26 March, 2025
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Decision
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ORD_69054/2024
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Luxembourg (LU)
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EP3170639
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Art. 69 Abs. 1 EPGÜ
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Aktenzeichen: UPC_CoA_290/2024 APL_ 31428/2024
Anordnung
des Berufungsgerichts des Einheitlichen Patentgerichts erlassen am 26. März 2025
LEITSATZ:
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- Eine Ausnahme von der allgemeinen Regel des Art. 69 Abs. 1 EPGÜ, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei zu tragen hat, kann gelten, wenn ein Kläger eine Klage auf Nichtigerklärung erhebt, ohne dass der Patentinhaber Veranlassung zur Klage gegeben hat und der Patentinhaber unmittelbar zu Beginn des Verfahrens auf das Patent verzichtet.
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- Hierzu ist es in der Regel erforderlich, dass der Patentinhaber innerhalb der Frist zur Erwiderung auf die Nichtigkeitsklage nicht nur den Verzicht erklärt, sondern auch einen Antrag auf Widerruf des Patents gemäß Art. 105a EPÜ beim Europäischen Patentamt stellt und die dafür erforderliche Gebühr entrichtet.
SCHLAGWÖRTER:
- -Verteilung der Kosten bei einer Anordnung nach R. 360 VerfO (Erledigung der Hauptsache) betreffend eine Klage auf Nichtigerklärung nach Verzicht auf das Patent
BERUFUNGSKLÄGERIN/KLÄGERIN IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GERICHT ERSTER INSTANZ
Stäubli Tec-Systems GmbH, Bayreuth, Deutschland (im Folgenden: 'Stäubli') vertreten durch: Patentanwälte Dr. Stefan Golkowsky, Dr. Yori Manzke und Maxi Rafaela Thrum
(Patentanwälte Pfennig, Meinig und Partner mbB, Berlin, Deutschland), mitwirkend: Rechtsanwalt Dr. Johannes Bukow, Rechtsanwältin Anna-Katharina Hübler (Rechtsanwälte Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan, Mannheim, Deutschland)
BERUFUNGSBEKLAGTE/BEKLAGTE IM HAUPTVERFAHREN VOR DEM GERICHT ERSTER INSTANZ

(im Folgenden für beide gemeinsam: 'ehemalige Patentinhaber')
vertreten durch: Europäische Patentanwälte Thomas Schart und Dr. Christoph Bartels (RGTH Patentanwälte PartGmbB, Düsseldorf), Rechtsanwalt Daniel Hoppe (Preu Bohlig & Partner, Hamburg)
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
SPRUCHKÖRPER UND ENTSCHEIDENDE RICHTER
Zweiter Spruchkörper Rian Kalden, Vorsitzende Richterin Ingeborg Simonsson, rechtlich qualifizierte Richterin, Patricia Rombach, rechtlich qualifizierte Richterin und Berichterstatterin, Kerstin Roselinger, technisch qualifizierte Richterin, Beate Schenk, technisch qualifizierte Richterin
BEANSTANDETE ANORDNUNG DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
Zentralkammer Paris, Anordnung vom 23. Mai 2024
Aktenzeichen des Gerichts erster Instanz: ORD_598330/2023, ACT_580824/2023, UPC_CFI_ 372/2023)
MÜNDLICHE VERHANDLUNG AM
- Februar 2025
STREITPATENT
EP 3 170 639
SACHVERHALT
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- Die Beklagten (im folgenden für beide gemeinsam: 'ehemalige Patentinhaber') waren Inhaber des europäischen Patents 3 170 639 (Streitpatent). Am 18. Oktober 2023 hat Stäubli bei der Zentralkammer Paris Klage auf Nichtigerklärung gegen die ehemaligen Patentinhaber erhoben.
