This Month Year to Date All Time Custom
Highlight search results
Danish
German
English
French
Italian
Dutch
Toggle Columns
Type
Order
Decision
Reference
Court Division
Brüssel
Brussels
Copenhagen
Den Haag
Düsseldorf
Hamburg
Helsinki
Lisbon
Lissabon
Luxembourg
Luxemburg
Mailand
Mannheim
Milan
München
Munich
Nordic Baltic Regional Division
Paris
The Hague
Vienna
Tags
2 June, 2025
Order
ORD_15672/2025 Hamburg (DE) Lokalka… EP2201740
R. 320 VerfO
...

Please log in to add tags.

Please log in to add notes.

Please log in to add tags.

ORD_15672/2025
2 June, 2025
Order

Summary
(AI generated)

Parties

Lionra Technologies Ltd.,
Versah LLC

Registry Information
Registry Number:

App_15203/2025

Court Division:

Hamburg (DE) Lokalkammer

Type of Action:

Generic application

Language of Proceedings:

DE

Patent at issue

EP2201740

Sections

Headnotes (DE)

1. Ist eine in der Verfahrensordnung vorgesehene oder vom Gericht gesetzte Frist versäumt worden, bleibt der Partei nur die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung nach R. 320 VerfO, die R. 9.3 VerfO vorgeht. 2. Der Sorgfaltsmaßstab nach R. 320.1 VerfO ist autonom auszulegen. Die gebotene Sorgfalt („all due care“/„toute la viglance nécessaire“) ist grundsätzlich gewahrt, wenn die Partei alle zumutbaren Vorsorgeanforderungen getroffen hat, um ihr die Einhaltung der Frist zu ermöglichen.

Keywords (DE)

R. 9.3 VerfO; R. 320 VerfO; nachträgliche Fristverlängerung; Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand; gebotene Sorgfalt

Keywords (DE)

R. 265 RoP, Teilrücknahme

Headnotes (EN)

(1) If a time limit provided for in the Rules of Procedure or set by the court has been missed, the party may only file an application for restitutio in integrum pursuant to Rule 320 of the Rules of Procedure, which takes precedence over Rule 9.3 of the Rules of Procedure. 2. the standard of due diligence pursuant to R. 320.1 of the Rules of Procedure is to be interpreted autonomously. Due diligence (“all due care”/“toute la viglance nécessaire”) is generally met if the party has taken all reasonable precautions to enable it to meet the deadline.

Keywords (EN)

R. 9.3 RoP ; R. 320 RoP; subsequent extension of time limit; re-establishment of rights; due diligence
Cited Legal Standards
R. 150 VerfO
R. 151 VerfO
R. 224.1(a) VerfO
R. 224.2(b) VerfO
R. 295 (d) VerfO
R. 320. 1 VerfO
R. 320.1 VerfO
R. 320.2 VerfO
R. 320.4 VerfO
R. 320.7 VerfO
R. 320 VerfO
R. 8.1 VerfO
R. 8.2 VerfO
R. 9.3(a) VerfO
R. 9.3 lit. a VerfO
R. 9.3 VerfO
R. 9.4 VerfO
R. 9 R. 320 VerfO
Regel 151 EPGVerfO
Regel 320 EPGVerfO
Regel 320 VerfO
Regel 9.3 (a) VerfO
Regel 9 EPGVerfO
Add a custom note or summary to this decision
Styles
Text
Heading 1
Heading 2
Heading 3
Bold ⌘B
Italic ⌘I
Strikethrough ⌘+Shift+S
Bullet list
Ordered list
Blockquote ⌘+Shift+B
Insert link ⌘K
Insert link
Unlink
Align
Left
Center
Right

ORD_15672/2025

Hamburg - Lokalkammer

UPC_CFI_58/2024

Endgültige Anordnung des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts,

erlassen am: 02/06/2025

HEADNOTES

    1. Ist eine in der Verfahrensordnung vorgesehene oder vom Gericht gesetzte Frist versäumt worden, bleibt der Partei nur die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung nach R. 320 VerfO, die R. 9.3 VerfO vorgeht.
    1. Der Sorgfaltsmaßstab nach R. 320.1 VerfO ist autonom auszulegen. Die gebotene Sorgfalt (' all due care'/'toute la viglance nécessaire') ist grundsätzlich gewahrt, wenn die Partei alle zumutbaren Vorsorgeanforderungen getroffen hat, um ihr die Einhaltung der Frist zu ermöglichen.

