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6 June, 2025
Decision
ORD_69323/2024 München (DE) Lokalka… EP2839083B9
Art. 54 EPGÜ
...

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ORD_69323/2024
6 June, 2025
Decision

Summary
(AI generated)

Parties

Tiroler Rohre GmbH
v. SSAB Europe Oy,
SSAB Swedish Steel GmbH

Registry Information
Registry Number:

ACT_36096/2024

Court Division:

München (DE) Lokalkammer

Type of Action:

Infringement Action

Language of Proceedings:

DE

Patent at issue

EP2839083B9

Cited Legal Standards
Art. 138 (a) EPÜ
Art. 33 Abs. 1 (b), Abs. 3 (a) EPGÜ
Art. 34 EPGÜ
Art. 47 Abs. 1 EPGÜ
Art. 54 Abs. 1 EPÜ
Art. 54 EPGÜ
Art. 54 EPÜ
Art. 65 Abs. 2 EPGÜ
Art. 73 (1) EPGÜ
Art. 76 Abs. 2 EPGÜ
R. 220.1 (a), 224.1 (a) VerfO
Regel 118.8 VerfO
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ORD_69323/2024

Lokalkammer München UPC_CFI_324/2024 UPC_CFI_487/2024

Entscheidung

des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts vom 6. Juni 2025

LEITSÄTZE:

    1. Verteidigt sich die Beklagtenseite gegen den Vorwurf der Patentverletzung mit dem Argument, die Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform sei aufgrund außerhalb des Patentanspruchs liegender Umstände unmöglich, trägt die Beklagtenseite für diese Behauptung die Darlegungsund Beweislast. Der Verletzungskläger ist nach Art. 54 EPGÜ nicht gehalten, zur Gestaltung außerhalb des Patentanspruchs liegender Bauteile vorzutragen.
    1. Weist eine Vorrichtung die nach dem Patentanspruch erforderliche Eignung auf, ist unerheblich, ob die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen regelmäßig, nur in Ausnahmefällen oder nur zufällig erreicht werden und ob es der Benutzer darauf absieht, diese Wirkungen zu erzielen.

KLÄGERIN UND WIDERBEKLAGTE (nachfolgend 'Klägerin')

Tiroler Rohre GmbH , Innsbruckerstraße 51, 6060 Hall - Österreich

vertreten durch: Florian Robl, Torggler & Hofmann Patentanwälte GmbH & Co KG

BEKLAGTE UND WIDERKLÄGERINNEN (nachfolgend 'Beklagte' )

    1. SSAB Swedish Steel GmbH , Hamborner Straße 55, 40472 Düsseldorf -Deutschland
    1. SSAB Europe Oy , Harvialantie 420, 13300 - Hämeenlinna -Finnland

vertreten durch: Christian Meyer, Maiwald GmbH

VERFAHRENSSPRACHE

Deutsch

KLAGEPATENT

EP 2 839 083 B9

SPRUCHKÖRPER

Spruchkörper 1 der Lokalkammer München.

ENTSCHEIDENDE RICHTER

Diese Entscheidung wurde durch den Vorsitzenden Richter Dr. Matthias Zigann, die rechtlich qualifizierte Richterin Margot Kokke, den technisch qualifizierten Richter Dennis Kretschmann und den rechtlich qualifizierten Richter Tobias Pichlmaier (Berichterstatter) erlassen.

MÜNDLICHE VERHANDLUNG

Die mündliche Verhandlung fand am 13. Mai 2025 statt.

GEGENSTAND

Verletzungsklage (ACT_36096/2024) mit Nichtigkeitswiderklage (CC_47194/2024) und Anträgen auf Änderung des Patents. Einspruch betreffend die Nichtigkeitswiderklage (App_54649/2024).

Sachverhalt

Das Klagepatent wurde am 12. April 2013 unter Beanspruchung der österreichischen Priorität vom 20. April 2012 angemeldet und am 22. November 2017 vom Europäischen Patentamt erteilt. Am 18. April 2018 wurde vom EPA eine korrigierte Patentschrift herausgegeben. Das Klagepatent steht unter anderen in Deutschland, Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Slowenien, Schweden in Kraft. Eine im Hinblick auf das Klagepatent erfolgte Opt-Out-Erklärung wurde mit Wirkung vom 2. Februar 2024 zurückgenommen.

Die Klägerin ist alleinige Inhaberin des Klagepatents.

Anspruch 1 des Klagepatents, auf den die Ansprüche 2 bis 12 zurückbezogen sind, lautet:

Rammspitze (1) für einen im Wesentlichen rohrförmigen, insbesondere hohlzylindrischen, Rammpfahl (2) mit einer Pfahlseele (3), durch die Beton in den Rammpfahl (2) einbringbar ist, wobei die Rammspitze (1) auf ein Pfahlende (4) des Rammpfahls (2) aufsteckbar ist, wobei an einer Innenwandung (5) der Rammspitze (1) wenigstens ein erster Auflagesteg (6) mit einer ersten Auflagefläche (7) für eine Stirnseite (8) des Pfahlendes (4) angeordnet ist, wobei die Rammspitze (1) ausgehend von der Ebene der ersten Auflagefläche (7) einen sich zumindest teilweise in Einrammrichtung (E) erstreckenden Hohlraum (9) aufweist, in den bei aufgestecktem Rammpfahl (2) durch die Pfahlseele (3) Beton einbringbar ist, wobei wenigstens ein Betonaustrittskanal (10) vorgesehen ist, der den Hohlraum (9) mit einem oberen Rand (11) der Rammspitze (1) verbindet.

Zur Erläuterung finden sich in der Patentschrift unter anderem folgende Zeichnungen

ORD_69323/2024

ORD_69323/2024

ORD_69323/2024

Unter der Produktbezeichnung GS115, GS140 und GS170 stellen die Beklagten verschiedene Größen der nachfolgend abgebildeten Rammspitzen her und vertreiben diese.

ORD_69323/2024

Nachdem die Klägerin hiervon Kenntnis erlangt hat, hat sie bei der Lokalkammer München einen Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen gestellt (UPC_CFI_98/2024, ACT_11890/2024). Die mit denselben Richtern besetzte Lokalkammer hat in der mündlichen Verhandlung über diesen Antrag zu erkennen gegeben, dass Zweifel daran bestehen, dass das Klagepatent in der erteilten Fassung Bestand haben wird. Die Klägerin hat den Antrag zurückgenommen.

Parteivortrag zur Verletzungsklage

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten verletzten das Klagepatent durch Herstellung und Vertrieb der Produkte GS115, GS140 und GS170 (angegriffene Ausführungsformen). Die angegriffenen Ausführungsformen zeigten sämtliche Merkmale von Anspruch 1 des Klagepatents und machten daher vom Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents Gebrauch. Gleiches gelte für die Ansprüche 3, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 11 und 12.

Im Hinblick auf das Merkmal 'Auflagefläche' vertritt die Klägerin die Ansicht, dass diese lediglich geeignet sein müsse, als Auflage für das Pfahlende zu dienen; ob oder in welchem Ausmaß es tatsächlich zu einem Kontakt komme, sei nicht maßgeblich.

Hilfsweise macht die Klägerin geltend, dass das Merkmal von Anspruch 1, wonach an einer Innenwandung (5) der Rammspitze (1) wenigstens ein erster Auflagesteg (6) mit einer ersten Auflagefläche (7) für eine Stirnseite (8) des Pfahlendes (4) angeordnet ist, in den angegriffenen Ausführungsformen äquivalent verwirklicht sei (siehe dazu im Einzelnen

Klageschrift vom 17.06.2024, S. 25 ff.).

Die Klägerin betrachtet den Rechtsbestand des Klagepatents als gesichert (siehe dazu im Einzelnen Klageschrift vom 17.06.2024, S. 30 ff.).

Die Beklagten bestreiten, dass die angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent verletzen. Die mit der Klageerwiderung vorgebrachten Argumente gegen den Verletzungsvorwurf können wie folgt zusammengefasst werden:

-Kein freistehender Steg

Erstmals in der mündlichen Verhandlung haben die Beklagten erklärt, der Begriff Steg impliziere, dass dieser freistehend sein müsse.

Ein freistehender Steg sei bei den angegriffenen Ausführungsformen allerdings nicht gegeben, da -wie nachfolgend eingeblendet -der klägerseits als Steg angesehene 'Nut boden ' auf beiden Seiten Wände der sich verjüngenden Nut aufweise und insofern nicht als freistehend beschrieben werden könne (Abbildung wie S. 21 der Klageerwiderung; Beschriftung durch das Gericht; die Seitenwände der Nut werden hier als 'Backen' bezeichnet):

ORD_69323/2024

-Keine ebene Auflagefläche

Der in Anspruch 1 des Klagepatents verwendete Terminus 'Auflagefläche' sei dahin zu verstehen, dass die Auflagefläche eben ausgebildet sein müsse. Dies ergebe sich einerseits daraus, dass im Anspruch von einer 'Ebene der ersten Auflagefläche' die Rede ist. Andererseits folge dies aus funktionellen Gesichtspunkten: Die Auflagefläche für das Pfahlende (Stirnseite) weise im Normalfall herstellungsbedingt eine ebene Fläche auf, so dass die Auflagefläche zur flächigen Auflage (Anschlag) des Pfahlendes ausgestaltet sein müsse.

Der Nutboden der angegriffenen Ausführungsformen, den die Klägerin als anspruchsgemäße Auflagefläche ansehe, sei -wie in der vorstehenden Einblendung ersichtlich -rundlich und daher nicht wie anspruchsgemäß gefordert 'eben' .

-Kein Anschlag des Pfahlendes an der Auflagefläche

Es sei aber ohnehin nicht ausreichend, dass eine ebene Auflagefläche vorhanden sei; es müsse auch zu einem Anschlag (Kontakt) des Pfahlendes an die Auflagefläche kommen können. Zwar müsse die Rammspitze nur dazu eingerichtet bzw. geeignet sein, auf ein Pfahlende des Rammpfahles aufsteckbar zu sein. Jedoch müssten die Rammspitze und ein hypothetischer Rammpfahl nach dem Einrammen eine funktionstaugliche Einheit bilden können, bei der das Pfahlende an der Auflagefläche anschlägt (Klageerwiderung vom 17.09.2024, S.13 ff.). Den erforderlichen Anschlag des Pfahlendes an der Auflagefläche habe die Klägerin auch im Prüfungsverfahren beim EPA dementsprechend erläutert.

Bei den angegriffenen Ausführungsformen könne es allerdings aus folgenden Gründen zu keinem Kontakt zwischen der Stirnseite eines Pfahlendes und dem Nutboden kommen:

· Keine Rammpfähle mit der Nut entsprechenden Abmessungen erhältlich

Die zu den angegriffenen Produkten GS115, GS140 und GS170 passenden Rammpfähle der Beklagten wiesen eine über die Breite des Nutbodens hinausgehende Wandstärke auf, so dass sie sich bestimmungsgemäß und im Übrigen auch patentgeschützt (EP 3 913 143 B1) in der Nut oberhalb des Nutbodens verklemmen würden. Die von den Beklagten angebotenen Rammpfähle könnten den Nutboden daher nicht erreichen; es gebe auf dem Markt auch keine Pfähle anderer Anbieter, deren Wandstärke den Abmessungen der Nutböden der angegriffenen Ausführungsformen entspreche.