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- Der Klage war eine Korrespondenz der Parteien vorangegangen. Diese wurde durch ein Schreiben der ehemaligen Patentinhaber ('Berechtigungsanfrage') eingeleitet, in welchem diese Stäubli fragten, aus welchen Gründen Stäubli sich zur Benutzung des Streitpatents berechtigt halte. Stäubli hat mit Schreiben vom 29. November 2022 (A3) u.a. die fehlende Rechtsbeständigkeit des Streitpatents geltend gemacht. Die ehemaligen Patentinhaber wurden gebeten, bis zum 9. Januar 2023 mitzuteilen, ob sich die Angelegenheit somit erledigt habe. Andernfalls hat sich Stäubli weitere rechtliche Schritte vorbehalten. 'Im Falle eines weiteren unberechtigten Vorgehens' der ehemaligen Patentinhaber 'wegen angeblicher Patentverletzung' kündigte Stäubli an, 'gegebenenfalls weiteren Stand der Technik recherchieren zu lassen' und die Kosten gegenüber den ehemaligen Patentinhabern geltend zu machen.
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- Die ehemaligen Patentinhaber haben mit Schreiben vom 9. Januar 2023 bestritten, dass sich die Nichtigkeit des Patents aus den von Stäubli vorgebrachten Nichtigkeitsgründen ergäbe. Auf die Erklärung von Stäubli, es würden rechtliche Schritte in Erwägung gezogen, antworteten sie, dass diese zu einem langjährigen Rechtsstreit führen würden, der möglicherweise weder im Interesse Stäublis noch im Interesse der ehemaligen Patentinhaber sei. Die ehemaligen Patentinhaber regten deshalb an, eine außergerichtliche Einigung zu suchen, die beispielsweise in einer Lizenzgewährung liegen könnte.
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- Stäubli ließ im Schreiben vom 24. Januar 2023 (A5) mitteilen, dass im Hinblick darauf, dass das Patent nicht rechtsbeständig sei, keinerlei Interesse an Lizenzverhandlungen bestehe. Da Stäubli auch kein Interesse an einem jahrelangen Rechtsstreit habe, werde im Interesse der Kosteneffizienz vorgeschlagen, die Sache als erledigt zu betrachten. Weiter heißt es in dem Schreiben: 'Sollten wir künftig Belege darüber erlangen, dass Ihre Mandanten eine Verletzung des Streitpatents durch unsere Mandantin auf der Basis des obigen Vorbringens behaupten, so werden wir unserer Mandantin dringend eine gerichtliche Klärung empfehlen'.
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- Die ehemaligen Patentinhaber antworten darauf mit einem Schreiben vom 15. Februar 2023 (A6). Das Schreiben enthielt Ausführungen zur Frage, ob das Streitpatent die Priorität zu Recht in Anspruch genommen hat und zu der Frage, ob bei einer Recherche noch weiterer relevanter Stand der Technik gefunden werden könne. Weiter heißt es dort: 'Es kann derzeit auch dahingestellt bleiben, ob unsere Mandantin (…) bereits Anzeichen für die Benutzung der patentgemäßen Lehre geliefert hat. Entscheidend ist vielmehr, dass Ihre Mandantin das in Kraft befindliche Patent…so lange respektiert, wie dessen von Ihnen behauptete Nichtpatentfähigkeit nicht belegt wird'.
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- Stäubli erhob etwa 8 Monate später ohne vorherige Ankündigung Klage auf Nichtigerklärung gegen die ehemaligen Pateninhaber, wobei Stäubli die Nichtigkeit unter anderem auf Stand der Technik stützte, welcher nicht Gegenstand des vorgerichtlichen Schriftverkehrs war.
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- Mit ihren am 16. November 2023, 20. November 2023 und am 16. Januar 2024 eingereichten Klageerwiderungen haben die ehemaligen Patentinhaber unter Verweis auf erstmals im Nichtigkeitsverfahren vorgelegte Beweismittel die Klage auf Nichtigerklärung anerkannt und erklärt, dass sie auf das Streitpatent ex tunc in vollem Umfang verzichten. Nachdem sie zuvor gegenüber nationalen Patentämtern ihren Verzicht erklärt hatten, haben sie auch gegenüber dem Europäischen Patentamt am 15. Januar 2024 den Widerruf des Streitpatents gemäß Art. 105a EPÜ beantragt. Der Widerruf des Patents wurde am 28. Februar 2024 im Europäischen Patentblatt bekannt gemacht.
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- Beide Parteien haben übereinstimmend das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt und eine Entscheidung nach R. 360 VerfO beantragt.