KEYWORDS

R. 9.3 VerfO; R. 320 VerfO; nachträgliche Fristverlängerung; Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand; gebotene Sorgfalt

KLÄGERIN

Lionra Technologies Ltd.

(Partei des Hauptverfahrens - Kläger) - The Hyde Building, Suite 23, The Park - 00000 - Carrickmines, Dublin 18, Irland - IE

Vertreten durch Dr. Thomas Adam

BEKLAGTE

1) Cisco Systems GmbH

(Antragsteller) - Parkring 20 - 85748 - Garching

b. München - DE

Vertreten durch:

Johannes Heselberger

2) Cisco Systems, Inc.

(Antragsteller) - 170 West Tasman Dr. - 95134 -

San Jose, CA - US

Vertreten durch:

Johannes Heselberger

STREITGEGENSTÄNDLICHES PATENT

Patentnr. Inhaber
EP2201740 Lionra Technologies Ltd.

ENTSCHEIDENDE RICHTER:

Diese Entscheidung wurde erlassen unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klepsch, der rechtlich qualifizierten Richter Dr. Schilling als Berichterstatter und Agergaard sowie des technisch qualifizierten Richters Dr. Keller.

GEGENSTAND DER VERFAHREN:

Antrag auf Fristverlängerung, hilfsweise Wiedereinsetzung, R. 9 und R. 320 VerfO

KURZE ZUSAMMENFASSUNG DES SACHVERHALTS:

Die Kammer hat mit Entscheidung vom 19. Februar 2025 das erstinstanzliche Verfahren abgeschlossen. Gemäß Ziffer III. des Tenors hat sie angeordnet, dass '[v]on den Kosten des Rechtsstreits […] die Klägerin 40% und die Beklagten 60% zu tragen' haben. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, da die Klägerin am 17.04.2025 Berufung eingelegt hat (APL_18930/2025).

Am 19.03.2025 haben die Beklagten einen Antrag auf Kostenfestsetzung nach R. 150 VerfO gestellt (App_13685/2025). Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 27.03.2025 einen Antrag auf Kostenfestsetzung nach R. 150 VerfO gestellt (App_15211/2025) sowie einen Antrag auf nachträgliche Fristverlängerung nach R. 9.3(a) VerfO, hilfsweise auf Wiedereinsetzung nach R. 320 VerfO (App_15203/2025 und 15209/2025).

Die Klägerin hat vorgetragen, dass aufgrund eines Übersehens einer erfahrenen und bei der Fristenerfassung bisher stets zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten aus dem LitigationSekretariat der Kanzlei der Klägervertreter die Frist der R. 151 VerfO für die Einreichung eines Kostenfestsetzungsantrags nicht notiert und daher versäumt worden sei. Dies, obschon die Frist der R. 151 VerfO in einer für die Fristenerfassung der Kanzlei zugrunde zu legenden Fristenübersicht enthalten sei, die speziell für UPC-Verfahren existiere und einzuhalten sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe durch E-Mail des Litigation-Sekretariats der Kanzlei von Donnerstag, 20. März 2025, 12:26 Uhr, mit welcher eine Benachrichtigung des CMS von 09:45 Uhr desselben Tages weitergeleitet worden sei, erfahren, dass die Beklagtenseite offenbar einen Kostenfestsetzungsantrag eingereicht hatte.