· Kein Anschlag durch die beim Einrammen wirkenden Kräfte

Da sich das Pfahlende bei den angegriffenen Ausführungsformen oberhalb des Nutbodens bestimmungsgemäß verklemme, könne es zu keiner flächigen Auflage des Pfahlendes auf dem Nutboden kommen. Die Kräfte beim Einrammen seien jedenfalls nicht so hoch, dass sich die Stirnseite eines Pfahlendes mit über die Breite des Nutbodens hinausgehender Wandstärke beim Einrammen derart verforme, dass der Nutboden erreicht werde; statt einer Verformung der Stirnseite des Pfahles komme es allenfalls dazu, dass die Rammspitze beschädigt werde oder sogar breche. Die Beklagten verweisen insofern auf die in diesem Zusammenhang durchgeführten Tests. Eine Verformung oder Beschädigung der Stirnseite des Pfahlendes sei aber auch nicht wünschenswert, da dadurch die Stabilität des Pfahles geschwächt würde.

· Bereitstellung von Rammpfählen mit dem Nutboden entsprechender Wandstärke technisch nicht sinnvoll möglich

Bei den angegriffenen Ausführungsformen verjünge sich die Nut zum Nutboden hin, so dass -soll die Stirnseite des Pfahls den Nutboden erreichen können -die Wandstärke eines an diese Nut angepassten Pfahlendes entweder eine entsprechend der Nut abnehmende Wandstärke aufweisen oder insgesamt nur

eine den Abmessungen des Nutbodens entsprechende Wandstärke haben dürfe. Hier dürfe nicht übersehen werden, dass auch ein solch hypothetischer Pfahl technisch realistisch sein müsse; er müsse also so ausgebildet sein, dass seine Wandstärke eine für den Rammvorgang ausreichende mechanische Stabilität gewährleiste. In der als Anlage 'L' vorgelegten Erklärung des Technologiemanagers Antti Perälä der Beklagten zu 2) heißt es insoweit:

'Wenn das Pfahlrohr eine so geringe Wandstärke hätte, dass es bis zum Boden der Nut vordringen könnte, gäbe es Probleme mit der Schlagfestigkeit. Das Pfahlrohr würde dem Rammen nicht standhalten.'

Auch eine äquivalente Patentverletzung liegt nach Ansicht der Beklagten nicht vor (siehe dazu im Einzelnen Klageerwiderung vom 17.09.2024, S. 35 ff.).

Die Beklagten sind außerdem der Ansicht, dass der räumliche Verbotsumfang auf Deutschland, Österreich und Italien zu beschränken sei, da nur dort angegriffene Ausführungsformen angeboten worden seien.

Die Beklagten sind weiter der Ansicht, dass ein Rückruf und eine Vernichtung unverhältnismäßig sind.

Für eine Urteilsveröffentlichung bestehe kein schutzwürdiges Interesse, da Entscheidungen des EPG ohnehin veröffentlicht würden und nur geringe Stückzahlen der angegriffenen Ausführungsformen verkauft worden seien.

Ein Zwangsgeld von 15. 000 € sei ausreichend und angemessen.

Die Klägerin hat mit ihrer Replik zur Verletzungsklage vorgetragen, es gebe keinen Grund, warum eine gekrümmte Fläche nicht als linienförmige oder flächige Auflage für eine ebene Stirnfläche eines Rammpfahls dienen können sollte, zumal der Nutgrund bei den angegriffenen Ausführungsformen flach sei, wie nachfolgende Abbildung der Beklagten zeige:

ORD_69323/2024

Unter den enormen Kräften, die beim Eintreiben der Rammpfähle in den Untergrund auftreten, erreichten die Rammpfähle die Auflageflächen zweifellos. Aus Sicht der Klägerin haben die Beklagten dies mit ihren Tests auch bewiesen:

ORD_69323/2024

Parteivortrag zur Nichtigkeitswiderklage und dem Antrag auf Änderung des Patents

Die Beklagten haben gegen das Klagepatent eine Nichtigkeitswiderklage erhoben. Sie beziehen sich auf nachfolgenden Stand der Technik:

  • E1: DE 2 303 056
  • E2: NL 1017641 ( mit deutscher Übersetzung E2' )
  • E3: EP 1 507 928 B1
  • E3': DE 699 38 438 T2
  • E4: DE 1 064 887
  • E5: DE 29 49 938 A1
  • E6: US 3,131,543
  • E7: US 4,623,025
  • E8: DE 2 029 854
  • E9: Auszug aus H. O. Buja, 'Handbuch des Spezialtiefbaus', Werner Verlag, 2001

Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beklagten gegen den Rechtsbestand des Klagepatents können wie folgt zusammengefasst werden:

-Anspruch 1 des Klagepatentes

  • · Die Beklagten tragen vor, der Gegenstand von Anspruch 1 des Klagepatents sei aus der E3/ E3', der die nachfolgend eingeblendete , von den Beklagten mit farblichen Hervorhebungen versehene Abbildung entnommen ist, bekannt (Anlage MW NI 5; DE 699 38 438 T2; E3' als deutsche Übersetzung der E3):

ORD_69323/2024

Die Zeichnung zeige einen auf eine Rammspitze (gelb) aufgesteckten rohrförmigen Rammpfahl (grün). Die Rammspitze weise eine innere Vertiefung 26a zur Aufnahme eines unteren Endes des Pfahls 2 auf, so dass die Stirnseite des Pfahls 2 an dem unteren Ende der Vertiefung 26a zur Anlage komme. Diese Vertiefung diene als Auflagesteg. Die E3 offenbare ferner Fließöffnungen 7, durch die Beton aus der Rammspitze nach außerhalb und oben austreten könne, also einen anspruchsgemäßen Betonaustrittskanal. Die Fließöffnungen befänden sich unterhalb des Endes der Vertiefung 26a, so dass ein anspruchsgemäßer Hohlraum ausgebildet werde.

  • · Der Gegenstand von Anspruch 1 sei aber auch aus der E1, E2, E4 und E5 bekannt (siehe dazu im Einzelnen Nichtigkeitswiderklage vom 17.09.2024, S. 27 ff.).
  • · Zumindest beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit (siehe dazu im Einzelnen Nichtigkeitswiderklage vom 17.09.2024, S. 36).

-Unteransprüche

Auch die Unteransprüche definierten keinen patentfähigen Gegenstand (siehe dazu im Einzelnen Nichtigkeitswiderklage vom 17.09.2024, S. 37 ff.)

Die Klägerin hat das Klagepatent mit der Erwiderung auf die Nichtigkeitswiderklage in der geltenden Fassung und hilfsweise mit 29 Hilfsanträgen verteidigt.

Die Hilfsanträge hat sie auf Anregung der Lokalkammer in folgender Reihenfolge zur Prüfung gestellt: 3, 1, 2, 4 -29. Hilfsantrag 3 ist eine Kombination von Anspruch 1 mit den Ansprüchen 3 und 4 (jeweils in der erteilten Fassung).

Aus Sicht der Klägerin ist die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf Anspruch 1 des Klagepatents in der erteilten Fassung gegenüber dem Stand der Technik offensichtlich. Mit Blick auf die E3 /E3' trägt die Klägerin vor, es handele sich bei dem gelb eingefärbten Bauteil nicht um die Rammspitze; nur der mit den Bezugszeichen 9 und 10 bezeichnete Teil stelle eine Rammspitze im Sinne des Klagepatents dar; eine anspruchsgemäße Aufsteckbarkeit der Rammspitze auf einen Rammpfahl werde in der E3/E3 ' daher nicht gezeigt.

Außerdem sehe die E3 /E3' nach Absatz [0034] der Beschreibung zusätzliche Befestigungsmaßnahmen des Pfahlrohrs 2 an dem Pfahlschuh 1 vor, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt nicht von einer ' aufsteckbaren Rammspitze gesprochen werden ' könne. Ein Aufstecken im Sinne des Klagepatents meine nämlich eine Steckverbindung, die einerseits eine 'gewisse Klemmwirkung' erfordere, andererseits aber das Vorliegen zusätzlicher Verbindungen, beispielsweise von Schrauben, Nieten, Bolzen usw., ausschließe (vgl. Klageschrift, S. 30/31).

Die Beklagten haben mit der Replik zur Nichtigkeitswiderklage vom 20.01.2025 mit Blick auf Hilfsantrag 3 die Ansicht vertreten, dass von diesem auch Rammspitzen umfasst seien, die insgesamt einen vollen Kreisring als Auflagesteg aufweisen (z.B. 320° + 40°; 120° + 240°), wobei das Vorliegen einer (ggf. theoretischen) Unterteilung des Kreisrings genüge. Die kreisförmige Vertiefung 26a der E3/E3' stelle im Sinne dieser Auslegung einen Kreisring dar, der theoretisch in einen ersten Auflagesteg mit einem Kreisbogen von 40° bis 120° und einen entsprechenden weiteren, zweiten Auflagesteg unterteilt werden könne. Somit sei der nach Hilfsantrag 3 anspruchsgemäße erste Auflagesteg auf die E3/E3 ' lesbar und folglich der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung von Hilfsantrag 3 nicht neu.

Die Beklagten haben mit Blick auf Hilfsantrag 3 weiter darauf hingewiesen, dass in der E7 (daraus stammt die nachfolgend abgebildete Fig. 3) eine Rammspitze 2 gezeigt wird, welche an ihrer Oberseite Auflageflächen 10 aufweise. Diese seien als Kreisringsegmente im Sinne des Hilfsantrags 3 ausgebildet und zur Auflage eines Pfahls 1 bestimmt.

ORD_69323/2024

Die Fachperson würde diese Konfiguration als alternative Ausgestaltung zu der Au flagefläche 26a der E3/E3' in Betracht ziehen. Stelle sich die technische Aufgabe der

Ausgestaltung des ersten Auflagestegs, erkenne die Fachperson unmittelbar, dass die Vorsprünge 10 der E7 funktionell der Ausnehmung 26a der Rammspitze der E3 entsprechen. Denn sowohl die Vorsprünge 10 der E7 als auch die Ausnehmung 26a der E3 verliefen kreisförmig an der Innenwand und dienten als Längs-Anschlag für den Rammpfahl. Die Ausgestaltung der Vorsprünge 10 der E7 könne direkt auf die Rammspitze der E3 übertragen werden. Anders als von der Klägerin behauptet, müsse dazu der Winkelbereich nicht verändert oder angepasst werden. Vielmehr könne die Fachperson die Ausgestaltung der Vorsprünge 10 der E7 ohne Abänderung auf die Rammspitze der E3 übertragen. Die Fachperson müsse also nicht erfinderisch tätig werden, um den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 vorzusehen.

Die Fachperson würde im Rahmen dieser Modifikation gegebenenfalls auch das Pfahlende 1 entsprechend der E7 mit komplementären Aussparungen 11 ausbilden, um einen vollflächigen Kontakt sicherzustellen. Die Beklagten verwiesen in der mündlichen Verhandlung dazu ergänzend auf Sp. 5, Z. 44-48 der E7, wonach die ineinandergreifenden Vorsprünge 10 und Ausnehmungen 11 der E7 nicht nur zur Übertragung von Drehkräften dienen, sondern auch abwärts gerichtete Druckkräfte übertragen.