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- Stäubli hat - soweit für das Berufungsverfahren relevant - beantragt, den ehemaligen Patentinhabern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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- Die ehemaligen Patentinhaber haben - soweit für das Berufungsverfahren relevant beantragt, Stäubli die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die angefochtene Anordnung
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- Mit der beanstandeten Anordnung hat die Zentralkammer Paris - soweit für das Berufungsverfahren relevant - festgestellt, dass die Klage auf Nichtigerklärung des Streitpatents durch den Verzicht auf das Patent gegenstandslos geworden ist und die Hauptsache sich damit erledigt hat. Sie hat das Verfahren betreffend die Klage auf Nichtigerklärung 'abgetragen', und angeordnet, dass Stäubli die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
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- Die Gründe der Entscheidung lassen sich, soweit wesentlich, wie folgt zusammenfassen:
- -Im Falle einer Anordnung nach R. 360 VerfO sei R. 118.5 VerfO entsprechend anzuwenden.
- -Durch ihren Verzicht auf das Patent hätten sich die ehemaligen Patentinhaber in die Rolle der Unterlegenen begeben, und sie müssten demnach grundsätzlich gemäß Art. 69 Abs. 1 EPGÜ die Verfahrenskosten tragen.
- -Die Abtragung der Klage beruhe vorliegend auf außergewöhnlichen Umständen, nämlich der Erledigung des Rechtsstreits aufgrund des sofortigen Patentverzichts durch die ehemaligen Patentinhaber und die Anerkennung der Nichtigkeitsklage.
- -Aus dem Vortrag der Parteien und der vorgelegten Korrespondenz sei nicht ersichtlich, dass Stäubli die ehemaligen Patentinhaber ultimativ vor Klageerhebung zum Verzicht auf das Patent aufgefordert hätte. Dass die Verfahrensordnung dies nur für die Klage auf Feststellung der Nichtverletzung gemäß R. 61 RoP verlange, bedeute nicht, dass ein Verzicht auf eine vorherige Abmahnung hier keinerlei Konsequenzen für die Kostenverteilung zwischen den Parteien habe.
- -Erstmals in der Klage auf Nichtigerklärung sei das Dokument A13 erwähnt worden. Dessen Relevanz hänge nicht davon ab, ob die Priorität für das Streitpatent zu Recht in Anspruch genommen werde. Daher sei offensichtlich sehr wesentlicher Stand der Technik erstmals in der Nichtigkeitsklage vorgelegt worden.
- -Die ehemaligen Patentinhaber könnten vor diesem Hintergrund plausibel argumentieren, dass sie den Verzicht schon vor Klageerhebung erklärt hätten, wenn ihnen bereits im vorprozessualen Schriftverkehr der in der Klageschrift neu genannte Stand der Technik genannt worden wäre.
- -Eine vorherige Verzichtsauforderung erscheine auch nicht im Hinblick auf einen möglicherweise dadurch veranlassten Opt-Out unzumutbar.
- -Zwar sei Stäubli grundsätzlich darin zuzustimmen, dass Stäubli nicht verpflichtet sei, alle Beweise, auf die sie ihre Klage stützen möchte, im Voraus anzugeben. Allerdings müssten
die Grundsätze des fairen und gerechten Verfahrens beachtet werden. Deshalb könne es sich auf die Kostenverteilung auswirken, wenn die Klage auf Nichtigerklärung neuen Stand der Technik enthalte und daraufhin der Patentinhaber sofort auf das Patent verzichte.
Berufungsverfahren
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- Gegen die Anordnung wendet sich Stäubli mit der Berufung.
ANTRÄGE DER PARTEIEN
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- Stäubli beantragt zusammengefasst, dass das Berufungsgericht
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- die Anordnung des Gerichts erster Instanz hinsichtlich der Kostenentscheidung aufhebt und die erstinstanzliche Kostenentscheidung dahingehend abändert, dass die ehemaligen Patentinhaber die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in voller Höhe zu tragen haben,
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- den ehemaligen Patentinhabern auch die Kosten des Berufungsverfahrens in voller Höhe auferlegt
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- den Streitwert für das Berufungsverfahren auf € 100.000 festsetzt.
