
Lokalkammer Düsseldorf UPC_CFI_363/2023 UPC_CFI_677/2024
Entscheidung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts erlassen am 14. April 2025 betreffend EP 3 926 698 B1
Klägerin und Widerbeklagte:
Seoul Viosys Co., Ltd., gesetzlich vertreten durch ihre vertretungsberechtigten Vorstände ChungHoon Lee und Young Ju Lee, 65-16, Sandan-ro 163 beon-gil, Danwon-gu, Ansan-si, Gyeonggi-do, 15429, Republik Korea
vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Bolko Ehlgen, Rechtsanwältin Dr. Julia Schön- bohm, Kanzlei Linklaters LLP, Taunusanlage 8, 60329 Frankfurt am Main, Deutschland
unterstützt durch:
Patentanwalt Dr. Dipl.-Phys. Olaf Isfort, Kanzlei Schneiders & Beh- rendt, Huestraße 23, 44787 Bochum, Deutschland
elektronische Zustelladresse:
bolko.ehlgen@linklaters.com
Streithelferin:
Seoul Semiconductor Co., Ltd., gesetzlich vertreten durch ihre vertretungsberechtigten Vorstände und CEOs Chung-Hoon Lee und Myeong-gi Hong, Building 0: 97-11, Sandan-ro 163 beon-gil, Danwon-gu, Ansan-si, Gyeonggi-do, 15429, Republik Korea vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Bolko Ehlgen, Rechtsanwältin Dr. Julia Schönbohm, Kanzlei Linklaters LLP, Taunusanlage 8, 60329 Frankfurt am Main, Deutschland
elektronische Zustelladresse:
bolko.ehlgen@linklaters.com
Beklagte zu 1:
expert e-Commerce GmbH , gesetzlich vertreten durch ihre Geschäftsführer Dr. Stefan Müller und Michael Grandin, Bayernstraße 4, 30855 Langenhagen, Deutschland vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Dirk Jestaedt, Kanzlei Krieger Mes & Graf von der Groeben Part mbB, Bennigsen-Platz 1, 40474 Düsseldorf, Deutschland
elektronische Zustelladresse:
info@krieger-mes.de
unter Mitwirkung von:
Patentanwalt Bernhard Ganahl, HGF Europe LLP, Neumarkter Straße 18, 81673 München, Deutschland
Beklagte zu 2 und Widerklägerin:
expert klein GmbH, gesetzlich vertreten durch ihre Geschäftsführer Jens Oerter und Thomas Jacob, Jägerstraße 32, 57299 Burbach, Deutschland
vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Dirk Jestaedt, Kanzlei Krieger Mes & Graf von der Groeben Part mbB, Bennigsen-Platz 1, 40474 Düsseldorf, Deutsch- land
elektronische Zustelladresse:
info@krieger-mes.de
unter Mitwirkung von:
Patentanwalt Bernhard Ganahl, HGF Europe LLP, Neumarkter Straße 18, 81673 München, Deutschland
STREITPATENT:
Europäisches Patent Nr. 3 926 698 B1
SPRUCHKÖRPER/KAMMER:
Spruchkörper der Lokalkammer Düsseldorf
MITWIRKENDE RICHTER:
Diese Entscheidung wurde durch den Vorsitzenden Richter Thomas als Berichterstatter getroffen.
VERFAHRENSSPRACHE: Deutsch
GEGENSTAND: Kostenfestsetzungsverfahren - Art. 69 EPGÜ, R. 150, 151, 152 VerfO
KURZE DARSTELLUNG DES SACHVERHALTS:
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- Die Klägerin hat die Beklagten wegen Verletzung des Europäischen Patents EP 3 926 698 B1 (nachfolgend: Streitpatent) in Anspruch genommen, wobei das Verfahren unter dem Aktenzeichen ACT_579244/2023 (UPC_CFI_363/2023) geführt wird. Die Beklagten haben die Benutzung des Streitpatents bestritten. Darüber hinaus hat die Beklagte zu 2) eine Widerklage auf Nichtigerklärung des Streitpatents erhoben (CC_3580/2024). Die Klägerin ist der Nichtigkeitswiderklage entgegengetreten und hat hilfsweise Anträge auf Änderung des Streitpatents gestellt (App_14781/2024).
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- Mit einer am 10. Oktober 2024 verkündeten Entscheidung hat die Lokalkammer Düsseldorf der Verletzungsklage stattgegeben und die durch die Beklagte zu 2) erhobene Nichtigkeitswiderklage abgewiesen. Nach der in dieser Entscheidung getroffenen Kostengrundentscheidung tragen die Beklagten die Kosten der Klage je zur Hälfte. Die Kosten der Nichtigkeitswiderklage trägt die Beklagte zu 2). Den Streitwert für die Klage und die Nichtigkeitswiderklage hat die Lokalkammer Düsseldorf auf jeweils 500.000,- EUR festgesetzt.