Die Klägerin gehe zudem selbst davon aus, dass sich die Kreisbögen der Vorsprünge 10 der E7 über maximal 30° erstrecken. Durch eine Verlängerung des Kreisbogens auf 40° ergebe sich kein technischer Effekt; mithin läge auch insoweit keine erfinderische Tätigkeit vor.

Nach einer alternativen Argumentationslinie der Beklagten würde sich ausgehend von der E3/E3 ein Auflagesteg als Kreisringsegment mit 40° bis 120° auch direkt ergeben, wenn die ' Ausnehmung 26a abschnittsweise tiefer in Einrammrichtung bis hinunter zu den Fließöffnungen 7 ausgebildet wäre. Eine solche Absenkung der Ausnehmung 26a würde die Fachperson mit dem Ziel vornehmen, die Rammspitze insgesamt zu verkürzen, beispielsweise um die Handhabbarkeit der Rammspitze zu verbessern. Im Rahmen einer solchen Modifikation könnte der Anschlag, der durch die Ausnehmung 26a definiert werde, auch radial unterbrochen ausgebildet sein. Dies wäre eine der Fachperson geläufige, kleine Anpassung, um die Fließöffnungen 7 freizuhalten. Die Stirnseite des Pfahlrohrs 2 bleibe dabei entsprechend der E3/E3' als Kreisring ausgebildet.

Bei einer Kombination der E3/E3' mit der E7 würde die Fachperson entsprechend dimensionierte Auflagestege vorsehen. Insbesondere würde die Fachperson die

Auflagestege automatisch an die Situation der E3/E3 ' anpassen und einen optimalen Kompromiss zwischen Größe der Auflagefläche und Größe der Betonaustrittskanäle vorsehen.

Die Klägerin hat hierauf erwidert, Auslegungsversuche, wonach der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 auch Ausführungen umfasse, die insgesamt einen vollen Kreis als Auflagesteg aufweisen, seien falsch, weil sie in direktem Widerspruch zum Wortlaut des Hilfsantrags 3 stünden. Die E3 /E3' offenbare demnach keinen Auflagesteg mit einem Kreisbogen von 40° bis 120°. Es gebe auch keinerlei Veranlassung, die E3 mit der E7 zu kombinieren: Die E3 offenbare eine verlängerte Rammspitze für einen Rammpfahl mit einer Hülse zur Betoneinbringung, die E7 eine rotatorisch einzutreibende Bohrspitze. Fachleute würden erkennen, dass die Vorsprünge mit den Bezugszeichen 10 der E7 dazu dienten, die Drehbewegung auf die Bohrspitze zu übertragen (E7, Spalte 1, Zeilen 6 bis 15 in Verbindung mit Spalte 5, Zeilen 15 bis 20). Eine Kombination der E3 mit der E7 mache aus diesem Grund technisch keinerlei Sinn.

Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 06.03.2025 vorgetragen, Hilfsantrag 3 sei auch ausgehend von einer der Entgegenhaltungen E1, E2, E4 und E5 nicht erfinderisch; nähere Ausführungen zu diesen Entgegenhaltungen finden sich in diesem Zusammenhang nicht.

Die Klägerin hat b e a n t r a g t ,

    1. festzustellen, dass das Herstellen, das Angebot, das Inverkehrbringen, der Gebrauch oder die Einfuhr der Rammspitzen der Beklagten gemäß der angegriffenen Ausführungsformen oder der Besitz solcher Rammspitzen zu diesen Zwecken eine Verletzung der Ansprüche 1, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 11 und 12 der EP 2 839 083 B9 begründen.
    1. die Beklagten zu verurteilen, in einem oder mehreren der Hoheitsgebiete der Staaten Deutschland, Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Slowenien und Schweden

Rammspitzen für einen im Wesentlichen rohrförmigen, insbesondere hohlzylindrischen, Rammpfahl mit einer Pfahlseele, durch die Beton in den Rammpfahl einbringbar ist, wobei die Rammspitze auf ein Pfahlende des Rammpfahls aufsteckbar ist, wobei an einer Innenwandung der Rammspitze wenigstens ein erster Auflagesteg mit einer ersten Auflagefläche für eine Stirnseite des Pfahlendes angeordnet ist, wobei die Rammspitze ausgehend von der Ebene der ersten Auflagefläche einen sich zumindest teilweise in Einrammrichtung erstreckenden Hohlraum aufweist, in den bei aufgestecktem Rammpfahl durch die Pfahlseele Beton einbringbar ist, wobei wenigstens ein Betonaustrittskanal vorgesehen ist, der den Hohlraum mit einem oberen Rand der Rammspitze verbindet (Anspruch 1),

insbesondere, wenn

der wenigstens eine erste Auflagesteg im Querschnitt zur Einrammrichtung als Kreissegment oder Kreisringsegment ausgebildet ist (Anspruch 3)

und/oder sich ein Kreisbogen des Kreissegments oder Kreisringsegments über weniger als 340°, vorzugsweise über 40° bis 120°, erstreckt (Anspruch 4), und/oder eine Mehrzahl von Betonaustrittskanälen, vorzugsweise drei Betonaustrittskanäle, vorgesehen ist oder sind (Anspruch 5),

insbesondere wenn jeweils zwei Betonaustrittskanäle der Mehrzahl von Betonaustrittskanälen im Querschnitt zur Einrammrichtung entlang der

Innenwandung der Rammspitze im Wesentlichen mit gleichen Abständen zueinander angeordnet sind (Anspruch 6), und/oder an der Innenwandung wenigstens eine radial nach innen ragende Stützvorrichtung zur Zentrierung und/oder lagestabilen Fixierung des Rammpfahls vorgesehen ist (Anspruch 7),

insbesondere wenn die wenigstens eine radial nach innen ragende Stützvorrichtung als eine Mehrzahl von Stützrippen ausgebildet ist (Anspruch 8), und/oder sich ein Außendurchmesser der Rammspitze in Einrammrichtung im Wesentlichen kontinuierlich verringert (Anspruch 10)

und/oder die Rammspitzen einteilig ausgeführt sind (Anspruch 11)

und/oder die Rammspitzen zumindest teilweise, vorzugsweise vollständig, aus Gusseisen bestehen (Anspruch 12), herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.

    1. die Beklagten zu verurteilen, die verletzenden Rammspitzen gemäß 2. auf ihre Kosten aus den Vertriebswegen zurückzurufen, endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen und zu vernichten sowie Gussformen und Gusswerkzeuge für die Herstellung der verletzenden Rammspitzen gemäß 2. auf ihre Kosten zu vernichten, sofern sie geometrische Formen oder Negative davon aufweisen.
    1. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über
  • -Ursprung und Vertriebswege der verletzenden Rammspitzen gemäß 2.,

  • -die erzeugten, hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und bestellten Mengen und die Preise, die für die verletzenden Rammspitzen gemäß 2. gezahlt wurden, und

  • -die Identität aller an der Herstellung oder dem Vertrieb von verletzenden Rammspitzen gemäß 2. beteiligten dritten Personen.

    1. der Klägerin zu gestatten, auf Kosten der Beklagten, die Entscheidung ganz oder teilweise in den folgenden öffentlichen Medien bekannt zu machen und zu veröffentlichen:
  • -Österreichische Bauzeitung (Der Wirtschaftsverlag)

  • -SOLID Fachmagazin für Wirtschaft & Technik am Bau (WEKA Industrie Medien)

  • -OiB aktuell Das Fachmagazin für Baurecht und Technik (Österreichisches Institut für Bautechnik)

  • -Zeitschrift GEOTECHNIK (Deutsche Gesellschaft für Geotechnik)

  • -Linkedin in deutscher und englischer Sprache

    1. die Beklagten zu verurteilen, für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung 2. und für jeden Tag der mangelnden oder unrichtigen Erfüllung der Anordnungen 3. oder 4. nach dem Ablauf einer zweiwöchigen Frist ein Zwangsgeld in Höhe von € 50.000, 00 zu zahlen.
    1. auszusprechen, dass das Urteil unmittelbar vollstreckbar ist.
    1. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch das Herstellen, Anbieten in Verkehr bringen, Gebrauchen oder zu den genannten Zwecken Einführen oder Besitzen entstanden ist oder entstehen wird.
    1. auszusprechen, dass die Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen, inklusive der Kosten des Verfahrens zum Antrag auf einstweilige Maßnahmen (CFI 98/2024, Aktenzeichen 11890/2024).

Die Beklagten haben b e a n t r a g t ,

    1. die Klage als unbegründet zurückzuweisen.
    1. der Klägerin die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten für die Widerklage auf Nichtigerklärung, aufzuerlegen.

Im Rahmen ihrer Nichtigkeitswiderklage haben die Beklagten b e a n t r a g t ,

    1. EP 2 839 083 mit Wirkung für alle Vertragsmitgliedstaaten des EPGÜ, in denen das Streitpatent in Kraft steht, für nichtig zu erklären, und zwar in vollem Umfang.
    1. den Beklagten der Widerklage auf Nichtigerklärung die Kosten des Verfahrens (Widerklage auf Nichtigerklärung) zusätzlich zu den Kosten der Verletzungsklage sowie der Kosten des Verfahrens zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Maßnahme (UPC_CFI_98/2004, ACT_11890/2024) aufzuerlegen.

Die Klägerin hat daraufhin b e a n t r a g t ,

das Streitpatent im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), hilfsweise,

das Streitpatent im Umfang der Hilfsanträge 1 bis 29 (Erwiderung auf die Nichtigkeitswiderklage vom 22.11.2024, S. 10 ff.) aufrechtzuerhalten, wobei die Hilfsanträge in der mündlichen Verhandlung in folgender Reihenfolge zur Prüfung gestellt wurden: 3, 1, 2, 4 -29.

Hilfsantrag 3 lautet gemäß Anlage 3 ( Hilfsantrag 3 mit Änderungsnachweis ): ' '

    1. Rammspitze (1) für einen im Wesentlichen rohrförmigen, insbesondere hohlzylindrischen, Rammpfahl (2) mit einer Pfahlseele (3), durch die Beton in den Rammpfahl (2) einbringbar ist, wobei die Rammspitze (1) auf ein Pfahlende (4) des Rammpfahls (2) aufsteckbar ist, wobei an einer Innenwandung (5) der Rammspitze (1) wenigstens ein erster Auflagesteg (6) mit einer ersten Auflagefläche (7) für eine Stirnseite (8) des Pfahlendes (4) angeordnet ist, wobei die Rammspitze (1) ausgehend von der Ebene der ersten Auflagefläche (7) einen sich zumindest teilweise in Einrammrichtung (E) erstreckenden Hohlraum (9) aufweist, in den bei

aufgestecktem Rammpfahl (2) durch die Pfahlseele (3) Beton einbringbar ist, wobei wenigstens ein Betonaustrittskanal (10) vorgesehen ist, der den Hohlraum (9) mit einem oberen Rand (11) der Rammspitze (1) verbindet, dadurch gekennzeichnet, dass der wenigstens eine erste Auflagesteg (6) im Querschnitt zur Einrammrichtung (E) als Kreissegment oder Kreisringsegment ausgebildet ist, und dass sich ein Kreisbogen (12) des Kreissegments oder Kreisringsegments über 40° bis 120° erstreckt.

