
Lokalkammer München UPC_CFI_114/2024 UPC_CFI_448/2024
Verfahrensanordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts Lokalkammer München erlassen am 14. November 2024
KLÄGERINNEN (ANTRAGSGENERINNEN)
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- Heraeus Electronics GmbH & Co. KG
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- Heraeus Precious Metals GmbH & Co. KG
vertreten durch:
Paul Szynka (CBH)
BEKLAGTE (ANTRAGSTELLERIN)
Vibrantz GmbH
vertreten durch:
Christian Paul (Jones Day)
STREITPATENT
Europäisches Patent Nr. 3 215 288
SPRUCHKÖRPER/KAMMER
Spruchkörper der Lokalkammer München
MITWIRKENDE RICHTER
Diese Anordnung wurde durch den Vorsitzenden Richter Dr. Matthias Zigann als Berichterstatter und die rechtlich qualifizierten Richter Edger Brinkman und Tobias Pichlmaier sowie den technisch qualifizierten Richter Graham Ashley erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
GEGENSTAND
Geheimhaltungsanträge betreffend die Klageerwiderung und die Nichtigkeitswiderklage gem. Regel 262A Verfo
SACHVERHALI
Die Klägerin 1 nimmt die Beklagte wegen behaupteter Verletzung des EP 3 215 288 betreffend Die Beklagte verteidigt sich in der Klageerwiderung u.a. mitdem Einwand eines betrieblichen Vorbenutzungsrechts. In der gegen die Klägerin 2 als noch eingetragene Patentinhaberin gerichteten Nichtigkeitswiderklage macht sie darüberhinausgehend auf der Grundlage des betrieblichen Vorbenutzungsrechts auch eine offenkundige Vorbenutzung geltend. Klageerwiderung und Nichtigkeitswiderklage wurden in einem einheitlichen Dokument zusammengefasst und einmal im Workflow der Klage und einmal im Workflow der Nichtigkeitswiderklage hochgeladen.
Insoweit hat die Beklagte folgende Anträge gem. Regel 262A VerfO und gem. Regel 262.2 VerfO gestellt:
APP 43938: Antrag R2G2A für Klageerwiderung ohne Anlage ASt 1
APP 43942: Antrag R262.2 für Klageerwiderung ohne Anlage ASt 1
APP 43946: Antrag R262A für Klageerwiderung mit Anlage ASt 1
APP 43949: Antrag R262.2 für Klageerwiderung mit Anlage ASt 1
APP 43978: R2G2A für Widerklage mit Anlage ASt 1 Antrag
APP 43979: Antrag R262.2 für Widerklage mit Anlage ASt 1
Zur Begründung differenziert die Beklagte zwischen allgemein bekannten Bereichsangaben der Anteile der Zutaten der von ihr angebotenen Sinterpaste und der vor unbefugtem Zugriff zu schützenden genauen Rezeptur-Informationen. Letztere könnten die Klägerinnen in die Lage versetzen; das Produkt der Beklagten ebenfalls zu produzieren und den gemeinsamen Kunden als identisch anzubieten. Eine Kenntnisnahme durch Mitarbeiter der Klägerin zu 2 sei nicht veranlasst, weil die Klägerin Zu 2 nur aus formalen Gründen als Beklagte der Nichtigkeitswiderklage benannt worden sei.
Zur Glaubhaftmachung hat die Beklagte die eidesstattliche Erklärung des vom 27. Mai 2024 vorgelegt:
Einige der in das Verfahren eingebrachten Anlagen enthalten Verweise auf die Rezepturen unserer Sinterpasten und deren Herstellung, die wir als unser Unternehmens-Know-how sowie Herstellung beruhen auf jahrelanger Erfahrung und Entwicklungstätigkeit unsercs Untemehmens .
