20 January, 2025
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Order
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ORD_3182/2025
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Luxembourg (LU)
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EP2661892
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R. 262.2 VerfO
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Aktenzeichen: UPC_CoA_835/2024 APL_67638/2024 App_68645/2024
Verfahrensanordnung
des Berufungsgerichts des Einheitlichen Patentgerichts betreffend einen Antrag nach R. 262.2 VerfO erlassen am 20. Januar 2025
ANTRAGSTELLERINEN UND BERUFUNGSKLÄGERINEN (BEKLAGTEN IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GEI)
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- Amazon Europe Core S.à.r.l., (Société à responsabilité limitée), 38 avenue John F. Kennedy, L-1855 Luxembourg, vertreten durch Sanjay Balakrishnan, ebenda,
Berufungsklägerin zu 1)
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- Amazon EU S.à r.l., (Société à responsabilité limitée), 38 avenue John F. Kennedy, L-1855 Luxembourg, vertreten durch Jorrit van der Meulen, ebenda,
Berufungsklägerin zu 2)
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- Amazon.com, Inc., 410 Terry Avenue North, Seattle Washington 98109-5210, Vereinigte Staaten von Amerika, vertreten durch den "Registered Agent": c/o Corporation Service Company, 300 Deschutes way SW STE MC-CSC1, Tumwater, WA, 98501, United States of America,
Berufungsklägerin zu 3)
(im Folgende gemeinsam: ' Amazon ')
vertreten durch: Dr. Steffen Steininger, M.Jur., Rechtsanwalt und eingetragener Vertreter vor dem Einheitlichen Patentgericht, Hogan Lovells International LLP,
ANTRAGSGEGNERIN UND BERUFUNGSBEKLAGTE
Nokia Technologies Oy, Karakaari 7, 02610 Espoo, Finnland (im Folgenden " Nokia "), vertreten durch Tim Smentkowski, Rechtsanwalt und eingetragener Vertreter vor dem Einheitlichen Patentgericht, ARNOLD RUESS Rechtsanwälte PartmbB,
STREITPATENT EP 2 661 892
SPRUCHKÖRPER UND ENTSCHEIDENDE RICHTER
Diese Entscheidung wurde erlassen von Spruchkörper 1 unter Mitwirkung von
Klaus Grabinski, Präsident des Berufungsgerichts, Peter Blok, rechtlich qualifizierter Richter, Emmanuel Gougé, Berichterstatter und rechtlich qualifizierter Richter.
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
BEANSTANDETE ANORDNUNG DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
- □ Anordnung des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts, Lokalkammer München, vom 16. Dezember 2024
- □ Aktenzeichen: ORD_55998/2024, ACT_584119/2023, UPC_CFI_399/2023
KURZE DARSTELLUNG DES SACHVERHALTS
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- Am 16. Dezember 2024 wies die Lokalkammer München des Gerichts erster Instanz im Rahmen eines Patentverletzungsverfahrens den Antrag von Amazon auf Herausgabe einer ungeschwärzten Version mehrerer Dokumente und Informationen von Nokia ab.
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- Amazon legte gemäß R. 220.1 VerfO (APL 67638/2024, UPC_CoA_835/2024) Berufung gegen die beanstandete Anordnung ein.
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- Zusammen mit dieser Berufung reichte Amazon einen Antrag gemäß R. 262A VerfO (App 68644/2024, UPC_CoA_835/2024) sowie einen Antrag gemäß R. 262.2 VerfO (App 68645/2024, UPC_CoA_835/2024) ein. Letzterer ist Gegenstand dieser Verfahrensanordnung.
