
Lokalkammer München UPC_CFI_791/2024
Verfahrensanordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts Lokalkammer München erlassen am 11. Dezember 2024
LEITSÄTZE:
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- Art. 32 (1) a), c) EPGÜ eröffnen die sachliche Zuständigkeit des EPG für den Erlass einstweiliger Maßnahmen, mit denen ein Antragsteller um Rechtsschutz vor drohenden (ausländischen) Prozessführungs- und/oder Vollstreckungsverboten nachsucht.
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- Ein (ausländisches) Prozessführungs- und/oder Vollstreckungsverbot verstößt gegen den allgemeinen europäischen Justizgewährungsanspruch (Art. 47 EU-Charta). Die Verbote stehen auch im Widerspruch zum deutschen Justizgewährungsanspruch gem. Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 4 GG und sind als unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zu qualifizieren.
KEYWORDS:
ASI; AEI; AASI; AAEI
ANTRAGSTELLERIN
Huawei Technologies Co. Ltd
Bantian Huawei Base Longgang District Shenzhen, 518129 China gesetzlich vertreten durch Frau Zhao Minglu
vertreten durch:
Dr. Tobias J. Hessel (Clifford Chance); Christian Harmsen (Bird&Bird)
ANTRAGSGEGNERINNEN
1) Netgear Inc.
350 E Plumeria Dr, San Jose, CA 95134, Vereinigte Staaten von Amerika gesetzlich vertreten durch den Vorstand (Board of Directors), dieser wiederum vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden (Chief Executive Officer) Charles Prober
Inländische Zustelladresse:
Zweigniederlassung der Antragsgegnerin zu 3):
Netgear Deutschland GmbH, Konrad-Zuse-Platz 1, 81829 München, Deutschland
2) Netgear International Limited
6th Floor, Penrose Two, Penrose Dock, T23YY09, Cork, Irland gesetzlich vertreten durch die Geschäftsführer Fiona Spratt, Bryan Murray, Michael Falcon
3) Netgear Deutschland GmbH
Konrad-Zuse-Platz 1, 81829 München gesetzlich vertreten durch die Geschäftsführer Bryan Douglas Murray, Kisten Joy Daru und Jörg Lösche
vertreten durch:
…
STREITPATENTE
Europäische Patente Nr. 3 611 989 und 3 678 321.
SPRUCHKÖRPER/KAMMER
Spruchkörper 1 der Lokalkammer München.
MITWIRKENDE RICHTER
Diese Anordnung wurde durch den Vorsitzenden Richter Dr. Matthias Zigann als Einzelrichter gem. Regel 208.2 VerfO erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch.
GEGENSTAND
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Maßnahme -R. 206 ff. VerfO
GEHEIMHALTUNG
Die in der ungeschwärzten Fassung grau hinterlegten Textstellen und in der geschwärzten Fassung mit [geschwärzt] gekennzeichneten Textstellen betreffen die Verhandlungshistorie zwischen den Parteien und unterliegen in den Hauptverfahren Beschlüssen gem. Regel 262A VerfO bzw. sind dort Gegenstand von Anträgen gem. Regel 262.2 VerfO. Insoweit haben beide Parteien übereinstimmend eine Schutzbedürftigkeit vorgetragen. Im vorliegenden Verfahren wurde ebenfalls ein Antrag nach Regel 262.2 VerfO gestellt (APP_65188/2024). Das Gericht hat daher hier wie dort eine Schutzbedürftigkeit angenommen. Im Falle eines Antrages gem. Regel 262.3 VerfO wird dies erneut zu überprüfen sein.
SACHVERHALT
Die Antragstellerin mit Sitz in China ist eingetragene Inhaberin u.a. der Europäischen Patente 3 611 989 und 3 678 321. Beide Patente wurden von der Antragstellerin als essentiell für den WiFi-6-Standard erklärt.
Die Antragsgegnerin zu 1) ist ein Unternehmen mit Sitz in den USA, das Netzwerkprodukte für den Privat- und Geschäftsbedarf herstellt und vertreibt. Mit Einführung des neuen Wi-Fi 6Standards bietet die Antragsgegnerin zu 1) insbesondere für Privatanwender eine Vielzahl von Produkten an (u.a. Router, Modems, Mesh-Systeme, Switches, Repeater etc.), die sie prominent für die Nutzung von Wi-Fi 6 bewirbt (siehe unter: https://www.netgear.com/de/home/discover/wifi6/). Auf ihrer Webseite betont die Antragsgegnerin zu 1) die Vorteile, die Wi-Fi 6 ihren Produkten bringt, und bewirbt diese Vorteile von Wi-Fi 6 ausdrücklich als "die größte WLANRevolution aller Zeiten'.
Die Antragsgegnerin zu 2) ist ein Tochterunternehmen der Antragsgegnerin zu 1) mit Sitz in München und ist für das deutsche Geschäft, einschließlich des Vertriebs von Produkten in Deutschland, verantwortlich.
Die Antragsgegnerin zu 3) ist ebenfalls ein Tochterunternehmen der Antragsgegnerin zu 1) mit Sitz in Irland, die den Online-Shop für das deutsche Geschäft betreibt.
Die Antragstellerin wies die Antragsgegnerin zu 1) erstmals per E-Mail vom 9. Juli 2020 auf die Verletzung ihrer standardessentiellen Wi-Fi 6-Patente hin und lud sie zu Lizenzverhandlungen ein.
Auf diesen vorgerichtlichen Verletzungshinweis haben die Antragsgegnerinnen nicht geantwortet, genauso wenig wie auf sechs weitere Verletzungshinweise, der letzte datierend auf den 11. Januar 2022.
Die Antragstellerin hat daher am 2. März 2022 Patentverletzungsklagen wegen Verletzung des EP 3 337 077 und des EP3 143 741 beim Landgericht Düsseldorf erhoben. Erstmalig nach Klageerhebung meldeten sich die Antragsgegnerinnen bei der Antragstellerin.
Die Antragstellerin erhob schließlich am 1. Juni 2023 Klage vor dem Einheitlichen Patentgericht.
Das EP 3 611 989 B1 ist Gegenstand des vor der hiesigen Lokalkammer unter dem Aktenzeichen UPC_CFI_9/2023 (EP 989) geführten Verfahrens mit gleichem Rubrum, dessen mündliche Verhandlung am 30.10.2024 stattgefunden hat. Ein Verkündungstermin ist in diesem Verfahren für den 18.12.2024 anberaumt.
Das EP 3 678 321 ist nach einer Abtrennung Gegenstand des vor der hiesigen Lokalkammer unter dem Aktenzeichen UPC_CFI_168/2024 (EP 321) geführten Verfahrens mit gleichem
Rubrum. Die mündliche Verhandlung ist für den 25.03.2025 anberaumt, vorausgehend eine Zwischenanhörung am 16.01.2025.
Nach weiteren fruchtlosen Verhandlungen hat die Antragstellerin 2024 weitere Klagen vor dem Landgericht München I wegen Verletzung des EP 3 334 112 und EP 3 937 445 erhoben.
Die einzelnen Verhandlungsschritte und Klageerhebungen können der Anlage AST 2 entnommen werden.
Weiter führt die Antragstellerin gegen die Antragsgenerinnen ein Patentverletzungsverfahren in China. Der Jinan Intermediate People's Court erließ in diesem Verfahren bereits ein erstinstanzliches Urteil, wonach die Antragsgegnerinnen zwei der Wi-Fi-6-Patente der Antragstellerin verletzen und wonach die Antragstellerin anders als die Antragsgegnerinnen FRAND-gemäß gehandelt hat. Dementsprechend verurteilte das chinesische Gericht die Antragsgegnerinnen zur Unterlassung. Die Antragsgegnerinnen legten Berufung ein.