Die konkreten exakten Mischungsverhältnisse; die konkret als Komponenten verwendeten Produkte; die Einzelheiten Herstellung und Qualitätssicherung sowie die detaillierte Zusammensetzung des Coatings der Silberpartikel werden üblicherweise nicht an Kunden mitgeteilt. In den sehr Fällen, in denen dies aufgrund einer besonders engen Zusammenarbeit mit wichtigen Kunden für Teile dieser Informationen erforderlich werden Vertraulichkeitsvereinbarungen abgeschlossen; um ein Öffentlichwerden der Rezepturen und Herstellungsverfahren auch nur in Teilen verhindern. Würden diese Angaben an den Hcracus-Konzern offengelegt werden; so wäre Heraeus in der Lage; unsere Produkte exakt zu kopieren. Da unser Untemnehmen auf dem Markt der Sinterpasten in direktem Wettbewerb mit Heraeus steht; würde das unsere Marktposition erheblich beeinträchtigen; bis hin zu einem Verlust dieses Marktsegments. wenigen ist,
Zum Schutz der oben genannten Informationen wendet unser Unternehmen mehrere Maßnahmen an, um sie als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu schützen. Mitarbeiter sind über ihren Arbeitsvertrag zur Vertraulichkeit verpflichtet. Die Rezepturen sind nur einem begrenzten Personenkreis bekannt. Der Zugriff auf Daten aus dem SAP-System ist beschränkt. Ein Zugriff auf unsere IT-Systeme ist nur für berechtigte Mitarbeiter möglich.
Die Klägerinnen bestreiten zum Teil die Schutzbedürftigkeit der vom Antrag erfassten Informationen. Sie machen geltend, dass ihnen Teile der Informationen bereits in nationalen Verfahren ohne Geheimhaltungsmaßnahmen zur Kenntnis gelangt seien. Im Übrigen sei der Vortrag der Beklagten zu den bislang ergriffenen Geheimhaltungsmaßnahmen nicht hinreichend. Jedenfalls sei auf Seiten der Klägerinnen fünf namentlich benannten natürlichen Personen der Zugang zu gewähren.
Die Beklagten halten die Beschränkung des Zugangs auf nur eine natürliche Person für geboten. Denn es sei den Klägerinnen im Rahmen der Abwägung zuzumuten, eine einzige natürliche Person Einblick in die ungeschwärzten Rezeptur-Informationen nehmen zu lassen, während alle übrigen benannten Personen mit den minimal geschwärzten Dokumenten und den öffentlich verfügbaren Informat ionen zur 'Ausfüllung der Schwärzungen' arbeiten könnten.
Mit Anordnungen vom 29. Juli 2024 und 25. September 2024 hat der Berichterstatter vorläufig Geheimnisschutz wie beantragt angeordnet.
ANTRÄGE DER PARTEIEN
Die Beklagte beantragt zuletzt (Schriftsatz vom 25. September 2024):
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- Die in der ungeschwärzten Fassung der Klageerwiderung rot markierten Textstellen sowie die ungeschwärzten Fassungen der Anlagen JD 31, JD 40, JD 49, JD 55 und JD 60 werden als geheimhaltungsbedürftig eingestuft.
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- Auf Seiten der Antragsgegnerinnen dürfen den Inhalt der Informationen nach Ziffer 1 nur zur Kenntnis nehmen:
- a. die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen im vorliegenden Verfahren,
- b. deren Hilfspersonen (einschließlich Experten sowie ihrer Teammitglieder), und
- c. ein zuverlässiger, namentlich vorab zu benennender Vertreter der Antragsgegnerin zu 1).
Hilfsweise zu c:
- d. ein zuverlässiger, namentlich vorab zu benennender gemeinsamer Vertreter der Antragsgegnerin zu 1) und 2).
Die unter Ziffer 2 genannten Personen werden verpflichtet, die vertraulichen Informationen nach Ziffer 1 über das Verfahren hinaus auch gegenüber den Antragsgegnerinnen streng vertraulich zu behandeln. Die Informationen nach Ziffer 1 sind insbesondere in der Sphäre der Antragsgegnerinnen gegen Zugriff anderer Personen zu sichern und dürfen nicht außerhalb dieses Gerichtsverfahrens verwendet oder offengelegt werden. Die Geheimhaltungsverpflichtung gilt nicht, soweit die vorgenannten Personen nachweislich von den als geheimhaltungsbedürftigen Informationen außerhalb des vorliegenden Verfahrens rechtmäßig Kenntnis erlangt haben und sich im Rahmen der ggf. mit dieser anderen Kenntniserlangung verbundenen Beschränkungen, insbesondere solchen Beschränkungen aus vertraglichen Geheimhaltungsvereinbarungen, halten.
Die Antragsgegnerinnen haben durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die dieser Vertraulichkeitsanordnung unterliegenden Informationen vertraulich bleiben und nicht außerhalb dieses Verfahrens verwendet werden.