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- Die Klägerin hat am 11. November 2024 einen Kostenfestsetzungsantrag eingereicht, mit
welchem sie die Festsetzung der Kosten für das Verletzungsverfahren und die Nichtigkeitswiderklage begehrt. Dabei setzen sich die durch die Klägerin geltend gemachten Kosten wie folgt zusammen:
Übersicht der Kosten
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EUR 50.000,00 |
Reisekosten |
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EUR 11.000,00 |
ANTRÄGE DER PARTEIEN:
4. Die Klägerin beantragt,
für die Klägerin im Sinne der R. 151 VerfO die erstattungsfähigen Kosten wie folgt festzusetzen:
- Die Beklagte zu 1. und die Beklagte zu 2. haben der Klägerin jeweils einen Betrag von EUR 31.982,85 für die Kosten der Klage zu zahlen.
- Die Beklagte zu 2. hat der Klägerin den weiteren Betrag von EUR 51.112,73 für die Kosten der Widerklage zu zahlen.
5. Die Beklagten beantragen
den Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin zurückzuweisen, soweit die damit geltend gemachten Kosten einen Betrag von 100.000,- EUR übersteigen.
TATSÄCHLICHE UND RECHTLICHE STREITPUNKTE:
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- Die Klägerin beruft sich im Rahmen der Begründung ihres Kostenfestsetzungsantrages hinsichtlich der Vertretungskosten auf eine zwischen den Parteien in der mündlichen Verhandlung getroffene Vereinbarung. Danach hätten die Parteien wechselseitig einen Betrag von 100.000,- EUR für die Klage- und die Nichtigkeitswiderklage als erstattungsfähig anerkannt, so dass über den Anfall und die Angemessenheit der Vertretungskosten in dieser Höhe nichts mehr auszuführen sei. Zutreffend gehe die Kammer davon aus, dass sich dieser Betrag hälftig zwischen Verletzungs- und Nichtigkeitswiderklage verteile. Hinzu kämen Reisekosten in Höhe von 2.335,15 EUR, welche die Klägerin jeweils hälftig der Klage und der Nichtigkeitswiderklage zurechne. Überdies habe die Klägerin für eine ordnungsgemäße Analyse der streitgegenständlichen LEDs und zur Dokumentation des Angebots sowie der Beschaffenheit der angegriffenen Ausführungsform insgesamt acht Exemplare der SMART5-Geräte zu einem Gesamtpreis von 1.842,97 EUR erworben, die ebenfalls durch die Beklagten zu erstatten seien.
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- Nach Auffassung der Beklagten haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung eine Absprache in der Weise getroffen, dass nur Kosten in Höhe von 100.000,- EUR erstattungsfähig seien. Dieser Betrag betreffe die Gesamtkosten des Verfahrens, nicht nur die Anwaltskosten. Vor diesem Hintergrund sei der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin, der
sich zusätzlich auf weitergehende Ansprüche im Hinblick auf Reisekosten und die Kosten eines Testkaufs beziehe, zurückzuweisen.
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- Darüber hinaus seien die geltend gemachten Reise- und Testkaufkosten auch in der Höhe nicht angemessen.
GRÜNDE DER ANORDNUNG:
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- Der zulässige Antrag auf Kostenfestsetzung hat in der Sache Erfolg.
A. Zulässigkeit des Kostenfestsetzungsantrages
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- Gegen die Zulässigkeit des Antrages auf Kostenfestsetzung bestehen keine Bedenken.
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- Insbesondere wurde der Kostenfestsetzungsantrag gemäß R. 151 VerfO fristgerecht eingereicht. Die Entscheidung des Gerichts wurde am 10. Oktober 2024 in das CMS hochgeladen und ist den Beklagten mithin an diesem Tag zugestellt worden (R. 276 Abs. 1 VerfO i.V.m. R. 271 Abs. 1 lit. c), Abs. 2 VerfO). Die Monatsfrist wurde demzufolge mit dem am 11. November 2024 in das CMS hochgeladenen Antrag gewahrt (R. 300 lit. c) VerfO i.V.m. R. 301 Abs. 1 VerfO).
B. Begründetheit des Kostenfestsetzungsantrages
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- Der Kostenfestsetzungsantrag ist begründet.
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- Nach Art. 69 Abs. 1 EPGÜ werden die Kosten des Rechtsstreits und sonstige Kosten der obsiegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, bis zur nach der Verfahrensordnung festgelegten Obergrenze von der unterlegenen Partei getragen, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen. In Konkretisierung dieses Grundsatzes ist die obsiegende Partei nach R. 152 Abs. 1, 2 VerfO berechtigt, die angemessenen und verhältnismäßigen Kosten der Vertretung bis zur vom Verwaltungsausschuss festgesetzten Obergrenze zurückzufordern.