VORBRINGEN DER ANTRAGSTELLERIN
Die Antragstellerin trägt vor, dass die Antragsgegnerinnen die Streitigkeiten zwischen den Parteien durch Erhebung einer Kartellrechtsklage in den USA weiter eskaliert hätten. Sie hätten diese Klage am 30. Januar 2024 beim US District Court, Central District of California erhoben (Case No. 2:24-cv-00824-AB (AJRx)) und dort vorgetragen, dass die Antragstellerin den relevanten Wi-Fi-Technologiemarkt rechtswidrig monopolisiere (Anlage AST 3).
Die Antragstellerin trägt weiter vor, sie habe am 4. Dezember 2024 erstmals Kenntnis von einem ASI/AEI-Antrag der Antragsgegnerin zu 1) im Zusammenhang mit dieser Kartellrechtsklage vom gleichen Tag (Anlage AST4) erlangt. Der Antrag sei ihr aber noch nicht offiziell zugestellt worden.
[geschwärzt]
Übersetzt:
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Übersetzt:
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Der Antrag vom 4. Dezember 2024 sei darauf gerichtet, der Antragstellerin die Möglichkeit nehmen, ihre Patentrechte betreffend den Wi-Fi 6-Standard vor den zuständigen Lokalkammern des EPG im Geltungsbereich des EPGÜ durchzusetzen und habe folgenden Wortlaut:
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Übersetzt:
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Es sei obergerichtlich gesicherte Rechtsprechung jedenfalls in Deutschland, dass die Beantragung einer solchen Anti-Enforcement Injunction bzw. Anti-Suit-Injunction rechtswidrig sei. Denn dies stelle einen (drohenden) rechtswidrigen Eingriff in die eigentumsähnlichen Patentrechte des Betroffenen im Inland dar, §§ 1004 Abs. 1 (analog), 823 Abs. 1 BGB (OLG München, Urt. v. 12. Dezember 2019, Az. 6 U 5042/19 = GRUR 2020, 379 sowie Urt. v. 12. Dezember 2019, Az. 6 U 5689/19 -vorgehend bereits ebenso LG München I, Urt. v. 30. August 2019, Az. 21 O 9512/19 sowie Urt. v. 2. Oktober 10302396210-v1 18 / 26 40410473772019, Az. 21 O 9333/19 = BeckRS 2019, 25536; weiter LG München I, Endurteil v. 25. Februar 2021, Az. 7 O 14276/20 = BeckRS 2021, 3995 Rz. 120; LG München I, Beschluss v. 30. Juni 2021, Az. 21 O 8690/21). Die Antragstellerin gehe davon aus, dass ein Antrag auf
Erlass einer Anti-Suit-Injunction auch in anderen Europäischen Jurisdiktionen rechtswidrig sei, auch wenn es dort, soweit erkennbar, noch keine Rechtsprechung dazu gebe.
Es sei europäisches und deutsches Recht anwendbar. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts ergebe sich aus Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO. Aus der Gesamtheit der Umstände bei einer ein europäisches Patent betreffenden ASI ergebe sich zwar keine offensichtlich engere Verbindung mit einem bestimmten Staat. Allerdings ergebe sich eine enge Verbindung mit einem bestimmten Übereinkommen, nämlich dem Europäischen Patentübereinkommen, da dieses die Grundlage für die Erteilung der Europäischen Patente bilde, deren Wirkung mit einer ASI oder AEI gerade ausgehebelt werden solle. Es liege daher nahe, das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Patentorganisation gem. Art. 6 I EPÜ ihren Sitz habe, d.h. in München. Im Ergebnis sei damit auf die gleichen Rechtsgrundlagen zurückzugreifen, die für Patentstreitverfahren vor den deutschen Gerichten angewendet und diskutiert worden seien. Die Wahl des gleichen Rechts für alle gestellten Anträge auf ASI oder AEI -entweder durch die unmittelbare Anwendung des Art. 32, 62 I, 63 EPGÜ oder durch die Anwendung der Anspruchsgrundlagen aus dem deutschen Recht über Art. 4 III Rom II-VO -erleichtere in jedem Falle eine einheitliche Entscheidungspraxis (vgl. Vissel/Kau: Rumble in the Jungle -Ein Weg aus dem Anti(n)-Suit-Injunction Dickicht, S. 454; Kiefer/Walesch Mitt 2022, 97). Der Antrag auf Erlass einer Anti-Suit Injunction / Anti-Enforcement Injunction stelle zudem einen eklatanten Eingriff in die deutsche Justizhoheit, die richterliche Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG), das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG und den verfassungsmäßig garantierten Justizgewährungsanspruch (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG) dar. Nicht Antragsgegnerinnen und auswärtige Gerichte, sondern allein das EPG entscheide kraft eigener Hoheitsrechte über seine Zuständigkeit zur Entscheidung der ihm vorgelegten Sachverhalte. Ein Betroffener dürfe sich hiergegen effektiv zur Wehr setzen, und zwar mit einem Antrag wie dem hiesigen (sog. AntiAnti-Suit-Injunction, AASI), welcher den Antragsgegnerinnen aufgibt, diesen rechtswidrigen Eingriff zu unterlassen bzw. abzustellen (OLG München, GRUR 2020, 379 Rz. 58 ff.; LG München I, BeckRS 2019, 25536 Rz. 69 ff.). Eine solche AASI stehe im Einklang mit europäischem und deutschem Recht sowie mit dem Völkerrecht (OLG München GRUR 2020, 379 Rz. 58 ff. und 73, 74.; LG München I, BeckRS 2019, 25536 Rz. 70 ff.; LG München I, BeckRS 2021, 3995 Rz. 118).
Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin ergebe sich aus Art. 4 III Rom II-VO i. V. m. § 823 Abs. 1 i.V.m. § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB. Durch den Antrag der Antragsgegnerinnen auf Erlass einer Anti-Suit Injunction / Anti-Enforcement Injunction des US-Gerichts drohe eine Entwertung der durch die Patente der Antragstellerin vermittelten Ausschließlichkeitsrechte im Geltungsbereich des EPGÜ (und weltweit). Dies würden jedenfalls die deutschen Gerichte in ständiger Rechtsprechung anerkennen. Da ein Antrag auf Erlass einer Anti-Suit Injunction / Anti-Enforcement Injunction durch die Antragsgegnerin zu 1) bereits gestellt worden sei, habe die Antragstellerin einen Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung der damit verbundenen Beeinträchtigung.
Die durch die Antragsgegnerin zu 1) beantragte Anti-Enforcement-Injunction bzw. Anti-SuitInjunction greife in die -nach allgemein anerkannter Meinung als sonstige Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB geschützten -Patentrechte der Antragstellerin ein. Die deutschen Gerichte gingen mit Recht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dieser Eingriff in die Patenrechte mittels Anti-Suit-Injunction bzw. Anti-Enforcement-Injunction -der die Durchsetzung von Patenten im Inland verhindern solle -auch rechtswidrig sei und vom Patentinhaber nicht geduldet werden müsse (OLG München GRUR 2020, 379 Rz. 55; LG München, BeckRS 2019, 25536 Rz. 52; LG München I, BeckRS 2021, 3995 Rz. 120; LG München I, Beschluss v. 30. Juni 2021, Az. 21 O 8690/21). Die Rechtswidrigkeit ergebe sich insbesondere daraus, dass eine Anti-Suit-Injunction / Anti-Enforcement-Injunction der Antragstellerin ihre Klagebefugnis im Inland nehme und so ein rechtsstaatlich ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren unterbinde. Dies widerspreche dem eigentums-rechtlichen Zuweisungsgehalt des Patents, vgl. LG München BeckRS 2019, 25536 Rz. 61. Dem stehe
auch nicht entgegen, dass die Anti-Suit-Injunction bzw. Anti-Enforcement- Injunction unter Umständen eine in den Vereinigten Staaten von Amerika zulässige Maßnahme sein könnte. Denn für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit sei die inländische Rechtsordnung maßgeblich, vgl. OLG München GRUR 2020, 379, Rz. 57.