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- Die Verpflichtung nach Ziffer 2 gilt auch nach Abschluss dieses Verfahrens fort, wobei dies nicht gilt, wenn das Gericht die Geheimhaltungsbedürftigkeit dieser Informationen durch rechtskräftige Entscheidung oder Anordnung verneint hat oder sobald die streitgegenständlichen Informationen für Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit solchen Informationen umgehen, bekannt oder ohne Weiteres zugänglich werden.
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- Für jeden schuldhaften Verstoß gegen diese Geheimhaltungsanordnung wird die Verhängung eines Zwangsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht.
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- Für den Fall der Erörterung dieses Sachvortrages in der Zwischenanhörung undloder der mündlichen Verhandlung wird angeordnet; dass
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a. die Öffentlichkeit wegen Gefährdung schutzwürdiger Interessen der Parteien für diesen Teil der Zwischenanhörung undloder mündlichen Verhandlung gemäß Art. 45 EPGÜiVm. R. 115 VerfO ausgeschlossen wird, soweit geheimhaltungsbedürftige Informationen erörtert werden; die bei der Zwischenanhörung undloder mündlichen Verhandlung anwesenden Personen einschließlich der Parteivertreter, ihrer Prozessbevollmächtigten und der zur Mitwirkung an dem Rechtsstreit bestellten Patentanwälte werden verpflichtet; Ausführungen und Tatsachen; welche geheimhaltungsbedürftige Informationen betreffen; gegenüber Dritten geheim halten; und vorbehaltlich der Anordnungen in Ziffer 3 nur zum Zweck der Prozessführung im vorliegenden Verfahren zu verwenden;
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b. die Öffentlichkeit für einen Teil der Verkündung der Urteilsgründe ausgeschlossen wird; soweit geheimhaltungsbedürftige Informationen erörtert werden:
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6 Die geheimhaltungsbedürftigen Informationen nach Ziffer werden von der Akteneinsicht durch Dritte ausgeschlossen und vor der Veröffentlichung der Urteilsgründe oder sonstiger Bekanntmachungen geschwärzt.
Die Klägerinnen beantragen (Schriftsätze vom 16. August 2024 und 7. Oktober 2024):
- 1 Die Anträge der Antragstellerin vom 29.07.2024 werden zurückgewiesen.
- 2 Hilfsweise zu 1.: Ziff. 2 wird dahingehend abgeändert und neu gefasst; dass:
- a) Satz 1 (konkrete Benennung der Kenntnisträger in den lit. a. d.) gestrichen wird und in Satz 2 die Formulierung unter Ziffer 2 genannten Personen" ersetzt wird durch die Parteien; ihre Prozessbevollmächtigten; deren Hilfspersonen (einschließlich Experten sowie ihrer Teammitglieder) , Zeugen; andere Vertreter und alle anderen in den vorliegenden Verfahren beteiligten Personen; die Zugriff zu den streitgegenständlichen Informationen haben
- b) Hilfsweise zu 1.
- a): Seitens der Antragsgegnerinnen dürfen von den geheimhaltungsbedürftigen Informationen zunächst folgende Vertreter i.S.d. Ziff. 2.c. Kenntnis nehmen:
- c) klargestellt wird, dass die Geheimhaltungsverpflichtung sich nicht auf Informationen erstreckt; von denen die betroffenen Personen auf andere Weise rechtmäßig Kenntnis erlangt haben;
- d) die Zugriffssicherung in der Sphäre der Antragsgegnerinnen im Umfang des Üblichen und Zumutbaren erfolgt.
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- Hilfsweise zu 1.: Ziff. 4 wird dahingehend abgeändert; dass das Zwangsgeld bis zu maximal € 50.000,- beträgt.

GRÜNDE
- 1 Regel 262A VerfO regelte den Schutz vertraulicher Informationen wie folgt:
- 1 Unbeschadet des Artikels 60 Abs. 1 des Übereinkommens und der Regeln 190.1, 194.5, 196.1 197.4, 199.1, 207.7,209.4,315.2 und 365.2 kann eine Partei beim Gericht einen auf Erlass einer Anordnung stellen; den Zugriff auf bestimmte in ihren Schriftsätzen enthaltene Informationen oder die Erhebung und Verwendung von Beweisen im Verfahren einzuschränken oder für unzulässig zu erklären oder den Zugang zu solchen Informationen oder Beweismitteln auf bestimmte Personen zu beschränken: Antrag
- 2 In dem muss begründet werden, weshalb der Antragsteller die Einschränkung des Zugangs den betreffenden Informationen oder Beweismitteln gemäß Artikel 58 des Übereinkommens für erforderlich hält. Antrag
- 3 Der Antrag ist bei Einreichung des Dokuments Zu stellen; das die Informationen oder Beweismittel enthält, und ihm ist eine Kopie des betreffenden unbearbeiteten Dokuments sowie gegebenenfalls eine Kopie des bearbeiteten Dokuments beizufügen.
