
Lokalkammer München UPC_CFI_63/2025
Anordnung des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts,
erlassen am 28. Mai 2025
ANTRAGSTELLERIN
Nanoval GmbH & Co. KG, Kienhorststraße 61-65, 13403 Berlin, Deutschland
vertreten durch: Phillip Rektorschek
ANTRAGSGEGNERIN
ALD Vacuum Technologies GmbH, Otto-von-Guericke-Platz 1, 63457 Hanau, Deutschland vertreten durch: Bolko Ehlgen
STREITPATENT
EP 3 083 107
ENTSCHEIDENDE RICHTER
Diese Anordnung wurde von dem Vorsitzendem Richter Dr. Matthias Zigann und den rechtlich qualifizierten Richtern Tobias Pichlmaier (Berichterstatter) und Walter Schober erlassen.
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
GEGENSTAND DES VERFAHRENS
Überprüfung einer Anordnung auf Beweissicherung und Inspektion (Regel 197.3 EPGVerfO).
SACHVERHALT
Die Antragstellerin hat Beweissicherungsmaßnahmen und eine Inspektion nach Regeln 192 ff. EPGVerfO beantragt. Das Gericht hat daraufhin am 3. Februar 2025 Beweissicherungsmaßnahmen und eine Inspektion ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin angeordnet.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, die Antragstellerin habe die Wahrscheinlichkeit einer Patentverletzung nicht widerspruchsfrei dargelegt; ihr Vortrag widerlege die Erforderlichkeit einer Beweissicherungsmaßnahme selbst. Der Nachweis der Gefahr eines Beweismittelverlusts sei nicht erbracht. Deshalb sei die Anordnung aufzuheben. Auf die nähere Begründung in der Antragsschrift vom 21. März 2025 wird verwiesen.
Die Antragsgegnerin hat eine Überprüfung nach Regel 197.3 EPGVerfO beantragt. Sie hat folgende A n t r ä g e gestellt:
die Prüfung der Anordnung zur Beweissicherung und Inspektion der Lokalkammer München vom 3. Februar 2025 und in diesem Rahmen:
- -die Anordnung vom 3. Februar 2025 aufzuheben,
- -Patentanwalt Nils T.F. Schmid, die bei der Beweissicherung anwesenden Vertreter der Antragstellerin sowie alle weiteren Personen, denen vertrauliche Informationen zugänglich gemacht wurden, zu verpflichten, die Informationen weiterhin vertraulich zu behandeln, und der Antragstellerin die Kosten des Beweissicherungsverfahrens aufzuerlegen.
Die Antragstellerin ist dem Antrag entgegengetreten und hat b e a n t r a g t ,
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- den Antrag der Antragsgegnerin vom 21. März 2025 auf Prüfung der Anordnung zur Beweissicherung und Inspektion der Lokalkammer München vom 3. Februar 2025 zurückzuweisen;
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- die weiteren Anträge der Antragsgegnerin vom 21. März 2025 zurückzuweisen;
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- der Antragsgegnerin auch die Kosten des Überprüfungsverfahrens aufzuerlegen.
Die Antragstellerin ist dem Antrag entgegengetreten; auf die Begründung im Schriftsatz vom 17. April 2025 wird verwiesen. Die nach Regel 197.4 EPGVerfO durchzuführende mündliche Verhandlung hat am 9. Mai 2025 stattgefunden und liegt als Audio-Mitschnitt vor.
BEGRÜNDUNG
Der Antrag auf Aufhebung der Anordnung vom 3. Februar 2025 hat keinen Erfolg.
- I. Die Prüfung der Anordnung vom 3. Februar 2025 ergibt, dass die Anordnung zurecht erfolgt ist: Die Antragstellerin hat gemäß Art. 60 EPGÜ alle für sie vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur Begründung der Behauptung, dass das Streitpatent verletzt worden ist oder verletzt zu werden droht, vorgelegt; das Gericht hat daher vor Einleitung eines Verfahrens in der Sache schnelle und wirksame einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der rechtserheblichen Beweismittel hinsichtlich der behaupteten Verletzung angeordnet. Im Einzelnen:
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- Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, das Gericht habe mit Blick auf die EIGAPremium Anlage fehlerhaft das Vorliegen einer Lavaldüse angenommen. In diesem Zusammenhang argumentiert die Antragsgegnerin, die patentgemäßen Korngrößen (nach dem Vortrag der Antragsgegnerin weniger als 50 µm) und die in der Produktbroschüre der EIGA-Premium-Anlage genannten Korngrößen (20 -90 µm) unterschieden sich erheblich.