Eine Pflicht der Antragstellerin, den rechtswidrigen Eingriff in ihre verfassungsrechtlich garantierten eigentumsähnlichen Rechte dulden zu müssen, bestehe nicht. Die beantragte einstweilige Verfügung sei insbesondere europa- und völkerrechtskonform (OLG München, GRUR 2020, 379, Rz. 73 f.).
Nach der deutschen Rechtsprechung sei das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr immer dann anzunehmen, wenn das Vorliegen einer der nachfolgenden Situationen glaubhaft gemacht sei (vgl. LG München, Urteil vom 25.02.2021, Az. 7 O 14276/20; vgl. auch LG München, Beschluss v. 30. Juni 2021, Az. 21 O 8690/21):
'Das Landgericht München I wird das Vorliegen der hierfür erforderlichen Erstbegehungsgefahr, teilweise über die oben erörterten bereits bekannten Fallgruppen hinaus, in Zukunft grundsätzlich immer dann annehmen, wenn das Vorliegen einer der nachfolgend aufgezählten Situationen glaubhaft gemacht wird:
-
- Der Patentbenutzer hat einen Antrag auf Erlass einer ASI gegenüber dem Patentinhaber angedroht.
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- Der Patentbenutzer hat einen Antrag auf Erlass einer gegen den Patentinhaber gerichteten ASI gestellt.
- -Der Patentbenutzer hat in einer Jurisdiktion, die ASIs grundsätzlich bereitstellt, eine Hauptsacheklage auf Einräumung einer Lizenz oder auf Feststellung einer angemessenen globalen Lizenzgebühr für eine solche Lizenz eingereicht oder dies angedroht.
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- Der Patentbenutzer hat gegenüber anderen Patentinhabern den Erlass einer ASI angedroht oder eine solche bereits beantragt und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Patenbenutzer, für den Patentinhaber erkennbar, von dieser Praxis für die Zukunft, jedenfalls im Verhältnis zum Patentinhaber, losgesagt hat.
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- Der Patentbenutzer hat nicht innerhalb der ihm vom Patentinhaber, zum Beispiel im Rahmen des ersten Verletzerhinweises, gesetzten kurzen Frist in Textform erklärt, keinen Antrag auf Erlass einer ASI zu stellen.
Zum selben Konzern gehörende Unternehmen sind dabei in der Regel wie der Patentinhaber bzw. wie der Patentbenutzer zu betrachten.'
Vorliegend seien die Erfordernisse der ersten und zweiten Fallgruppe erfüllt:
[geschwärzt]
Es sei gerichtsbekannt, dass die USGerichte eine besonders 'großzügige' Rechtsauffassung im Hinblick auf Anti-Suit-Injunctions vertreten und in der Vergangenheit bereits mehrfach AntiSuit-Injunctions / Anti-Enforcement-Injunctions erlassen hätten, mit denen Patentinhabern z.B. die Durchsetzung ihrer Patentrechte in Deutschland untersagt worden sei.
Die Antragsgegnerinnen griffen mit dem Antrag auf Erlass einer Anti-Suit-Injunction / AntiEnforcement-Injunction rechtswidrig in die Patenrechte der Antragstellerin ein.
Die Antragsgegnerinnen seien Störer. Störer sei, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung eines Rechtsguts befürchten lässt (Grüneberg, 84. Aufl. 2025, Einf. v. § 823 Rn. 31). Dies treffe auf die Antragsgegnerinnen zu. Denn die Antragsgegnerin zu 1) sei unmittelbare Antragstellerin vor dem US-Gericht und habe damit die greifbare Gefahr eines Eingriffs in die Rechtsgüter der Antragstellerin willentlich und adäquat kausal verursacht. Zugleich seien die Antragsgegnerinnen bei einer gemeinsamen Antragstellung und auch bei jedem anderen kollusiven Zusammenwirken Mittäter (§ 830 Abs. 1 BGB). Dies gelte etwa
wenn die Antragsgegnerin zu 1) die Antragsgegnerin zu 2) oder 3) anweisen sollte, einen entsprechenden Antrag zu stellen oder wenn sie sonst mit Wissen und Wollen einen solchen Antrag einer anderen Konzerngesellschaft mit einem eigenen Tatbeitrag unterstützen (vgl. OLG München, GRUR 2020, 379 Rz. 77 ff.). Jedenfalls liege eine Teilnahme in Form einer Anstiftung oder Gehilfenstellung vor (§ 830 Abs. 2 BGB).
[geschwärzt]
Es sei daher naheliegend, dass ein Antrag auf Erlass einer Anti-Suit-Injunction bzw. AntiEnforcement-Injunction ebenso seitens der Antragsgeg-nerinnen zu 2) und/oder 3) drohe, da es sich jeweils um Tochtergesellschaften, also Affiliates, der Antragsgegnerin zu 1) handele.
Der drohende Antrag der Antragsgegnerin zu 1) auf Erlass einer Anti-Suit-Injunction / AntiEnforcement-Injunction schaffe die unmittelbare und greifbare Gefahr eines Eingriffs in die Rechtsgüter der Antragstellerin. Der Antragstellerin stehe hiergegen ein vorbeugender Unterlassungsanspruch zu (Grüneberg, BGB, 84. Aufl. 2025, Einf. v. § 823 Rn. 30). Die beantragte Maßnahme sei die einzige wirksame Abwehrmaßnahme gegenüber einer AntiSuit-Injunction / Anti-Enforcement-Injunction, mit der der Antragstellerin die Möglichkeit abgeschnitten werde, ihre Rechtsposition als Patentinhaberinnen in Europa durchzusetzen, bis das Verfahren in Vereinigten Staaten von Amerika abgeschlossen sei (OLG München, GRUR 2020, 397 Rz. 69). Der Erlass der beantragten einstweiligen Maßnahme sei daher die zwingend gebotene Abwehrreaktion auf die Anti-Suit-Injunction / Anti-Enforcement-Injunction aus den Vereinigten Staaten von Amerika (vgl. OLG München, GRUR 2020, 397 Rz. 72). Geschuldet sei ein Verhalten, das den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung bewirkt (Grünebers, aaO, § 1004 Rn. 33; BGH, NJW 04, 1035). Folglich hätten die Antragsgegnerinnen die Durchführung des durch sie angestrengten Verfahrens auf Erlass einer Anti-Suit-Injunction / Anti-Enforcement-Injunction durch das US-Gericht zu unterlassen. Ferner stehe zu befürchten, dass die Antragsgegnerinnen -ohne vorherige Anhörung -weitere Maßnahmen mit vergleichbarer Wirkung ergreifen könnten (etwa die Beantragung einer Temporary Restraining Order, s. hierzu OLG München, GRUR 2020, 379 Rz. 48 f.). Die Maßnahme sei daher auf andere gerichtliche oder behördliche Maßnahmen zu erstrecken, mit denen der Antragstellerin unmittelbar oder mittelbar verboten werden solle, Patentverletzungsverfahren aus ihren standardessentiellen Patenten vor den zuständigen Lokalkammern des EPG im Geltungsbereich des EPGÜ zu führen. Dies umfasse auch das Verbot, mit einem "Anti-Anti-Anti-Suit-Injunction-Antrag" ("AAASI") oder vergleichbaren Maßnahmen in das vorliegende Verfahren einzugreifen (s. Antrag zu Ziff. I, Spiegelstrich 3). Denn hierdurch werde der Antragstellerin mittelbar verboten, Patentverletzungsklagen in Europa zu erheben.