    1. Rammspitze nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Rammspitze (1) eine im Wesentlichen rotationssymmetrische Außenform aufweist, wobei die Rotationsachse (R) im Wesentlichen in Einrammrichtung (E) verläuft.
    1. Rammspitze nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der wenigstens eine erste Auflagesteg (6) im Querschnitt zur Einrammrichtung (E) als Kreissegment oder Kreisringsegment ausgebildet ist.
  • 4.3. Rammspitze nach Anspruch 3 einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass sich einder Kreisbogen (12) des Kreissegments oder Kreisringsegments ü ber weniger als 340°, vorzugsweise ü ber 40°bis 120°, besonders bevorzugt über 70° bis 90° erstreckt.

  • 5.4. Rammspitze nach einem der Ansprüche 1 bis 4 3, dadurch gekennzeichnet, dass eine Mehrzahl von Betonaustrittskanälen (10), vorzugsweise drei Betonaustrittskanäle (10), vorgesehen ist bzw. sind.

  • 6.5. Rammspitze nach Anspruch 5 4, dadurch gekennzeichnet, dass jeweils zwei Betonaustrittskanäle (10) der Mehrzahl von Betonaustrittskanälen (10) im Querschnitt zur Einrammrichtung (E) entlang der Innenwandung (5) der Rammspitze (1) im Wesentlichen mit gleichen Abständen zueinander angeordnet sind.

  • 7.6. Rammspitze nach einem der Ansprüche 1 bis 6 5, dadurch gekennzeichnet, dass an der Innenwandung (5) wenigstens eine radial nach innen ragende Stützvorrichtung (13) zur Zentrierung und/oder lagestabilen Fixierung des Rammpfahls (2) vorgesehen ist.

  • 8.7. Rammspitze nach Anspruch 7 6, dadurch gekennzeichnet, dass die wenigstens eine radial nach innen ragende Stützvorrichtung (13) als eine Mehrzahl von Stützrippen ausgebildet ist.

  • 9.8. Rammspitze nach einem der Ansprüche 1 bis 8 7, dadurch gekennzeichnet, dass an der Innenwandung (5) der Rammspitze (1) wenigstens ein zweiter Auflagesteg (6') mit einer zweiten Auflagefläche (7') für eine Stirnseite (8') eines Pfahlendes (4') angeordnet ist, wobei in Einrammrichtung (E) der Abstand (T') der zweiten Auflagefläche (7') vom Rand (11) der Rammspitze (1) größer ist als der Abstand (T) der ersten Auflagefläche (7) vom Rand (11) der Rammspitze (1).

  • 10.9. Rammspitze nach einem der Ansprüche 1 bis 9 8, dadurch gekennzeichnet, dass sich ein Außendurchmesser (D) der Rammspitze (1) in Einrammrichtung (E) im Wesentlichen kontinuierlich verringert.

  • 11.10. Rammspitze nach einem der Ansprüche 1 bis 10 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Rammspitze (1) einteilig ausgeführt ist.

  • 12.11. Rammspitze nach einem der Ansprüche 1 bis 11 10, dadurch gekennzeichnet, dass die Rammspitze (1) zumindest teilweise, vorzugsweise vollständig, aus Gusseisen besteht.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die angegriffenen Ausführungsformen auch mit Blick auf die im Rahmen der Nichtigkeitswiderklage geltend gemachten Hilfsanträge eine Verletzung darstellten.

Die Beklagten haben mit ihrer Duplik vom 20.01.2025 b e a n t r a g t , die Klage auch insoweit als unbegründet zurückzuweisen, als die Klägerin eine Verletzung des Streitpatents in geänderter Form durch die im Rahmen der Nichtigkeitswiderklage geltend gemachten Hilfsanträge beantragt.

Gründe

Auf die Nichtigkeitswiderklage hin war das Klagepatent in beschränkter Fassung aufrechtzuerhalten. Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen die beschränkte Fassung des Klagepatents.

I. Zuständigkeit der Lokalkammer München

Die Zuständigkeit der Lokalkammer München für die Verletzungsklage und die Nichtigkeitswiderklage folgt aus Art. 33 Abs. 1 (b), Abs. 3 (a) EPGÜ.

II. Antragsberechtigung der Klägerin

Die Klägerin ist alleinige Inhaberin des Klagepatents und damit antragsberechtigt (Art. 47 Abs. 1 EPGÜ).

III. Gegenstand des Klagepatents

Gegenstand von Anspruch 1 des Klagepatents ist eine Rammspitze.

Nach dem im Klagepatent beschriebenen Stand der Technik (Abs. [0002 - [0004]) sind Rammspitzen, die zum Zwecke der Herstellung einer mantelverpressten Pfahlgründung auf einen Rammpfahl aufgesteckt in das Erdreich gerammt werden, seit langem bekannt; die im Klagepatent als Stand der Technik zitierte Patentschrift GB 770 612 A stammt aus dem Jahr 1955.

Bei einer Pfahlgründung dieser Art wird während des Einrammens von Pfahl und Spitze Beton durch den hohlen Rammpfahl eingebracht und durch Öffnungen im Rammpfahl wieder ausgeleitet, so dass sich um den Pfahl herum ein (verpresster) Betonmantel bilden kann. Im Stand der Technik war allerdings nicht nur das Ausleiten des Betons durch Öffnungen im Pfahl bekannt, sondern auch das Ausleiten durch die Rammspitze. Die als Stand der Technik zitierte GB 770 612 A zeigt beide Möglichkeiten, insbesondere auch das Ausleiten des Betons (rot) durch einen Hohlraum (gelb) in der Rammspitze:

ORD_69323/2024

Das Klagepatent bezeichnet es als Nachteil des Standes der Technik, dass es durch entsprechende Austrittsöffnungen im Pfahl zu einer Schwächung des Rohrquerschnittes und damit zu statischen Instabilitäten einer Pfahlgründung kommt (Absatz [0004]).

Aufgabe der Erfindung soll es daher sein, Rammspitzen so zu verbessern, dass Pfahlgründungen unter Vermeidung der vorbeschriebenen Nachteile hergestellt werden können ([0005]).

Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 eine Rammspitze vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

  • 1 Rammspitze
  • 2 für einen im Wesentlichen rohrförmigen, insbesondere hohlzylindrischen, Rammpfahl mit einer Pfahlseele, durch die Beton in den Rammpfahl einbringbar ist,
  • 3 wobei die Rammspitze auf ein Pfahlende des Rammpfahls aufsteckbar ist,
  • 4 wobei an einer Innenwandung der Rammspitze wenigstens ein erster Auflagesteg mit einer ersten Auflagefläche für eine Stirnseite des Pfahlendes angeordnet ist,
  • 5 wobei die Rammspitze ausgehend von der Ebene der ersten Auflagefläche einen sich zumindest teilweise in Einrammrichtung erstreckenden Hohlraum aufweist, in den bei aufgestecktem Rammpfahl durch die Pfahlseele Beton einbringbar ist,
  • 6 wobei wenigstens ein Betonaustrittskanal vorgesehen ist, der den Hohlraum mit einem oberen Rand der Rammspitze verbindet.

IV. Auslegung des Klagepatents

Der Patentanspruch ist nicht nur der Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs eines europäischen Patents. Für die aus Sicht einer Fachperson vorzunehmende Auslegung eines Patentanspruchs kommt es nicht allein auf seinen genauen Wortlaut im sprachlichen Sinne an. Vielmehr sind die Beschreibung und die Zeichnungen als Erläuterungshilfen für die Auslegung des Patentanspruchs stets mit heranzuziehen und nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten im Patentanspruch anzuwenden. Das bedeutet aber nicht, dass der Patentanspruch lediglich als Richtlinie dient und sich sein Gegenstand auch auf das erstreckt, was sich nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt. Bei der Anwendung dieser Grundsätze soll ein angemessener Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbunden werden. Diese Grundsätze für die Auslegung eines Patentanspruchs gelten gleichermaßen für die Beurteilung der Verletzung und des Rechtsbestands eines europäischen Patents (UPC_CoA_335/2023).

    1. Zur Lösung des in Absatz [0004] der Klagepatentschrift beschriebenen Problems sieht das Klagepatent in Patentanspruch 1 eine Rammspitze mit einem Hohlraum vor, die auf einen hohlzylindrischen Rammpfahl aufgesteckt werden kann, wobei Beton durch den Rammpfahl in den Hohlraum der Rammspitze einbringbar ist. An der Innenwand einer solchen Rammspitze soll zumindest ein Auflagesteg mit einer Auflagefläche angeordnet sein, so dass die Stirnseite eines Rammpfahlendes daran zur Auflage kommen kann. Der in den Hohlraum der Rammspitze einzubringende Beton soll dann über wenigstens einen in der Rammspitze vorgesehenen Betonaustrittskanal am oberen Rand der Rammspitze wieder austreten können. Zutreffend weisen die Beklagten darauf hin, dass allein die Rammspitze, nicht aber der aufzusteckende Rammpfahl Gegenstand des Patentanspruches ist.
    1. Patentanspruch 1 des Klagepatents bedarf - ausgehend vom nach Art. 76 Abs. 2 EPGÜ maßgeblichen Vortrag der Parteien - im Hinblick auf einige seiner Merkmale und der im Patentanspruch insoweit verwendeten Begriffe der Auslegung.

a. Aufsteckbare Rammspitze

Klärungsbedürftig ist zunächst, was im Kontext von Patentanspruch 1 damit gemeint ist, dass die Rammspitze auf das Pfahlende eines Rammpfahls aufsteckbar ist.

Die Beklagten weisen zutreffend darauf hin, dass ein Rammpfahl zum Aufstecken in Einrammrichtung in die Rammspitze hineinbewegt werden muss. Patentanspruch 1 bestimmt allerdings nicht ausdrücklich, dass durch das Aufstecken eine feste Verbindung zwischen Rammpfahl und Rammspitze durch Form-, Kraft- oder Stoffschluss hergestellt werden muss; zutreffend sind daher die Beklagten der Auffassung, dass die Notwendigkeit einer Fixierung etwa durch Verklemmen, Verrasten oder - wie im zitierten Stand der Technik (GB 770 612 A) gelehrt - durch Verschweißen mit dem Begriff Aufstecken nicht impliziert wird. Eine (lagestabile) Fixierung des Rammpfahls in der Rammspitze (durch eine Stützvorrichtung) sieht das Klagepatent erst als bevorzugte Ausführungsform in Unteranspruch 7 vor. Die im Patentanspruch 1 verwendeten Begriffe 'aufsteckbar' und 'aufgesteckt' lassen demnach offen, ob Pfahl und Spitze eine feste Verbindung miteinander eingehen sollen. Die Notwendigkeit der Herstellung einer festen Verbindung durch das Aufstecken ergibt sich weder mit Blick auf die entsprechenden räumlichkörperlichen Merkmale (1.) einer anspruchsgemäßen Rammspitze noch aufgrund funktionaler Erwägungen (2.):

  • (1.) Zum Aufstecken der Rammspitze auf ein Pfahlende ist anspruchsgemäß wenigstens ein erster, an einer Innenwandung der Rammspitze angeordneter Auflagesteg mit einer Auflage fläche vorgesehen; dabei bleibt das Wort Auflage im Hinblick auf die Festigkeit der herzustellenden Verbindung begrifflich hinter dem Begriff 'Aufstecken' zurück und beschreibt keine feste Verbindung.
  • (2.) Der gemäß (1.) räumlich-körperlich beschriebene Auflagesteg (mit Auflagefläche) soll ermöglichen, dass die Stirnseite des Pfahls in der Rammspitze aufliegt (anliegt) bzw. anliegen kann (die Beschreibung des Klagepatents spricht insoweit etwa in Absatz [0016] auch von 'Anschlag'). Unter funktionalen Gesichtspunkten geht es dabei darum, dass die über die Auflage auf den Rammpfahl ausgeübte Kraft auf die Rammspitze übertragen werden kann. Einer festen Verbindung zwischen Pfahl und Spitze bedarf es zum Zwecke der Kraftübertragung allerdings nicht.

