
Lokalkammer München UPC_CFI_114/2024 UPC_CFI_448/2024
Verfahrensanordnung
des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts Lokalkammer München erlassen am 16. April 2025
Leitsatz:
Es ist die freie Entscheidung einzelner Mitglieder des Confidentiality Clubs ob, wann und wie lange sie urlaubsabwesend sind. Auf den Lauf der Schriftsatzfristen kann das keinen Einfluss haben.
Keywords:
Fristbeginn bei vorläufigem Confidentiality Club; Fristverlängerungsantrag; Urlaub von Mitgliedern des Confidentiality Clubs.
KLÄGERINNEN
-
- Heraeus Electronics GmbH & Co. KG
-
- Heraeus Precious Metals GmbH & Co. KG
vertreten durch:
Paul Szynka (CBH)
BEKLAGTE
Vibrantz GmbH
vertreten durch:
Christian Paul (Jones Day)
STREITPATENT
Europäisches Patent Nr. 3 215 288
SPRUCHKÖRPER/KAMMER
Spruchkörper 1 der Lokalkammer München
MITWIRKENDE RICHTER
Diese Anordnung wurde durch den Vorsitzenden Richter Dr. Matthias Zigann als Berichterstatter erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
GEGENSTAND
Allgemeiner Antrag (R 9 VerfO) - App_16059/2025 UPC_CFI_114/2024
ANTRÄGE DER PARTEIEN
Heraeus beantragt:
die Erwiderungsfrist für die Klägerin bis zum 02.05.2025 (12:00 Uhr) zu verlängern.
Vibrantz beantragt:
Wir beantragen daher vorsorglich klarzustellen,
-
- dass die Erwiderungsfrist der Beklagten am 22. April 2025 beginnt und
-
- das schriftliche Verfahren frühestens mit Ablauf des 22. Mai 2025 endet.
ARGUMENTE DER PARTEIEN UND VERFAHRENSGANG:
Heraeus hat vorgetragen:
Gem. Ziff. 2 der Verfahrensanordnung vom 01.04.2025 beginnen die für Heraeus laufenden Erwiderungsfristen am 17.03.2025. Hintergrund dessen dürfte sein, dass das Gericht von einem Zugriff der Klägerin am 17.03.2025 ausgeht und hieran eine einmonatige Erwiderungsfrist (d.h. bis zum 17.04.2025) knüpfen wollte. Am 17.03.2025 hatte jedoch lediglich der Prozessvertreter der Klägerin und keine einzige natürliche Person dieser selbst, insbesondere nicht die Mitglieder des Confidentiality Clubs Zugriff auf die ungeschwärzte Fassung der Verletzungsduplik sowie der zugehörigen Anlagen. Diese haben vielmehr erst seit dem 01.04.2025 Zugriff. Die Klägerin bzw. deren Prozessvertreter gingen und gehen bislang davon aus, dass den klägerischen Mitgliedern des Confidentiality Clubs erst mit Erlass der endgültigen Geheimhaltungsanordnung Zugang zu den geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen gewährt werden durfte -wie dies auch mit Blick auf den i.R.d. Klageerwiderung gestellten Geheimhaltungsantrag praktiziert worden war. Hierfür spricht auch die Anweisung an das Register, wonach (nur) dem Vertreter Zugang zu gewähren war sowie die Tatsache, dass der Zugang der natürlichen Personen der Klägerin gem. Ziff. 8 der Anordnung vom 14.11.2024 erst mit Rechtskraft der Geheimhaltungsanordnung erfolgen durfte. Der Prozessvertreter der Klägerin hat die durch die Beklagte als geheimhaltungsbedürftig gekennzeichneten Dokumente zur Wahrung deren Geheimhaltungsinteressen den Mitgliedern des klägerischen Confidentiality Clubs mithin nicht zum Zeitpunkt der Verfahrensanordnung vom 18.03.2025, sondern erst nach Erlass der endgültigen Geheimhaltungsanordnung vom 01.04.2025 zur Verfügung gestellt. Sollte die Anordnung vom 18.03.2025 so zu verstehen gewesen sein, dass die fraglichen Personen bereits auf Grundlage einer vorläufigen Geheimhaltungsanordnung Zugriff haben durften, so läge ein Fehler des Unterzeichners vor. Soweit ersichtlich existiert jedoch bislang kein Präjudiz des Gerichts zu der Frage, ob eine vorläufige Geheimhaltungsanordnung eine Freigabe der antragsgegenständlichen Informationen -und damit die
Schaffung von Tatsachen vor Erlass einer endgültigen Geheimhaltungsanordnung recht fertigt. Der Prozessvertreter der Klägerin hat den (behaupteten) Geheimhaltungsinteressen der Beklagten mithin im Zweifelsfall Vorrang eingeräumt. Auch in diesem Fall hatte die Klägerin jedoch erst ab dem 18.03.2025 eine theoretische Zugriffsmöglichkeit. Der in Rn. 7 des Antrags vom 24.03.2025 mitgeteilte Zugang am 17.03.2025 betrifft lediglich die geschwärzte Fassung. Daneben hatte allein der Prozessvertreter der Klägerin am 17.03.2025 faktischen Zugriff auf den R. 262A-Workflow App_12888/2025. Nachdem zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine (auch vorläufige) Geheimhaltungsanordnung ergangen war, versteht es sich von selbst, dass die Duplik noch nicht aufgearbeitet werden konnte und die Klägerin keinerlei Informationen erhalten hat.