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- Kosten des Rechtsstreits sind solche, die in dem konkret anhängigen bzw. in Rede stehenden Verfahren (tatsächlich) entstanden sind. Hierzu zählen insbesondere die in R. 151 lit. d) VerfO aufgezählten Kosten. Als sonstige Kosten sind solche zu begreifen, die zwar nicht in dem anhängigen Verfahren entstanden sind, die jedoch unmittelbar und eng mit dem betreffenden Verfahren zusammenhängen (vgl. UPC_CFI_696/2024 (LK München, Panel 2), Entscheidung v. 19.03.2025 - MSG Maschinenbau v. EJP Maschinenbau).
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- Im vorliegenden Fall haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung einen Betrag von 100.000,- EUR als erstattungsfähig anerkannt, wobei sich dieser Betrag hälftig auf die Klage und die Nichtigkeitswiderklage verteilt (vgl. Entscheidung v. 10. Oktober 2024, S. 52 zweiter Absatz). Dass damit, wie von den Beklagten angenommen, ein Verzicht der Klägerin auf die Erstattung darüber hinausgehender Kosten verbunden wäre, ist nicht ersichtlich. Eine entsprechende Verzichtserklärung hat die Klägerin nicht abgegeben. Hinzu kommt, dass die Obergrenzen für erstattungsfähige Kosten gemäß Art. 1 Abs. 2 des Beschlusses des Verwaltungsausschusses vom 24. April 2023 (D-AC/10/24042023_D) ohnehin nur für die Vertretungskosten gelten.
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- Soweit die Klägerin daher vorliegend zusätzlich zu dem durch die Beklagten als erstattungsfähig anerkannten Betrag die Erstattung von Reisekosten in Höhe von 2.335,15 EUR sowie
eine Erstattung der Kosten eines Testkaufs in Höhe von 1.852,97 EUR verlangt, sind diese Kosten erstattungsfähig, wenn sie erforderlich und angemessen sind.
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- Von einer Erforderlichkeit ist auszugehen, wenn die kostenauslösende Maßnahme ausgehend von einem ex-ante-Standpunkt einer verständig und wirtschaftlich vernünftig denkenden Partei objektiv erforderlich und geeignet erschien, das legitime Prozessziel zu erreichen. Die Maßnahme muss für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung sachdienlich erschienen sein.
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- Die Angemessenheit der Maßnahme betrifft demgegenüber im Wesentlichen die Höhe der Kosten. Die Kosten, die durch die erforderliche Maßnahme tatsächlich verursacht worden sind, dürfen in ihrer konkreten Höhe nicht unverhältnismäßig sein. Sie dürfen insbesondere nicht außer Verhältnis zum Streitwert, der Bedeutung der Sache, zum Schwierigkeitsgrad und zur Komplexität der entscheidungserheblichen rechtlichen und tatsächlichen Streitpunkte sowie zu den Erfolgsaussichten der kostenauslösenden Maßnahmen stehen (vgl. UPC_CFI_696/2024 (LK München, Panel 2), Entscheidung v. 19.03.2025 - MSG Maschinenbau v. EJP Maschinenbau).
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- Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen weder im Hinblick auf die Reisekosten noch hinsichtlich des Testkaufs Bedenken gegen deren Erforderlichkeit und Angemessenheit. Die betreffenden Kosten sind daher erstattungsfähig (vgl. dazu auch Tilmann/von Falck/Dold/ W. Tilmann, Art. 69 EPÜ, Rz. 40 - 42 und Rz. 44; Luginbühl/Hüttermann/Momtschilow, Einheitspatentsystem, Art. 69 Rz. 46 f.).
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- Die als erstattungsfähig anerkannten Vertretungskosten überschreiten nicht die durch den Verwaltungsausschluss auf der Grundlage von R. 152 Abs. 2 VerfO festgelegten Obergrenzen für die erstattungsfähigen Kosten.
ANORDNUNG:
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- Die Beklagten zu 1. und zu 2. haben an die Klägerin innerhalb von 21 Tagen ab der Zustellung dieser Entscheidung jeweils einen Betrag von 31.982,85 EUR für die Kosten der Klage zu zahlen.
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- Die Beklagte zu 2. hat der Klägerin innerhalb von 21 Tagen ab der Zustellung dieser Entscheidung einen weiteren Betrag von 51.112,73 EUR für die Kosten der Nichtigkeitswiderklage zu zahlen.
DETAILS DER ANORDNUNG:
ACT_60376/2024 zu Hauptaktenzeichen ACT_579244/2023 und CC_3580/2024
UPC-Nummer: UPC_CFI_363/2023 und UPC_CFI_677/2024
Verfahrensart: Verletzungsklage und Nichtigkeitswiderklage
Erlassen in Düsseldorf am 14. April 2025
NAMEN UND UNTERSCHRIFTEN Vorsitzender Richter Thomas
INFORMATIONEN ZUR BERUFUNG
Eine Partei, die durch eine der in R. 157 VerfO genannte Entscheidung beschwert ist, kann innerhalb von 15 Tagen ab Zustellung der Entscheidung einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Berufungsgericht stellen, R. 221 Abs. 1 VerfO.