ANTRAG DER ANTRAGSTELLERINEN
4. Amazon beantragt
- I. Die nachfolgend zusammengefassten Informationen aus der Berufung und Berufungsbegründung nach R. 220.1 lit. c), 225 f. VerfO vom 30. Dezember 2024 (67638/2024) werden gemäß Art. 58 EPGÜ i.V.m. R. 262 VerfO als vertraulich eingestuft:
- · Alle grau hinterlegten Textstellen und dazugehörigen Abbildungen sowie die als 'streng vertraulich' gekennzeichneten Anlagen betreffend Ablauf, Inhalt und Zeitpunkte der Lizenzverhandlungen zwischen den Parteien, Inhalte der Lizenzangebote der Parteien;
- · Alle grau hinterlegten Textstellen und dazugehörigen Abbildungen sowie die als 'streng vertraulich' gekennzeichneten Anlagen betreffend das Geschäftsmodell der Beklagten;
- · Alle grau hinterlegten Textstellen und dazugehörigen Abbildungen sowie die als 'streng vertraulich' gekennzeichneten Anlagen betreffend die Informationen zur Identität der
Lizenznehmer und Inhalten der Lizenzverträge der Klägerin sowie die von der Klägerin vorgelegten Lizenzverträge und dazugehörige Informationen.
- II. Es wird angeordnet, dass die als vertraulich eingestuften Informationen von jedem, der aufgrund seiner Beteiligung an dem vorliegenden Verfahren (als Partei, Vertreter, Zeuge, Sachverständiger, Gerichtsbediensteter oder in anderer Weise) davon Kenntnis erlangt, vertraulich behandelt werden müssen und nicht außerhalb dieses Gerichtsverfahrens verwendet oder offengelegt werden dürfen, es sei denn, er hat außerhalb des Verfahrens davon Kenntnis erlangt.
- III. Es wird angeordnet, dass die Verpflichtung zur Geheimhaltung gemäß Ziffer II. auch nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens weiter gilt, es sei denn, dass die streitige Information Personen aus den Kreisen, die üblicherweise Zugang zu solchen Informationen haben, anderweitig bekannt oder ohne weiteres zugänglich wird.
- IV. Es wird darauf hingewiesen, dass das Gericht im Falle einer schuldhaften Zuwiderhandlung dem Verpflichteten für jede Zuwiderhandlung ein wiederkehrendes Zwangsgeld auferlegen und dieses sofort vollstrecken kann.
- V. Die unter Ziffer I. als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Informationen werden von der Akteneinsicht durch Dritte ausgeschlossen (Art. 58 EPGÜ i.V.m. R. 262.1(b), 262.2 VerfO).
- VI. Die Öffentlichkeit wird gemäß R. 115 VerfO von der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen, soweit die gemäß Ziffer I. als vertraulich eingestuften Informationen Gegenstand der mündlichen Verhandlung werden sollen.
- VII. Die Öffentlichkeit wird für einen Teil der Verkündung der Urteilsgründe analog R. 115 VerfO ausgeschlossen, soweit die gemäß Ziffer I. als vertraulich eingestuften Informationen betroffen sind
- VIII. Vor einer Veröffentlichung der Urteilsgründe oder sonstiger Verlautbarungen wird jede darin enthaltene Information, die die gemäß Ziffer I. als vertraulich eingestuften Informationen betreffen, geschwärzt.
BEGRÜNDUNG DER ANORDNUNG
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- Die Anträge zu I. und V. sind nach Art. 58 EPGÜ i.V.m. Regel 262.2 RoP begründet, da die die Antragstellerinnen hierfür konkrete Gründe angeführt haben. Die Anträge zu I. und V. sind der besseren Übersichtlichkeit halber nachfolgend unter I. der Anordnungen zusammengefasst.
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- Den Anträgen zu II. und III. ist vorläufig stattzugeben, soweit diese sich auf die Parteien und deren Vertreter beziehen. Nach den Darlegungen der Antragstellerinnen betreffen die Anträge um vertraulich zu behandelnde Informationen. Zudem sind die Berufung und Berufungsbegründung zur Kenntniserlangung durch den genannten Personenkreis bestimmt, so dass insoweit ein besonderes Geheinhaltungsinteresse der Beklagten anzuerkennen ist.
