
Lokalkammer München UPC_CFI_248/2025
Verfahrensanordnung des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts erlassen am 13.05.2025
KLÄGERIN
Huawei Technologies Co. Ltd, mit eingetragenem Sitz am Verwaltungsgebäude der Huawei Technologies Co. Ltd., Bantian, Longgang District Shenzhen, 518129, P.R. China, vertreten durch ihren Vorstand, ebenda,
vertreten durch:
Rechtsanwalt Dr. Matthias Meyer, Bird&Bird LLP, Carl-Theodor-Strasse 6, 40213 Düsseldorf, Deutschland.
BEKLAGTE
-
- MediaTek, Inc., Hsinschu Science Park No. 1, Dusing 1st Road, 300 78, Hsinchu, Taiwan, vertreten durch den Vorstand, dieser wiederum vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden, Ming Chieh Tsai, ebenda,
-
- MediaTek Germany GmbH, Kesselstraße 5-7, 40221 Düsseldorf, Deutschland, vertreten durch den Geschäftsführer Hsuan-Ni Chen, ebenda Deutschland.
Beklagte zu 2) vertreten durch:
ältin Dr. Antje Brambrink, Finnegan, Henderson, Farabow, Garrett & Gunner, LLP, Thierschplatz 6, 80538 München, Deutschland.
STREITPATENT
Europäisches Patent EP 3 905 840 B1
SPRUCHKÖRPER/KAMMER
Spruchkörper/Panel 2 der Lokalkammer München
MITWIRKENDE RICHTERIN
Die Anordnung wurde von der Vorsitzenden Richterin Ulrike Voß als Berichterstatterin erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
GEGENSTAND
Verletzungsklage -Schutz vertraulicher Informationen
KURZE DARSTELLUNG DES SACHVERHALTS
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des Europäischen Patents EP 3 905 840 B1 in Anspruch.
Mit Antrag vom 24.03.2025 hat die Klägerin in Bezug auf in der Klageschrift vom 24.03.2025 grau hinterlegte Informationen sowie den hierzu mit dem Hinweis "Streng vertraulich", 'vertraulich', "CONFIDENTIAL" oder "geheimhaltungsbedürftig" versehenen Anlagen, Abbildungen und Übersichten beantragt, diese gem. Art. 58 EPGÜ i. V. m. Regel 262.2 VerfO und Regel 262A.1 VerfO als geheimhaltungsbedürftig einzustufen (Antrag a)), wobei sie dem Antrag eine tabellarische Übersicht angefügt hat.
Die Klägerin hat zudem die Anordnung der Vertraulichkeit gem. Regel 262A VerfO gegenüber jedermann beantragt, welche auch nach Abschluss des Verfahrens fortgelten soll (Antrag b). Die Beklagten sollen die vertraulichen Informationen nicht an Dritte weitergeben oder außerhalb des Verfahrens nutzen.
Der Vertreterin der Beklagten zu 2) ist zu dem Antrag rechtliches Gehör gem. Regel 264 VerfO gewährt worden.
GRÜNDE DER ANORDNUNG
Der zulässige Antrag der Klägerin hat in der Sache Erfolg.
I.
Nach Art. 58 EPGÜ i. V. m. Regel 262A VerfO kann das Gericht zum Schutz vertraulicher Informationen auf Antrag einer Partei, den Zugriff auf bestimmte in ihren Schriftsätzen enthaltenen Informationen oder die Erhebung und Verwendung von Beweisen im Verfahren einschränken oder für unzulässig erklären oder den Zugang zu solchen Informationen oder Beweismitteln auf bestimmte Personen beschränken. Regel 262A VerfO betrifft demnach jedenfalls Zugangsbeschränkungen für die gegnerische (Verfahrens-)Partei.
Vertrauliche Informationen können des Weiteren mittels Regel 262.2 VerfO geschützt werden. Auf Antrag einer Partei kann hiernach der Zugang der Öffentlichkeit zu den im Register aufgenommenen Schriftsätzen und Beweismittel im Hinblick auf vertrauliche Informationen eingeschränkt werden. Regel 262.2 VerfO betrifft demzufolge den Zugang der Öffentlichkeit zum Register und verpflichtet insoweit den Kanzler des EPG zur Wahrung des Schutzes vertraulicher Informationen.
Ob Regel 262A VerfO bei direkter Anwendung auch die Konstellation erfasst, dass (ohne Anordnung einer Zugangsbeschränkung auf Seiten einer Partei) die Verfahrensbeteiligten vertrauliche Informationen gegenüber Dritten bzw. der Öffentlichkeit vertraulich behandeln müssen, oder ob eine solche Verpflichtung unmittelbar aus einem -wie hier -zugleich gestellten Antrag gem. Regel 262.2 VerfO folgt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Eine dahingehende Pflicht zur Vertraulichkeit würde jedenfalls bei analoger Anwendung der genannten Vorschriften folgen.
