshire, Großbritannien vertreten durch: Rechtsanwältin Dr. Constanze Krenz, und Rechtsanwälte David Kleß und Joschua Fiedler (DLA Piper, München, Deutschland)
STREITPATENT
EP 2 043 492
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
SPRUCHKÖRPER UND ENTSCHEIDENDE RICHTER:
Zweiter Spruchkörper:
Rian Kalden, Vorsitzende Richterin und rechtlich qualifizierte Richterin Ingeborg Simonsson, rechtlich qualifizierte Richterin und Berichterstatterin Patricia Rombach, rechtlich qualifizierte Richterin Graham Ashley, technisch qualifizierter Richter Max Tilmann, technisch qualifizierter Richter
BEANSTANDETE ANORDNUNG DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
□ Datum: 21. Mai 2024, Lokalkammer München
□ Aktenzeichen des Gerichts erster Instanz: UPC_CFI_443/2023; ACT_589207/2023
STREITGEGENSTAND
Antrag auf Zulassung neuer Beweismittel (R.222.2 VerfO).
ANTRÄGE DER PARTEIEN
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- SharkNinja reichte am 10. Oktober 2024 (App_55674/2024) beim Berufungsgericht als neue Beweismittel zwei Anlagen zu einem Schriftsatz des Prozessvertreters von Dyson aus einem Verfahren in den USA (FBD 29) ein. Die Prozessvertreter der SharkNinja machen geltend, sie hätten von dem Schriftsatz nebst Anlagenkonvolut erst am 21. September 2024, einem Samstag, durch eine E-Mail der Prozessbevollmächtigten im US-Verfahren Kenntnis erlangt. Aufgrund von urlaubs- und krankheitsbedingten Abwesenheiten der Prozessbevollmächtigten, einer Vielzahl von Fristen sowie mehreren mündlichen Verhandlungen in dem Zeitraum ab dem 21. September 2024 sei eine frühere Durchsicht, Absprache und Einreichung im hiesigen Verfahren nicht möglich gewesen. SharkNinja ist der Auffassung, der Inhalt des Anlagenkonvoluts FBD 29 sei für die Berufungsentscheidung von Bedeutung, da Dyson dort insbesondere zur Auslegung des Merkmals 'an elongate handle disposed between the airflow generator and the power source and dimensioned and arranged to be gripped by user´s hand' ausführe. Lege man die Auslegung Dysons in dem US-Verfahren auch im hiesigen Verfahren zugrunde, gelange man jedoch richtigerweise zu dem Ergebnis, dass ihr Bestreiten der Offenbarung des Merkmals 'Power Source' im vorliegenden Verfahren als widersprüchlich und unbeachtlich anzusehen sei und bei einer Reihe der von Dyson vorgelegten Dokumente des Standes der Technik die unmittelbare und eindeutige Offenbarung dieses Merkmals als unstreitig angesehen werden müsse. Das Verständnis von Dyson sei deshalb von erheblicher Bedeutung für die Bestimmung des streitigen Offenbarungsgehalts der Entgegenhaltungen Anlage FBD 8 (Gimelli), FBD 9, FBD 10, FBD 11, FBD 20 und FBD 24 (Pifco Vacette) und damit der Beurteilung des Rechtsbestandes, insbesondere der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Streitpatents.
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- Dyson hat von der gerichtlich eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme zu FBD 29 Gebrauch gemacht. Dyson ist der Auffassung, die Beweismittel seien nicht zuzulassen, da sie nicht entscheidungserheblich seien, und unabhängig davon offensichtlich sei, dass der Vortrag früher hätte erfolgen können und stattdessen schuldhaft verzögert worden sei. Zwar möge zutreffen, dass die hiesigen Prozessvertreter erst zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis von dem nunmehr vorgelegten Dokument bzw. den darin enthaltenen Anlagen erhalten hätten. Diese 'interne Verzögerung' falle jedoch in die Risikosphäre von SharkNinja. Die Anlage FBD 29 beziehe sich auf ein schlicht anderes Patent in einem Kontext mit gänzlich verschiedenen rechtlichen Rahmenbedingungen.
GRÜNDE
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- Nach R.222 VerfO können Anträge, Tatsachen und Beweismittel, die eine Partei im Verfahren vor dem Gericht erster Instanz nicht vorgelegt hat, vom Berufungsgericht außer Acht gelassen werden. Bei der Ermessensausübung berücksichtigt das Gericht insbesondere, (a) ob die Partei, die neues Vorbringen einführen möchte, begründen kann, dass dieses im Verfahren vor dem Gericht erster Instanz vernünftigerweise nicht hätten vorgebracht werden können, (b) die Relevanz des neuen Vorbringens
für die Entscheidung über die Berufung; und (c) die Haltung der anderen Partei zur Einführung des neuen Vorbringens.
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- SharkNinja hat nicht überzeugend dargelegt, warum das Vorbringen in dem US-Verfahren für die Entscheidung in diesem Fall von einer solchen Relevanz ist, dass eine Zulassung im Berufungsverfahren bei dem bereits erreichten Verfahrensstand (Termin zur mündlichen Verhandlung ist auf den 31. Oktober 204 bestimmt) zweckmäßig ist. Die Auslegung des Patents obliegt als Rechtsfrage dem Gericht. Es hat dabei vor allem hinsichtlich des Verständnisses des Fachmanns den Sachvortrag der Parteien im Verfahren zu würdigen. Vorbringen der Parteien in anderen Verfahren, das dem Vorbringen im hiesigen Verfahren widerspricht, führt entgegen der Auffassung von SharkNinja nicht dazu, dass das Vorbringen im hiesigen Verfahren als widersprüchlich und unbeachtlich angesehen werden muss. Das Vorbringen bezieht sich im Übrigen auf ein anderes Patent wenngleich mit identischem Anspruchswortlaut.
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- Aus den dargelegten Gründen übt das Berufungsgericht sein Ermessen aus, FBD 29 außer Acht zu lassen.
ANORDNUNG
Das Berufungsgericht lässt das Anlagenkonvolut FBD 29 außer Acht.
Erlassen am 21. Oktober 2024
Rian Kalden, Vorsitzende Richterin und rechtlich qualifizierte Richterin
Ingeborg Simonsson, rechtlich qualifizierte Richterin und Berichterstatterin
Patricia Rombach, rechtlich qualifizierte Richterin
Graham Ashley, technisch qualifizierter Richter
Max Tilmann, technisch qualifizierter Richter
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