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- Der Hinweis auf die Anordnung von Zwangsgeldern wegen Nichtbefolgung einer gerichtlichen Anordnung gemäß Antrag zu IV. kann auf Grundlage von Art. 82(4) EPGÜ nur gegenüber den Parteien, nicht aber gegenüber den Vertretern erfolgen, was eine Haftung der Parteien für Zuwiderhandlungen ihrer Vertreter nicht ausschließt. Die maximale Höhe des angedrohten Zwangsgeldes wurde von Amts wegen bestimmt.
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- Die Anordnungen zu II. und III erfolgen nur vorläufig, um der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Berufungserwiderung nach Regel 225.1 VerfO noch Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
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- Die Anträge zu II. und III. sind zurückzuweisen, soweit sie sich auf andere Personen als die Parteien oder deren Vertreter beziehen, da die Antragstellerinnen in diesem Umfang bereits kein besonderes Geheimhaltungsinteresse dargetan haben. Soweit sich die Anträge auf Gerichtsbedienstete beziehen, fehlt es zudem an einer Rechtsgrundlage, da weder die Regel 262 noch die Regel 262A RoP im Hinblick auf Gerichtsbedienstete anwendbar ist. Zudem wird darauf hingewiesen, dass Gerichtsbedienstete einer auch über ihre Dienstzeit hinaus andauernden Geheimhaltungsverpflichtung nach Art. 5.3 Statut der Beamten und sonstigen Bediensteten des Einheitlichen Patentgerichts unterliegen.
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- Hinsichtlich der Anträge zu VI. bis VIII. besteht zum jetzigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit für eine Anordnung. Über diese Anträge kann bei Relevanz im weiteren Verfahrensablauf entschieden werden.
VERFAHRENSANORDNUNG
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I. Es wird angeordnet, dass alle in der Berufung und Berufungsbegründung vom 30. Dezember 2024 grau hinterlegten Textstellen und dazugehörige Abbildungen sowie die als 'streng vertraulich' gekennzeichneten Anlagen betreffend
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· Ablauf, Inhalt und Zeitpunkte der Lizenzverhandlungen zwischen den Parteien, Inhalte der Lizenzangebote der Parteien,
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· das Geschäftsmodell der Beklagten,
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· Informationen zur Identität der Lizenznehmer und Inhalten der Lizenzverträge der Klägerin sowie die von der Klägerin vorgelegten Lizenzverträge und dazugehörige Informationen gemäß Art. 58 EPGÜ i.V.m. R. 262.2 VerfO als vertraulich zu behandeln und von der Akteneinsicht durch Dritte ausgeschlossen sind.
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II. Es wird vorläufig angeordnet, dass
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· die unter I. genannten und als vertraulich zu behandelnden Informationen von den Parteien und ihren Vertretern vertraulich behandelt werden müssen und nicht außerhalb des Gerichtsverfahrens verwendet oder offengelegt werden dürfen, es sei denn, sie haben außerhalb des Verfahrens davon Kenntnis erhalten und
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· die Verpflichtung zur vertraulichen Behandlung unter I. auch nach Abschluss des Verfahrens weiter gilt, es sei denn, dass die Information Personen aus Kreisen, die üblicherweise Zugang zu solchen Informationen haben, anderweitig bekannt oder ohne weiteres zugänglich wird.
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III. Es wird darauf hingewiesen, dass das Gericht im Falle einer schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung unter III. der jeweiligen Partei für jede Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in einer Höhe von bis zu 250.000 € auferlegt werden kann.
IV.Im Übrigen werden die Anträge zu II. bis IV zurückgewiesen.
- V. Es wird angeordnet, dass über die Anträge zu (VI) bis (VIII) auf Ausschluss der Öffentlichkeit in der mündlichen Verhandlung und einer eventuellen Verkündung der Urteilsbegründung sowie teilweisen Schwärzungen der Urteilsgründe wird zu gegebener Zeit entschieden.
Diese Anordnung wird am 20. Januar 2024 erlassen.
Klaus Grabinski, Präsident des Berufungsgerichts,
Peter Blok, rechtlich qualifizierter Richter,
Emmanuel Gougé, Berichterstatter und rechtlich qualifizierter Richter
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