18 April, 2025
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Order
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ORD_18966/2025
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Luxembourg
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EP3866051
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R. 370.11 VerfO
Regel 265.1 VerfO
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Aktenzeichen: UPC_CoA_520/2024 APL_51079/2024 App_13022/2025
Anordnung
des Berufungsgerichts des Einheitlichen Patentgerichts betreffend einen Antrag auf Rückerstattung der Gerichtsgebühren nach R. 370.11 VerfO erlassen am 18. April 2025
ANTRAGSTELLERIN UND BERUFUNGSKLÄGERIN (ANTRAGSGEGNERIN IM VERFAHREN VOR DEM GERICHT ERSTER INSTANZ)
Scandit AG , Hardturmstrasse 181, 8005 Zürich, Schweiz (im Folgenden " Scandit ")
vertreten durch Dr. Johannes Bukow und Tonio Allendorf, Rechtsanwälte, Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan, LLP
BERUFUNGSBEKLAGTE (ANTRAGSTELLERIN IM VERFAHREN VOR DEM GERICHT ERSTER INSTANZ)
Hand Held Products, Inc. , 855 S Mint Street, Charlotte, NC 28202, USA (im Folgenden " Hand Held Products ")
vertreten durch Dr. Tobias Wuttke, Rechtsanwalt, Bardehle Pagenberg, Partnerschaft mbB Patentanwälte Rechtsanwälte,
STREITPATENT EP 3 866 051
ENTSCHEIDENDER RICHTER
Diese Entscheidung wurde erlassen von Spruchkörper 1a unter Mitwirkung von
Klaus Grabinski, Präsident des Berufungsgerichts, Peter Blok, rechtlich qualifizierter Richter, Emmanuel Gougé, Berichterstatter und rechtlich qualifizierter Richter.
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
BEANSTANDETE ANORDNUNG DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
□ Anordnung der Lokalkammer München vom 27. August 2024
□ Aktenzeichen:
UPC_CFI_74/2024 ACT_9216/2024 ORD_46277/2024
KURZE DARSTELLUNG DES TATBESTANDS UND DES ANTRAGS
Das Gericht erster Instanz, Lokalkammer München, hat mit Anordnung vom 27. August 2024 eine einstweilige Verfügung gegen Scandit wegen mittelbarer Verletzung der Patentansprüche 1 und 10 des Streitpatents erlassen. Den weitergehenden Antrag von Hand Held Products auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen hat die Lokalkammer ebenso zurückgewiesen wie die wechselseitigen Kostenanträge beider Parteien.
Scandit hat Berufung gegen die beanstandete Anordnung eingelegt und diese begründet. Hand Held Products hat darauf erwidert.
Die mündliche Verhandlung hat am 9. Januar 2025 stattgefunden.
Mit Schriftsatz vom 13. März 2025 hat Hand Held Products gemäß Regel 265.1 VerfO beantragt, die Rücknahme des Antrags auf einstweilige Maßnahmen zuzulassen und das Verfahren für beendet zu erklären (App_12551/2025 UPC_CoA_520/2024). Eine Entscheidung über die Kosten hat Hand Held Products nicht beantragt.
Scandit hat der Rücknahme des Antrags auf einstweilige Maßnahmen zugestimmt. Einen Kostenantrag hat Scandit ebenfalls nicht gestellt.
Mit Anordnung vom 31. März 2025 hat das Berufungsgericht die Rücknahme des Antrags auf einstweilige Maßnahmen zugelassen und das Verfahren für beendet erklärt.
Mit Schriftsatz vom 17. März 2025 hat Scandit die Rückerstattung der von ihr gezahlten Gerichtsgebühren in Höhe von 20% beantragt (App_13022/2025 UPC_CoA_520/2024).
Scandit macht geltend, dass die Antragsrückahme vor Abschluss des mündlichen Verfahrens i.S.d. R. 370.9 (b) (iii) EPG-VerfO erfolgt sei und die Durchführung der mündlichen Verhandlung hieran nichts ändere, weil diese zwar Teil des mündlichen Verfahrens, aber nicht deren Schlussakt sei. Vielmehr ende das mündliche Verfahren erst mit der Verkündung der Entscheidung in der Sache.
GRÜNDE DER ANORDNUNG
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Im Falle der Rücknahme der Klage (R. 265 VerfO) erhält die zur Zahlung der Gerichtsgebühren verpflichtete Partei gemäß R. 370.9 (b) VerfO eine Rückerstattung deren Höhe sich je nach Verfahrensfortschritt ändert: (i) 60 %, wenn die Klage vor Abschluss des schriftlichen Verfahrens
zurückgenommen wird; (ii) 40 %, wenn die Klage vor Abschluss des Zwischenverfahrens zurückgenommen wird; (iii) 20 %, wenn die Klage vor Abschluss des mündlichen Verfahrens zurückgenommen wird.
Diese Regel entspricht dem Ziel einer angemessenen Beteiligung der Parteien zu den dem Gericht entstandenen Kosten (Art. 36 Abs. 3 EPGÜ) und berücksichtigt die Kosten und den Arbeitsaufwand des Gerichts zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Rückerstattung.
Maßgebliches Kriterium für die Bestimmung der Rückerstattung ist daher, in welchem Verfahrensstadium der Antrag auf Rücknahme nach R. 265 VerfO gestellt worden ist.
Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob der Antrag vor oder nach Abschluss des mündlichen Verfahrens gestellt wurde.
Was die Verfahren vor dem Berufungsgericht (Teil 4 VerfO) betrifft, so beziehen sich die Bestimmungen über das mündliche Verfahren (Kapitel 3 VerfO, R. 240 und 241 VerfO) auf die Durchführung der mündliche Verhandlung, was darauf hindeutet, dass das mündliche Verfahren hauptsächlich, wenn nicht sogar ausschließlich, auf die mündliche Verhandlung beschränkt ist.
Obwohl die genannten Bestimmungen den Abschluss des mündlichen Verfahrens nicht ausdrücklich definieren, wird das mündliche Verfahren mit dem Abschluss der mündlichen Verhandlung durch den vorsitzenden Richter abgeschlossen, der sicher stellt, dass die Klage am Ende der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif ist (R. 111(b) VerfO, auf die in R. 240 VerfO über den Ablauf der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht verwiesen wird).
Nach Abschluss der mündlichen Verhandlung folgen allein noch die Beratung und die Entscheidung durch das Gericht, die beide so bald wie möglich nach Abschluss der mündlichen Verhandlung erfolgen sollen (R. 344, R. 118.6 VerfO). Entsprechend unterscheidet die Verfahrensordnung für das Verfahren vor dem Berufungsgericht zwischen der Phase des mündlichen Verfahrens (Teil 4, Kap. 3 VerfO) und der Phase der Entscheidung und deren Wirkung (Teil 4, Kap. 4VerfO).
Daraus folgt, dass die Rücknahme einer Klage, die nach Abschluss der mündlichen Verhandlung eingereicht wird, nicht den Anforderungen von R 370.9 (b) (iii) VerfO entspricht, wonach 20 % der Gerichtsgebühren nur erstattet werden, wenn die Rücknahme der Klage vor Abschluss des mündlichen Verfahrens erfolgt.
ANORDNUNG
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Diese Anordnung wurde am 18. April 2025 erlassen.
Klaus Grabinski, Präsident des Berufungsgerichts
Peter Blok, rechtlich qualifizierter Richter
Emmanuel Gougé, Berichterstatter und rechtlich qualifizierter Richter
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