Das Gericht ist in seiner Anordnung nicht von bestimmten Korngrößen ausgegangen, sondern davon, dass die Korngröße und die Korngrößenverteilungsbreite nach dem Streitpatent möglichst gut einstellbar sein soll . Aus dem Streitpatent ergibt sich nicht, dass Korngrößen über 50 µm ausgeschlossen sein sollen. Nach dem Streitpatent soll eine besonders schmale Korngrößenverteilung erzielt werden können. Die Antragsgegnerin selbst hat im Einspruchsverfahren vor dem EPA vorgetragen, dass die Implementierung einer Lavaldüsenanordnung zur Herstellung feinkörnigeren Pulvers führt. Eben dies, die Ermöglichung der Herstellung von im Vergleich mit einer EIGA-StandardAnlage feinkörnigerem Pulver zeigt die Bewerbung der 'EIGA -Premium' -Anlagen durch die Antragsgegnerin. Das Gericht hat derzeit keine Erkenntnisse, dass eine Lavaldüse Korngrößen über 50 µm nicht zulässt. Auch die Antragsgegnerin behauptet das nicht explizit. Unter anderem mit diesem Umstand und dem Vorliegen weiterer, in der Anordnung genannter Umstände war für das Gericht die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung begründet.
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- Soweit die Antragsgegnerin meint, die Bewerbung der EIGA-Premium-Anlage mit einer "new nozzle" bzw. neuartigen Düse spreche gegen die Verwendung der Lavaldüse der EIGA-Standard-Anlage in der EIGA-Premium-Anlage, ist festzustellen, dass das Gericht in seiner Anordnung vom 3. Februar 2025 nicht davon ausgegangen
ist, in der EIGA-Premium werde unverändert die Düse aus der EIGA-StandardAnlage verwendet.
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- Soweit die Antragsgegnerin ausführt, aus den Schutzschriften der Antragsgegnerin ergebe sich die abweichende Düsenform der EIGA-Premium-Anlage, ist es das Versäumnis der Antragsgegnerin, es in keiner der eingereichten Schutzschriften vermocht zu haben, klar zu sagen, von welcher Anlage bzw. welchen Anlagen in diesen Schutzschriften die Rede ist. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, diesen Mangel durch einen Abgleich mit dem Vortrag der Antragsgegnerin im Einspruchsverfahren im Wege einer Gesamtinterpretation aller in verschiedenen Verfahren eingereichten Schriftsätze zu beheben und auf dieser Basis auszulegen, was die Antragsgegnerin gemeint haben könnte.
Unabhängig hiervon wird die Frage der tatsächlichen Verwirklichung einzelner Merkmale im Hauptsacheverfahren und nicht im Rahmen der Überprüfung der Anordnung vom 3. Februar 2025 zu klären sein. Das Gericht hat mit der Anordnung vom 3. Februar 2025 dargelegt, weshalb aus Sicht des Gerichts hinreichende Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung bestanden, aufgrund derer die Anordnung vom 3. Februar 2025 gerechtfertigt erschien. Damit setzt sich die Antragsgegnerin in ihrem Prüfungsantrag nicht auseinander. Soweit sich die Begründung des Antrags auf Überprüfung auf Umstände stützt, die nicht Gegenstand der Anordnung vom 3. Februar 2025 waren, können diese eine Aufhebung nicht rechtfertigen.
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- Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, sie habe ein eigenes Patent auf eine neue Düse erteilt bekommen, welche von Merkmal 1.2 gerade abweiche, ist festzustellen, dass ein Patent der Antragsgegnerin nicht Grundlage der Bewertung der Sachlage in der Anordnung vom 3. Februar 2025 war und daher auch eine Aufhebung der Anordnung nicht zu rechtfertigen vermag. Generell ist festzustellen, dass eine Erfindung die Lehre einer früheren Erfindung auch dann nutzen kann, wenn sie ihrerseits patentfähig ist.