- 4 Vor dem Erlass einer Anordnung fordert das Gericht die Vertreter der anderen Parteien zu einer schriftlichen Stellungnahme auf.
- 5 Das Gericht kann dem insbesondere dann stattgeben; wenn die von dem Antragsteller angeführten Gründe für die Anordnung das Interesse der anderen Partei an einem uneingeschränkten Zugang zu den betreffenden Informationen oder Beweismitteln beträchtlich überwiegen: Antrag
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- Die Zahl der in Absatz 1 in Bezug genommenen Personen darf nicht größer sein als für die Einhaltung des Rechts der Verfahrensparteien auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren erforderlich und muss mindestens eine natürliche Person jeder Partei sowie die jeweiligen Anwälte oder Vertreter dieser Verfahrensparteien umfassen.
- 7 Der Kanzler unternimmt in Bezug auf den Zugang zu Beweismitteln sobald wie möglich alle sind.
Wie Ziffer 5 zu entnehmen ist, hat das Gericht selbst dann eine Abwägung vorzunehmen; wenn nachweislich geheimhaltungsbedürftige Details Gegenstand eines Antrages sind. Denn es sind das Geheimhaltungsbedürfnis sowie die prozessualen Rechte beider Parteien gegeneinander abzuwägen: In jedem Fall muss für jede Partei mindestens einer natürlichen Person Zugang gewährt werden.
- II. Vorliegend ist zwischen den Parteien als unstreitig Zu behandeln; dass Angaben zum Glührückstand geheimhaltungsbedürftig sind. Denn die Klägerinnen haben insoweit vorgetragen; dass mit Blick auf diese Information ein Geheimhaltungsbedürfnis nicht auszuschließen sei (Schriftsatz vom 7 Oktober 2024, 5). Im Übrigen erachtet der Berichterstatter die Geheimhaltungsbedürftigkeit auch der übrigen Details der Rezeptur als nachgewiesen. Insoweit ist auf die eidesstattliche Erklärung des vom 27. Mai 2024 zu verweisen. Soweit die Klägerinnen in Bezug auf einzelne Offenbarungen dieser Details in nationalen Verfahren verweisen, wird dem durch den Disclaimer in Ziffer 3.f der Anordnung Rechnung getragen.
- III. Wie Regel 262A.5 VerfO zu entnehmen ist; hat das Gericht selbst dann eine Abwägung vorzunehmen, wenn nachweislich geheimhaltungsbedürftige Details Gegenstand eines Antrages sind. Denn es sind das Geheimhaltungsbedürfnis sowie die prozessualen Rechte
beider Parteien gegeneinander abzuwägen. Die Anordnung von Geheimhaltungsmaßnahmen sowie die Beschränkung des Zugangs behindert die betroffene Partei in ihrer Prozessführung. In jedem Fall muss für jede Partei mindestens einer natürlichen Person Zugang gewährt werden.
Insoweit ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Offenbarung der Details der Zutaten im Rahmen der Widerklage offensichtlich nicht notwendig war. Die Klageerwiderung sowie die Widerklage hätten in getrennten Schriftsätzen eingereicht werden können. Aber auch im Rahmen der Klageerwiderung war die Offenbarung der Details der Zutaten nicht zwingend geboten. Die Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass der Klägerin eine Verteidigung gegen den Einwand des Vorbenutzungsrechts auf der Grundlage (nur) der Näherungswerte möglich sei (Schriftsatz vom 17. Oktober 2024, Rn. 8):
'Hinzu tritt, dass die Antragsgegnerin im vorliegenden Schriftsatz den Unterschied der exakten Rezepturinformationen zu den öffentlich verfügbaren Informationen kleinredet und die Auffassung vertritt, auf die Unterschiede komme es nicht an. Dieses Argument spricht hier gegen sie, da ihr die Verteidigung sehr wohl, wie bereits im letzten Schriftsatz vorgetragen (siehe Schriftsatz vom 25. September 2024, S. 9 Rn. 23), auf Grundlage der öffentlich verfügbaren Informationen möglich ist und hierfür eine Preisgabe der exakten Rezeptur der vorbenutzten Sinterpasten nicht erforderlich ist. Die Näherung auf wenige Prozent reicht unstreitig aus.'
