10 February, 2025
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Order
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ORD_68781/2024
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Munich (DE) Local Di…
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EP3602692
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Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ
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Lokalkammer München UPC_CFI_342/2024
Anordnung des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts
erlassen am 10.02.2025
Leitsätze:
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- Die Zuständigkeit des EPG gemäß Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ, Art. 2g), Art. 3c) EPGÜ umfasst Verletzungsklagen auch insoweit, als dass sie auf Benutzungshandlungen gestützt werden, die vor dem Inkrafttreten des EPGÜ und/oder in der Zeit zwischen einem Opt-Out und dem Rücktritt hiervon stattgefunden haben sollen.
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- Zuständigkeit und anwendbares Recht sind voneinander zu trennende Aspekte, die separat voneinander zu beurteilen sind. Weder kann aus der Zuständigkeit des EPG geschlossen werden, dass auf jeden zur Entscheidung gestellten Sachverhalt stets das EPGÜ Anwendung findet, noch ist das anwendbare Recht ausschlaggebend für die Zuständigkeit des EPG.
KLÄGERIN
PHOENIX CONTACT GmbH & Co. KG, Flachsmarktstraße 8-28, 32825 Blomberg, Deutschland, vertreten durch:
Rechtsanwalt Hannes Jacobsen, CBH Rechtsanwälte, Ismaninger Straße 65a, 81675 München, Deutschland.
BEKLAGTE
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- Industria Lombarda Materiale Elettrico I.L.M.E. S.p.A ., Via Marco Antonio Colonna 9 -20149, Mailand, Italien,
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- ILME GmbH Elektrotechnische Handelsgesellschaft , Max-Planck-Straße 12, 51674 Wiehl, Deutschland,
vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Henrik Timmann, rospatt Rechtsanwälte PartGmbB, 40547 Düsseldorf, Deutschland.
STREITPATENT
Europäisches Patent EP 3 602 692
SPRUCHKÖRPER/KAMMER
Spruchkörper/Panel 2 der Lokalkammer München
MITWIRKENDE RICHTERIN
Die Anordnung wurde durch die Vorsitzende Richterin Ulrike Voß als Berichterstatterin erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
STREITGEGENSTAND
Einspruch R. 19.1 (a) VerfO, R. 20.1 VerfO
SACHVERHALT
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- Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 28.03.2018 angemeldeten Europäischen Patents EP 3 602 692 (nachfolgend Streitpatent), dessen Erteilung am 11.10.2023 veröffentlicht worden ist. Am 12.05.2023 nahm die Klägerin für das Streitpatent die Ausnahmeregelung gem. Art. 83 Abs. 3 EPGÜ (Opt-Out) in Anspruch. Von dieser ist sie am 19.06.2024 gem. Art. 84 Abs. 4 EPGÜ zurückgetreten.
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- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents u.a. auf Auskunft und Offenlegung der Bücher, Vernichtung, Rückruf, Entfernung aus den Vertriebswegen, (vorläufigen) Schadenersatz und Entschädigung in Anspruch. Die von ihr insoweit gestellten Klageanträge betreffen auch Benutzungshandlungen der Beklagten, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des EPGÜ stattgefunden haben sollen.
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- Die am 24.06.2024 beim EPG eingereichte Klageschrift ist den Beklagten am 07.07.2024 bzw. 08.07.2024 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 06.08.2024 haben die Beklagten Einspruch gem. Regel 19 VerfO erhoben. Die Klägerin hat hierauf mit Schriftsatz vom 21.08.2024 Stellung genommen, worauf die Beklagten mit Schriftsatz vom 27.01.2025 erwidert haben.
ANTRÄGE
4. Die Beklagten beantragen:
I.
Dem Einspruch wird stattgegeben.
II.
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- Die Klage wird abgewiesen, soweit sie sich auf die Zeit vor dem 19.06.2024 bezieht.
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- Hilfsweise: Die Klageanträge auf Auskunftserteilung, Offenlegung der Bücher, Vernichtung, Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen, vorläufigen Schadensersatz i. H. v. EUR 100.000,00, Schadensersatz und Zahlung einer angemessenen Entschädigung (Klageanträge Ziff. IV 1 -4, VII, VIII 1 -2) werden abgewiesen, soweit sie sich auf die Zeit vor dem 19.06.2024 beziehen.
III.
Weiter hilfsweise: Das Verfahren wird gemäß Regel 266 Abs. 5 S. 1 VerfO ausgesetzt und dem EuGH wird gemäß Art. 21 EPGÜ i. V. m Art. 267 AEUV die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Gebietet die Unionsrechtsordnung die Anwendung und Auslegung des EPGÜ gemäß den in der Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969 kodifizierten und völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätzen der Vertragsanwendung und auslegung?
5. Die Klägerin beantragt:
I.
Der Einspruch wird zurückgewiesen.
II.
Hilfsweise: Der Einspruch wird im Hauptverfahren behandelt.