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- Soweit die Antragsgegnerin meint, die Anfrage nach einer Kreuzlizenz spreche gegen eine Patentverletzung, geht sie davon aus, dass sich Unternehmen grundsätzlich rechtstreu verhalten und daher vor der Benutzung eines Patents immer erst um eine Lizenz nachsuchen. Diese Annahme widerspricht der Lebenswirklichkeit.
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II. Rechtsirrig ist die Annahme der Antragsgegnerin, eine Anordnung nach Art. 60 EPGÜ müsse auch deshalb aufgehoben werden, weil die Gefahr der Beweismittelvernichtung nicht hinreichend nachgewiesen worden sei.
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- Nach Art. 60 Abs. 5 EPGÜ ist der Umstand, dass dem Patentinhaber durch eine Verzögerung wahrscheinlich ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstünde oder wenn nachweislich die Gefahr besteht, dass Beweise vernichtet werden, ein Grund, Maßnahmen nach Art. 60 EPGÜ ohne Anhörung der anderen Partei anzuordnen. Spiegelbildlich sehen Art. 60 Abs. 6 EPGÜ und Regel 197 EPGVerfO vor, dass im Hinblick auf ohne Anhörung der anderen Partei angeordnete Maßnahmen eine Prüfung auf Basis einer mündlichen Verhandlung erfolgt. Dabei dient die mündliche Verhandlung der Nachholung der Anhörung. Gegenstand der Prüfung ist aber allein die Frage, ob die Maßnahmen zurecht angeordnet wurden; in diesem Zusammenhang spielt eine mögliche Beweismittelvernichtung keine Rolle.
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- Ungeachtet dessen ist Folgendes festzuhalten:
Soweit die Antragsgegnerin behauptet, der bloße Umstand der Hinterlegung von Schutzschriften sei vom Gericht als mangelnde Kooperationsbereitschaft gewertet worden (Textziffer 37 des Antrags auf Überprüfung), trägt sie falsch vor. Der Vertreter der Antragsgegnerin ist deshalb an seine Verpflichtung zu erinnern, wahrheitsgemäß vorzutragen.
Die Wahrnehmung des Rechts, eine Schutzschrift einzureichen und sich so vorbeugend gegen einen möglichen Verletzungsvorwurf zur Wehr zu setzen, darf als solche nicht zuungunsten des Betroffenen gewertet werden. Dies hat das Gericht mit der Anordnung vom 3. Februar 2025 auch nicht getan. Das Gericht hat die mangelnde Kooperationsbereitschaft vielmehr daraus geschlossen, dass in den Schutzschriften und in der Beantwortung der dezidierten Berechtigungsanfrage offenbar ganz bewusst keine konkreten Angaben zur Anlage ' EIGA-Premium ' gemacht wurden. Mit entsprechenden Angaben hätte eine Besichtigungsanordnung vermieden werden können. Zur Beantwortung der Berechtigungsanfrage heißt es von Seiten der Antragsgegnerin lediglich:
' Wir haben die erhobenen Behauptungen geprüft und kommen zu dem Schluss, dass sich das Produkt 'EIGA Premium' grundlegend von den unter Schutz -gestellten technischen Lehren der Schutzrechte EP 3 083 107 und DE 10 2013 022 096 unterscheidet.'
In der gerichtlichen Anordnung heißt es daher:
'Damit hat die Antragsgegnerin gezeigt, dass sie an einer Aufklärung des Sachverhaltes nicht freiwillig mitwirken möchte. Ausgehend hiervon ist die Annahme nicht fernliegend, dass nach vorheriger Kenntnis der Antragsgegnerin von der geplanten Durchführung von Beweissicherungsmaßnahmen eine vollständige Beweissicherung nicht mehr möglich ist. Der Antragstellerin entstünde hierdurch ein nicht wiedergutzumachender Schaden.'
Da die Antragsgegnerin damit mehrfach Gelegenheit hatte, sich zu äußern, und offenbar nicht gewillt war, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken, war eine nochmalige Anhörung vor Erlass der Anordnung nicht veranlasst.
Es ergeht deshalb folgende
ANORDNUNG
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- Die Anträge der Antragsgegnerin vom 21. März 2025 werden zurückgewiesen. Die Anordnung vom 3. Februar 2025 wird bestätigt.
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- Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Überprüfungsverfahrens zu tragen.
Dr. Zigann
Vorsitzender Richter
Dr. Schober
Rechtlich qualifizierter Richter
Pichlmaier
Rechtlich qualifizierter Richter