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- Die ehemaligen Patentinhaber beantragen, die Berufung zurückzuweisen und die Kosten des Berufungsverfahrens Stäubli aufzuerlegen.
VORBRINGEN DER PARTEIEN
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- Stäubli trägt zusammengefasst im Wesentlichen vor:
- -Die Anerkenntnis- und Verzichtserklärung der ehemaligen Patentinhaber impliziere, dass die Anträge Stäublis erfüllt werden. Somit sei Stäubli im Sinne der Entscheidung des Berufungsgerichts Meril/Edward (Anordnung vom 4. Oktober 2024 UPC_CoA_2/2024, APL_83/2024) als obsiegende Partei anzusehen. Es lägen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die eine abweichende Kostentragung im Sinne des Art. 69 Abs. 2 und 3 EPGÜ rechtfertigten.
- -Gerade aufgrund des weiten Wortlauts des Art. 69 Abs. 2 und 3 EPGÜ stelle sich eine Abwägung unter Berücksichtigung des gesamten vorprozessualen Geschehens sowie des hypothetischen Ausgangs des Verfahrens, also den Erfolgsaussichten der Klage als zwingend dar. Unnötige Kosten im Sinne des Art. 69 Abs. 3 EPGÜ seien nur solche, die durch eine Maßnahme ausgelöst würden, die als solche separiert werden könne.
- -Zur Beurteilung der Frage, ob die ehemaligen Patentinhaber Anlass zur Klage gegeben hätten, stelle das Gericht erster Instanz (GEI) rechtsfehlerhaft und ohne Begründung auf die Sicht der ehemaligen Patentinhaber und nicht auf die von Stäubli ab.
- -Es sei unzutreffend, wenn das GEI ausführe, es sei nicht ersichtlich, dass Stäubli die ehemaligen Patentinhaber ultimativ zum Verzicht auf das Patent aufgefordert hätten.
Von Stäubli eine ausdrückliche, vorprozessuale Aufforderung zum Verzicht auf das Streitpatent zu fordern, gehe über den Wortlaut der Verfahrensordnung hinaus.
- -Eine weitere Verzichtsauforderung sei Stäubli auch wegen des Risikos eines Opt-Outs nicht zuzumuten gewesen.
- -Die die angefochtene Anordnung tragende Behauptung der ehemaligen Patentinhaber, dass erst das Dokument A13 zur Einsicht bezüglich der mangelnden Patentfähigkeit geführt habe und dass sie bei vorheriger Kenntnis dieses Standes der Technik auf das Patent verzichtet hätten, sei nicht plausibel.
- -Das GEI hätte sich mit der Relevanz der vorprozessual von Stäubli dargelegten Nichtigkeitsgründe auseinandersetzen müssen. Da diese ausgereicht hätten, um zu der Erkenntnis zu kommen, dass das Streitpatent nicht patentfähig sei, komme es auf den konkreten Inhalt der A13 nicht an.
- -Ferner habe sich das GEI nicht damit auseinandergesetzt, inwiefern überhaupt ein 'sofortiges' Anerkenntnis der ehemaligen Patentinhaber vorliege.
- -Das GEI habe nicht berücksichtigt, dass die ehemaligen Patentinhaber mit ihren Argumenten teilweise präkludiert gewesen seien, da verschiedene Versionen der Klageerwiderungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingereicht worden seien und eine Fristenkontrolle augenscheinlich nicht erfolgt sei.
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- Die ehemaligen Patentinhaber verteidigen die angefochtene Anordnung und tragen darüber hinaus zusammengefasst im Wesentlichen vor:
- -Der Anordnung in Sachen Meril/Edwards seien keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die dort aufgestellten Grundsätze gleichermaßen auf die Fallkonstellation übertragen werden könnten, in welcher der Beklagte nach Erhebung einer Nichtigkeitsklage den Verzicht auf das angegriffene Patent erkläre.
- -Die Abweisung der Klage gemäß R. 360 VerfO führe dazu, dass der Kläger als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe.