Die sich aus dem Anspruch ergebende Zweckbestimmung der Auflagefläche bestimmt und begrenzt den geschützten Gegenstand allerdings nur insoweit, als das Vorrichtungselement (Steg mit Auflagefläche), auf das sich die Funktionsangabe bezieht, räumlich-körperlich so ausgebildet sein muss, dass es die betreffende Funktion erfüllen kann . Weist eine Vorrichtung die erforderliche Eignung auf, ist unerheblich, ob die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen regelmäßig, nur in Ausnahmefällen oder nur zufällig erreicht werden und ob es der Benutzer darauf absieht, diese Wirkungen zu erzielen.

Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Umstände ist eine anspruchsgemäße 'Aufsteckbarkeit' der Rammspitze weit zu verstehen; nach dem Patentanspruch geeignet sind auch solche Stege, die eine zumindest lose Verbindung von Pfahl und Spitze durch Auflage des Pfahlendes auf der Auflagefläche des Stegs ermöglichen, so dass eine Übertragung der Rammkraft auf die Rammspitze erfolgen kann.

b. Freistehender Auflagesteg

Klärungsbedürftig ist nach dem Parteivortrag weiter, welche Anforderungen nach Patentanspruch 1 an einen anspruchsgemäßen Auflagesteg gestellt werden, insbesondere, ob dieser 'freistehend' ausgeführt sein muss.

Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung die Ansicht vertreten, die Verwendung des Begriffes 'Steg' impliziere, dass ein solcher zumindest auf einer seiner beiden Seiten freistehend ausgeführt sein müsse. Ein solches Begriffsverständnis stehe auch in Übereinstimmung mit dem Stand der Technik.

Dass ein anspruchsgemäßer Auflagesteg zumindest nicht nach beiden Seiten freistehend sein muss, ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Klagepatent selbst: Der Auflagesteg soll 'an einer Innenwandung der Rammspitze' angeordnet sein; umfasst ist hiervon auch eine Anordnung unmittelbar an der Innenwand, so dass der Auflagesteg zumindest zu dieser Seite hin nicht freisteht. Eine unmittelbare Anordnung an der Innenwand und damit eine nicht zu beiden Seiten freistehende Gestaltung eines Auflagestegs zeigt etwa die Figur 4A der E3, bei der der Steg unmittelbar an die Innenwand anschließt; hier argumentieren die Beklagten im Rahmen der Nichtigkeitswiderklage selbst, dass es sich bei der Auflage 26a um einen Auflagesteg im Sinne des Klagepatents handelt.

Was die der Innenwandung der Rammspitze gegenüberliegende Seite des Auflagestegs (Innenbereich der Rammspitze) angeht, findet sich im Anspruchswortlaut keine ausdrückliche Einschränkung dahin, dass diese Seite des Stegs freistehend zu gestalten ist. Eine solche Einschränkung kann sich daher nur aus funktionalen Gesichtspunkten ergeben: Der Auflagesteg erfüllt seine Funktion dadurch, dass auf ihm die Stirnseite des Pfahlendes zur Auflage kommen kann; hinzu kommt, dass grundsätzlich auch ein Hohlraum in der Rammspitze verbleiben muss, durch den der Beton in die Rammspitze eingebracht werden und durch Betonaustrittskanäle abfließen kann. Solange die Auflagefunktion des Steges durch ein seitlich an diesen angrenzendes Bauteil weder die Aufsteckbarkeit der Rammspitze noch die Ein- und Ausbringbarkeit des Betons in einen Hohlraum der Rammspitze hindert, ist nicht erforderlich, dass der Raum neben dem Steg frei bleibt.

c. Ebene Auflagefläche

Klärungsbedürftig ist nach dem Parteivortrag weiter, ob es nach Patentanspruch 1 erforderlich ist, dass die Auflagefläche des Auflagestegs 'eben' ausgeführt ist.

Die Beklagten vertreten diese Ansicht. Sie argumentieren, da die Stirnseite eines Rammpfahles eine (ebene) Fläche sei, müsse auch die damit korrespondierende Auflagefläche des Auflagesteges eben sein. Hinzu komme, dass in Merkmal 5 von einer ' Ebene der ersten Auflagefläche' gesprochen werde.

  • aa. Festzustellen ist zunächst, dass Patentanspruch 1 die Auflagefläche nicht ausdrücklich auf ebene Gestaltungen beschränkt.

  • bb. Soweit die Beklagten vortragen, dass die Stirnseite eines Rammpfahles eine (ebene) Fläche sei, so dass auch die damit korrespondierende Auflagefläche des Auflagesteges eben sein müsse, folgt das Gericht dem nicht. Die Beklagten arbeiten hier mit dem patentrechtlich nicht zulässigen Mittel, die Gestaltung eines Bauteils als gegeben vorauszusetzen, welches gar nicht Gegenstand des Patentanspruches ist: Gegenstand des Patentanspruches ist allein die Gestaltung der Rammspitze und nicht die Gestaltung eines Rammpfahles; folglich kann auch das Argument nicht greifen, die Auflagefläche in der Rammspitze müsse mit der behaupteten Gestaltung eines Rammpfahles korrespondieren.

  • cc. Der Anspruchswortlaut spricht auch nicht von einer 'ebenen Auflagefläche', sondern verwendet den Begriff der Ebene vielmehr ausschließlich im Zusammenhang und zum Zwecke der Lokalisierung des in der Rammspitze anspruchsgemäß vorgesehen Hohlraums ('…wobei die Rammspitze ausgehend von der Ebene der ersten Auflagefläche einen sich … in Einrammrichtung erstreckenden Hohlraum aufweist…'). Es handelt sich also um eine gedachte Ebene zur Lokalisierung des Hohlraums, welche die Auflagefläche als Bezugspunkt wählt und sich etwa auch in Fig. 1a des Klagepatents eingezeichnet findet (rote Farbgebung zur Hervorhebung der in der Figur eingezeichneten Linie durch das Gericht):

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Auch die Beschreibung ist insofern eindeutig (Fettdruck durch das Gericht):

'[0016] … Die maximale Einstecktiefe des Rammpfahls 2 in Einrammrichtung E ergibt sich durch den Abstand T vom oberen Rand 11 der Rammspitze 1 bis zur Ebene der ersten Auflageflächen 7.

[0017] Ausgehend von der Ebene der ersten Auflageflächen 7 ist in der Rammspitze 1 ein Hohlraum 9 ausgebildet, …'

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände ist unter einer anspruchsgemäßen 'Ebene der ersten Auflagefläche' nicht etwa eine ebene Auflagefläche , sondern lediglich eine gedachte Linie (Ebene) gemeint, deren Bezugspunkt die Auflagefläche ist.

  • dd. Auch unter funktionalen Gesichtspunkten ist eine Beschränkung auf eben gestaltete Auflageflächen nicht gerechtfertigt. Funktional geht es dem Klagepatent mit Blick auf

den Auflagesteg allein darum, über dessen Auflagefläche die Möglichkeit eines Kontakts (Auflage/ Anschlag) zwischen der Stirnseite eines Pfahlendes und der Rammspitze zum Zwecke der Kraftübertragung zu ermöglichen. Aus Sicht einer Fachperson ist dazu keine ebene Fläche notwendig; eine Auflage bzw. ein Anschlag zum Zwecke der Kraftübertragung von einem Rammpfahl auf die Rammspitze kann ebensogut flach wie gekrümmt sein. Es ist dem Gericht kein physikalisches Gesetz bekannt, wonach über eine gekrümmte Fläche keine Kraft übertragen werden kann.

3. Ergebnis der Auslegung

Gegenstand von Patentanspruch 1 ist eine Rammspitze mit einem Hohlraum, die auf einen hohlzylindrischen Rammpfahl aufgesteckt werden kann; für die Aufsteckbarkeit muss allerdings keine feste Verbindung zwischen Pfahl und Spitze hergestellt werden - schon die Ermöglichung einer losen Verbindung durch Auflage zum Zwecke der Kraftübertragung reicht aus.

An der Innenwand einer solchen Rammspitze soll zumindest ein Auflagesteg mit einer Auflagefläche angeordnet sein, so dass die Stirnseite eines Rammpfahlendes daran zur Auflage oder Anlage kommen kann. Ein anspruchsgemäßer Auflagesteg muss auch nicht freistehend sein; maßgeblich ist, dass die Auflagefunktion des Steges durch seitlich an diesen angrenzende (im Patentanspruch nicht genannte) Bauteile weder die Aufsteckbarkeit der Rammspitze noch die Einbringbarkeit des Betons in einen Hohlraum der Rammspitze hindern. Eine anspruchsgemäße Auflagefläche des Auflagestegs muss auch nicht eben sein; maßgeblich ist, dass durch die Auflagefläche die Möglichkeit eines Kontakts (Auflage/ Anschlag) zwischen der Stirnseite eines Pfahlendes und der Rammspitze zum Zwecke der Kraftübertragung ermöglicht wird.

V. Rechtsbestand des Klagepatents

Anspruch 1 des Klagepatents hat in der erteilten Fassung keinen Bestand. In der Fassung von Hilfsantrag 3 ist das Klagepatent demgegenüber rechtsbeständig.

1. Prüfungsmaßstab

Gemäß Art. 65 Abs. 2 EPGÜ und Art. 138 (a) EPÜ kann ein europäisches Patent mit Wirkung für einen Vertragsstaat widerrufen werden, wenn sein Gegenstand nach den Artikeln 52 bis 57 EPÜ nicht patentierbar ist.

Im Sinne von Artikel 54 EPÜ gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Gemäß Artikel 54 Abs. 2 EPÜ ist unter Stand der Technik alles zu verstehen, was der Öffentlichkeit vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung (oder gegebenenfalls dem Prioritätsdatum) durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder auf sonstige Weise zugänglich gemacht worden ist. Die Prüfung der Neuheit nach Art. 54 Abs. 1 EPÜ erfordert eine Prüfung des gesamten Inhalts der früheren Veröffentlichung(en). Entscheidend ist, ob der Gegenstand des Anspruchs mit allen seinen Merkmalen in der Entgegenhaltung unmittelbar und eindeutig offenbart wird (UPC_CoA_182/2024).