WESENTLICHE STREITPUNKTE
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- Die Beklagten sind der Ansicht, dem EPG fehle die Zuständigkeit gemäß Art. 32 Abs. 1 a) und f) EPGÜ, über die Verletzungsklage zu entscheiden, soweit sie sich auf die Zeit vor dem Inkrafttreten des EPGÜ zum 01.06.2023 beziehe. Die Verletzungsklage sei insofern vor dem unzuständigen Gericht erhoben worden und insoweit bereits als unzulässig abzuweisen.
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- Ob das EPG über angebliche Benutzungshandlungen entscheiden könne, die sich vor dem 01.06.2023 zugetragen haben sollen, sei nicht nur eine Frage des anwendbaren Rechts, sondern auch eine Frage der Zuständigkeit nach Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ. Dies folge aus Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ.
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- Das EPGÜ sehe keine materiell-rechtlichen Ansprüche vor, sondern halte nur eine begrenzte Anzahl von verfahrensrechtlichen Befugnissen gemäß den Artt. 56 ff. EPGÜ bereit. Diese übertrügen dem EPG die Befugnis, auf Antrag des Klägers bestimmte Maßnahmen gegen den Beklagten anzuordnen, die im Ermessen des EPG stehen. Das EPGÜ basiere also nicht auf den materiell-rechtlichen Ansprüchen des Gläubigers, sondern auf den Kompetenzen des EPG. Da das EPGÜ keine materiell-rechtlichen Ansprüche kenne, entfalle die Trennung zwischen materiell-rechtlichem Anspruch und seiner prozessualen Verwirklichung. Diese fehlende Unterscheidung habe zur Folge, dass das EPG bereits im Rahmen der Zuständigkeit gemäß Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ zu prüfen habe, ob die verfahrensrechtlichen Befugnisse gemäß Artt. 56 ff. EPGÜ überhaupt die in der Verletzungsklage geltend gemachte 'tatsächliche oder drohende Verletzung von Patenten' erfass ten. Zumindest dann, wenn eine Verletzungsklage von vornherein nicht geeignet sei, die notwendigen Voraussetzungen der verfahrensrechtlichen Befugnisse gemäß Artt. 56 ff. EPGÜ zu erfüllen, müsse das EPG seine Zuständigkeit gemäß Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ verneinen.
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- Das EPG habe die Wienervertragskonvention als völkerrechtlichen Vertrag zu beachten, insbesondere Art. 28 und Art. 31 WVK, welche Völkergewohnheitsrecht widerspiegelten. Art. 28 WVK beinhalte den Grundsatz, dass ein Vertrag im Zweifel keine Rückwirkung hat. Wenn ein völkerrechtlicher Vertrag nicht nur ein Tribunal mit Zuständigkeit für die Beilegung von Streitigkeiten, die sich in der Vergangenheit zugetragen haben, vorsehe, sondern sowohl materielles Recht begründe als auch ein internationales Gericht errichte, das mit der Durchsetzung dieses materiellen Rechts betraut sei, beschränke sich die Zuständigkeit dieses Gerichts deshalb auf Handlungen nach dem Inkrafttreten des Vertrages. Die Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrages könnten daher ausnahmsweise nur dann auf Tatsachen und Situationen angewendet werden, die vor dem Inkrafttreten des Vertrages lagen, wenn aus dem Vertrag eine entsprechende Absicht der Vertragsstaaten hervorgehe.
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- Ausgehend von diesen Grundsätzen habe sich die ILC und die Praxis der Europäischen Kommission der Menschenrechte bzw. des EGMR eingehend und vielfach mit der zeitlichen Zuständigkeit befasst. Diese werde grundsätzlich nur für die Zeit ab Inkrafttreten des jeweiligen Vertrages angenommen. Gleiches gelte für internationale Schiedsgerichte. All dies sei auch vorliegend zu berücksichtigen. Die Grundsätze des EGMR zur zeitlichen Zuständigkeit würden auch für das EPG als internationales Gericht gelten, obgleich das EPG nicht für Streitigkeiten zwischen Staaten, sondern für Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatpersonen zuständig sei.
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- Dem EPGÜ könne nicht die Absicht der Vertragsmitgliedstaaten entnommen werden, dass das Übereinkommen bzw. die (materiellen) Vorschriften der Artt. 25, 32, 34, 63, 64, 67 und 68 EPGÜ Rückwirkung entfalten sollen. Die Vertragsmitgliedstaaten hätten sich weder dazu verpflichtet, im Hinblick auf Benutzungshandlungen vor dem 01.06.2023 die jeweiligen nationalen Patentgesetze durch die materiellen Bestimmungen des EPGÜ zu ersetzen. Noch hätten sie den nationalen Gerichten ihre Zuständigkeit für Benutzungshandlungen, die sich vor dem 01.06.2023 zugetragen haben, entzogen, noch
würden sie insofern das EPG an die Stelle der nationalen Gerichte treten lassen. Für die Zeit vor dem Inkrafttreten des EPGÜ seien aufgrund des Protokolls zur vorläufigen Anwendbarkeit vom 01.10.2015 nur institutionelle Bestimmungen, nicht jedoch materielles Recht anwendbar gewesen. Es würde eine Missachtung der souveränen Entscheidung der Vertragsmitgliedstaaten, das EPGÜ erst zum 01.06.2023 in Kraft treten zu lassen, darstellen, wenn das EPGÜ auch auf Benutzungshandlungen aus der Zeit vor seinem Inkrafttreten erstreckt und auch insofern den nationalen Gerichten die Zuständigkeit entzogen würde.