Schließlich liege auch der erforderliche Grund für die beantragte Maßnahme gemäß Regel 206.2 c VerfO vor. Ohne Erlass der Maßnahme würden der Antragstellerin erhebliche Nachteile entstehen. Der Antrag sei äußerst dringlich. Ein 'unangemessenes Zuwarten' (Regel 211.4 VerfO) liege nicht vor. In dem hier zugrundeliegenden Fall der Erstbegehungsgefahr beginne die Dringlichkeitsfrist mit der gesicherten Kenntnis oder des Kennenmüssens des Patentinhabers von der Existenz eines Antrags auf Erlass einer AntiSuit-Injunction /Anti-Enforcement-Injunction (vgl. OLG München GRUR 2020, 379, Rn. 55 f.). Die Antragstellerin habe unmittelbar nach Einreichung am 4. Dezember 2024 vom Antrag auf Erlass einer Anti-Enforcement-Injunction bzw. Anti-Suit-Injunction erstmalig Kenntnis erlangt. Nach Kenntnis der Antragstellerin habe das US-Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung über den Erlass einer Anti-Enforcement-Injunction bzw. Anti-Suit-Injunction am 24. Januar 2025 bestimmt. Es sei nicht bekannt, wann das US-Gericht über den Erlass einer Anti-Suit-Injunction /Anti-Enforcement-Injunction entscheiden könnte oder welche weiteren Schritte die Antragsgegnerinnen unternehmen könnten, um die Jurisdiktion der hiesigen Gerichte zu stören. Es sei daher erforderlich, dass das angerufene Gericht schnellstmöglich die beantragte Maßnahme erlasse, um den Antragsgegnerinnen sofort zu untersagen, derartige Maßnahmen zu ergreifen, die die Rechte der Antragstellerin beschneiden.
Die Interessen der Antragstellerin am Erlass der beantragten einstweiligen Maßnahme überwögen bei Weitem gegenüber etwaigen gegenläufigen Interessen der Antragsgegnerinnen. Vorliegend drohe ein erheblicher Eingriff in die Patentrechte und den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin. Die Justizhoheit, die richterliche Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG), das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1, S. 2 GG und der verfassungsmäßig garantierten Justizgewährungsanspruch (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip [20 Abs. 3 GG]) seien betroffen. Die Antragstellerin verlange mit dem vorliegenden Maßnahmeantrag nicht mehr als den Erlass einer Maßnahme, die die gerichtliche Durchsetzung ihrer standardessentiellen Patente in Europa gegen eine andere Partei ermögliche. Es bestehe die akute und greifbare Gefahr, dass die Antragstellerin hiervon abgehalten werden solle. Dem Gericht sei aus Parallelverfahren bekannt, dass die Antragstellerin sich faktisch an eine solche Anti-Suit-Injunction halten müsse oder aber gravierende Zwangsgelder oder weitere Zwangsmaßnahmen in Kauf nehmen müsse. Die Antragstellerin sei daher schutzwürdig. Auf Seiten der Antragsgegnerinnen sei dagegen kein schützenswertes Interesse zu erkennen. Der vorliegende Antrag sei nicht darauf gerichtet, den Antragsgegnerinnen den Zugang zu den US-amerikanischen Gerichten abzuschneiden. Denn der vorliegende Antrag richte sich gerade nicht gegen die US-amerikanische Hauptsacheklage, sondern allein gegen den Antrag auf Erlass einer Anti-Suit-Injunction / AntiEnforcement-Injunction. Hierin liege ein wesentlicher Unterschied zum drohenden Vorgehen der Antragsgegnerinnen, die der Antragstellerin für die Geltungsdauer der Anti-Suit-Injunction / Anti-Enforcement-Injunction den grundsätzlichen Zugang zu den Lokalkammern des EPG im Geltungsbereich des EPGÜ verwehren wollen. Die hier beantragte Abwehrmaßnahme sei daher lediglich auf die Bewahrung des Status Quo gerichtet und ein erheblich geringfügigerer Einschnitt in die Rechtsstellung der Antragsgegnerinnen.
Der Erlass der beantragten Maßnahme sei ausnahmsweise gemäß Regel 206.3 VerfO ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerinnen -ex parte -erforderlich, um den Sinn und Zweck der begehrten Maßnahme nicht zu gefährden. Dies gelte unabhängig davon, ob die Antragsgegnerinnen Schutzschriften hinterlegt haben, die gerade den Erlass der beantragten Maßnahme vermeiden sollen. Denn sollte die Kammer die Antragsgegnerinnen vor Erlass der beantragten Maßnahme über den vorliegenden Antrag informieren, so sei zu befürchten, dass das US-amerikanische Gericht dem Erlass einer Anti-Anti-Suit-Injunction / Anti-AntiEnforcement-Injunction durch das hiesige Gericht durch den Erlass einer Anti-Suit-Injunction / Anti-Enforcement-Injunction oder gar einer Anti-Anti-Anti-Suit-Injunction / Anti-Anti-AntiEnforcement-Injunction zuvorkommen könnte. Es sei gerichtsbekannt, dass eine solche AntiSuit-Injunction / Anti-Enforcement-Injunction oder Anti-Anti-Anti-Suit-Injunction / Anti-AntiAnti-Enforcement-Injunction von US-amerikanischen Gerichten innerhalb eines Tages und wiederum ex-parte ergehen könne. Die beantragte Maßnahme sei deshalb ex-parte erforderlich, um entsprechenden Maßnahmen zuvorzukommen.
Das Lokalkammer München des EPG sei zuständig. Die Zuständigkeit der Lokalkammer München ergebe sich aus Art. 32 Abs. 1 lit c) EPGÜ. Danach besitze das Gericht die ausschließliche Zuständigkeit für Klagen auf Erlass von einstweiligen Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen. Diese Zuständigkeit des EPG gem. Art. 32 I Buchst. c EPGÜ betr effe vor dem Hintergrund des Art. 1 EPGÜ zwar nicht jegliche einstweilige Maßnahme. Vielmehr würden nur solche einstweiligen Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen erfasst, die in Verbindung mit einer Patentstreitigkeit stünden, für die das EPG auch in der Hauptsache zuständig sei. Eine ausreichend enge Verknüpfung sei hier darin zu sehen, dass mit einer AASI gerade die Zuständigkeit des EPG für Verletzungsklagen gemäß Artikel 32 Abs. 1 lit. a) EPGÜ sichergestellt werden solle (vgl. Vissel/Kau: Rumble in the Jungle -Ein Weg aus dem Anti(n)-Suit-Injunction Dickicht, S. 452; Tilmann/Plassmann/Grabinski/W. Tilmann EPGÜ Art. 32 Rn. 61a).