Wenn dies so richtig ist, dann war es aber auch für die Beklagte nicht zwingend notwendig, die Details der Zutaten in der Klageerwiderung zu offenbaren. Es kann offenbleiben, ob ein Antrag dahingehend, die Details der Zutaten wieder aus dem Verfahren zurückzuziehen, möglich ist, denn die Beklagte hat einen solchen Antrag nicht gestellt. Mithin ist in die Abwägung einzustellen, dass die Beklagte die Informationen ohne Not in das Verfahren gegeben und dort belassen hat.
Ergebnis dieser Abwägung ist, dass Geheimnisschutz mit Zugangsbeschränkung zu gewähren ist, allerdings ist den von den Klägerinnen benannten Personen Zugang zu gewähren. Da die Beklagte ihre Argumentation zum Vorbenutzungsrecht nach eigenen Angaben auch ohne die Details der Zutaten hätte führen können, erscheint es im Rahmen eines dennoch angeordneten Geheimhaltungsregimes nicht geboten, die Auswahl der Klägerinnen in Bezug auf den Kreis der zugangsberechtigten Personen nach Anzahl und Individuen zu begrenzen. Die Beklagte hat auch keine konkreten Umstände vorgetragen, die an der Zuverlässigkeit der fünf von den Klägerinnen benannten Personen zweifeln lassen würden. Solche Zweifel ergeben sich insbesondere nicht schon aus der Berufsbezeichnung ' Head of Market Strategy and Development . '
Die von den Klägerinnen gewünschte Einschränkung ' im Umfang des Üblichen und Zumutbaren ' ist unbestimmt und daher nicht aufzunehmen. Inhaltlich ändert sich dadurch allerdings nichts. Denn eine genauere Definition der erforderlichen Schutzmaßnahmen ist ohnehin erst im Rahmen der Prüfung des Verschuldens nach einem geltend gemachten Verstoß möglich. Mithin ergeben sich keine anderen oder geringeren Sorgfaltsanforderungen.
Die Zwangsgeldandrohung von bis zu 250.000,00 Euro ' ' benachteiligt keine der Parteien. Ohnehin ist erst bei Prüfung und Bewertung des Verschuldens im Falle eines Verstoßes eine genauere Festlegung möglich. Insoweit wird auch mit zu berücksichtigen sein, dass die Offenbarung der Details der Zutaten in Klageerwiderung und Widerklage durch die Beklagte vorliegend ohne Not erfolgt ist.
Eine Entscheidung über Anträge in Bezug auf die Öffentlichkeit (Regel 262.2 VerfO) ist derzeit nicht veranlasst
Die Kammer behält sich eine Überprüfung dieser Anordnungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor.
Im Rahmen der Geheimhaltungsanträge zur Widerklage ergeben sich keine abweichenden Gesichtspunkte.
Die Berufung ist nicht zuzulassen; weil keine über die Details des vorliegenden Einzelfalls hinausgehenden Rechtsfragen zu entscheiden sind.
ANORDNUNG
- 1 Die vorläufigen Anordnungen des Berichterstatters vom 29. Juli 2024 und 25. September 2024 werden aufgehoben; soweit sie über die nachfolgenden Anordnungen hinausgehen:
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- Die in der ungeschwärzten und verbesserten Fassung der Klageerwiderung sowie der Widerklage rot markierten Textstellen sowie die ungeschwärzten Fassungen der Anlagen JD 31, JD 40, JD 49, JD 55 und JD 60 werden als geheimhaltungsbedürftig eingestuft.
- 3 Auf Seiten der Klägerinnen (Antragsgegnerinnen) dürfen den Inhalt der Informationen nach
- a die Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen (Antragsgegnerinnen) im vorliegenden Verfahren;
- b deren Hilfspersonen (einschließlich Experten sowie ihrer Teammitglieder), und
- c. zunächst folgende weitere Personen:
- d Die Klägerinnen dürfen die Einbeziehung weiterer Personen beantragen, falls erst zu einem späteren Zeitpunkt offenbar wird, dass dies für eine zweckmäßige Rechtsverfolgung notwendig ist.