Nach Artikel 56 EPÜ liegt eine erfinderische Tätigkeit vor, wenn die Erfindung für eine Fachperson unter Berücksichtigung des Stands der Technik nicht naheliegt. Bei der Beurteilung, ob eine Erfindung unter Berücksichtigung des Standes der Technik als naheliegend anzusehen ist, ist in erster Linie der vom Europäischen Patentamt (EPA) entwickelte Aufgabe-Lösungs-Ansatz ( 'problem -solution-approach ', ' PSA ) ' anzuwenden, soweit dies möglich ist. Damit soll die Rechtssicherheit erhöht und die Rechtsprechung des Einheitlichen Patentgerichts weiter an die Rechtsprechung des EPA und seiner Beschwerdekammern angepasst werden (Lokalkammer München, Entscheidung vom 4. April 2025, UPC_CFI_501/2023). Die entscheidenden Richter halten es mit Blick auf das hohe Gut der Rechtssicherheit für problematisch, dass EPA und EPG in Anwendung derselben Rechtsgrundlage (Artikel 56 EPÜ) unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe anwenden.

Die Beschwerdekammern und die administrativen Organe des EPA wenden regelmäßig den Aufgabe-Lösungs-Ansatz an, wenn entschieden werden muss, ob ein

beanspruchter Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt. Dieser Ansatz umfasst im Wesentlichen die folgenden methodischen Schritte:

  • a) Ermittlung eines geeigneten Ausgangspunkts ('realistic starting point') im Stand der Technik aus der Sicht einer Fachperson, wobei auch mehrere unterschiedliche Ausgangspunkte möglich sind (so auch Zentralkammer München UPC_CFI_1/2023; siehe auch die Entscheidung der Beschwerdekammer des EPA T 1078/23),
  • b) Vergleich des streitigen Anspruchsgegenstands mit der Offenbarung des als geeignet ermittelten Ausgangspunkts aus dem Stand der Technik und Bestimmung des Unterschieds/der Unterschiede zwischen beiden,
  • c) Ermittlung der technischen Wirkungen oder der Ergebnisse, die durch diesen Unterschied/diese Unterschiede erzielt werden bzw. mit diesen in Zusammenhang stehen,
  • d) Bestimmung der technischen Aufgabe, deren erfindungsgemäße Lösung diese Wirkungen oder diese Ergebnisse erzielen sollen, und
  • e) Prüfung der Frage, ob die beanspruchten technischen Merkmale, mit denen die erfindungsgemäßen Ergebnisse erzielt werden, angesichts des Stands der Technik im Sinne des Artikels 54 Abs. 2 EPÜ für einen Fachmann naheliegend gewesen wären.
    1. In der erteilten Fassung mangelt es Anspruch 1 des Klagepatents an der nach Art. 54 EPÜ erforderlichen Neuheit. Anspruch 1 kann daher in der erteilten Fassung keinen Bestand haben.
  • Jedenfalls d ie als E3/E3' vorgelegte Patentschrift aus dem relevanten Stand der Technik (Veröffentlichung der E3 am 9.04.2009) nimmt den erteilten Anspruch 1 des ' Klagepatents neuheitsschädlich vorweg.
  • a. Die E3/E3' zeigt insbesondere in ihrer nachfolgend eingeblendeten Figur 4A eine auf einen Rammpfahl (grün eingefärbt) aufgesteckte und damit aufsteckbare Rammspitze (gelb eingefärbt).

Fig;

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  • aa. Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, bei dem gelb eingefärbten Teil der Figur 4A handele es sich nicht um eine Rammspitze im Sinne des Klagepatents, folgt das Gericht dem nicht.

Der 'Pfahlschuh' (1) der E3/E3' ist eine Rammspitze im Sinne des Klagepatents . In der E3/E3' wird der Pfahlschuh lediglich in verschiedene Abschnitte gegliedert (Hülse (6), Spitzenabschnitt (3), Werkzeugspitze (10)); i n Absatz [0027] spezifiziert die E3' explizit, dass der Pfahlschuh (1) neben der Werkzeugspitze (10) auch den Spitzenabschnitt (3) und die Hülse (6) umfasst. In Absatz [0032] ist beschrieben, dass das Verbindungsstück 4 in einer Ausführungsform 'aus demselben Stück wie der Spitzenabschnitt 3' besteht. Jedenfalls in dieser (in Fig. 4A gezeigten) Ausführungsform ist damit auch das Verbindungsstück dem Pfahlschuh zugeordnet. Die Frage, ob die Hülse (6) als separates Bauteil ausgebildet ist, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, da auch das Klagepatent eine einstückige ('einteilige') Ausgestaltung der Rammspitze erst mit dem abhängigen Anspruch 11 und nicht schon mit Anspruch 1 vorsieht.

  • bb. Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, die Aufsteckbarkeit der Rammspitze auf den Rammpfahl sei in der E3/E3' nicht offenbart, folgt das Gericht dieser Argumentation ebenfalls nicht.

Nach der oben (Ziffer IV.2.a.) vorgenommenen Auslegung ist eine anspruchsgemäße 'Aufsteck barkeit ' sehr weit zu verstehen und umfasst auch eine lediglich durch Auflage vermittelte lose Verbindung von Pfahl und Spitze.

Eine solche Verbindung zeigt die E3/E3': Das 'Pfahlrohr' (2; Rammpfahl im Sinne des Klagepatents) wird von dem 'Pfahlschuh' (1) aufgenommen, wobei die Vertiefung (26a) 'zum Aufnehmen des unteren Endes des Pfahlrohrs (2) ' dient ( Absatz [0032] der Beschreibung der E3' , Anspruch 9).

  • cc. Auch die etwaige Erforderlichkeit zusätzlicher Befestigungsmaßnahmen in der E3/E3' , auf die die Klägerin unter Hinweis auf Absatz [0034] der E3' verweist, hindert die Offenbarung des Merkmals 'aufsteckbar' in der E3/E3' nicht, denn solche (zusätzlichen) Befestigungsmaßnahmen führen nicht dazu, die im Falle der E3/E3' gegebene Aufsteckbarkeit zu verneinen, zumal solche Maßnahmen mit Anspruch 1 des Klagepatents nicht ausgeschlossen werden.

Zudem beschreibt Absatz [0034] als mögliche Ausgestaltung auch eine 'andere Art Klemmverbindung', die bereits durch ein Einklemmen des unteren Endes des Pfahlrohres 2 in die innere Vertiefung 26a erreicht wird, ohne dass es dazu einer Schweißverbindung, Schrauben, Bolzen oder Nieten bedürfte, die in Fig. 4A auch nicht gezeigt sind.

  • b. Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, dass die übrigen Merkmale von Anspruch 1 des Klagepatents mit der E3/E3' gezeigt werden. Nach Art. 76 Abs 2 EPGÜ sind weitere Ausführungen des Gerichts zur Offenbarung der übrigen Merkmale von Patentanspruch 1 daher nicht veranlasst.
    1. In der Fassung von Hilfsantrag 3 ist Anspruch 1 des Klagepatents rechtsbeständig.
  • a. Mit Hilfsantrag 3 wird der erteilte Anspruch 1 des Klagepatents dahin ergänzt, dass

der wenigstens eine erste Auflagesteg (6) im Querschnitt zur Einrammrichtung (E) als Kreissegment oder Kreisringsegment ausgebildet ist, und dass sich ein Kreisbogen (12) des Kreissegments oder Kreisringsegments über 40° bis 120° erstreckt.

  • b. Soweit die Beklagten diesen Zusatz dahin verstehen, dass damit auch Rammspitzen umfasst sind, die einen vollständigen Kreisring als Auflagesteg vorsehen (wobei nach den Ausführungen der Beklagten auch eine theoretische Unterteilung des Kreisrings ausreichend wäre), folgt das Gericht dem nicht.

Der Anspruchswortlaut (Zusatz) ist mit dem von den Beklagten vertretenen Verständnis nicht vereinbar, da dort ausdrücklich von der Ausbildung von Kreis segmenten , also Kreisabschnitten die Rede ist. Dabei handelt es sich um eine Vorgabe zur räumlichkörperlichen Ausgestaltung der Rammspitze. Ein vollständig geschlossener Kreisring lässt sich schon deshalb nicht unter die ' Ausbildung von einem bzw. mehreren Kreissegmenten fassen, da es einem geschlossenen Kreisring an der erforderlichen ' Segmentierung fehlen würde. Ein solches Verständnis widerspricht aber auch der anspruchsgemäßen Funktion der Segmentbildung: Zwischen den als Segmenten ausgebildeten Auflagestegen (6) soll der Beton über Austrittskanäle 10 austreten können; im Bereich der Stege kann er dies gerade nicht, so dass ein Steg in Gestalt eines geschlossenen Kreisrings den Austritt für den Beton verschließen würde.

Auch wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass die innere Vertiefung 26a eine kreisförmige Vertiefung ist, wie in Absatz [0033] für die Ausführungsformen der Figuren 5A und 6A beschrieben, stellt eine solch kreisförmige Vertiefung nach diesem Verständnis keinen Auflagesteg dar, wie er mit Hilfsantrag 3 beschrieben wird, da die kreisförmige Vertiefung offensichtlich als geschlossener Kreis und nicht segmentiell ausgebildet ist. Die E3/E3' ist insofern nicht neuheitsschädlich für Anspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 3.

  • c. Soweit die Beklagten die Ansicht vertreten, Anspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 3 sei jedenfalls im Hinblick auf eine Kombination der E3/E3' mit der E7 nicht erfinderisch, folgt das Gericht dem ebenfalls nicht.

Die Beklagten tragen vor, eine Fachperson würde die E3/E3' mit der E7 kombinieren und damit entsprechend der E7 dimensionierte Auflagestege in der E3/E3' vorsehen. Die Fachperson würde die Auflagestege insbesondere an die Situation der E3/E3' anpassen und einen optimalen Kompromiss zwischen Größe der Auflagefläche und Größe der Betonaustrittskanäle vorsehen.

Zutreffend ist zwar, dass die E7 -zum Beispiel in der nachfolgend abgebildeten Figur 3 -Kreissegmente zur Auflage eines mutmaßlich hohlzylindrischen Körpers zeigt.

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Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich aber nicht, mit welcher Aufgabe eine Fachperson ausgehend von der kreisförmigen Vertiefung 26a der E3/E3' konfrontiert sein sollte, bei dessen Lösung ein Blick auf die E7 in Betracht kommen könnte. Es ist daher für das Gericht nicht nachvollziehbar, was eine Fachperson veranlassen sollte, die Ausnehmung 26a radial zu unterbrechen und segmentiell auszubilden.