Anträge der Antragstellerin
Die Antragstellerin beantragt gemäß Antragsschrift vom 9. Dezember 2024:
Namens und in Vollmacht der Antragstellerin beantragen wir daher,
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- der besonderen Dringlichkeit wegen und insbesondere zur Vermeidung von Eilmaßnahmen der Antragsgegnerinnen in dem Verfahren in den USA, die dem hier angerufenen Gericht zuvorkommen könnten und den vorliegenden Antrag damit vereiteln würden, ohne mündliche Verhandlung und ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerinnen
- -den Erlass der nachfolgenden einstweiligen Maßnahme:
- I. Den Antragsgegnerinnen wird im Wege der einstweiligen Maßnahme unter Androhung eines Zwangsgeldes wegen jeder Zuwiderhandlung jeweils untersagt, 10302396210-v1 4 / 26 4041047377 das Verfahren auf Erlass einer 'Anti Enforcement Injunction' bzw. Anti --Suit Injunction in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen Case No. 2:24-cv-00824-AB (AJRx) vor dem United States District Court for the Central District of California (Antragsschrift vom 4. Dezember 2024) weiter zu verfolgen oder andere gleichwertige gerichtliche oder behördliche Maßnahmen zu beantragen, mit der der Antragstellerin unmittelbar oder mittelbar verboten werden soll, Patentverletzungsverfahren aus ihren standardessentiellen Patenten vor den zuständigen Kammern des EPG im Geltungsbereich des EPGÜ zu führen oder fortzusetzen, und/oder daraus resultierende Urteile zu vollstrecken wobei diese Unterlassungsverpflichtung insbesondere auch umfasst,
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- das Gebot, den Antrag auf Erlass einer 'Anti Enforcement Injunction' bzw. Anti --Suit Injunction innerhalb einer Frist von 24 Stunden nach Zustellung dieses Maßnahmebeschlusses zurückzunehmen oder andere prozessuale Mittel zu ergreifen, um eine solche Anti-Suit Injunction und/oder Anti-Enforcement Injunction mit Wirkung für den Geltungsbereich des EPGÜ endgültig zu widerrufen,
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- das sofortige Verbot, das Anti -suit Injunction- und/oder Anti-Enforcement Injunction Verfahren mit Wirkung für den Geltungsbereich des EPGÜ außer zum Zweck der Antragsrücknahme Wirkung weiter zu betreiben,
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- das Verbot, den Antragstellerinnen durch eine gerichtliche oder behördliche Anordnung gerichtet auf Untersagung des vorliegenden Verfahrens mittelbar verbieten zu lassen, Patentverletzungsverfahren aus ihren standardessentiellen Patenten vor den zuständigen Kammern des EPG im Geltungsbereich des EPGÜ zu führen und/oder daraus resultierende Urteil zu vollstrecken, wobei die vorstehenden Ge- und Verbote auch umfassen, auf konzernverbundene Gesellschaften, in deren Namen der Antrag auf Erlass einer Anit-Suit Injunction und/oder Anti-Enforcement Injunction gestellt wurde, unter Ausschöpfung konzernrechtlicher Möglichkeiten entsprechend einzuwirken.
- II. Im Falle jeder Zuwiderhandlung gegen die Anordnung nach Ziffer I. haben die Antragsgegnerinnen ein (ggf. wiederholtes) Zwangsgeld an das Gericht zu zahlen, in Höhe von bis zu 250.000 EUR pro Zuwiderhandlung. 10302396210-v1 5 / 26 40-41047377
- III. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben, vorbehaltlich der finalen Entscheidung über die Kostentragungslast eine vorläufige Kostenerstattung bis zu Entscheidung über die Prozesskosten zu zahlen.
- IV. Den Antragsgegnerinnen zu 1) und 3) wird aufgegeben, innerhalb einer angemessenen Frist, deren Bestimmung wir in das Ermessen des Gerichts stellen, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, der im Inland wohnt oder dort einen Geschäftsraum hat.
Zudem beantragen wir,
- V. gemäß Regel 206. 3 VerfO die Anordnung ohne Anhörung der Antragsgegnerinnen zu erlassen, hilfsweise, nach Anhörung der Antragsgegnerinnen.
- VI. gemäß Regel 13.1 (q) VerfO anzuordnen, dass englischsprachige Unterlagen, insbesondere die mit der Antragsschrift eingereichten Anlagen ASt 3 bis ASt 5 nicht übersetzt zu werden brauchen.
PROZESSGESCHEHEN
Die Antragstellerin hat den Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen erstmals am 9. Dezember 2024 als APP_65059/2024 UPC_CFI_777/2024 formal erfolgreich eingereicht. Sie hat berichtet, dass eine weitere Einreichung aufgrund technischer Schwierigkeiten nicht fertiggestellt werden konnte. Einen Antrag gem. Regel 262.2 VerfO im Hinblick auf die in der Antragsschrift vom 9. Dezember 2024 grau markierten Informationen hat sie am 10. Dezember 2024 unter APP_65188/2024 UPC_CFI_777/2024 erstmals eingereicht.
Im Antrag vom 9. November 2024 war aber noch -unzutreffend -eine Zustellung an die Antragsgegnerinnen per E-Mail an ihren EPG-Vertreter in den beiden Verletzungsverfahren vermerkt. Da dies im CMS nicht gelöscht werden konnte, hat die Antragstellerin nach telefonsicher Rücksprache mit dem Vorsitzenden den Antrag am 11. Dezember 2024 unter ACT_65364/2024 UPC_CFI_790/2024 erneut eingereicht.
Auch hier war aber der EPG-Vertreter in den beiden Verletzungsverfahren noch vermerkt. Nach erneutem Hinweis hat die Antragstellerin den Antrag am 11. Dezember 2024 unter ACT_65376/2024 UPC_CFI_791/2024 erneut eingereicht.
Der Vorsitzende hat gem. Regel 208.2 VerfO bestimmt, dass er über diesen Antrag als Einzelrichter entscheidet. Maßgeblich war, dass Panel 2 der Lokalkammer München am 9. Dezember 2024 in ACT_63549/2024 UPC_CFI_755/2024 bereits über die grundsätzliche Zulässigkeit derartiger Anträge entschieden hat und mithin nur noch eine Entscheidung auf der Grundlade der vorliegenden Tatsachen zu treffen war. Ferner ist die Sache sehr eilbedürftig.
GRÜNDE DER ANORDNUNG
Der zulässige Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen ist weitgehend begründet.
I. Der Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen ist zulässig.
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- Die internationale Zuständigkeit des EPG folgt aus Art. 31 EPGÜ i. V. m. Art. 71b Nr. 2 Brüssel Ia-VO. Der Erfolgsort der glaubhaft gemachten drohenden unerlaubten Handlung liegt im Zuständigkeitsgebiet des EPG.
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- Die sachliche Zuständigkeit des EPG für den Erlass der einstweiligen Maßnahmen (AASI und AEI) ergibt sich aus Art. 32 (1) EPGÜ.
Nach Art. 32 (1) c) EPGÜ besitzt das Gericht die ausschließliche Zuständigkeit für Klagen auf Erlass von einstweiligen Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen und einstweiligen Verfügungen. Die dahingehende Zuständigkeit ist jedenfalls auf Klagen bezogen, die gemäß Art. 32 (1) a) EPGÜ in die ausschließliche Zuständigkeit des EPG fallen. Dies sind u.a. Klagen wegen tatsächlicher oder drohender Verletzung von Patenten.
Als eine Verletzung eines Patents ist nicht nur die rechtswidrige Benutzung eines Patents anzusehen, sondern auch ein Eingriff in das Eigentumsrecht des Patentinhabers durch Untersagung der Geltendmachung seines Patentrechts (so auch: Grabinski/W.Tilmann, in Tilmann/Plasmann, Einheitspatent, Einheitliches Patentgericht, 2. Aufl., Art. 32 Rn. 61a).
Eine derartige Verletzung des Eigentumsrechts der Antragstellerin steht vorliegend im Raum. Die Antragsgegnerin zu 1) begehrt mit ihrem Antrag vom 4. Dezember 2024 vor den USamerikanischen Gerichten den Erlass einer ASI und einer AEI. Der Antragstellerin soll die Geltendmachung auch der Streitpatente vor dem EPG (vor einer deutschen Lokalkammer des EPG) dauerhaft untersagt werden, gleichfalls soll die Durchsetzung etwaiger Entscheidungen des EPG (bzw. einer deutschen Lokalkammer des EPG) untersagt werden. Derartige Untersagungsmaßnahmen bzw. Prozessführungsverbote greifen in das Eigentumsrecht der Antragstellerin in Bezug auf das Streitpatent ein.