- -Aus dem bloßen Verzicht auf das Patent durch die ehemaligen Patentinhaber könne nicht geschlossen werden, dass das Streitpatent in vollem Umfang keinen Bestand gehabt habe, für einen Verzicht könnten auch wirtschaftliche Gründe sprechen.
GRÜNDE:
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- Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Zentralkammer Paris hat Stäubli zu Recht die Kosten des Rechtsstreits und sonstigen Kosten ('Kosten des Verfahrens') auferlegt.
Grundsätze der Kostenverteilung im Rahmen einer Anordnung nach R. 360 VerfO
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- In der Regel muss die unterlegene Partei die angemessenen und zumutbaren Kosten des Rechtsstreits und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei tragen (Art. 69 Abs. 1 EPGÜ). Ausnahmen gelten, wenn eine Partei nur teilweise obsiegt oder wenn außergewöhnliche
Umstände vorliegen, die unter Billigkeitsgesichtspunkten eine andere Kostenverteilung rechtfertigen (Art. 69 Abs. 2 EPGÜ).
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- Wie das Berufungsgericht bereits entschieden hat (Anordnung vom 4. Oktober 2024, UPC_CoA_2/2024, APL_83/2024 Rn. 13 - Meril/Edwards, im Folgenden 'Meril/Edwards') schließt die Abweisung einer Klage gemäß R. 360 VerfO nicht zwangsläufig die Anwendung dieser Grundsätze aus. Im Fall der Abgabe einer Unterlassungsund Verpflichtungserklärung gelten nach der Entscheidung des Berufungsgerichts in Meril/Edwards folgende Grundsätze:
- -Welche Partei die obsiegende Partei im Sinne von Art. 69 (1) EPGÜ im Rahmen der Abweisung einer Klage nach Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung durch den Beklagten ist, ist anhand der Besonderheiten des Verfahrens und insbesondere der Anträge der Parteien und des Inhalts der Erklärung zu bestimmen.
- -Verpflichtet sich der Beklagte nach Einleitung des Verfahrens, den Anträgen des Klägers nachzukommen, ist es im Allgemeinen nicht erforderlich, die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage zum Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung zu prüfen, um festzustellen, welche Partei die obsiegende Partei ist. Die Erklärung selbst impliziert, dass die Anträge des Klägers erfüllt wurden. Dies bedeutet, dass in der Regel der Kläger als obsiegende Partei anzusehen ist (Meril/Edwards Rn. 14).
- -Anderes ergibt sich nicht daraus, dass nach der deutschen Fassung von R. 360 VerfO das Gericht die Klage 'abweisen' kann. Wie das Berufungsgericht (Meril v Edwards Rn. 16) bereits entschieden hat, ergibt sich daraus schon im Hinblick auf die anderen gegenläufigen Sprachfassungen ('dispose of the action' bzw. 'mettre fin à l´instance') nicht, dass der Ordnungsgeber dem Kläger in diesen Fällen die Rolle der unterlegenen Partei zuweisen wollte.
- -Diese Auslegung von Art. 69 Abs. 1 EPGÜ und R. 360 VerfO steht in Einklang mit Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (Meril v Edwards Rn. 17 ff.).
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- Nichts Anderes gilt, wenn - wie hier - der Patentinhaber auf sein Patent verzichtet, nachdem die Klage auf Nichtigerklärung erhoben wurde.
Kostenverteilung im Streitfall
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- Nach diesen Grundsätzen ist die Zentralkammer Paris zutreffend davon ausgegangen, dass sich die ehemaligen Patentinhaber in die Rolle der Unterlegenen begeben haben und deshalb nach Art. 69 Abs. 1 EPGÜ grundsätzlich zur Tragung der Kosten verpflichtet sind.
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- Die Zentralkammer Paris hat weiter zutreffend angenommen, dass hier außergewöhnliche Umstände unter Billigkeitsgesichtspunkten eine andere Kostenverteilung rechtfertigen (Art. 69 Abs. 2 EPGÜ).