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- Art. 3c) EPGÜ bestätige, dass das EPGÜ grundsätzlich keine Rückwirkung entfalte. Dieser stelle in zeitlicher Hinsicht auf das Inkrafttreten des EPGÜ und nicht auf einen früheren Zeitpunkt ab. Zudem betreffe Art. 3 EPGÜ lediglich die Frage, für welche Schutzrechte das EPG zuständig sein soll. Diese Norm betreffe lediglich die absoluten Herrschaftsrechte, nicht jedoch das sogenannte sekundäre Recht, d.h. die verfahrensrechtlichen Befugnisse gem. Art. 56 ff. EPGÜ. Da Art. 3 EPGÜ kein sekundäres Recht erfasse, könne auch aus Art. 3c) EPGÜ keine Rückwirkung abgeleitet werden. Vor dem Inkrafttreten des EPGÜ seien die nationalen Gerichte ausschließlich für solche sekundären Rechte zuständig gewesen. Das EPGÜ besage weder ausdrücklich noch stillschweigend, dass die nationalen Gerichte nicht mehr zuständig sein sollen. Vielmehr folge Gegenteiliges aus Art. 32 Abs. 2 EPGÜ.
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- Gleichfalls könne eine Zuständigkeit nicht mittels Art. 32 Abs. 1 f) EPGÜ begründet werden. Auch diese Vorschrift habe keine Rückwirkung.
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- Eine Beschränkung der zeitlichen Zuständigkeit des EPG auf angebliche Benutzungshandlungen in der Zeit nach dem 01.06.2023 ergebe sich auch aus dem Sinn und Zweck des EPGÜ. Die Geltung der Richtlinie 2004/47/EG vor Inkrafttreten des EPGÜ ändere hieran ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass das EPGÜ bereits im Jahr 2013 unterzeichnet worden ist.
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- Somit sei die Zuständigkeit des EPG gemäß Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ auf Sachverhalte beschränkt, die sich nach dem 01.06.2023 ereignet haben, während Sachverhalte aus der Zeit vor dem 01.06.2023 von der Zuständigkeit des EPG ausgenommen seien. Diese Auslegung des Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ sei vor dem Hintergrund des in Erwägungsgrund 5 der Präambel des EPGÜ niedergelegten Gebots der Rechtssicherheit sowie des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach Erwägungsgrund 6 der EPGÜ-Präambel auch zwingend und werde im Übrigen durch die Regelungen des EPGÜ und der VerfO zum Opt-Out bestätigt.
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- Gemäß völkerrechtlichen Grundsätzen würden Handlungen, die vor Inkrafttreten eines völkerrechtlichen Vertrags begonnen wurden und danach fortgesetzt werden, von dem Vertrag nur insoweit erfasst, als sie nach Inkrafttreten des Vertrags erfolgen. Die von der ILC und dem EGMR hierzu aufgestellten Grundsätze zu (fortgesetzten) Handlungen würden auch für angebliche Benutzungshandlungen, die ohne Zustimmung des Patentinhabers erfolgt seien, gelten. Daher sei jede einzelne (vermeintliche) Benutzungshandlung der Beklagten, die sich vor dem 01.06.2023 zugetragen habe, von der zeitlichen Zuständigkeit des EPG nach Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ ausgeschlossen, selbst wenn sie Teil einer Reihe von Handlungen sei, die vor dem 01.06.2023 begonnen haben und danach fortgesetzt wurden.
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- Die Unzuständigkeit des EPG in zeitlicher Hinsicht gelte in jedem Fall für die von der Klägerin gestellten Klageanträge auf Auskunftserteilung, Offenlegung der Bücher, Vernichtung, Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen, vorläufigen Schadensersatz, Schadensersatz und Zahlung einer angemessenen Entschädigung.
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- In Bezug auf Benutzungshandlungen in der Zeit vor dem Inkrafttreten des EPGÜ sei ausschließlich das jeweils gemäß Art. 8 Rom II-VO anwendbare nationale Recht einschlägig. Die Anordnung von Rechtsfolgen, die sich aus dem jeweils anwendbaren nationalen Recht ergeben, liege in der Zuständigkeit der jeweiligen nationalen Gerichte. Das EPGÜ enthalte keine verfahrensrechtlichen Befugnisse gem. Artt. 56 ff EPGÜ, die es dem EPG gestatten würden, Rechtsfolgen anzuordnen, die aus einer Patentverletzung nach nationalem Recht resultierten.