Die E7 bezieht sich nämlich nicht auf eine Rammspitze, sondern auf ein Bohrgestänge mit einem rotierenden Antriebsrohr 1 ('drill pipe') und einem von dem Antriebsrohr 1 angetriebenen Bohrkopf 2 ('head'), vgl. Sp. 5, Z. 15-20. Die Kreisringsegmente der Fig. 3 stellen eine drehfeste Verbindung von Antriebsrohr 1 und Bohrkopf 2 mittels ineinandergreifender Vorsprünge 10 ('projections') und Ausnehmungen 11 ('recesses') her. Auch wenn eine solche Verbindung im Bohrbetrieb auch abwärts gerichtete Druckkräfte aufnehmen muss (vgl. Sp. 5, Z. 44-48) und daher entsprechend dimensioniert werden wird, wird die Fachperson erkennen, dass die Kombination von ineinandergreifenden Vorsprüngen 10 und Ausnehmungen 11 in erster Linie der Übertragung der Drehbewegung geschuldet ist.

Die Betonaustrittsöffnungen bei der E3/E3' sind so gestaltet, dass anders als im Falle des Klagepatents -kein Wirkzusammenhang mit dem Auflagesteg besteht. Die E7 bezieht sich nicht auf das Einspeisen von Beton durch das Antriebsrohr 1 und sieht daher auch keine Betonaustrittskanäle vor. Insoweit ist weder aus der E3/E3' noch aus der E7 ein Anlass dafür erkennbar, den Auflagesteg kreissegmentförmig oder kreisringsegmentförmig auszubilden, um auf diese Weise Raum für den Betonaustrittskanal zu schaffen.

Umgekehrt erfordert die Rammspitze der E3/ E3' kein Sichern des Pfahlrohrs 2 gegen ein Verdrehen gegenüber dem Verbindungsstück 4. Es erscheint daher nicht überzeugend, dass die Fachperson den Auflagesteg der E3/ E3' durch eine formschlüssige Verbindung mittels ineinandergreifender Vorsprünge 10 ('projections') und Ausnehmungen 11 ('recesses') entsprechend der E7 ersetzt hätte.

Eine solche Verbindung wäre der Fachperson auch nachteilig erschienen. Denn das Ausbilden der Ausnehmungen 11 erfordert eine Modifikation des Pfahlrohrs 2 an dessen Stirnseite. Ein Vorteil der erfindungsgemäßen Lösung, auf eine Manipulation der Rammpfähle und insbesondere Einschnitte im Mantel des Rammpfahls verzichten zu können (vgl. Abs. [0007] der Klagepatentschrift), ginge damit gerade verloren. Zudem würde die Fachperson erkennen, dass die formschlüssige Verbindung mittels ineinandergreifender Vorsprünge 10 und Ausnehmungen 11 auf der Baustelle eine sorgfältige Ausrichtung von Pfahlrohr und Rammspitze zueinander verlangt, die die praktische Handhabung erschwert.

Würde die Fachperson -entsprechend der von den Beklagten alternativ vorgestellten Argumentationslinie -die Stirnseite des Pfahlrohrs 2 als umlaufenden Kreisring belassen und lediglich eine Segmentierung der inneren Vertiefung 26a der E3/E3' entsprechend den Vorsprüngen 10 der E7 vornehmen, ginge damit der vollflächige Kontakt zwischen Pfahlrohr 2 und Verbindungsstück 4 verloren. Der Fachperson würde diese Modifikation für die Kraftübertragung nachteilig erscheinen. Da der Beton bei der Rammspitze der E3 /E3' durch seitliche Fließöffnungen 7 austritt und diese Fließöffnungen 7 unterhalb der Ebene der Auflagefläche angeordnet sind, besteht auch kein Anlass dafür, im Bereich der Auflagefläche Raum für den Austritt des Betons in Richtung auf den oberen Rand der Rammspitze zu schaffen.

Selbst wenn die Fachperson mit dem Ziel der Verkürzung der Rammspitze der E3/ E3' eine Absenkung der inneren Vertiefung 26a in Erwägung gezogen hätte, erscheint es fraglich, ob die Fachperson die Vertiefung gerade bis in den Bereich der Fließöffnungen 7 abgesenkt hätte und dort segmentiert ausgestaltet hätte. Auf eine solche Ausgestaltung ergibt sich weder aus der E3/E3' noch aus der E7 ein erkennbarer Hinweis. Die Argumentation beruht auf einer rückschauenden Betrachtung in Kenntnis der Erfindung.

Selbst wenn die Fachperson eine solche Modifikation vorgenommen hätte, offenbart die E7 nicht den Winkelbereich von 40° bis 120° und legt ihn auch nicht nahe. Die E7 offenbart in Sp. 5, Z. 15/16 sechs Vorsprünge, gibt aber nicht deren Abmessungen oder Winkelmaße an, auch nicht die (Winkel-)Abstände zwischen benachbarten Vorsprüngen.

Für eine Kombination der E3/E3' mit der E7 bestand daher aus Sicht einer Fachperson kein Anlass.

  • d. Soweit die Beklagten mit Schriftsatz vom 06.03.2025 vorgetragen haben, Hilfsantrag 3 sei auch ausgehend von einer der Entgegenhaltungen E1, E2, E4 und E5 nicht erfinderisch, finden sich in diesem Zusammenhang keine näheren Ausführungen zu diesen Entgegenhaltungen. Nach Art. 76 Abs 2 EPGÜ sind folglich auch Ausführungen des Gerichts hierzu nicht veranlasst.

VI. Verletzung des Klagepatents

Die angegriffenen Ausführungsformen machen unmittelbar von der Lehre von Anspruch 1 des Klagepatents in der Fassung von Hilfsantrag 3 Gebrauch.

    1. Bei den angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich unstreitig um Rammspitzen für einen im Wesentlichen rohrförmigen, insbesondere hohlzylindrischen Rammpfahl mit einer Pfahlseele, durch die Beton in den Rammpfahl einbringbar ist. Die angegriffenen Ausführungsformen weisen auch einen sich zumindest teilweise in Einrammrichtung erstreckenden Hohlraum auf, in den bei aufgestecktem Rammpfahl durch die Pfahlseele Beton einbringbar ist. Es sind bei den angegriffenen Ausführungsformen auch mehrere Betonaustrittskanäle vorgesehen, die den Hohlraum mit einem oberen Rand der Rammspitze verbinden.
    1. Die angegriffenen Ausführungsformen sind auch auf das Pfahlende eines Rammpfahls anspruchsgemäß aufsteckbar.

a. Darlegungs- und Beweislast

Für die Aufsteckbarkeit ist -nach zutreffender Feststellung der Beklagten -nach dem Patentanspruch allein die Ausbildung der Rammspitze maßgeblich, da nur sie und nicht auch die Gestaltung des Rammpfahls Gegenstand des Patentanspruches ist. Die Verwirklichung sämtlicher Anspruchsmerkmale des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen (Rammspitzen) hat die Klägerin darzulegen und zu beweisen, da sie die Verletzung und damit die Verwirklichung sämtlicher Anspruchsmerkmale durch die angegriffenen Ausführungsformen behauptet (Art. 54 EPGÜ; dazu nachfolgend b.).

Soweit sich die Beklagten gegen den Verletzungsvorwurf mit der Behauptung verteidigen, eine Benutzung der Lehre des Klagepatents unter Verwendung der angegriffenen Ausführungsformen sei unmöglich, weil auf diese bis zum Nutboden aufsteckbare Rammpfähle nicht existierten und technisch sinnvoll auch nicht bereitgestellt werden könnten, betrifft diese Behauptung einen außerhalb des Patentanspruchs liegenden Umstand, nämlich die Gestaltung von Rammpfählen. Der Begriff Rammpfahl wird zwar im Patentanspruch genannt ( Rammspitze für ' ' ' einen … Rammpfahl') , ist aber vom Schutzumfang des eine Rammspitze betreffenden

Patentanspruches nicht mitumfasst. Daher sind im Patentanspruch spezifische Anforderungen an Rammpfähle und etwa erforderliche Abmessungen nicht beschrieben und beansprucht.

Behaupten die Beklagten, die Patentverletzung sei aufgrund außerhalb des Patentanspruchs liegender Umstände unmöglich, tragen die Beklagten für diese Behauptung nach dem Konzept des EPGÜ die Darlegungs- und Beweislast (Art. 54 EPGÜ: Die Beweislast für Tatsachen trägt ' … die Partei, die sich auf diese Tatsachen beruft ; zur Behauptung der Unmöglichkeit nachfolgend c.). Der Verletzungskläger ist ' nicht gehalten, zur Gestaltung außerhalb des Patentanspruchs liegender Bauteile vorzutragen. Für die Verletzungsbehauptung ist es ausreichend, dass er die Verwirklichung aller Anspruchsmerkmale des als verletzt geltend gemachten Patents darlegt.

  • b. An der Innenwandung der angegriffenen Rammspitzen (1) sind drei Auflagestege (6) mit Auflageflächen (7) für die Stirnseite eines Pfahlendes angeordnet.
  • aa. Diese Auflagestege sind zwar nicht freistehend ausgeführt; dies wird allerdings vom Klagepatent auch nicht gefordert (siehe oben IV.2.b.).

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Die Existenz einer Nutwand (Rippe/Backe), welche in den angegriffenen Ausführungsformen jeweils die (der Innenwandung der Rammspitze gegenüberliegende) Innenseite der 'Nut' bildet, führt nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatentes heraus. Diese Wand hindert eine mögliche Auflage der Stirnseite eines mit Blick auf seine Ausformung und Wandstärke passenden Rammpfahles auf dem

Nutboden grundsätzlich nicht. Das Klagepatent schließt das Vorhandensein zusätzlicher Merkmale wie dieser inneren Nutwand nicht aus, soweit die Funktionalität der Anspruchsmerkmale dadurch nicht beeinträchtigt wird.

Mit den angegriffenen Ausführungsformen wird durch das Hinzufügen einer Nutwand an der Innenseite die Möglichkeit des Einklemmens eines Pfahlendes geschaffen; dabei hängt das Einklemmen davon ab, wie die Wandstärke des Pfahlendes im Verhältnis zur Nut, insbesondere dem Nutboden dimensioniert ist. Dadurch wird aber nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, einen mit Blick auf die Wandstärke abweichend dimensionierten Pfahl mit dem Nutboden in Kontakt bringen zu können. Welche der aufgezeigten technischen Möglichkeiten (Einklemmen/Erreichen des Nutbodens) genutzt wird, ist also offensichtlich von der Wandstärke des verwendeten Pfahls abhängig und betrifft damit die Gestaltung des Rammpfahls (zu geeigneten Rammpfählen siehe unten c.).

  • bb. Auch die beklagtenseits vorgebrachte Patentierung der angegriffenen Ausführungsformen ändert an der Verwirklichung der Anspruchsmerkmale nichts. Bei der fraglichen Nutwand handelt es sich lediglich um die Hinzufügung eines weiteren Merkmals, das die anspruchsgemäßen Merkmale unberührt lässt. Eine Erfindung, die auf einer anderen aufbaut, kann die grundlegende Lehre der früheren Erfindung auch dann nutzen, wenn sie ihrerseits patentfähig ist. Die Annahme einer Patentverletzung scheitert also nicht notwendig daran, dass die angegriffene Ausführung ihrerseits Gegenstand eines Patents ist.
  • cc.
  • Die Flächen der Auflagenstege (Nutboden) sind bei den angegriffenen Ausführungsformen anspruchsgemäß gestaltet.