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- Grundsätze der Billigkeit erfordern eine Kostentragung durch den obsiegenden Kläger, wenn dieser, kurz gesagt, unnötige Kosten verursacht hat, indem er ein Verfahren gegen
einen Beklagten erhoben hat, der keinen Anlass zur Klage gegeben hat (Meril/Edwards Rn. 29). Das kommt etwa in Betracht, wenn ein Kläger ein Verfahren einleitet, ohne zuvor eine Abmahnung zu versenden, und der Beklagte unmittelbar zu Beginn des Verfahrens eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgibt (Meril/Edwards Rn. 15).
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- Nichts Anderes kann gelten, wenn ein Kläger eine Klage auf Nichtigerklärung erhebt. Damit kann es aus Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein, dem obsiegenden Kläger, der unnötige Kosten dadurch verursacht hat, dass er den Patentinhaber nicht vor Klageerhebung kontaktiert und ihn über seine Absicht, eine Klage auf Nichtigerklärung zu erheben und die Gründe, auf die er die Klage stützen will, informiert hat, die Kosten aufzuerlegen. Das Risiko eines durch die vorgerichtliche Kontaktaufnahme möglicherweise veranlassten OptOuts spricht nicht zwangsläufig gegen diese Kostenfolge.
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- Entgegen der Auffassung von Stäubli ist es im Falle der Abgabe einer Unterlassungs- oder Verpflichtungserklärung im Allgemeinen nicht erforderlich zu prüfen, ob die Klage zulässig und begründet war. Das Berufungsgericht hat in Meril/Edwards bereits entschieden, dass es für die Frage, welche Partei die obsiegende Partei im Sinne des Art. 69 Abs. 1 EPGÜ ist, im Allgemeinen nicht erforderlich ist, die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage zum Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung zu prüfen (Rn. 14). Nichts anderes kann für die Frage gelten, ob Billigkeitsgesichtspunkte eine andere Kostenentscheidung rechtfertigen. Dies stellt sicher, dass das Gericht über die Verpflichtung zur Tragung der Prozesskosten entscheiden kann, ohne den Sachverhalt prüfen zu müssen, was in Patentsachen ein kompliziertes und kostspieliges Verfahren erfordern kann (Meril/Edwards Rn. 19). Zweck eines Anerkenntnisses der Klageansprüche durch den Beklagten ist es gerade, weitere Kosten zu vermeiden. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn die Parteien gehalten wären, zu den Erfolgsaussichten der Klage weiter vorzutragen.
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- Der Kläger wird dadurch nicht unangemessen benachteiligt. Hatte der Beklagte keine Veranlassung zur Klage gegeben, bestand für den Kläger kein Grund, Klage zu erheben, und damit unnötige Kosten zu verursachen.
Veranlassung zur Erhebung der Klage
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- Die ehemaligen Patentinhaber haben keine Veranlassung zur Klage gegeben.
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- Veranlassung zur Klageerhebung gibt ein Verhalten des Beklagten, das aus objektiver Sicht des Klägers die Annahme rechtfertigt, dass dieser ohne die Klage nicht zu seinem Recht kommen wird.
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- Aus objektiver Sicht ergab sich zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Oktober 2023 aus dem Verhalten der ehemaligen Patentinhaber für Stäubli kein Anlass zur Annahme, ohne die Erhebung einer Klage auf Nichtigerklärung werde Stäubli nicht zu ihrem Recht kommen.
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- Die ehemaligen Patentinhaber haben zwar zu erkennen gegeben, dass sie von dem fehlenden Rechtsbestand auf Basis der vorgerichtlich von Stäubli geltend gemachten Rechtsbestandsangriffe und Entgegenhaltungen nicht überzeugt waren. Sie haben sich aber insoweit auf eine inhaltliche Diskussion und Prüfung eingelassen. Dies ließ es nicht als ausgeschlossen erscheinen, dass auch die erstmals mit der Klage auf Nichtigerklärung
den ehemaligen Patentinhabern zur Kenntnis gebrachte Entgegenhaltung (A13), die in keinerlei Beziehung zu dem vorgerichtlich diskutierten Stand der Technik stand, einer Prüfung unterzogen und die fehlende Rechtsbeständigkeit gegebenenfalls anerkannt worden wäre.