Die Klägerin hat Auszüge aus dem Kanzleihandbuch in der Antragsschrift vom 27.März.2025 eingeblendet. Die Fristenerfassung basiere auf dem Vieraugenprinzip und unterliege Stichproben seitens der Partner einschließlich des Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Diese erfolgten regelmäßig, jedenfalls aber wöchentlich. Zur Notierung der vorliegenden Frist sei Mitarbeiterin #1 zuständig gewesen. Als zweites Augenpaar und Überprüferin sei Mitarbeiterin #2 zuständig gewesen. Diese habe die erfassten Fristen (Berufungsfrist gem. R. 224.1(a) VerfO; Berufungsbegründungsfrist gem. R. 224.2(b) VerfO) geprüft und als korrekt berechnet markiert. Dass die Frist gem. R. 151 VerfO nicht erfasst gewesen sei, sei ihr nicht aufgefallen. Dass dem Litigation-Sekretariat die R. 151-Frist für den Kostenerstattungsantrag geläufig sei, könne anhand eines anderen, früheren UPC-Verfahrens demonstriert werden, dessen internes Aktenzeichen mit '510' beginnt und auf '3' ende (vgl. Anlage K 21). Zum Hintergrund ihrer Personen und zu den für

die vorliegenden Anträge relevanten Umständen und Vorgängen beruft sich die Klägerin auf die überreichten eidesstattlichen Versicherungen von Mitarbeiterin #1 und Mitarbeiterin #2 in Anlagen K 22a + b.

Die Klägerin macht geltend, sie sei ohne eigenes oder zurechenbares Verschulden gehindert gewesen, die genannte Frist einzuhalten. Im Unterschied zu den meisten nationalen Rechtsordnungen, aber im Einklang mit dem Recht des Vereinten Königreichs, das Vorbild für die Regelung gewesen sei, besage R. 9.3(a) VerfO explizit, dass eine Fristverlängerung '- auch rückwirkend -' erfolgen könne. Ein Fall des R. 9.4 VerfO in Bezug auf die Fristen nach den Regeln 198.1, 213.1 und 224.1 VerfO liege nicht vor. Hätte der Gesetzgeber dem Wiedereinsetzungsverfahren den Vorrang einräumen wollen, hätte er dies zwanglos in R. 9.4 VerfO, aber auch in R. 320 VerfO selbst tun können.

Hilfsweise sei ihr Wiedereinsetzung nach R. 320.1 VerfO zu gewähren, weil sie die Fristversäumnis trotz vollständiger Einhaltung der angemessenen Sorgfalt nicht hatte vermeiden können. Damit sei als Verschuldensmaßstab Vorsatz und Fahrlässigkeit gemeint, wie nach § 233 ZPO im deutschen Recht. Ein möglicherweise fahrlässiges Verhalten einer angestellten Mitarbeiterin des Parteivertreters sei nicht der Partei zuzurechnen. Ein Organisationsverschulden eines Prozessbevollmächtigten wäre in Ermangelung einer § 85 Abs. 2 ZPO entsprechenden Regelung im EPGÜ und der VerfO der Partei nicht zuzurechnen.

Die Beklagte beantragt, den Antrag auf rückwirkende Verlängerung der Frist zur Einreichung des Kostenfestsetzungsantrags nach R. 151 VerfO zurückzuweisen, da er nicht innerhalb der zu verlängernden Frist (d.h. innerhalb eines Monats nach der Hauptsacheentscheidung, also bis zum 19. März 2025) gestellt worden sei. R. 9.3(a) VerfO ermögliche keine rückwirkende Antragstellung nach Fristablauf. Die von der Klägerin zitierte R. 3.1 Abs. 2 lit. a der UK Civil Procedure Rules enthalte einen entscheidenden Zusatz 'even if an application for extension is made after the time for compliance has expired'. Dieser sei in R. 9.3(a) VerfO gerade nicht übernommen, was nur den Schluss zulasse, dass R. 9.3(a) VerfO lediglich die rückwirkende Entscheidungsbefugnis des Gerichts, nicht jedoch eine nachträgliche Antragstellung regeln sollte.

Auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung sei mangels Nachweises eines hinreichenden Grundes für die Säumnis gemäß R. 320.1 VerfO zurückzuweisen. Entgegen der Behauptung der Klägerin sei im Rahmen einer Wiedereinsetzung nicht zu beurteilen, ob eine Partei die Fristversäumnis trotz vollständiger Einhaltung der 'angemessenen Sorgfalt' nicht einhalten konnte, sondern verlange als Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung den Nachweis, dass eine Partei 'trotz aller gebotener Sorgfalt aus einem Grund, auf den sie keinen Einfluss hat' die betreffende Frist versäumt habe. Eine Übertragung der Grundsätze aus dem deutschen Recht käme daher nicht in Betracht. Eine mögliche Auslegungshilfe für den autonom auszulegenden Sorgfaltsmaßstab der R. 320.1 VerfO könnte dabei die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 45 Abs. 2 EuGH-Satzung ('[2] Der Ablauf von Fristen hat keinen Rechtsnachteil zur Folge, wenn der Betroffene nachweist, dass ein Zufall oder ein Fall höherer Gewalt vorliegt.') liefern.

GRÜNDE FÜR DIE ANORDNUNG:

Der Klägerin ist auf ihren Hilfsantrag Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren.

Der Antrag auf rückwirkende Fristverlängerung ist zurückzuweisen.

a)

Zwar ist nach dem Wortlaut von R. 9.3 lit. a VerfO das Gericht befugt, eine Frist 'auch rückwirkend' zu verlängern. Damit ist indes lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die gerichtliche Entscheidung

über einen fristgerecht gestellten Fristverlängerungsantrag auch noch nach Fristablauf - und damit rückwirkend - ergehen kann (Bopp/Kircher EurPatentprozess-HdB/Kircher, 3. Aufl. 2025, § 10 Rn. 151; aA Plassmann/Dorn in Tilmann/Plassmann, 1. Aufl. 2024, Regel 320 EPGVerfO Rn. 1). Ist dagegen eine in der Verfahrensordnung vorgesehene oder vom Gericht gesetzte Frist versäumt worden, bleibt der Partei nur die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sofern keine der unverlängerbaren Fristen betroffen ist. Dass nach dem britischen Zivilprozessrecht (R. 3.1 Abs. 2 lit. a UK Civil Procedure Rules) ein erst nach Fristablauf gestellter Fristverlängerungsantrag grundsätzlich möglich ist, ist ohne Belang, da abweichend von R. 9.3 lit. A VerfO im Wortlaut der britischen Vorschrift ausdrücklich klargestellt ist, dass ein Antrag auch noch nach Fristablauf gestellt werden kann (… even if an application is made after the time for compliance has expired ; vgl. Bopp/Kircher EurPatentprozess-HdB/Kircher, 3. Aufl. 2025, § 10 Rn. 151). Der Primat der Rechtssicherheit im Interesse der Gegenpartei gebietet, dass eine versäumte Frist nicht einfach nach Ermessen des Gerichts nachträglich wieder verlängert werden kann.

b)

Zwar handelt es sich bei der Frist der R. 151 VerfO um keine solche, die nicht verlängerbar wäre, sodass bei rechtzeitigem Fristverlängerungsantrag innerhalb der Frist kein Rechtsverlust mit dem Verstreichen der Frist verbunden wäre. Gleichwohl ist die Wiedereinsetzung gegenüber der allgemeinen Regel 9.3 (a) VerfO zur Fristverlängerung der speziellere und damit vorrangige Rechtsbehelf (vgl. LK München, 11.10.2024 - UPC_CFI_292/2023, App_44953/2024 - SES v. Hanshow - explizit betreffend den Antrag auf Kostenerstattung; Plassmann in Tilmann/Plassmann, 1. Aufl. 2024, Regel 151 EPGVerfO, Rn. 5; aA W. Tilmann in Tilmann/Plassmann, 1. Aufl. 2024, Regel 9 EPGVerfO Rn. 11). Denn andernfalls liefe Regel 320 VerfO weitgehend leer, was mit Blick auf die im Vergleich zu einem Fristverlängerungsantrag nach Regel 9.3 (a) VerfO bestehenden Anforderungen an eine zu gewährende Wiedereinsetzung nicht im Sinne der Verfahrensordnung sein kann (LK München, 11.10.2024 - UPC_CFI_292/2023, App_44953/2024 - SES v. Hanshow).