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- Die Beklagten sind ferner der Ansicht, dem EPG fehle die Zuständigkeit gemäß Art. 32 Abs. 1 a) und f) EPGÜ, soweit sich die Verletzungsklage auf den Zeitraum vom 01.06.2023 bis zum 19.06.2024 beziehe. Das Opt-Out werde gem. Art. 83 Abs. 3 S. 3 EPGÜ mit der Eintragung der entsprechenden Mitteilung in das Register wirksam und habe keine Rückwirkung, wie Regel 5 Abs. 5 S. 2 VerfO bestätige. Das Opt-In sei spiegelbildlich in ' ' Art. 83 Abs. 4 EPGÜ geregelt, so dass auch diesem keine Rückwirkung zukomme. Das ' Opt-In habe ex-nunc-Wirkung, d.h. ab Eintragung der Mitteilung über den Rücktritt in das ' Register. Dem EPG fehle es infolgedessen an der Zuständigkeit gem. Art. 32 Abs. 1 a), f) EPGÜ, über eine Verletzungsklage zu entscheiden, soweit sie sich auf die Zeit des OptOuts eines europäischen Patents beziehe. Der Patentinhaber müsse sich insofern an die gem. Art. 32 Abs. 2 EPGÜ weiterhin zuständigen nationalen Gerichte wenden, deren ausschließliche Zuständigkeit er durch seine Opt-Out selbst begründet habe. Dies folge auch aus dem Sinn und Zweck des EPGÜ, welches gemäß Erwägungsgrund 5 seiner Präambel nicht nur die Durchsetzung von Patenten, sondern auch die Verteidigung gegen unbegründete Klagen verbessern und die Rechtssicherheit stärken soll.
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- Die Klägerin ist demgegenüber der Ansicht, der Einspruch sei schon nicht statthaft. Die von den Beklagten behauptete zeitliche Teilunzuständigkeit sei kein Einspruchsgrund nach R. 19.1 (a) VerfO. Von der Frage der Zuständigkeit losgelöst sei ferner zu beurteilen, ob das EPG die mit der Klage begehrten Rechtsfolgen aussprechen könne. Ob das der Fall sei, sei einer Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten und keine Frage der Zuständigkeit. Daran ändere es nichts, dass die Beklagten diese Entscheidungsfindung der Hauptsache als 'zeitliche Zuständigkeit' umschri eben.
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- Die Argumentation betreffend Art. 28 WVK verfange bereits deshalb nicht, weil Parteien von völkerrechtlichen Verträgen Staaten seien. Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits seien indes keine Vertragsparteien des EPGÜ oder sonstiger völkerrechtlicher Verträge.
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- Bei der Frage der Zuständigkeit für Sachverhalte vor dem 01.06.2023 handele es sich nicht um eine völkerrechtlich relevante Rückwirkung. Das EPGÜ regele zunächst keine Rückwirkung, da es nicht in die Vergangenheit eingreife und etwa die Zuständigkeit des EPG für bereits vor den nationalen Gerichten anhängig gemachte Klagen begründe. Das EPGÜ enthalte vielmehr eine in die Zukunft gerichtete Stichtagsregelung in Art. 89 Abs. 1
EPGÜ, welche ab einem bestimmten Zeitpunkt alle künftig anhängig gemachten Verfahren gem. Art. 31 Abs. 1 EPGÜ ausschließlich dem EPG zuweise. Gegenstand dieser Verfahren könnten dann und werden insbesondere Sachverhalte sein, die sich in der Vergangenheit zugetragen haben. Mit der Frage der Zuständigkeit für diese ab dem 01.06.2023 anhängig gewordenen, 'neuen' Verfahren ergäbe sich aber keine Rückwirkung. Das EPG trete auch an die Stelle der nationalen Gerichte und stehe den nationalen Gerichten gleich. Dass im Übrigen nationale Gerichte auch nicht weiterhin für die Entscheidung über Sachverhalte vor dem Stichtag zuständig seien, ergebe sich aus dem Fehlen einer Übergangsregelung hinsichtlich der Zuständigkeit im EPGÜ. Dieser bedürfte es systematisch, um die Zuständigkeit so zu verteilen, wie die Beklagten es behaupteten. Konsequenz der Ansicht der Beklagten wäre es im Übrigen, dass Ansprüche aus dem Patent untergingen oder nicht mehr durchsetzbar seien, insbesondere Entschädigungsansprüche, die das EPGÜ aber sogar ausdrücklich regele.
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- Eine zeitliche Zäsur für die Zuständigkeit des EPG vor dessen Arbeitsaufnahme könne es nicht geben, da es in die Position der (bis dahin zuständigen) nationalen Gerichte am 01.06.2023 vollständig eingetreten sei. Das EPG sei somit für alle Fälle zuständig, die bei ihm anhängig gemacht werden und die die allgemeinen Zuständigkeitskriterien des EPGÜ und der VerfO erfüllten.
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- Aus dem zeitweisen 'Opt Out' -der Klägerin ergebe sich keine andere Beurteilung, da dieses allein die Frage behandele, welches Gericht zum Zeitpunkt der Klageerhebung zuständig sei.
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- Art. 3 EPGÜ regele i. V. m. Art. 32 Abs. 1 EPGÜ eindeutig die ausschließliche Zuständigkeit des EPG. Hätte die ausschließliche Zuständigkeit des EPGÜ nicht für die Zeit vor dem 01.06.2023 gelten sollen, hätte gerade diese Ausnahme geregelt werden müssen. Das Gegenteil sei der Fall und dem EPG sei eine umfassende Zuständigkeit gegeben.