Mithin standen der Klägerin zwei Wochen (17.03.-01.04.) der nach der derzeitigen Anordnung bereits laufenden Monatsfrist nicht zur Verfügung. Hinzu kommt, dass in Hessen (dem Sitz der Klägerin) vom 07.04-21.04.2025 Osterferien sind und die derzeit laufende Frist am Gründonnerstag endet, der von vier Feiertagen (Karfreitag bis einschließlich Ostermontag) gefolgt ist. und als die beiden Hauptverantwortlichen für das vorliegende Verfahren sowie primäre Mitglieder des Confidentiality Clubs sind vom 05.04. bis einschließlich dem 21.04.2025 im Urlaub, der ferienbedingt bereits vor Bestimmung des Fristenregimes geplant wurde. Auch ist lediglich am Tag des derzeitigen Fristablaufs verfügbar. Damit stünden für die -ohnehin zwingende, aber angesichts des umfangreichen neuen Sachvortrags der Beklagten zur angeblichen Vorbenutzung wahrlich unumgängliche -Abstimmung mit der Klägerin nach derzeitiger Fristenlage nurmehr drei Tage zur Verfügung.
Vor diesem Hintergrund bitten wir, die Erwiderungsfristen für die Klägerin antragsgemäß zu verlängern, wobei der Antrag auf den Feiertag des 01.05.2025 Rücksicht nimmt. Sollte dies mit Blick auf die Erwiderungsfrist der Beklagten und den derzeitigen Termin der Zwischenanhörung und die Erwiderungsfrist der Beklagten nicht möglich sein, so bitten wir höflich und dringend darum, die Erwiderungsfristen jedenfalls bis zum 28.04.2025, höchst hilfsweise bis zum 25.04.2025 zu verlängern, um die unumgängliche Abstimmung mit der Klägerin nach dem 22.04. zu ermöglichen. Im Übrigen ist die Klägerin für eine Verlegung der Zwischenanhörung, die derzeit knapp fünf Wochen vor der mündlichen Verhandlung terminiert ist, offen. Vorsorglich sei klargestellt, dass zu den Erwiderungsfristen i.R.d. einheitlichen Festsetzung gem. Ziff. 4 der Anordnung vom 02.12.2024 auch das Verletzungsverfahren gehören muss, da die Beklagte mit der Verletzungsduplik (die grdsl. das schriftliche Verletzungsverfahren beendet) umfangreichen neuen Sachvortrag (vgl. etwa auch Anlagen JD 77-92) zu den vermeintlichen Vorbenutzungsrechten geführt hat, auf den die Klägerin bislang nicht erwidern konnte.
Der Berichterstatter hat am 2. April 2025 folgende vorläufige Anordnung erlassen:
-
- Vorläufig wird angeordnet, dass die für Heraeus laufenden Erwiderungsfristen am 18. März 2025 beginnen.
-
- Vorläufig werden die darüberhinausgehenden Anträge zurückgewiesen.
-
- Vibrantz kann innerhalb von 3 Tagen Stellung nehmen.
Vibrantz hat im Anschluss vorgetragen:
Wir schließen uns vollumfänglich der Verfahrensanordnung des Gerichts vom 2. April 2025 in Bezug auf den Fristverlängerungsantrag der Klägerin an. Die Geheimhaltungsanträge entsprechen der früheren Anordnung des Gerichts und stehen mit dieser vollständig in Einklang.