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- Es kommt insoweit nicht darauf an, ob sich die fehlende Rechtsbeständigkeit bereits aus dem vorgerichtlichen Vorbringen Stäublis ergab. Denn dies liefe auf eine (wenn auch eingeschränkte) Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage hinaus, die im Falle eines Anerkenntnisses aus den oben genannten Gründen in der Regel nicht erforderlich ist.
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- Zu berücksichtigen ist hier auch, dass Stäubli den ehemaligen Patentinhabern gegenüber nicht zu erkennen gegeben hat, dass Stäubli in jedem Fall und unabhängig von dem weiteren Verhalten der ehemaligen Patentinhaber die Nichtigerklärung des Streitpatents anstrebt. Im Gegenteil konnten die ehemaligen Patentinhaber dem Schriftsatz vom 24. Januar 2023 (A5) lediglich entnehmen, dass Stäubli bereit sei, die Sache als erledigt zu betrachten. Lediglich für den Fall, dass die ehemaligen Patentinhaber auf der Basis des bisherigen Vorbringens eine Verletzung des Patents behaupten würde, kündigten die Vertreter von Stäubli an, Stäubli zu empfehlen, rechtliche Schritte einzuleiten. Die ehemaligen Patentinhaber haben in dem Antwortschreiben vom 15. Februar 2023 (A6) den Vorwurf der Verletzung nicht wiederholt, sondern ausdrücklich dahinstehen lassen, ob sie bereits 'Anzeichen für die Benutzung der patentgemäßen Lehre geliefert' haben. Sie haben zum Ausdruck gebracht, dass für sie entscheidend sei, dass Stäubli das Patent so lange respektiere, wie dessen Nichtpatentfähigkeit nicht belegt werde. Bis zur Klageerhebung sind 8 Monate vergangen, ohne dass es eine weitere Korrespondenz der Parteien gab. Die Untätigkeit der ehemaligen Patentinhaber konnte damit nur in dem Sinne verstanden werden, dass auch sie die Sache als erledigt betrachteten.
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- Unter diesen Umständen war es Stäubli zuzumuten, vor Erhebung der Klage auf Nichtigerklärung mit den ehemaligen Patentinhabern in Kontakt zu treten und den neu gefundenen Stand der Technik zur Kenntnis zu bringen. Dem steht hier auch das Risiko eines Opt-Outs nicht entgegen. Hier überwiegt das Interesse beider Parteien an der Vermeidung unnötiger Kosten das Interesse des Klägers, eine Klage auf Nichtigerklärung vor dem EPG erheben zu können. Wie die Zentralkammer Paris zu Recht ausgeführt hat, war ein Opt-out auch nicht zwangsläufig zu erwarten, weil er auch für einen Patentinhaber nicht immer vorteilhaft ist, denn durch diesen wird eine Vielzahl nationaler Rechtsbestandsangriffe provoziert und der Patentinhaber wird der Möglichkeit beraubt, das Patent in einem zentralen Verletzungsverfahren durchzusetzen. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass die ehemaligen Patentinhaber ein Opt-Out in Erwägung zogen, um eine Klage auf Nichtigerklärung vor dem EPG zu vermeiden.
Sofortige Verpflichtungserklärung und Verzicht
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- Die Verzichtserklärung der ehemaligen Patentinhaber ist entgegen der Auffassung von Stäubli auch 'unmittelbar zu Beginn des Verfahrens' abgegeben worden.
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- Unmittelbar zu Beginn des Verfahrens ist eine Verpflichtungserklärung abgegeben, wenn sie innerhalb der für die Erwiderung auf die Nichtigkeitsklage geltenden Frist erfolgt.
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- Da ein gegenüber dem Kläger erklärter Verzicht keine erga omnes -Wirkung hat und sich der Kläger mit der Klage auf Nichtigerklärung unabhängig von dem Bestehen eines eigenen rechtlichen Interesses auch gegen diese Wirkungen wenden durfte, ist es in der Regel erforderlich, dass innerhalb der Frist zur Erwiderung auf die Nichtigkeitsklage auch ein Antrag auf Widerruf des Patents gemäß Art. 105a EPÜ beim Europäischen Patentamt gestellt wird und die dafür erforderliche Gebühr entrichtet wird. Es kann hier dahinstehen, ob auch Verzichtserklärungen gegenüber den nationalen Patentämtern ausreichend sind.