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- Der Vorlageantrag der Beklagten sei unzulässig. Insbesondere deshalb, weil es sich bei der Frage, ob bei Anwendung und Auslegung des EPGÜ Grundsätze der WVK und des Völkergewohnheitsrechts anzuwenden seien, nicht um eine Frage der Auslegung von Unionsrecht handele. Selbst wenn dies anders zu sehen wäre, würde die beantragte Vorlagefrage auf einen acte clair zielen und wäre damit inhaltlich nicht für eine Vorlagefrage geeignet, da vernünftigerweise keine Zweifel darüber bestehen könnten, dass die WVK und die völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätze bei der Anwendung des EPGÜ Niederschlag finden.
GRÜNDE FÜR DIE ANORDNUNG
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- Der zulässige Einspruch hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
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- Der Einspruch der Beklagten ist zulässig. Er ist entsprechend Regel 19.1 VerfO innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift erhoben worden und genügt zudem den
formalen Anforderungen der Regel 19.2 VerfO sowie der Regel 19.3 VerfO. Der Einspruch betrifft des Weiteren einen zulässigen Einspruchsgrund. Die Beklagten erheben die Rüge der fehlenden Zuständigkeit des EPG gem. Regel 19.1 (a) VerfO.
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- Dass die Rüge der Unzuständigkeit lediglich in Bezug auf (behauptete) Benutzungshandlungen in bestimmten Zeiträumen erhoben wird, ändert an der Zulässigkeit des Einspruchs nichts. Regel 19.1 (a) VerfO setzt nicht voraus, dass mit dem Einspruch die Zuständigkeit des EPG für die erhobene Klage insgesamt in Abrede gestellt wird. Ein Einspruch kann auch nur gegenüber einem (von mehreren) Streitgegenständen geltend gemacht werden.
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- Der Zulässigkeit des Einspruchs steht ebenso wenig entgegen, dass die (vermeintliche) teilweise Unzuständigkeit des EPG im Wesentlichen mit dem Recht begründet wird, welches nach Auffassung der Beklagten auf die Sachverhalte vor dem 01.06.2023 bzw. dem 19.04.2024 anwendbar sein soll. Zwar trifft es zu, dass die Aufzählung der in Regel 19.1 VerfO genannten Einspruchsgründe abschließender Natur ist, weshalb ein Einspruch nicht auf andere Gründe gestützt werden kann (Berufungsgericht, CoA_188/2024, Anordnung v. 03.09.2024 -Aylo/Dish). Ebenso zutreffend ist, dass in Regel 19.1 (a) VerfO das anwendbare Recht keine Erwähnung findet. Gleichwohl ist vorliegend eine Ausweitung der Einspruchsgründen nicht zu konstatieren. Die Beklagten rügen explizit die Zuständigkeit des EPG gem. Regel 19.1(a) VerfO für einen bestimmten Zeitraum. Nur zur Begründung des Einspruchs berufen sie sich auf das anwendbare Recht, welches ihrer Ansicht nach für die Zuständigkeitsbestimmung von Bedeutung sein soll. Diese Verknüpfung von Zuständigkeit und anwendbarem Recht ist weder willkürlich noch ohne jeden sachlichen Bezug zueinander, so dass der Einspruch nicht bereits aus diesem Grund als unzulässig zurückgewiesen werden kann. Ob diese Verknüpfung tatsächlich besteht und ob die Begründung der Beklagten in der Sache Erfolg verspricht, ist für die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs irrelevant.
II.
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- Der Einspruch ist unbegründet. Das EPG ist gem. Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ, Art. 2g), Art. 3c) EPGÜ für die Klage zuständig, ohne zeitliche Einschränkung.
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- Nach Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ besitzt das EPG u.a. die ausschließliche Zuständigkeit für Klagen wegen tatsächlicher oder drohender Verletzung von Patenten, wobei diese sachliche Zuständigkeit nach Art. 2g) EPGÜ auch für Verletzungsverfahren betreffend ein europäisches Patent besteht, das entsprechend Art. 3c) EPGÜ zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EPGÜ noch nicht erloschen war. Die Zuständigkeit des EPG in sachlicher Hinsicht ist demnach vorliegend grundsätzlich eröffnet. Die Klägerin macht Ansprüche wegen (vermeintlicher) Benutzung eines europäischen Patents geltend, welches am 01.06.2023 noch nicht erloschen war.
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- Die ausschließliche Zuständigkeit des EPG gem. Art. 32 Abs. 1 a), 2g), 3c) EPGÜ gilt während der Übergangszeit allerdings nicht uneingeschränkt. Nach Art. 83 Abs. 1 EPGÜ können während einer Übergangszeit von sieben Jahren nach Inkrafttreten des EPGÜ
Klagen wegen (vermeintlicher) Verletzung eines europäischen Patents (ohne einheitliche Wirkung) weiterhin bei nationalen Gerichten erhoben werden. Art. 83 Abs. 3 EPGÜ gibt dem Inhaber eines europäischen Patents zudem die Möglichkeit, die Zuständigkeit des EPG für ein europäisches Patent auszuschließen. Der Kläger bzw. der Inhaber des europäischen Patents hat -bei Beachtung der entsprechenden Voraussetzungen -mithin während der Übergangszeit grundsätzlich ein Wahlrecht. Bei der ausschließlichen Zuständigkeit gem. Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ handelt es sich während der Übergangszeit mit Blick auf ein europäisches Patent folglich um eine konkurrierende Zuständigkeit.