Die Zuständigkeit der Lokalkammer München ist auf Art. 33 Abs. (1) a) EPGÜ gestützt. Die Verletzung des Eigentumsrechts der Antragstellerin droht im Zuständigkeitsbereich der hiesigen Lokalkammer. Der Antragstellerin soll u.a. untersagt werden, die vor der Lokalkammer München anhängige Klagen nicht weiter zu betreiben bzw. insoweit erlassene Entscheidungen sollen nicht vollstreckt werden dürfen.
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- Allerdings ist die sachliche Zuständigkeit des EPG gem. Art. 3 EPGÜ auf Europäische Patente, für die die Ausnahmeregelung gem. Art. 83 (3) EPGÜ nicht in Anspruch genommen worden ist, beschränkt. Diese Beschränkungen waren im Wortlaut der Anordnung zu verdeutlichen.
II. Der Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen ist gem. Art. 62 (1), (2) EPGÜ i. V. m. Regel 211 Abs. 1, 2, 3 VerfO überwiegend begründet.
Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin zur Einleitung des Verfahrens berechtigt ist und ihre Rechte aus den Streitpatenten verletzt werden. Die im Rahmen der Ermessensentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung fällt zu Gunsten der Antragstellerin aus.
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- Die Antragstellerin ist entsprechend Regel 8 (5) VerfO als anspruchsberechtigt anzusehen. Sie ist im Register als Inhaberin der Streitpatente eingetragen.
Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin in ihren Rechten bezüglich der Streitpatente verletzt wird. Die Antragstellerin hat die drohende Verletzung ihres Eigentumsrechts in Bezug auf die Streitpatente und weitere Patente durch die seitens der Antragsgegnerin zu 1) vor dem US-amerikanischen Gericht gestellten Anträge glaubhaft gemacht.
Nach Art. 47 Abs. 1 EU-Charta hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Art. 47 Abs. 2 EU-Charta gibt jeder Person das Recht, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Art. 47 EU-Charta verbürgt folglich auf europäischer Ebene einen allgemeinen Justizgewährungsanspruch, sprich den Zugang zu Gerichten. Gemäß Art. 17 Abs. 2 EUCharta handelt es sich bei geistigem Eigentum um jedenfalls eigentumsähnliche Rechte, welche nach der Charta zu schützen sind. Folglich schützen Art. 47 Abs. 1 und 2 EU-Charta auch den Zugang einer Person zum EPG zwecks Geltendmachung einer (behaupteten) rechtswidrigen Benutzung eines Patents.
Nach deutschem Recht, welches vorliegend zumindest auf den deutschen Teil der Europäischen Patente gem. Art. 24 (1) e) EPGÜ Anwendung findet, gewähren Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 4 GG den allgemeinen Justizgewährungsanspruch. §§ 823 Abs. 1, 1004 (analog) BGB bieten eine materiell-rechtliche Grundlage zum Schutz des Eigentums, die sich nur mittels des soeben dargestellten verfassungsrechtlich geschützten rechtsstaatlichen Grundsatzes durchsetzen lässt. Es besteht kein Grund für die Annahme, dass die Rechtsordnungen, die auf die anderen Teile der Europäischen Patente Anwendung finden,
dies anders sehen und die vor dem US-amerikanischen Gericht beantragten Maßnahmen gutheißen. Es kann daher vorliegend offenbleiben, ob, wie die Antragstellerin vorträgt, aufgrund des Sitzes des Europäischen Patentamts in München einheitlich deutsches Recht zur Anwendung kommt.
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- Die von der Antragsgegnerin zu 1) mit dem Antrag vom 4. Dezember 2024 im USamerikanischen Verfahren beantragten ASI und AEI stellen sich bei ihrer Anordnung als umfassendes Prozessführungsverbot vor dem EPG und umfassendes Vollstreckungsverbot von Entscheidungen des EPG dar. Derartige Verbote verstoßen gegen die zuvor erörterten Justizgewährungsansprüche; es handelt sich um unerlaubte Eingriffe in das jedenfalls eigentumsähnliche Recht der Antragstellerin.
Diese Anträge betreffen auch die oben zitierten Verfahren vor dem EPG. Ferner sind sie auch gegen weitere Verletzungsklagen aus SEPs der Antragstellerin, die sie beim EPG erheben will, gerichtet. Sie sind nicht beschränkt auf die von der Antragstellerin bislang vor dem EPG (oder den deutschen Gerichten) geltend gemachten Patente.
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- In Bezug auf die Antragsgegnerinnen zu 2) und 3) besteht jedenfalls eine Erstbegehungsgefahr. [geschwärzt] Sodann hat die Antragsgegnerin zu 1) eine ASI/AEI beantragt. Damit besteht weiterhin die Gefahr, dass sich die Antragsgegnerinnen zu 2) und 3) dem anschließen oder eigene Anträge auf Erlass einer ASI/AEI stellen.
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- Die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten ist nicht anzuordnen. Hierfür fehlt im EPG-Recht eine Rechtsgrundlage. Es handelt sich wohlmöglich um einen Übertragungsfehler aus einem Antrag vor einem deutschen Gericht.
III. Abwägung
Die gemäß Art. 62 (2) EPGÜ und Regel 211 Abs. 3 VerfO vorzunehmende Abwägung der Interessen der Parteien, in die sämtliche Umstände des Einzelfalls einzufließen haben, fällt vorliegend zu Gunsten der Antragstellerin aus. Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist sowohl zeitlich als auch objektiv dringlich. Es kann der Antragstellerin nicht zugemutet werden, mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zu warten (vgl. zum Erfordernis der objektiven Dringlichkeit bzw. sachlichen Erforderlichkeit: Lokalkammer Düsseldorf, Anordnung v. 31.10.2024, UPC_CFI_347/2024 -Valeo Electrification/Magna PT u.a.; Lokalkammer München, Anordnung v. 25.11.2024, UPC_CFI_443/2024 -Häfele/Kunststoff KG Nehl).
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- Die Anordnung der beantragten einstweiligen Maßnahmen ist in zeitlicher Hinsicht dringlich, R. 209.2 (b) VerfO.
Die für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen notwendige zeitliche Dringlichkeit fehlt nur dann, wenn sich der Verletzte bei der Verfolgung seiner Ansprüche in einer solchen Weise nachlässig und zögerlich verhalten hat, dass aus objektiver Sicht der Schluss geboten ist, dem Verletzten sei an einer zügigen Durchsetzung seiner Rechte nicht gelegen, weswegen es auch nicht angemessen erscheint, ihm die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtschutzes zu gestatten (vgl. auch Lokalkammer München, UPC_CFI 443/2024, Entscheidung v. 25.11.2024 -Häfele/Kunststoff KG Nehl; Lokalkammer Düsseldorf, UPC_CFI_347/2024 -Valeo Electrification/Magna PT u.a). Ein nachlässiges und zögerliches Verhalten ist vorliegend nicht zu erkennen.
Der Zeitraum des Zuwartens im Sinne von Regel 211.4 VerfO ist ab dem Tag zu bemessen, an dem ein Antragsteller von der Rechtsverletzung eine solche Kenntnis hat oder hätte haben müssen, die ihn in die Lage versetzt, einen Antrag auf einstweilige Maßnahmen nach Regel 206.2 VerfO erfolgversprechend zu stellen (Berufungsgericht, Anordnung v. 25.09.2024, UPC_CFI_182/2024 -Ortovox Sportartikel/Mammut Sports Group u.a.). Dem Vortrag der Antragstellerin zufolge erhielt sie am 4. Dezember 2024 Kenntnis von dem Antrag der Antragsgegnerin zu 1). Am 20. November 2024 erhielt sie davon Kenntnis, dass ein solcher Antrag gestellt werden könnte. Auch ausgehend vom 20. November 2024 kann ein Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen, der am 9. Dezember 2024 bei Gericht eingegangen ist, nicht als zögerlich oder nachlässig angesehen werden.