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- Darüber hinaus muss der Verzicht für Vergangenheit und Zukunft ( ex tunc ) erklärt werden.
Anforderungen hier ausnahmsweise aus Billigkeitsgründen erfüllt
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- Diese Anforderungen sind aus Billigkeitsgründen hier ausnahmsweise als erfüllt anzusehen.
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- Die ehemaligen Patentinhaber haben am 16. November 2023 und 20. November 2023 Erwiderungen auf die Nichtigkeitsklage eingereicht und darin erklärt, dass sie auf das Streitpatent ex tunc in allen Vertragsstaaten verzichten.
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- Den Verzicht haben die ehemaligen Patentinhaber in ihrer (weiteren) Erwiderung vom 16. Januar 2024 wiederholt und unter Vorlage einer Kopie des Antrags mitgeteilt, dass sie einen Antrag auf Widerruf des Patents gemäß Art. 105a EPÜ beim Europäischen Patentamt gestellt haben.
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- Die Antragstellung nach Art. 105a EPÜ am 15. Januar 2024 und die Vorlage eine Kopie davon beim Gericht am 16. Januar 2024 sind als rechtzeitig anzusehen. Der Antrag wurde zwar nicht innerhalb der Frist für die Erwiderung auf die Nichtigkeitsklage, die am 8. Januar 2024 ablief, gestellt und eine Kopie davon nicht innerhalb derselben Frist dem Gericht vorgelegt. Billigkeitsgesichtspunkte rechtfertigen es jedoch hier ausnahmsweise, die Eingabe vom 16. Januar 2024 noch als unmittelbar zu Beginn des Verfahrens anzusehen.
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- Die Kenntnis von den in Rn. 36 und 37 dargestellten Grundsätzen, dass nicht nur ein Verzicht unmittelbar zu Beginn des Verfahrens erklärt werden muss, sondern dass darüber hinaus auch erforderlich ist, innerhalb derselben Frist einen Antrag auf Widerruf des Patents nach Art. 105a EPÜ beim Europäischen Patentamt zu stellen und die Gebühr dafür zu bezahlen, konnte von den ehemaligen Patentinhabern zum damaligen Zeitpunkt vernünftigerweise nicht erwartet werden.
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- Billigkeitsgründe rechtfertigen es hier ausnahmsweise, die ehemaligen Patentinhaber so zu behandeln, als hätten sie den Verzicht auf das Patent rechtzeitig erklärt, indem sie rechtzeitig angekündigt haben, dass sie den Verzicht ex tunc erklären werden und dies innerhalb eines angemessenen Zeitraums, nämlich lediglich 8 Tage nach Ablauf der für die Erwiderung auf die Nichtigkeitsklage geltenden Frist, auch getan haben, ohne dass durch diese kurze Verzögerung weitere Kosten für Stäubli verursacht wurden.
ANORDNUNG:
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- Die Berufung wird zurückgewiesen.
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- Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt Stäubli.
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- Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 100.000,00 € festgesetzt .
Diese Anordnung wurde am 26. März 2025 erlassen.
Rian Kalden, Vorsitzende Richterin und rechtlich qualifizierte Richterin +01'00'
Rian Kalden Date: 2025.03.26 11:06:57

Digitally signed by Åsa Ingeborg Simonsson Date: 2025.03.26 09:43:26 +01'00'
Ingeborg Simonsson, rechtlich qualifizierte Richterin
Patricia Ursula Rombach Digitally signed by Patricia Ursula Rombach Date: 2025.03.26 09:38:40 +01'00'
Patricia Rombach, rechtlich qualifizierte Richterin und Berichterstatterin
Kerstin Roselinger Digitally signed by Kerstin Roselinger Date: 2025.03.26 10:01:23 +01'00'
Kerstin Roselinger, technisch qualifizierte Richterin
DN: cn=Beate Schenk, c=DE,
email=beate.schenk@bpatg.bund.de
Datum: 2025.03.26 09:52:41
Digital signiert von Beate Schenk +01'00' Beate Schenk
Beate Schenk, technisch qualifizierte Richterin
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