
Lokalkammer München UPC_CFI_249/2023
Anordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts Lokalkammer München in dem Kostenfestsetzungsverfahren betreffend das einstweilige Verfügungsverfahren ACT_550921/2023 UPC_CFI_249/2023 erlassen am 10. Januar 2025
Leitsatz:
Zu erstattende Verfahrenskosten und Auslagen werden im Kostenfestsetzungsverfahren nicht verzinst.
Keywords:
Kostenfestsetzungsverfahren, Verzinsung
Antragstellerin:
1) Edwards Lifesciences Corporation
1 Edwards Way - 92614 - Irvine -US
vertreten durch: Boris Kreye, Anika Boche (Bird & Bird)
Antragsgegnerinnen:
Bornheimer Straße 135-137 - 53119 - Bonn -DE
-
- Meril Life Sciences Pvt Ltd.
M1 M2, Meril Park, Survey No 135/2/B & 174/2, Muktanand Marg, Chala, - 396 191 --Vapi -IN
vertreten durch: Andreas von Falck, Beatrice Wilden (Hogan Lovells)
ENTSCHEIDENDER RICHTER
Diese Anordnung wurde durch den Vorsitzenden Richter und Berichterstatter Dr. Matthias Zigann erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
GEGENSTAND
Antrag der Antragstellerin (Klagepartei) auf Kostenerstattung gem. Regeln 150, 151 VerfO.
ANTRÄGE DER PARTEIEN
Edwards beantragt, die von den Antragsgegnerinnen zu erstattenden Kosten des erstinstanzlichen einstweiligen Verfügungsverfahrens in Höhe von insgesamt 206.000,00 EUR sowie die Kosten der Vertretung im Berufungsverfahren in Höhe von weiteren EUR 38.000,00 festzusetzen und auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Bundesrepublik Deutschland ab dem Eingang des jeweiligen Antrags zu verzinsen sind.
Meril beantragt,
die Anträge auf Kostenfestsetzung der Antragstellerin zurückzuweisen, soweit diese beantragt auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB ab Eingang des jeweiligen Antrags zu verzinsen sind.
KURZE DARSTELLUNG DES SACHVERHALTS
Die Parteien einigten sich hinsichtlich der ersten Instanz außergerichtlich auf einen zu erstattenden Betrag in Höhe von EUR 195.000 für die Kosten der Vertretung. Zusätzlich sind verauslagte Gerichtsgebühren in Höhe von EUR 11.000 für das erstinstanzliche Verfahren zu erstatten.
Für das Berufungsverfahren einigten sich die Parteien außergerichtlich auf den Betrag gemäß der Obergrenze für die erstattungsfähigen Kosten in Höhe von EUR 38.000.
STREITIGE PUNKTE
Edwards greift auf die in Deutschland etablierte Art der Zinserstattung zurück und vertritt die Ansicht, die Erstattungsfähigkeit von Zinsen vor dem EPG ergebe sich aus der entsprechenden Anwendung der Regeln 125 und 131 der Verfahrensordnung. Hierzu argumentiert Edwards:
' Art. 68.2 EPGÜ gibt vor, dass die geschädigte Partei soweit wie möglich in die Lage zu versetzen ist, in der sie sich ohne die Verletzung befunden hätte. Damit macht das EPGÜ deutlich, dass der Begriff 'Schadensersatz' nicht nur den Schaden umfasst, der de m Patentinhaber infolge eines entgangenen Gewinns (bspw. Gewinneinbußen oder fehlende Lizenzeinnahmen) entsteht, sondern sämtliche Schäden, die im Zusammenhang mit der Patentverletzung und deren Durchsetzung entstanden sind. Nur durch eine vollständige
Kompensation des Gesamtschadens wird der Patentinhaber i.S.v. Art. 68.2 EPGÜ in die Lage versetzt, in der er sich ohne die Verletzung befunden hätte.
Die Vorschrift läuft ins Leere, wenn der Patentinhaber lediglich eine bloße Erstattung der tatsächlichen Verfahrenskosten enthält. Ohne eine Verzinsung bliebe der zeitliche Wert der aufgewendeten Geldmittel unberücksichtigt und der Patentinhaber erhielte keinen angemessenen Ausgleich für die verspätete Erstattung der Kosten. Hierdurch entsteht dem Patentinhaber ein finanzieller Nachteil, da dieser über einen längeren Zeitraum reale Verluste durch entgangene Zinsgewinne hinnehmen müsste, die ihm ohne die gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche nicht entstanden wären.
Dass der Patentinhaber vor solchen Verlusten geschützt werden soll, wird auch in Nr. 7 der Präambel der Verfahrensordnung deutlich, wonach 'Kosten -und/oder Schadensersatzentscheidungen gleichzeitig oder so bald wie möglich [nach der Hauptsache] ergehen' sollen. Hierdurch kommt das Interesse der obsiegenden Partei an einer schnellen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zum Ausdruck (vgl. auch S. 5 der Entscheidung des Berichterstatters im Berufungsverfahren vom 18. Januar 2024 (App_100/2024, UPC_CoA_4/2024)). Hintergrund ist die Schaffung eines zeitnahen Ausgleichs finanzieller Aufwendungen sowie die Vermeidung damit verbundener weiterer finanzieller Einbußen. Dabei stellt die Verfahrensordnung Kostenentscheidungen einer Schadensersatzentscheidung gleich ('und/oder') und bestätigt das Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage.