Sollte insoweit von einer Regelungslücke auszugehen sei, wäre eine solche planwidrig. Wie insbesondere die Art. 58, 60 EPGÜ und die Regeln 262, 262A, 365.2/3 VerfO verdeutlichen, sehen das EPGÜ und die VerfO -in Übereinstimmung mit Art. 9 der Geschäftsgeheimnisrichtline -Vorschriften zur effektiven Wahrung der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen der Parteien vor. Würde es an einer Regelung zur Verpflichtung der Verfahrensbeteiligten zur Wahrung der Vertraulichkeit gegenüber der Öffentlichkeit fehlen, wären die vertraulichen Informationen bzw. Geschäftsgeheimnisse der Parteien in einem Verfahren nur unvollständig geschützt. Dass vor dem EPG nur ein lückenhafter Schutz von Geschäftsgeheimnissen beabsichtigt gewesen ist, ist jedoch nicht ersichtlich. Für eine dahingehende bewusste Entscheidung lassen sich keine Anhaltspunkte finden. Die Interessenslage ist zudem vergleichbar. Eine Partei hat bei Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses bzw. vertraulicher Informationen ebenfalls ein schützenswertes Interesse daran, dass Dritte bzw. die Öffentlichkeit nicht durch einen Verfahrensbeteiligten über die in einem Verfahren eingeführten vertraulichen Informationen unterrichtet wird.
II.
Die in der Klageschrift vom 24.03.2025 grau hinterlegten Informationen sowie die hierzu überreichten und mit dem Hinweis "Streng vertraulich", 'vertraulich', "CONFIDENTIAL" oder "geheimhaltungsbedürftig" versehenen Anlagen, Abbildungen und Übersichten, deren Fundstellen in der Tabelle des Antrags a) des Geheimnisschutzantrages vom 24.03.2025 aufgeführt bzw. genannt sind, sind als geheimhaltungsbedürftig einzustufen. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien handelt es sich bei den genannten Informationen um vertrauliche Informationen. Es sind Geschäftsgeheimnisse beider Parteien. Sie sind Gegenstand von Geheimhaltungsvereinbarungen der Parteien.
Die Klägerin hat auf Hinweis der Beklagten zu 2) zudem klargestellt, dass auch die Auflistung der geheimhaltungsbedürftigen Anlagen auf Seite 16 der Klageschrift vom 24.03.2025 und die Informationen in Randnummer 224 der Klageschrift vom 24.03.2025 Teil des Geheimhaltungsantrages sind.
III.
Die vertraulichen Informationen sind, wie von der Klägerin in Antrag vom 24.03.2025 unter b) beantragt, von jedermann geheim zu halten. Es bedarf, wie die Klägerin in der Begründung ihres Antrags zu Recht ausführt und klarstellend ausdrücklich in der Anordnung aufgenommen ist, einer Geheimhaltung durch die Parteien, ihrer Prozessvertreter, Zeugen, Sachverständigen, sonstiger Vertreter oder sonstiger Personen, die an dem Verfahren beteiligt sind.
IV.
Eine Zugangsbeschränkung auf Seiten der Beklagten hat die Klägerin nicht beantragt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es vorliegend erforderlich wäre, den Zugang zu den vertraulichen
Informationen auf Seiten der Beklagten zu 2) nur auf bestimmte Personen zu beschränken. Bei den vertraulichen Informationen handelt es sich nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien um Geschäftsgeheimnisse beider Parteien.
ANORDNUNG
I. Die in der Klageschrift vom 24.03.2025 grau hinterlegten Informationen sowie den hierzu überreichten und mit dem Hinweis "Streng vertraulich", 'vertraulich', "CONFIDENTIAL" oder "geheimhaltungsbedürftig" versehenen Anlagen, Abbildungen und Übersichten, die tabellarisch wie folgt zusammengefasst sind, werden als geheimhaltungsbedürftig eingestuft:
[ … ]
[ … ]
- II. Es wird angeordnet, dass die als vertraulich eingestuften Informationen von jedem, der aufgrund seiner Beteiligung an dem vorliegenden Verfahren (als Partei, Vertreter, Zeuge, Sachverständiger, Gerichtsbediensteter oder in anderer Weise) davon Kenntnis erlangt, vertraulich behandelt werden müssen und nicht außerhalb dieses Gerichtsverfahrens verwendet oder offengelegt werden dürfen, es sei denn, er hat außerhalb des Verfahrens davon Kenntnis erlangt.
- III. Es wird angeordnet, dass die Verpflichtung zur Geheimhaltung gemäß Ziffer I. auch nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens weiter gilt, es sei denn, dass die streitige Information Personen aus den Kreisen, die üblicherweise Zugang zu solchen Informationen haben, anderweitig bekannt oder ohne weiteres zugänglich wird oder das Gericht die Geheimhaltungsbedürftigkeit dieser Informationen durch rechtskräftige Entscheidung oder Anordnung verneint hat.
ANWEISUNG AN DIE KANZLEI
Der Beklagten zu 2) ist Zugang zur unredigierten Fassung der Klageschrift vom 24.03.2025 sowie den Anlagen [ … ] zu gewähren.
DETAILS DER ANORDNUNG
Anordnung Nr. ORD_18791/2025 im VERFAHREN NUMMER: ACT_13761/2025
UPC Nummer: UPC_CFI_248/2025
Art des Vorgangs:
Verletzungsklage
Nr. des dazugehörigen Verfahrens Antragsnr.:
18691/2025
13.05.2025
Ulrike Voß Vorsitzende Richterin