- e Die genannten Personen werden verpflichtet; die vertraulichen Informationen nach Ziffer 2 über das Verfahren hinaus auch gegenüber den Klägerinnen (Antragsgegnerinnen) streng vertraulich zu behandeln. Die Informationen nach Ziffer 2 sind insbesondere in der Sphäre der Klägerinnen (Antragsgegnerinnen) gegen Zugriff anderer Personen zU sichern und dürfen nicht außerhalb dieses Gerichtsverfahrens verwendet oder offengelegt werden.
- f.Die Geheimhaltungsverpflichtung gilt nicht; soweit die vorgenannten Personen nachweislich von den als geheimhaltungsbedürftigen Informationen außerhalb des vorliegenden Verfahrens rechtmäßig Kenntnis erlangt haben und sich im Rahmen der ggf. mit dieser anderen Kenntniserlangung verbundenen Beschränkungen, insbesondere solchen Beschränkungen aus vertraglichen Geheimhaltungsvereinbarungen; halten:
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- Die Klägerinnen (Antragsgegnerinnen) haben durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die dieser Vertraulichkeitsanordnung unterliegenden Informationen vertraulich bleiben und nicht außerhalb dieses Verfahrens verwendet werden.
(1) IP Managerin
(2)
Syndikuspatentanwalt; Team Leader IP
Head of Market Strategy and Development
(4) Senior Engineer
(5) Technical Solutions Manager
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- Die Verpflichtung nach Ziffer 3 gilt auch nach Abschluss dieses Verfahrens fort, wobei dies nicht gilt, wenn das Gericht die Geheimhaltungsbedürftigkeit dieser Informationen durch rechtskräftige Entscheidung oder Anordnung verneint hat oder sobald die streitgegenständlichen Informationen für Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit solchen Informationen umgehen, bekannt oder ohne Weiteres zugänglich werden.
-
- Für jeden schuldhaften Verstoß gegen diese Geheimhaltungsanordnung wird die Verhängung eines Zwangsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht.
-
- Im Übrigen werden die Anträge der Parteien zurückgewiesen.
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- Eine Überprüfung dieser Anordnungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung bleibt vorbehalten.
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- Die Ziffern 1 bis 7 gelten ab Eintritt der Rechtskraft dieser Anordnung.
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- Die Berufung wird nicht zugelassen.
INFORMATION ÜBER DIE BERUFUNG, WENN ES SICH UM EINE ANORDNUNG NACH ART. 73 (2) (B) EPGÜ HANDELT:
Gegen die vorliegende Anordnung kann entweder
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- durch jede Partei, die ganz oder teilweise in ihren Anträgen erfolglos war, zusammen mit der Berufung gegen die Endentscheidung des Gerichts erster Instanz in der Hauptsache Berufung eingelegt werden, oder
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- nach Zulassung der Berufung durch das Gericht erster Instanz binnen 15 Tagen nach Zustellung der entsprechenden Entscheidung Berufung durch jede Partei, die ganz oder teilweise in ihren Anträgen erfolglos war, eingelegt werden (Art. 73 (2) (b) EPGÜ, R. 220.2, 224.1 (b) VerfO).
DETAILS DER ANORDNUNG
Anordnung Nr. ORD_44025/2024 im VERFAHREN NUMMER: ACT_13227/2024
UPC Nummer: UPC_CFI_114/2024
Art des Vorgangs:
Verletzungsklage
Nr. des dazugehörigen Verfahrens Antragsnr.:
43938/2024
Art des Antrags:
APPLICATION_ROP262A
Anordnung Nr. ORD_61128/2024 im VERFAHREN NUMMER: ACT_13227/2024 UPC Nummer: UPC_CFI_114/2024
Art des Vorgangs:
Verletzungsklage
Nr. des dazugehörigen Verfahrens Antragsnr.:
43946/2024
Art des Antrags:
APPLICATION_ROP262A
Anordnung Nr. ORD_61130/2024 im VERFAHREN NUMMER: ACT_13227/2024
UPC Nummer: UPC_CFI_448/2024
Art des Vorgangs:
Verletzungsklage
Nr. des dazugehörigen Verfahrens Antragsnr.:
43978/2024
Art des Antrags:
APPLICATION_ROP262A
Unterzeichnet in München am 14. November 2024
Dr. Zigann Vorsitzender Richter und Berichterstatter |
Brinkman Rechtlich qualifizierter Richter |
Pichlmaier Rechtlich qualifizierter Richter |
Ashley Technisch qualifizierter Richter |