
Lokalkammer München
UPC_CFI_98/2024
Entscheidung des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts
erlassen am 24. Oktober 2024
Leitsätze:
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- Ein berechtigtes Interesse an der Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen besteht nicht, wenn der Antrag zurückgenommen wurde. Dies gilt auch im Falle einer Rücknahme nach der mündlichen Verhandlung.
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- Eine Rechtsgrundlage dafür, dass die Antragsgegnerseite im Falle einer Antragsrücknahme ihre Kosten vorläufig selbst trägt, besteht nicht.
Antragstellerin
Tiroler Rohre GmbH
vertreten durch: Florian Robl (Torggler & Hofmann Patentanwälte GmbH & Co KG)
- nachfolgend als 'Antragstellerin' bezeichnet -
BEKLAGTE UND WIDERKLÄGERINNEN
1. SSAB Swedish Steel GmbH
2. SSAB Europe Oy
vertreten durch: Christian Meyer (Maiwald GmbH)
- nachfolgend als 'Antragsgegnerinnen' bezeichnet -
KLAGEPATENT
Patent no. |
Patentinhaberin |
EP 2 839 083 |
Tiroler Rohre GmbH |
RICHTER
Vorsitzender Richter
Dr. Matthias Zigann
Rechtlich qualifizierter Richter
Margot Kokke
Technisch qualifizierter Richter
Berichterstatter
Dennis Kretschmann
Tobias Pichlmaier
VERFAHRENSSPRACHE:
DEUTSCH
VERHANDLUNG:
- MAI 2024
Sachverhalt
Die Antragstellerin hat am 5. März 2024 den Erlass einstweiliger Maßnahmen beantragt; eine Schutzschrift lag vor.
Am 6. Mai 2024 hat die mündliche Verhandlung über den Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen stattgefunden. In der mündlichen Verhandlung hat die Lokalkammer zu erkennen gegeben, dass sie Bedenken hat, die beantragte Anordnung zu erlassen.
Am 3. Juni 2024 hat die Antragstellerin den Antrag zurückgenommen.
Die Antragstellerin hat b e a n t r a g t ,
dass die Parteien Ihre Kosten vorläufig selbst tragen.
Die Antragsgegnerinnen haben der Rücknahme widersprochen und geltend gemacht, ein berechtigtes Interesse an einer Entscheidung zu haben. Dieses bestehe deshalb, weil den Antragsgegnerinnen nicht unerhebliche Kosten und Mühen für die Verteidigung gegen den Verfügungsantrag entstanden seien. Ein berechtigtes Interesse ergebe sich auch daraus, dass die Antragstellerin angekündigt habe, in Kürze Hauptsacheklage zum selben Streitgegenstand zu erheben. Auch wenn die beschränkte Rechtskraft einer Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren einem neuen Verfahren in der Hauptsache nicht entgegenstehe, hätten die Antragsgegnerinnen gleichwohl ein Interesse an der den Verfügungsantrag abweisenden Entscheidung und den hierzu vom Gericht angeführten Gründen.
Die Antragsgegnerinnen haben b e a n t r a g t,
der Antragstellerin die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen, einschließlich der Kosten der Hinterlegung der Schutzschrift (Art. 69 Abs. 1 EPGÜ).
Gründe
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- Ein berechtigtes Interesse der Antragsgegnerin daran, dass das Gericht über den Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen trotz Rücknahme des Antrags nach der mündlichen Verhandlung entscheidet, besteht nicht. Grund hierfür ist, dass durch eine Entscheidung über den Antrag neue Verfahren nicht verhindert werden können, da die Entscheidung insofern keine Rechtskraft entfaltet. Die Rücknahme des Antrags auf Erlass einstweiliger Maßnahmen war daher zuzulassen.
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- Die Tatsache, dass den Antragsgegnerinnen Kosten für die Verteidigung gegen den Verfügungsantrag entstanden sind, ist Gegenstand der Kostenentscheidung, stellt aber ebenfalls kein berechtigtes Interesse im Sinne von Regel 265 Abs. 1 Satz 3 EPGVerfO dar. Ein berechtigtes Interesse an einer Entscheidung in der Sache kann sich auch nicht daraus ergeben, dass die Antragstellerin mittlerweile Hauptsacheklage zum selben Streitgegenstand erhoben hat (ACT_36096/2024; UPC_CFI_324/2024). Eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen hat keinen Einfluss auf die Hauptsacheklage.
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- Durch die Rücknahme ihres Antrages hat sich die Antragstellerin in die Rolle der unterlegenen Partei begeben. Sie hat daher gemäß Art. 69 Abs. 1 EPGÜ die Verfahrenskosten zu tragen.
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- Die Antragstellerin hat antragsgemäß auch die Kosten der Hinterlegung der Schutzschrift zu erstatten; bei diesen handelt es sich um Kosten für eine vorweggenommene Verteidigung und damit um Kosten des Verfahrens im Sinne von Art. 69 EPGÜ.
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- Eine Rechtsgrundlage dafür, dass die Antragsgegnerseite im Falle einer Antragsrücknahme ihre Kosten vorläufig selbst trägt, besteht weder nach dem EPGÜ noch nach der Verfahrensordnung des EPG. Die Antragstellerin hat die Verfahrenskosten endgültig zu tragen, da das Verfahren durch die Zulassung der Antragsrücknahme endgültig beendet ist.
Entscheidung
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- Die Rücknahme des Antrags auf Erlass einstweiliger Maßnahmen wird zugelassen.
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- Das Verfahren wird für beendet erklärt.
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- Es wird angeordnet, dass die Entscheidung in das Register aufgenommen wird.
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- Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Hinterlegung der Schutzschrift trägt die Antragstellerin.
INFORMATIONEN ZUR BERUFUNG
Gegen die vorliegende Entscheidung kann durch jede Partei, die ganz oder teilweise mit ihren Anträgen erfolglos war, binnen zwei Monaten ab Zustellung der Entscheidung beim Berufungsgericht Berufung eingelegt werden (Art. 73 (1) EPGÜ, R. 220.1 (a)).
München, den 24. Oktober 2024
Dr. Zigann Vorsitzender Richter
Kokke Rechtlich qualifizierte Richterin
Pichlmaier Berichterstatter
Kretschmann Technisch qualifizierter Richter