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- Der Erlass der einstweiligen Maßnahme ist auch objektiv dringlich. Er ist sachlich geboten und erforderlich. Die Antragstellerin kann nicht auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen werden.
Sollte das US-amerikanische Gericht die von der Antragsgegnerin zu 1) beantragte ASI und/oder AEI erlassen, wären diese sofort in den USA vollstreckbar. Die Antragstellerin könnte sich -infolge der ihr drohenden Sanktionen bei Nichtbeachtung der Anordnungen des USamerikanischen Gerichts -insbesondere gezwungen sehen, die vor der Lokalkammer München anhängigen Klagen zurückzunehmen. Die ihrer Ansicht nach gegebene rechtswidrige Benutzung der Streitpatente würde demzufolge einer gerichtlichen Kontrolle durch das zuständige Gericht entzogen. Auch die Frage, ob im Hinblick auf Teile der angegriffenen Ausführungsformen tatsächlich Erschöpfung eingetreten ist, könnte nicht geprüft werden. Etwaige Rechte der Antragstellerin, insbesondere solche auf Unterlassung der behaupteten Patentverletzung und Feststellung einer Schadenersatzpflicht bzw. das Recht auf Schadenersatz, könnten vor der Lokalkammer München bzw. dem EPG dann nicht durchgesetzt werden. Die Anträge sind zudem auf eine dauerhafte Untersagung von Klagen aus sämtlichen SEP der Antragstellerin vor einer Lokalkammer des EPG und/oder gegen eine Vollstreckung aus Entscheidungen des EPG gerichtet. Würde sich die Antragstellerin an dahingehende ASI und/oder AEI halten (müssen), würde dieser Eingriff in ihr jedenfalls eigentumsähnliches Recht zu einer (materiellen und finanziellen) Entwertung des Streitpatents bzw. der SEP führen, wodurch der Antragstellerin der Eintritt eines erheblichen Schadens droht.
Der Antragstellerin droht auch dann ein erheblicher Schaden, wenn sie bei Anordnung der ASI und/oder AEI diese nicht beachten würde. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass das US-amerikanische Gericht bei Verstoß gegen eine angeordnete ASI und/oder AEI wahrscheinlich erhebliche Sanktionen verhängen wird. US-amerikanische Gerichte haben in der Vergangenheit bei Missachtung des Gerichts Strafzahlungen in Höhe von bis zu USD 100.000,00 pro Tag der Zuwiderhandlung angeordnet, wobei sich diese Strafzahlungen ab bestimmten Zeitpunkten eines andauernden Verstoßes verdoppeln und vervierfachen können.
Da die Anordnung der ASI und/oder die AEI in dem US-amerikanischen Verfahren jedenfalls im Zuge eines Beschleunigungsantrages zeitnah bevorsteht, kann die Antragstellerin nicht auf eine Hauptsacheklage vor dem EPG verwiesen werden. Eine solche könnte unter keinen Umständen rechtzeitig durchgeführt werden. Eine (endgültige) Unterlassungsanordnung des Gerichts, die Auswirkungen auf das US-amerikanische Verfahren zeitigen könnte, käme folglich zu spät. Die Rechte der Antragstellerin würden mit einer Unterlassungsanordnung, die erst nach Anordnung der ASI und/oder AEI erlassen wird, jedoch allenfalls unzureichend gewahrt.
Schließlich spricht auch die Abwägung der der Parteien möglicherweise drohenden Schäden für einen Erlass der einstweiligen Maßnahmen.
Wenn der Antrag abgewiesen wird, besteht die glaubhaft gemachte Gefahr, dass die von der Antragsgegnerin zu 1) beantragte ASI und/oder AEI angeordnet wird. Dies wäre mit den bereits oben dargestellten Konsequenzen für die Antragstellerin verbunden. Der Antragstellerin drohen demzufolge erhebliche Schäden.
Werden die einstweiligen Maßnahmen erlassen, ist es den Antragsgegnerinnen untersagt, die Anträge weiterzubetreiben. Dies beinhaltet u.a. die Rücknahme dieser Anträge. Zwar ist nicht auszuschließen, dass auch dies zu einem Schaden auf Seiten der Antragsgegnerinnen führen kann. Der ihnen etwaig drohende Schaden ist indes weniger gravierend. Die Antragsgegnerinnen sind nicht an der Durchsetzung ihrer Rechte aus der Erklärung der Antragstellerin gegenüber IEEE gehindert. Das US-amerikanische Verfahren kann insoweit fortgeführt werden. Die von der Antragstellerin beantragten einstweiligen Maßnahmen beziehen sich allein auf die beantragte ASI und AEI. Darüber hinaus wird die von der Antragstellerin behauptete Benutzung des Streitpatents in den beiden oben zitierten Verfahren geprüft. Dies erfolgt einschließlich des erhobenen Einwands der Erschöpfung, sofern es auf diesen entscheidungserheblich ankommen sollte.
IV. Erlassanordnung ohne vorherige Anhörung der Gegenseite
Die von der Antragstellerin beantragte Anordnung einstweiliger Maßnahmen ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerinnen erscheint vorliegend angemessen und geboten, R. 206.3, 209.2 (c) VerfO i. V. m. R. 212.1 VerfO.
Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr ohne den Erlass einer ex-parte-Anordnung aufgrund der mit der Einbeziehung der Gegenseite verbundenen Verzögerung wahrscheinlich ein nicht wiedergutzumachender Schaden droht.
Infolge des oben dargestellten E-Mail-Austausches ist es wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerinnen umgehend weitere einstweilige Maßnahmen, etwa eine sogenannte Temporary Restraining Order, beantragen. Das US-amerikanische Verfahren könnte folglich unter Verkürzung der Fristen noch weiter beschleunigt werden. Die Anhörung der Antragsgegnerinnen würde dann dazu führen, dass der hier geltend gemachte Schutz der Rechte der Antragstellerin verkürzt oder gar ausgehebelt würde.
Mithin erscheint es vorliegend angezeigt, ausnahmsweise von einer vorherigen Anhörung der Antragsgegnerinnen abzusehen.
V. Sicherheitsleistung
Gemäß Regel 211.5 VerfO hat das Gericht die Erbringung einer Sicherheitsleistung anzuordnen, wenn die Anordnung einstweiliger Maßnahmen -wie hier -ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners erfolgt.
Besondere Umstände, die vorliegend ausnahmsweise gegen eine solche Anordnung sprechen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Es kann auf der Grundlage des vorgetragenen und glaubhaftgemachten Sachverhalts insbesondere nicht festgestellt werden, dass ein Schaden der Antragsgegnerinnen ausgeschlossen ist.
Die Hinterlegung einer Sicherheit gem. Regel 352 VerfO kann unmittelbar beim EPG erfolgen. Das EPG hat hierfür eigens eine Kontoverbindung eingerichtet. Die Daten der Kontoverbindung sind auf der Webseite des EPG veröffentlicht
Die Sicherheitsleistung soll die Prozesskosten, andere Kosten wegen der Vollstreckung sowie eine mögliche Kompensation für entstandene oder wahrscheinlich entstehende Schäden abdecken, Regel 352.1 VerfO. Da sich die Höhe möglicher Vollstreckungsschäden im Zeitpunkt des Erlasses einer Anordnung für die Lokalkammer nur schwer abschätzen lässt, orientiert sich die Höhe der festgesetzten Sicherheitsleistung grundsätzlich an der Höhe des Streitwertes (hier 3 Mio. €) . Auch wenn der Streitwert nicht zwingend mit dem Schadensrisiko
korrespondiert, bietet er jedenfalls einen Anhaltspunkt, welche wirtschaftliche Bedeutung die Antragstellerseite der Sache beimisst.