Die Voraussetzungen für die hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung liegen vor.

a)

Der Antrag ist zulässig. Die Klägerin hat den Antrag innerhalb der Monatsfrist nach R. 320.2 VerfO gestellt und die erforderliche Gebühr eingezahlt. Zudem hat die Klägerin zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachgeholt, R. 320.4 VerfO.

b)

Der Antrag ist auch begründet. Nach R. 320.1 VerfO kann der Spruchkörper einer Partei, die eine nach dieser Verfahrensordnung oder vom Gericht festgelegte Frist trotz aller gebotenen Sorgfalt aus einem Grund, auf den sie keinen Einfluss hat, versäumt hat, und als unmittelbare Folge des Fristversäumnisses ein Recht oder ein Rechtsmittel verloren hat, Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewähren. Die Regelung erfasst nicht nur die Ausschlussfristen, sondern auch die deklaratorischen Fristen (Bopp/Kircher EurPatentprozess-HdB/Kircher, 3. Aufl. 2025, § 10 Rn. 157) und ist daher in jedem Fall auf die Frist der R. 150 VerfO anwendbar.

aa)

Die Anforderungen an den Maßstab der 'all gebotenen Sorgfalt' und des Grundes, 'auf den sie keinen Einfluss hat' sind in der Verfahrensordnung nicht näher kodifiziert. Teilweise wird vorgeschlagen, den Verschuldensmaßstab des deutschen Rechts nach § 233 ZPO zu übernehmen, wonach von einem Verschulden bei Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit auszugehen sei (vgl. Tilmann/Plassmann/Plassmann/Dorn, 1. Aufl. 2024, EPGVerfO § Regel320 Rn. 17, 18). Teilweise wird vorgeschlagen, sich an der Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern des EPA zu

orientieren, wo das Kriterium festgelegt worden ist, dass die gebotene Sorgfalt als eingehalten gilt, wenn die Nichteinhaltung der Frist entweder auf außergewöhnliche Umstände oder auf einen isolierten Fehler innerhalb eines normalerweise zufriedenstellenden Überwachungssystems zurückzuführen ist (vgl. Luginbühl / Hüttermann, Einheitspatentsystem, 1. Auflage 2024, Regel 320 VerfO, Rn. 9, mwN). Ein weiterer möglicher Orientierungspunkt könnte die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 45 Abs. 2 EuGH-Satzung sein, die wie folgt formuliert ist '[2] Der Ablauf von Fristen hat keinen Rechtsnachteil zur Folge, wenn der Betroffene nachweist, dass ein Zufall oder ein Fall höherer Gewalt vorliegt.' und wonach daher nur Zufall oder höhere Gewalt einen Grund für eine Wiedereinsetzung bieten würden (vgl. Bopp/Kircher EurPatentprozess-HdB/Kircher, 3. Aufl. 2025, § 10 Rn. 158).

bb)

Nach Auffassung der Kammer ist der Sorgfaltsmaßstab autonom auszulegen. Die gebotene Sorgfalt (' all due care'/'toute la viglance nécessaire') ist grundsätzlich gewahrt, wenn die Partei alle zumutbaren Vorsorgeanforderungen getroffen hat, um ihr die Einhaltung der Frist zu ermöglichen. Dazu gehören unter anderem die Implementierung von Teamfunktionen und Vertretungsregeln. So entspricht es nicht der gebotenen Sorgfalt, bei der Abfassung und Einreichung von Schriftsätzen keine weiteren anwaltlichen Vertreter aus der Kanzlei in das Verfahren einzubeziehen (vgl. LD The Hague, 01.04.2025 - UPC_CFI_499/2024, APP_ 10764/2025 Rn. 17 f.).

Die Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab sind weiter konkretisiert dadurch, dass die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt damit gleichzusetzen ist, dass die Partei die Frist letztlich aus einem Grund versäumt, auf den sie keinen Einfluss hat (' outside his control'/'hors de son contrôle') . Sorgfaltswidriges Verhalten des Parteivertreters unterliegt in diesem Sinne der Kontrolle der Partei und ist der Partei wie eigenes Verhalten zuzurechnen, weil sich die Parteien ohnehin zwingend vor dem EPG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen müssen, R. 8.1 VerfO, und Handlungen der Partei nach der VerfO von ihrem Vertreter vorzunehmen sind, R. 8.2 VerfO. Daher sind auch mangelnde Überwachung, Anweisung oder Auswahl der angestellten Mitarbeiter als sorgfaltswidriges Verhalten des Parteivertreters der Partei zuzurechnen sind (vgl. Plassmann/Dorn in: Tilmann/Plassmann, 1. Aufl. 2024, EPGVerfO Regel 320 Rn. 24).

cc)

Nach Maßgabe dieser Grundsätze war dem Antrag auf Wiedereinsetzung zu entsprechen. Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, ein inhaltlich ausreichendes System der standardisierten Fristenkontrolle und -überwachung implementiert zu haben, das auf dem Vier-Augen-Prinzip basiert und zumindest stichprobenartig vom Prozessbevollmächtigten überwacht wird. Sie hat glaubhaft gemacht, dass trotz des Vier-Augen-Prinzips die fehlende Erfassung der Kostenantragsfrist versehentlich nicht notiert worden war.

Dem Prozessbevollmächtigen der Klägerin kann auch keine mangelnde Überwachung, Anweisung oder Auswahl der angestellten Mitarbeiter vorgeworfen werden. Insoweit ist hinsichtlich der eigenen Überwachungspflichten des Prozessbevollmächtigen weiter zu differenzieren zwischen den Anforderungen, die an die Einhaltung und Überwachung nicht-verlängerbarer Fristen zu stellen sind und denen, die an die Einhaltung und Überwachung grundsätzlich verlängerbarer Fristen zu stellen sind. Der Sorgfaltsmaßstab nicht-verlängerbarer Fristen nach den Regeln 198.1, 213.1 und 224.1 ist dabei höher, weil bei ihrer Säumnis unmittelbar ein Rechtsverlust droht. Dagegen ist die vorliegend betroffene Frist zur Einleitung eines Verfahrens zur Kostenentscheidung bereits grundsätzlich verlängerbar. Ihre Verlängerung ist auch in der Regel sinnvoll, weil die Berufungsfrist ohnehin länger ist und für den Fall der Berufung - wie auch vorliegend - eine Änderung der Kostenentscheidung noch möglich ist. Es entspricht daher der Praxis der Lokalkammer Hamburg für den Fall der Berufungseinlegung das Kostenfestsetzungsverfahren im

Einvernehmen mit den Parteien nach R. 295 (d) VerfO bis zum Abschluss des Berufungsverfahren auszusetzen. Vor diesem Hintergrund war der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch nicht selbst zu einer besonders engmaschigen Kontrolle der Frist nach R. 151 VerfO und der damit betrauten Mitarbeiterinnen veranlasst. Vielmehr stellt in einem solchen Fall das Versehen zweier angestellter Mitarbeiterinnen des Parteivertreters innerhalb eines sorgfaltsgerechten Systems der Fristenkontrolle und -überwachung mit Vier-Augen-Prinzip einen Grund dar, auf den die Partei keinen Einfluss hat.

ANORDNUNG:

    1. Der Klägerin wird in Bezug auf die am 19. März 2025 endende Frist zur Einleitung des Kostenfestsetzungsverfahrens Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß R. 320. 1 VerfO gewährt.
    1. Das von der Klägerin eingeleitete Verfahren auf Kostenfestsetzung nach R. 150 VerfO wird im Workflow App_15211/2025 fortgesetzt.

HINWEISE ZUR BERUFUNG:

Die Anordnung ist nach R. 320.7 VerfO nicht berufungsfähig.

DETAILS DER ANORDNUNG:

Anordnung

Nr. ORD_15672/2025 und ORD_15676/2025 im VERFAHREN NUMMER:

ACT_7940/2024

UPC Nummer:

UPC_CFI_58/2024

Art des Vorgangs:

Verletzungsklage und Nichtigkeitswiderklage

Antragsnr.:

15203/2025 und 15209/2025

ERLASSEN IN HAMBURG AM 02. JUNI 2025

Vorsitzende Richterin Klepsch

Rechtlich qualifizierter Richter Dr. Schilling

Rechtlich qualifizierter Richter Agergaard

Technisch qualifizierter Richter Dr. Keller

für den Hilfskanzler

Showing 1 to 1 of 1 results
Subscription required
To use more advanced filters, you need an active subscription.