Wir bitten zugleich um Klarstellung der Fristen für die Beklagte. Die Verfahrensanordnung des Gerichts vom 1. April 2025 bestimmt den 17. Mai 2025 als Ende des schriftlichen Verfahrens. Ausgehend von
der am 18. März 2025 beginnenden Frist für die Klägerin läge das Ende der Monatsfrist auf dem Karfreitag. Der Fristablauf für die Beklagte würde damit auf den 22. Mai 2025 und damit auf ein Datum nach der Beendigung des schriftlichen Verfahrens fallen.
GRÜNDE
Im Hinblick auf das Vorbringen im Antrag vom 2. April 2025 ist der Fristbeginn auf den 18. März 2025 zu korrigieren. Denn an diesem Tag wurde laut CMS dem UPC-Vertreter von Heraeus Zugang zu den ungeschwärzten Dokumenten gewährt (PR_App_13279/2025 UPC_CFI_114/2024). Der in der Verfügung vom 2. April 2025 festgestellte Fristbeginn beruht auf den unklaren Angaben von Heraeus im Schriftsatz vom 24. März 2025.
Heraeus selbst bzw. die Mitglieder des Confidentiality Clubs hatte spätestens ab dem 18. März 2025 Zugriff auf die ungeschwärzten Dokumente. Der Zugriff wird durch den UPC-Vertreter gewährleistet. Anweisungen an das Register betreffend den UPC-Vertreter treffen hierzu keine Aussage. Insoweit sind die Anweisungen in der vorläufigen Geheimhaltungsanordnung vom 18. März 2025 auch eindeutig. Gründe, die Rechtskraft wegen Anweisungen in einer anderen Anordnung abzuwarten, sind nicht ersichtlich. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Anordnung zum Confidentiality Club dem Antrag von Vibrantz als Inhaberin des Geheimnisses entspricht, eine Verkleinerung des Clubs stand daher nicht im Raum.
Gründe für eine Verlängerung der Monatsfrist liegen ausweislich der Ausführungen im Schriftsatz vom 24. März 2025 nicht vor. In diesem Schriftsatz geht Heraeus selbst davon aus, dass eine Monatsfrist mit Fristbeginn 17. März 2024 im Raum steht. Gründe, diese Frist zu verlängern wurde damals nicht geltend gemacht. Die nun geltend gemachten urlaubsbedingten Abwesenheiten von Mitgliedern des Confidentiality Clubs rechtfertigen daher keine Fristverlängerung. Es ist die freie Entscheidung einzelner Mitglieder des Confidentiality Clubs ob, wann und wie lange sie urlaubsabwesend sind. Auf den Lauf der Schriftsatzfristen kann das keinen Einfluss haben.
Soweit Heraeus geltend macht, dass in der Duplik neuer Sachvortrag vorhanden sei, wird dieser als verspätet zurückzuweisen sein, soweit Vibrantz nicht einen guten Grund dafür angegeben hat, dass der Sachvortrag nicht schon früher, namentlich in der Klageerwiderung, gehalten worden ist. Eine Erweiterung des möglichen Inhalts des Schriftsatzes von Heraeus erscheint daher nicht veranlasst.
ANORDNUNG
-
- Die für Heraeus laufenden Erwiderungsfristen beginnen am 18. März 2025.
-
- Die für Vibrantz laufenden Erwiderungsfristen beginnen spätestens am 22. April 2025.
-
- Das schriftliche Verfahren endet am 22. Mai 2025.
-
- Die darüberhinausgehenden Anträge von Heraeus werden zurückgewiesen
INFORMATIONEN ÜBER DIE ÜBERPRÜFUNG DURCH DEN SPRUCHKÖRPER
Jede Partei kann die Überprüfung dieser Anordnung durch den Spruchkörper nach R. 333 VerfO beantragen. Bis zur Prüfung bleibt die Anordnung wirksam (R. 102.2 VerfO).

Matthias ZIGANN Digital unterschrieben von Matthias ZIGANN Datum: 2025.04.16 13:46:59 +02'00'
Dr. Zigann Vorsitzender Richter
DETAILS DER ANORDNUNG
Anordnung Nr. ORD_16097/2025 im VERFAHREN NUMMER: ACT_13227/2024
UPC Nummer:
UPC_CFI_114/2024
Art des Vorgangs:
Verletzungsklage
Nr. des dazugehörigen Verfahrens Antragsnr.:
16059/2025
Art des Antrags:
Vorlage für Verfahrensantrag