Aufgrund der Höhe der Sicherheit ist davon auszugehen, dass deren Beschaffung einige Tage in Anspruch nehmen wird. Für die Zwischenzeit ist diese Anordnung ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. Soweit die Sicherheit nicht innerhalb einer Frist von 20 Tagen erbracht ist, endet die Vollstreckbarkeit dieser Anordnung.
VI. Kostengrundentscheidung
Eine Kostengrundentscheidung ist vorliegend nicht zu treffen. Eine solche sieht die Verfahrensordnung lediglich im Hauptsacheverfahren (vgl. Regel 118.5 VerfO), nicht aber im Verfahren auf Anordnung vorläufiger Maßnahmen vor. Die Kosten des Eilverfahrens sind grundsätzlich im Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Eine im Eilverfahren mögliche Anordnung einer vorläufigen Kostenerstattung (Regel 211.1 (d) VerfO) setzt einen entsprechenden bezifferten Antrag voraus. Ein solcher ist vorliegend nicht gestellt.
Die wiederholten Einreichungen waren technisch bedingt. Gerichtsgebühren sind nur einmal angefallen und dem hiesigen Verfahren zuzuordnen.
VII. Hauptsacheklage
Nach Regel 213.1 VerfO ist zwingend eine Fristsetzung mit Blick auf eine Hauptsacheklage vorzusehen.
ANORDNUNG
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I. Den Antragsgegnerinnen wird im Wege der einstweiligen Maßnahme unter Androhung eines Zwangsgeldes wegen jeder Zuwiderhandlung jeweils untersagt, das Verfahren auf Erlass einer 'Anti Enforcement Injunction' bzw. Anti --Suit Injunction in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen Case No. 2:24-cv-00824-AB (AJRx) vor dem United States District Court for the Central District of California (Antragsschrift vom 4. Dezember 2024) weiter zu verfolgen oder andere gleichwertige gerichtliche oder behördliche Maßnahmen zu beantragen, mit der der Antragstellerin unmittelbar oder mittelbar verboten werden soll, Patentverletzungsverfahren aus ihren standardessentiellen der Zuständigkeit des EPG unterliegenden Europäischen Patenten vor den zuständigen Kammern des EPG im Geltungsbereich des EPGÜ zu führen oder fortzusetzen, und/oder daraus resultierende Urteile zu vollstrecken wobei diese Unterlassungsverpflichtung insbesondere auch umfasst,
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- das Gebot, den Antrag auf Erlass einer 'Anti Enforcement Injunction' bzw. Anti --Suit Injunction innerhalb einer Frist von 24 Stunden nach Zustellung dieses Maßnahmebeschlusses zurückzunehmen oder andere prozessuale Mittel zu ergreifen, um eine solche Anti-Suit Injunction und/oder Anti-Enforcement Injunction mit Wirkung für den Geltungsbereich des EPGÜ endgültig zu widerrufen,
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- das sofortige Verbot, das Anti -suit Injunction- und/oder Anti-Enforcement Injunction Verfahren mit Wirkung für den Geltungsbereich des EPGÜ außer zum Zweck der Antragsrücknahme weiter zu betreiben,
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- das Verbot, den Antragstellerinnen durch eine gerichtliche oder behördliche Anordnung gerichtet auf Untersagung des vorliegenden Verfahrens mittelbar verbieten zu lassen, Patentverletzungsverfahren aus ihren der Zuständigkeit des EPG unterliegenden standardessentiellen Europäischen Patenten vor den zuständigen Kammern des EPG im Geltungsbereich des EPGÜ zu führen und/oder daraus resultierende Urteil zu vollstrecken, wobei die vorstehenden Geund Verbote auch umfassen, auf konzernverbundene Gesellschaften, in deren Namen der Antrag auf Erlass einer Anit-Suit Injunction und/oder Anti-Enforcement Injunction gestellt wurde, unter Ausschöpfung konzernrechtlicher Möglichkeiten entsprechend einzuwirken.
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II. Im Falle jeder Zuwiderhandlung gegen die Anordnung nach Ziffer I. haben die Antragsgegnerinnen an das Gericht ein (ggf. wiederholtes) Zwangsgeld in Höhe von bis zu 25 0.000,00 € für jeden Tag der Zuwiderhandlung zu zahlen.
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III. Englischsprachige Unterlagen, insbesondere die mit der Antragsschrift eingereichten Anlagen ASt 3 bis ASt 5, brauchen nicht übersetzt zu werden (Regel 13.1 (q) VerfO).
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IV. Diese Anordnung ist zunächst ohne Sicherheitsleitung sofort vollstreckbar. Die Vollstreckbarkeit dieser Anordnung endet aber, wenn nicht die Antragstellerin innerhalb von 20 Tagen zugunsten der Antragsgegnerinnen eine Sicherheit in Form einer Hinterlegung oder Bankbürgschaft in Höhe von 3.0 00.000,00 € geleistet hat.
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V. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
ANWEISUNG AN DIE KANZLEI
Diese Anordnung ist gemeinsam mit der Antragsschrift vom 9. Dezember 2024 nebst sämtlichen Anlagen gem. Regel 276. 1 i. V. m. Regeln 271, 274 VerfO an die Antragsgegnerinnen zuzustellen, wobei die Zustellung an die Antragsgegnerin zu 1) parallel an die Adresse in den USA sowie an die Zweigstelle in Deutschland (die Antragsgegnerin zu 3) vorzunehmen ist.
HINWEIS AN DIE ANTRAGSTELLERIN
Wird das Hauptsacheverfahren nicht innerhalb einer Frist von höchstens 31 Kalendertagen oder 20 Arbeitstagen, je nachdem, welcher Zeitraum länger ist, ab dem Zeitpunkt der Zustellung an die jeweilige Antragsgegnerin eingeleitet, kann das Gericht auf Antrag der Antragsgegnerin anordnen, dass die vorliegende Anordnung aufgehoben wird oder anderweitig außer Kraft tritt (Art. 62 (5), 60 (8) EPGÜ, Regel 213.1 VerfO).
HINWEIS AN DIE ANTRAGSGEGNERINNEN
Die Antragsgegnerinnen können innerhalb von 30 Tagen nach Vollziehung der Maßnahme eine Überprüfung der Anordnung beantragen (Art. 62 (5), 60 (6) EPGÜ, Regel 212.3, 197.3 VerfO).
INFORMATIONEN ZUR VOLLSTRECKUNG (ART. 82 EPGÜ, REGELN 352, 354 VERFO)
Die Fortsetzung der Vollstreckung der Entscheidung ist von der fristgerechten Leistung der Sicherheit abhängig. Eine beglaubigte Kopie der vollstreckbaren Anordnung wird vom Hilfskanzler auf Antrag der vollstreckenden Partei ausgestellt, Regel 69 RegR.
DETAILS DER ANORDNUNG
Anordnung Nr. ORD_65389/2024 im VERFAHREN NUMMER: Liegt nicht vor UPC Nummer: UPC_CFI_791/2024
Art des Vorgangs:
Liegt nicht vor
Nr. des dazugehörigen Verfahrens Antragsnr.: 65376/2024
Art des Antrags:
Antrag auf einstweilige Maßnahmen (Regel 206 VO)
Unterzeichnet in München am 11. Dezember 2024
Dr. Zigann Vorsitzender Richter als Einzelrichter
Für den Hilfskanzler