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- Die Abgrenzung der Zuständigkeit des EPG gem. Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ im Verhältnis zum nationalen Gericht bestimmt sich während der Übergangszeit angesichts des zuvor Gesagten danach, ob das europäische Patent, dessen Verletzung behauptet wird, von der ausschließlichen Zuständigkeit des EPG ausgenommen worden ist oder nicht. Liegt ein (wirksamer) Opt-out im Sinne des Art. 83 Abs. 3 EPGÜ vor, ist nur das nationale Gericht zuständig. Das EPG ist hingegen unzuständig, sofern mangels Einspruchs nicht gem. Regel 19.7 VerfO die Zuständigkeit des EPG als anerkannt gilt. Ist die Ausnahmeregelung gem. Art. 83 Abs. 3 EPGÜ nicht in Anspruch genommen oder tritt der Patentinhaber vom Opt-Out gemäß Art. 83 Abs. 4 EPGÜ (wirksam) zurück, ist die konkurrierende Zuständigkeit von EPG und nationalem Gericht wieder hergestellt, so dass das EPG -infolge der Ausübung des insoweit bestehenden Wahlrechts eines Klägers -zuständig ist.
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- Angewendet auf den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies, dass das EPG gem. Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ i. V. m. Art. 2g), Art. 3c) EPGÜ für die Klage zuständig ist. Von der am 12.05.2023 erklärten Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung gem. Art. 83 Abs. 3 EPGÜ ist die Klägerin am 19.06.2024 (wirksam) entsprechend Art. 83 Abs. 4 EPGÜ zurückgetreten. Es bestand seitdem wieder eine konkurrierende Zuständigkeit zwischen dem nationalen Gericht und dem EPG. Daher durfte die Klägerin sich am 24.06.2024 dafür entscheiden, das vorliegende Verfahren vor das EPG zu bringen.
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- Maßgeblicher Zeitpunkt für die vorgenannte Abgrenzung ist der Zeitpunkt, in dem die Klage beim EPG erhoben wird bzw. erhoben worden ist. Entscheidend ist allein, wie sich die Lage in diesem Zeitpunkt darstellt. Weder ist von Interesse, welches Gericht zu einem vorherigen Zeitpunkt zuständig gewesen ist bzw. wäre. Noch wird eine einmal begründete Zuständigkeit aufgrund geänderter Umstände nachträglich beseitigt.
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- Die Zuständigkeit des EPG umfasst den gesamten mit der Klage geltend gemachten Zeitraum. Dem EPG ist der Rechtsstreit auch insoweit zur Entscheidung zugewiesen, als mit der Klage Ansprüche wegen (vermeintlichen) Benutzungshandlungen vor dem 01.06.2023 (Inkrafttreten des EPGÜ) und vor dem 19.06.2024 (Rücktritt vom Opt-Out) geltend gemacht werden. Ein Verstoß gegen Art. 28 WVK ist darin nicht zu erblicken. Bezogen auf die Zuständigkeit ist bereits kein Rückwirkungssachverhalt gegeben.
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- Das EPGÜ ist am 01.06.2023 in Kraft getreten. Die Zuständigkeitsvorschriften in Teil I, Kapitel VI EPGÜ entfalten ab diesem Tag Wirkung; sie sind seit diesem Tag anzuwenden. Dies stellen auch die Beklagten nicht in Abrede. Für die am bzw. seit dem Stichtag 01.06.2023 beim EPG eingereichten Klagen ist demzufolge anlässlich eines Einspruchs gem. Regel 19 ff. VerfO zu prüfen, ob die internationale und sachliche Zuständigkeit des
EPG gem. Art. 31 ff., 83, 3 EPGÜ gegeben ist. Die Zuständigkeit des EPG muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die erhobene Rüge der Unzuständigkeit begründet sein. Ob sie zuvor gegeben gewesen ist oder nicht, ist demgegenüber unerheblich. Da Klagen beim EPG erst ab dem 01.06.2023 eingereicht werden können, so dass auch ein Einspruch erst nach diesem Tag erhoben sowie entschieden werden kann, ist für die Zuständigkeit immer die Situation zu einem Zeitpunkt maßgeblich, der nach dem Inkrafttreten des EPGÜ liegt. Es findet keinerlei Vorverlagerung (auf einen Zeitpunkt vor dem 01.06.2023) statt.
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- Für den Fall, dass die Prüfung entsprechend Art. 31 ff., 83, 3 EPGÜ zu dem Ergebnis führt, dass nicht das EPG, sondern das nationale Gericht zuständig ist, weil der Kläger sein bestehendes Wahlrecht ausgeübt hat, ist das nationale Gericht (ausschließlich) zuständig. Wenn der Patentinhaber kein Opt-Out vorgenommen hat, ist das EPG (konkurrierend) zuständig. Für den Fall, dass ein Kläger, ohne Opt-Out, parallel das EPG und ein nationales Gericht anruft, gegen dieselbe Partei wegen desselben Anspruchs, muss sich das zuletzt angerufene Gericht für unzuständig erklären (Art. 31 EPGÜ, Art. 71c (2) und 29 Brüssel Ia-Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen). Das EPG 'entzieht' dem nationalen Gericht daher in keinem Fall (rückwirkend) die Zuständigkeit. Insbesondere bereits beim nationalen Gericht anhängige Verfahren verbleiben dort. Dies gilt im Übrigen nach Art. 83 Abs. 2 EPGÜ auch für Klagen, die am Ende der Übergangszeit vor einem nationalen Gericht anhängig sind. Diese werden durch den Ablauf der Übergangszeit nicht berührt. Das EPGÜ statuiert mithin jedenfalls insoweit ausdrücklich den Grundsatz des perpetuatio fori Prinzips.
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- Der Hinweis, dass im Falle eines Opt-Outs keine Zuständigkeit des EPG besteht, verfängt vorliegend nicht. Dies ist grundsätzlich zutreffend. Indes, ist ein Rücktritt von der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung vor Klageerhebung beim EPG (wirksam) gem. Art. 83 Abs. EPGÜ erfolgt, tritt erneut die Situation der konkurrierenden Zuständigkeit ein und das EPG besitzt die konkurrierende Zuständigkeit. Das für einen davor liegenden Zeitraum zwischenzeitlich nur das nationale Gericht zuständig war, ist irrelevant. Denn während dieser Zeit ist keine Klage (vor dem nationalen Gericht) erhoben worden, was dazu geführt hätte, dass ein Rücktritt von der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung nicht mehr möglich gewesen wäre.
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- Eine in zeitlicher Hinsicht eingeschränkte Zuständigkeit des EPG folgt auch nicht aus der (vermeintlichen) Nichtanwendbarkeit der Art. 25 ff. EPGÜ und/oder Art. 56 ff. EPGÜ auf (vermeintliche) Benutzungshandlungen, die vor dem 01.06.2023 bzw. 19.06.2024 stattgefunden haben sollen. Im Rahmen des Einspruchs kann dahinstehen, ob die dahingehenden Erwägungen der Beklagten zutreffend sind. Es ist nicht bereits im Rahmen der Zuständigkeit gemäß Art. 32 Abs. 1 a) EPGÜ zu prüfen, ob die verfahrensrechtlichen Befugnisse gemäß Artt. 56 ff. EPGÜ überhaupt die in der Verletzungsklage geltend gemachte tatsächliche oder drohende Verletzung von Patenten erfassen.
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- Zuständigkeit und anwendbares Recht sind voneinander zu trennende Aspekte, die separat voneinander zu beurteilen sind. Weder kann aus der Zuständigkeit des EPG geschlossen werden, dass auf jeden zur Entscheidung gestellten Sachverhalt stets das materielles Recht des EPGÜ Anwendung findet, noch ist das anwendbare Recht
ausschlaggebend für die Zuständigkeit des EPG. Die von den Beklagten vorgenommene Verknüpfung besteht nicht.
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- Es mag sein, dass die Ausführungen der Beklagten zum Ansatz des EPGÜ zutreffend sind und insbesondere Art. 56 ff. EPGÜ nicht als Ansprüche eines Klägers, sondern als Befugnisse des Gerichts ausgestaltet sind. Dies ändert jedoch nichts an der notwendigen Unterscheidung zwischen Zuständigkeit und anwendbaren Recht. Sie betreffen unterschiedliche Aspekte. Erstere befasst sich lediglich mit der Frage, welche Art von Streitigkeit einem Gericht zur Entscheidung zugewiesen wird. Fällt eine Streitigkeit hiernach in die Zuständigkeit des Gerichts stellt sich sodann im zweiten Schritt die Frage, welches Recht das (zuständige) Gericht auf den zur Entscheidung gestellten Sachverhalt anzuwenden hat.
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- Diese Unterscheidung liegt auch dem EPGÜ zugrunde. Zwar spricht Artikel 3 EPGÜ nur von Geltungsbereich (bzw. scope of application und champ d´application), ohne insoweit eine Differenzierung zwischen prozessualen Vorschriften und substanziellem Recht vorzunehmen, was zu dem Verständnis führen könnte, dass dieser Artikel für beide Aspekte gilt und eine Verknüpfung in der dargestellten Weise zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht anzunehmen wäre. Letztlich ist dem jedoch nicht so. Selbst wenn Artikel 3 EPGÜ auch für die Frage, welches Recht anwendbar ist, maßgeblich ist bzw. sein sollte, differenziert das EPGÜ anderenorts zwischen Zuständigkeit und anwendbaren Recht. Die Regelungen zur Zuständigkeit des EPG finden sich in Teil I, Kapitel VI EPGÜ, die Regelungen zum materiellen Recht und zu den Rechtsquellen in Teil I, Kapitel V EPGÜ. Eine Verknüpfung oder eine Bezugnahme dieser jeweils gesonderten Vorschriften aufeinander ist den Vorschriften nicht zu entnehmen. Gleiches gilt mit Blick auf die in Teil II, Kapitel IV geregelten Befugnisse des Gerichts. Es findet sich auch in diesen Vorschriften kein Anhalt dafür, dass bei der Bestimmung der Zuständigkeit das anwendbare Recht von Bedeutung sein soll.
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- Die Unterscheidung zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht ist im Übrigen auch auf europäischer Ebene anerkannt, wie z. B. die Brüssel Ia-VO Verordnung (EU) belegt. Diese enthält allein Regelungen zur internationalen Zuständigkeit, ohne das von dem zuständigen Gericht anwendbare materielle Recht zu determinieren und/oder dies als Aspekt der Zuständigkeit zu betrachten. Steht also die internationale Zuständigkeit des EPG in Rede, ist diese gem. Art. 31 EPGÜ ohne Rückgriff auf das anwendbare Recht zu bestimmen. Es ist nicht ersichtlich, dass im Hinblick auf die sachliche Zuständigkeit von diesem grundsätzlichen Ansatz abgewichen werden soll. Im Gegenteil, während der Übergangszeit gem. Art. 83 EPGÜ gelten gem. Art. 71c Abs. 2 EuGVVO die Art. 29 bis 32 EuGVVO für etwaige Zuständigkeitskonflikte zwischen dem EPG und den nationalen Gerichten.
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- Aus dem Sinn und Zweck des EPGÜ und der Präambel des EPGÜ rechtfertigt sich schließlich auch kein hiervon abweichendes Verständnis. Weder der beabsichtigte Beitrag zum Integrationsprozess in Europa (Erwägungsgrund 1) noch die Absicht, die Rechtssicherheit im Hinblick auf Rechtsstreitigkeiten über die Verletzung und Rechtsgültigkeit zu verbessern und zu stärken (Erwägungsgrund 5) noch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Erwägungsgrund 6) erfordern, die im EPGÜ normierte Trennung von Zuständigkeit und anwendbaren (materiellen) Recht unbeachtet zu lassen und die Frage der Zuständigkeit an die Frage des anwendbaren Rechts zu knüpfen.
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- Ob die von der Klägerin in ihrer Klage beantragten Rechtsfolgen wegen (vermeintlicher) Benutzungshandlungen der Beklagten seitens des Gerichts auszusprechen sind und welches Recht insoweit anzuwenden ist, insbesondere auch für Sachverhalte, die vor dem 01.06.2023 und dem 19.06.2024 stattgefunden haben sollen, ist eine Frage der Begründetheit der Klage. Diese Prüfung bleibt dem Hauptverfahren vorbehalten.
III.
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- Es besteht keine Veranlassung, das Verfahren gemäß Regel 266 Abs. 5 S. 1 VerfO auszusetzen und dem EuGH gemäß Art. 21 EPGÜ i. V. m Art. 267 AEUV die von den Beklagten formulierte Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen. Nach Ansicht der Berichterstatterin besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass das EPGÜ als völkerrechtlicher Vertrag an den Grundsätzen der Wienervertragsrechtskonvention zu messen ist. Für die Entscheidung über den Einspruch ist die formulierte Vorlagefrage überdies nicht entscheidungserheblich.
IV.
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- Entsprechend Regel 20.1 VerfO werden die Parteien darauf hingewiesen, dass das Verfahren aufgrund Zurückweisung des Einspruchs gemäß den Regeln der Verfahrensordnung fortgesetzt wird. Die Parteien haben die Gelegenheit, die jeweils für sie noch ausstehenden Schriftsätze fristgerecht einzureichen.
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- Nach Regel 21.1 VerfO kann gegen eine Entscheidung der Berichterstatterin, den Einspruch zurückzuweisen, nur gemäß Regel 220.2 VerfO Berufung eingelegt werden. Es bedarf mithin der Zulassung der Berufung, welche im Ermessen der Berichterstatterin steht. Unter Berücksichtigung von Erwägungsgrund 8 der Verfahrensordnung wird vorliegend die Berufung zugelassen. Die Entscheidung betrifft eine Rechtsfrage, die für eine Vielzahl von Fällen entscheidungserheblich sein kann, so dass eine einheitliche Anwendung und Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften des EPGÜ angezeigt ist.
ANORDNUNG
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- Der Einspruch der Beklagten einschließlich der Hilfsanträge wird zurückgewiesen.
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- Das Verfahren wird fortgesetzt.
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- Die Berufung wird zugelassen.
INFORMATION ZUR BERUFUNG
Gegen die Anordnung kann gem. Regel 21.1 VerfO i. V. m. Regel 220.2 VerfO innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung der Anordnung Berufung eingelegt werden.
ANGABEN ZUR ANORDNUNG
Anordnung Nr. ORD_68781/2024 im Verfahren:
ACT_37621/2024 UPC_CFI_342/2024 Verletzungsklage App_45481/2024
UPC Nummer: Art des Vorgangs: Antragsnummer:
Ulrike Voß Vorsitzende Richterin
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