Art. 68.2 EPGÜ und Nr. 7 der Präambel der Verfahrensordnung belegen daher, dass die Mitgliedsstaaten des EPGÜ auch im Rahmen der Kostenfestsetzung nach den Regeln 150 ff. VerfO eine Erstattung von Zinsen vorgesehen haben, selbst wenn eine ausdrückliche Regelung in diesem Abschnitt fehlt. Hierin liegt eine planwidrige Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwendung der Regeln 125 und 131 VerfO korrigiert wird. '
Meril ist der Auffassung, dass die von Edwards zur Erstattung beantragten Kosten nicht zu verzinsen seien. Edwards habe keinen Anspruch auf Verzinsung des festgesetzten Betrages, weil es an einer rechtlichen Grundlage für einen solchen Anspruch fehle. Weder im Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) noch in der Verfahrensordnung (VerfO) finde sich eine rechtliche Grundlage, die es gestatten würde, die beantragten Zinsen zuzusprechen. Eine analoge Anwendung der Regeln 125 und 131 der Verfahrensordnung scheide aus, weil diese beiden Vorschriften lediglich Verfahren der Festsetzung von Schadensersatz und Entschädigungen beträfen. Hinsichtlich des Kostenfestsetzungsverfahrens werde indes eine Verzinsung nicht erwähnt, sodass diese bewusst nicht vorgesehen sei.
GRÜNDE DER ANORDNUNG
Eine Kostenentscheidung ist nach Regel 156.2 VerfO vom Berichterstatter zu treffen.
Die Antragsgegnerinnen haben die Kosten der Antragstellerin zu tragen. Die Kostentragungspflicht ist nach Grund und Höhe unstreitig.
3. Verzinsung
Hinsichtlich der von Edwards zur Festsetzung beantragten Verzinsung der entstandenen Kosten ist eine Erstattungsfähigkeit im Kostenfestsetzungsverfahren zu verneinen. Es fehlt an der rechtlichen Grundlage. Weder das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht
noch die Verfahrensordnung sehen eine Verzinsung von festgesetzten Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren vor.
Eine entsprechende Anwendung der Regeln 125 und 131 VerfO, welche die Verfahren zur Festsetzung von Schadenersatz und Entschädigung regeln und eine Verzinsung ausdrücklich vorsehen, scheidet aus. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke. Die beiden zitierten Vorschriften zeigen vielmehr, dass dem Gesetzgeber die Problematiken des Zeitverzugs und der Inflation bewusst war. Gleichwohl hat der Gesetzgeber für die Kostenerstattung keine Verzinsung vorgesehen. Dementsprechend ist in Regel 131.2.a VerfO im Rahmen eines Antrags auf Festsetzung von Schadenersatz die Angabe von Zinsen vorgesehen, während in der entsprechenden Regel 151 VerfO betreffend einen Antrag auf Kostenfestsetzung eine entsprechende Regelung fehlt.
Im einstweiligen Verfügungsverfahren ist als Ausgleich vielmehr vorgesehen, dass die erfolgreiche Partei eine vorläufige Kostenerstattung beantragen und sogleich vollstrecken kann (Regel 221 Nr. 1 d VerfO). Diese Möglichkeit existiert auch vor dem Berufungsgericht (Regel 242 Nr. 2.a VerfO).
Vorliegend kann offenbleiben, ob ein tatsächlich entstandener Zinsschaden anderweitig, etwa im Rahmen der Schadensberechnung, liquidiert werden kann. Denn vorliegen ist, wie ausgeführt, allein über die Kostenerstattung im Kostenfestsetzungsverfahren zu entscheiden.
-
- Nach Regel 157 VerfO kann gegen die Kostenentscheidung des Berichterstatters nur gemäß Regel 221 VerfO Berufung vor dem Berufungsgericht eingelegt werden. Nach Regel 221 VerfO kann eine Partei, die durch eine der in Regel 157 VerfO genannten Entscheidungen beschwert ist, innerhalb von 15 Tagen ab Zustellung der entsprechenden Entscheidung des Gerichts einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Berufungsgericht stellen. Eine Zulassung der Berufung durch den Einzelrichter ist demnach nicht vorgesehen.
ANORDNUNG
-
- Die Antragsgegnerinnen haben an die Antragstellerin innerhalb von 20 Tagen ab Zustellung dieser Anordnung insgesamt EUR 244.000,00 zu bezahlen.
-
- Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.
INFORMATIONEN ZUR BERUFUNG
Eine Partei, die durch eine der in Regel 157 VerfO genannten Entscheidungen beschwert ist, kann innerhalb von 15 Tagen ab Zustellung der entsprechenden Entscheidung des Gerichts einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Berufungsgericht stellen (Regel 221.1 VerfO).
INFORMATIONEN ZUR VOLLSTRECKUNG (ART. 82 EPGÜ, ART. ART. 37(2) EPGS, R. 118.8, 158.2, 354, 355.4 VERFO)
Eine beglaubigte Kopie der vollstreckbaren Entscheidung oder der vollstreckbaren Anordnung wird vom Hilfskanzler auf Antrag der vollstreckenden Partei ausgestellt, R. 69 RegR.
UPC_CFI_249/2023
DETAILS DER ANORDNUNG
Order no. ORD_4627/2024 in ACTION NUMBER: Not provided
UPC number:
UPC_CFI_249/2023
Related proceeding no. Application No.:
550921/2023
Application Type:
Application for provisional measures (RoP206)
Unterzeichnet in München am 10. Januar 2025
Dr. Zigann
Vorsitzender Richter
Für den Hilfskanzler: