
Lokalkammer München UPC_CFI_208/2023
Anordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts, erlassen am 25.02.2025
Leitsätze:
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- Zweck der Regeln 370.9 (b) und (e) EPGVerfO zur Gebühren-Rückerstattung im Falle der Klagerücknahme ist es, die Rückerstattung mit dem bereits betriebenen Aufwand des Gerichts in ein angemessenes Verhältnis zu setzen.
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- Bei einem komplexen Patentverletzungsstreit, den die Parteien bis zur Rücknahme der Klage und der Widerklagen sehr intensiv geführt haben und der daher einen außergewöhnlich hohen, weit überdurchschnittlichen Arbeitsaufwand auf Seiten des Gerichts verursacht hat, handelt sich um einen 'außergewöhnlichen Fall' im Sinne der Regel 370.9 (e) EPGVerfO.
KLÄGERIN
Panasonic Holdings Corporation
vertreten durch: Miriam Kiefer
BEKLAGTE
-
- Guangdong OPPO Mobile Telecommunications Corp. Ltd.
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- OROPE Germany GmbH
vertreten durch: Tobias J. Hessel
STREITPATENT
Europäisches Patent 2 197 132
SPRUCHKÖRPER / KAMMER
Spruchkörper 1 der Lokalkammer München.
MITWIRKENDE RICHTER/-INNEN
Diese Anordnung wurde vom Vorsitzenden Richter Dr. Zigann, den rechtlich qualifizierten Richtern Kupecz und Pichlmaier und den technisch qualifizierten Richter Rydman erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
GEGENSTAND
Überprüfung einer verfahrensleitenden Anordnung nach Regel 333 EPGVerfO
Sachverhalt
Die Parteien haben nach einer außergerichtlichen Einigung Ende des Jahres 2024 sowohl die anhängige Verletzungsklage als auch die Widerklagen zurückgenommen und die anteilige Rückerstattung der Gerichtsgebühren in Höhe von 60% beantragt.
Der als Berichterstatter handelnde Vorsitzende der Lokalkammer hat den Parteien lediglich eine Rückerstattung in Höhe von 40% zuerkannt (Ziff. 5 der Anordnung vom 23.12.2024). In der Anordnung heißt es:
'Die jeweilige Klagepartei bzw. Widerklagepartei erhält eine anteilige Rückerstattung der Gerichtsgebühren gem. R. 370.9 (b) (ii) VerfO von jeweils 40 Prozent.'
Zur Begründung heißt es:
'Die Rücknahmen erfolgten im Zeitraum nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens und vor Abschluss des Zwischenverfahrens. Mithin ist eine Gebührenerstattung in Höhe von 40 Prozent gem. R. 370.9 (b )(ii) VerfO gerechtfertigt. Gründe, die Erstattungen gem. R. 370.9 (e) VerfO zu verweigern oder zu kürzen liegen nicht vor.'
Die Klägerin bringt vor, es sei nicht ersichtlich, dass die Parteien bis zur Klagerücknahme über den Abschluss des schriftlichen Verfahrens unterrichtet worden seien.
Die Klägerin hat daher b e a n t r a g t ,
- I. die Anordnung des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts vom 23.12.2024, Aktenzeichen UPC_CFI_208/2023, No. ORD_67681/2024 zu überprüfen,
- II. Ziff. 5 der Anordnung vom 23.12.2024 wie nachstehend abzuändern:
Die jeweilige Klagepartei bzw. Widerklagepartei erhält eine anteilige Rückerstattung der Gerichtsgebühren gemäß R.370.9 (b) (i) VerfO von jeweils 60%.
Den Beklagten wurde gemäß Regel 333.2 Satz 3 EPGVerfO rechtliches Gehör gewährt. Die Beklagten haben sich der Bitte der Klägerin angeschlossen, entsprechend den Anträgen der Klägerin die Anordnung vom 23. Dezember 2024 nach R.333.1 VerfO zu überprüfen und antragsgemäß abzuändern.
Gründe
I.
Der Spruchkörper bestätigt die Anordnung des Berichterstatters.
Die Frage, ob es mit Blick auf die Rückerstattung von Gerichtsgebühren in Regel 370.9 (b) (i) EPGVerfO auf die formelle Mitteilung des Gerichts über den Abschluss des schriftlichen Verfahrens ankommt, oder ob es ausreicht, dass bereits sämtliche Schriftsätze gemäß Regel 12.1 EPGVerfO ausgetauscht sind und insofern das schriftliche Verfahren - wie hier -de facto abgeschlossen ist (in diesem Sinne auch Lokalkammer Mannheim, Anordnung vom 4. Februar 2025, UPC_CFI_223/2023), kann hier letztlich offen bleiben:
Sinn der in Regel 370.9 (b) EPGVerfO vorgesehenen Staffelung zur GebührenRückerstattung im Falle der Klagerücknahme ist es, die Rückerstattung mit dem bereits betriebenen Aufwand des Gerichts in ein angemessenes Verhältnis zu setzen: Je später eine Klage zurückgenommen wird, desto geringer fällt - entsprechend dem vom Gericht bereits betriebenen Arbeitsaufwand - die Rückerstattung aus. Diese Zwecksetzung ist auch Gegenstand von Regel 370.9 (e) EPGVerfO. Danach kann das Gericht in außergewöhnlichen Fällen unter Berücksichtigung insbesondere des Verfahrensstadiums die nach den Buchstaben (b) und (c) zahlbare Rückerstattung verweigern oder kürzen.
Maßgeblich ist im hier zu beurteilenden Verfahren, dass es sich um einen äußerst komplexen Patentverletzungsstreit handelt, den die Parteien auch bis zur Rücknahme der Klage und der Widerklagen sehr intensiv geführt haben und der daher einen außergewöhnlich hohen, weit überdurchschnittlichen Arbeitsaufwand auf Seiten des Gerichts verursacht hat. Belegt wird dies mit der aus dem CMS ersichtlichen Anzahl von Workflows im Gesamtkomplex (Verletzungsklage, Widerklagen, Änderungsanträge, insbesondere zahlreiche aufwendig zu bearbeitende Vorlageund Geheimhaltungsanträge).
Daher war die beantragte Rückzahlung von 60% statt 40% jedenfalls nach Regel 370.9 (e) EPGVerfO zurückzuweisen. Es handelt sich um einen in jeder Hinsicht 'außergewöhnlichen Fall' im Sinne dieser Vorschrift. Diese Regelung hätte keinen Anwendungsbereich, wenn nicht der vorliegende Fall von ihr erfasst würde (so auch Lokalkammer Mannheim, Anordnung vom 4. Februar 2025, UPC_CFI_223/2023).
Der Spruchkörper hält es angesichts dessen für gerechtfertigt, die anteilige Rückerstattung der Gerichtsgebühren für die jeweilige Klagepartei bzw. Widerklagepartei auf jeweils 40 Prozent zu beschränken.
II.
Soweit in den mit Anordnung vom 23.12.2024 für beendet erklärten Verfahren noch Workflows offen sind, werden diese geschlossen.
Anordnung
- I. Die Anordnung des Berichterstatters vom 23.12.2024 wird vom Spruchkörper bestätigt.
- II. Noch offene Workflows in den gemäß der Anordnung vom 23.12.2024 für beendet erklärten Verfahren werden geschlossen.
Dr. Zigann
Vorsitzender Richter
Pichlmaier Berichterstatter
Kupecz rechtlich qualifizierter Richter
Rydman
technisch qualifizierter Richter