Das Klagepatent enthält keine Vorgaben dahin, dass diese Flächen eben gestaltet sein müssen (siehe dazu oben IV.2.c.). Die rundliche Formung des Nutbodens der angegriffenen Ausführungsformen führt daher grundsätzlich nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatentes heraus. Unter funktionalen Gesichtspunkten ist ausreichend, dass auf den Nutboden das Ende eines Pfahles zum Zwecke der Übertragung der Rammkraft zur Auflage kommen kann ; die in den angegriffenen Ausführungsformen ausgebildete rundliche Form hindert die Kraftübertragung eines anliegenden Pfahles nicht. Die Gestaltung des Nutbodens in den angegriffenen

Ausführungsformen stellt daher auch unter diesem Aspekt eine anspruchsgemäße Auflagefläche dar.

  • dd. Soweit die Beklagten zur Aufsteckbarkeit vertreten, dass ein Anschlag des Pfahlendes an der Auflagefläche auch tatsächlich erfolgen muss, folgt die Lokalkammer dem nicht. Aus Sicht der Lokalkammer ist -wie unter Ziffer IV.2.a. ausgeführt -ausreichend, dass die Auflagefläche grundsätzlich dazu geeignet ist, dass ein Pfahlende hieran angelegt/aufgelegt wird (anschlagen kann) und damit eine (ggf. lose) Verbindung von Pfahl und Spitze hergestellt werden kann. Dies ergibt sich schon aus dem Anspruchswortlaut (' Rammspitze auf Pfahlende aufsteck bar ') , aber auch daraus, dass in einem Patentanspruch enthaltene Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben (hier: Auflagesteg zum Aufstecken des Pfahlendes) den geschützten Gegenstand insoweit bestimmen und begrenzen, als das Element, auf das sie sich beziehen, räumlichkörperlich so ausgebildet sein muss, dass es die betreffende Funktion erfüllen kann. Weist eine Vorrichtung die erforderliche Eignung auf, ist unerheblich, ob die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen regelmäßig, nur in Ausnahmefällen oder nur zufällig erreicht werden und ob es der Benutzer darauf absieht, diese Wirkungen zu erzielen.

Angesichts dessen ist es ausreichend, dass der in den angegriffenen Ausführungsformen vorhandene Nutboden potentiell geeignet ist, die Stirnseite eines Pfahlendes aufzunehmen. Dies ist aus Sicht des Gerichts der Fall, denn die nachfolgend eingeblendete, sich zum Nutboden hin verjüngende Nut der angegriffenen Ausführungsformen verhindert nicht, dass ein in seiner Wandstärke entsprechend dem Nutboden dimensionierter oder konisch zulaufender Rammpfahl den Nutboden erreicht.

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  • b. Keinen Erfolg haben die Beklagten mit dem Argument, dass eine Benutzung der Lehre des Klagepatents unter Verwendung der angegriffenen Ausführungsformen unmöglich ist, da auf diese aufsteckbare Rammpfähle, die den Nutboden erreichen können, nicht existierten und technisch sinnvoll auch nicht bereitgestellt werden könnten. Das Gericht ist nicht überzeugt, dass es -wie die Beklagten behaupten -gar nicht sinnvoll technisch möglich ist, Rammpfähle bereitzustellen, mit deren Stirnseite der Nutboden der angegriffenen Ausführungsformen erreichbar ist.
  • aa. Unbeachtlich ist, dass nach dem Vortrag der Beklagten weder die von der Beklagten vertriebenen Pfähle noch andere am Markt erhältliche Rammpfähle so dimensioniert sind, dass deren Stirnseite beim Aufstecken auf die angegriffenen Rammspitzen deren Nutboden erreichen können.

Die Beklagten tragen insoweit vor, dass die beklagtenseits bereitgestellten Rammpfähle aufgrund ihrer Wandstärke bestimmungsgemäß vor dem Erreichen des Nutbodens in der sich verengenden Nut eingeklemmt werden. So weist zum Beispiel der Nutboden des Schuhtyps GS115 eine Weite von 5 mm auf, während die Wandstärke eines geeigneten Pfahls aus dem Sortiment der Beklagten mindestens 6,3 mm beträgt (vgl. Klageerwiderung, Tabelle auf S. 27), so dass der Rammpfahl sich verklemme und den Nutboden nicht erreichen könne.

Für die Frage der Verletzung des Klagepatents entscheidend ist allerdings nicht, ob die von den Beklagten oder anderen Anbietern hergestellten Rammpfähle derart dimensioniert sind, dass sie den Nutboden der angegriffenen Ausführungsformen erreichen können. Denn die Herstellung oder der Vertrieb von Rammpfählen der Beklagten ist nicht Gegenstand des verfahrensgegenständlichen Verbotsantrages, wie auch die Gestaltung solcher Rammpfähle -wie bereits gezeigt -nicht Gegenstand des Patentanspruchs ist.

Ein sich auf die angegriffenen Ausführungsformen beziehendes Verbot könnte aber dann nicht ausgesprochen werden, wenn es unter Berücksichtigung aller relevanten Parameter wie etwa Form (Konus), Material, Wandstärke des Pfahls, Bodenbeschaffenheit, Rammkraft technisch generell unmöglich ist, einen Rammpfahl herzustellen, dessen Stirnseite beim Aufstecken bzw. Einrammen der angegriffenen Rammspitzen deren Nutboden erreichen kann. In diesem Fall müsste eine

anspruchsgemäße Aufsteckbarkeit und damit die Verwirklichung aller Merkmale des Patentanspruchs verneint werden, obwohl es sich um einen außerhalb des Patentanspruchs liegenden Umstand handelt.

bb. Die Beklagten sind allerdings ausreichenden Vortrag und Beweis dazu schuldig geblieben, dass die Herstellung entsprechend dem jeweiligen Nutboden der angegriffenen Ausführungsformen dimensionierter Rammpfähle technisch-funktional unmöglich ist. Dabei ist technisch-funktional dahin zu verstehen, dass ein entsprechend dimensionierter Pfahl in Anbetracht der beim Einrammen wirkenden Kräfte eine ausreichende mechanische Stabilität für eine Pfahlgründung gewährleisten muss.

Die Beklagten haben unter Hinweis auf die als Anlage 'L' vorgelegte Erklärung des Technologiemanagers Antti Perälä vorgetragen, dass es mit Blick auf die erforderliche mechanische Stabilität eines solchen Pfahles auf dessen Wandstärke ankommt ('Die Wandstärke des Pfahlrohrs kann nicht sehr dünn sein. Die Pfähle sind während der Installation starken Stößen ausgesetzt.' ). Diese Prämisse ist für das Gericht unmittelbar nachvollziehbar und einleuchtend, zumal die Beklagten auch von Verformungen berichten, die sich beim Einrammen ergeben können.

Diese Prämisse ist zur Darlegung der behaupteten Unmöglichkeit aber nicht ausreichend. Die Frage ist gerade, welche spezifische Wandstärke (bezogen auf den jeweiligen Pfahldurchmesser) technisch-funktional angesichts der übrigen relevanten Parameter wie Härtegrad des für den Pfahl verwendeten Materials, Bodenbeschaffenheit und Rammkraft mindestens erforderlich ist. Diese Frage lässt die Beklagte unbeantwortet. Der Vortrag der Beklagten ist damit letztlich derart pauschal, dass er über eine bloße Behauptung nicht hinausgeht:

'Wenn das Pfahlrohr eine so geringe Wandstärke hätte, dass es bis zum Boden der Nut vordringen könnte, gäbe es Probleme mit der Schlagfestigkeit. Das Pfahlrohr würde dem Rammen nicht standhalten.'

Die Beklagten behaupten damit, dass ein Pfahlrohr mit einer Wandstärke von 5 mm, mit dem ein Nutboden von 5 mm bei der GS115 erreicht werden kann (Pfahlrohr mit so geringer Wandstärke, dass es bis zum Boden der Nut vordringen könnte) , 'Probleme mit der Schlagfestigkeit' hätte und dem Rammen nicht standhalten würde. Im Unterschied zu Versuchen mit eigenen Pfählen (Wandstärke laut Katalog 6,3 und 8

mm) hat es dazu aber offenbar keine Tests gegeben. Es kann sich also bei der Aussage,

'Wenn das Pfahlrohr eine so geringe Wandstärke hätte, dass es bis zum Boden der Nut vordringen könnte, gäbe es Probleme mit der Schlagfestigkeit. Das Pfahlrohr würde dem Rammen nicht standhalten.'

allenfalls um eine Vermutung handeln. Eine Vermutung ist aber keine einlassungsfähige Darlegung einer Tatsache und schon gar kein Beweis. Soweit die Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die Differenz zwischen 5 mm (ausreichend zum Erreichen des Nutbodens) und 6,3 mm (zu breit für einen Nutboden von 5 mm) ausgeführt haben, die Differenz sei angesichts der notwendigen Stabilität erheblich , ist auch dies nicht technisch belegt, sondern lediglich eine nicht näher begründete Wertung der Beklagten.

    1. Die Auflagestege der angegriffenen Ausführungsformen sind auch -wie die nachfolgende Abbildung zeigt -im Querschnitt zur Einrammrichtung als Kreissegmente ausgebildet, wobei sich der Kreisbogen der Kreissegmente über 40° bis 120° erstreckt.

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    1. Die angegriffene Ausführungsformen verwirklichen auch die Unteransprüche 4, 5, 6, 7, 9, 10 und 11 (jeweils neue Fassung gemäß Hilfsantrag 3 des Antrags auf Änderung des Klagepatents).
  • a. Die angegriffene Ausführungsformen verwirklichen Unteranspruch 4 (neue Fassung gemäß Hilfsantrag 3 des Antrags auf Änderung des Klagepatents); es sind drei Betonaustrittskanäle vorgesehen.

  • b. Die angegriffene Ausführungsformen verwirklichen Unteranspruch 5 (neue Fassung gemäß Hilfsantrag 3 des Antrags auf Änderung des Klagepatents); die Betonaustrittskanäle sind im Querschnitt zur Einrammrichtung entlang der Innenwandung der Rammspitze im Wesentlichen mit gleichen Abständen zueinander angeordnet.

  • c. Die angegriffene Ausführungsformen verwirklichen Unteranspruch 6 (neue Fassung gemäß Hilfsantrag 3 des Antrags auf Änderung des Klagepatents); an der Innenwandung der angegriffenen Ausführungsformen ist wenigstens eine radial nach innen ragende Stützvorrichtung zur Zentrierung und/oder lagestabilen Fixierung des Rammpfahls vorgesehen.

  • d. Die angegriffene Ausführungsformen verwirklichen Unteranspruch 7 (neue Fassung gemäß Hilfsantrag 3 des Antrags auf Änderung des Klagepatents); die radial nach innen ragende Stützvorrichtung ist bei den angegriffenen Ausführungsformen als eine Mehrzahl von Stützrippen ausgebildet.

  • e. Die angegriffene Ausführungsformen verwirklichen Unteranspruch 9 (neue Fassung gemäß Hilfsantrag 3 des Antrags auf Änderung des Klagepatents); der Außendurchmesser der Rammspitze verringert sich bei den angegriffenen Ausführungsformen in Einrammrichtung im Wesentlichen kontinuierlich.

  • f. Die angegriffene Ausführungsformen verwirklichen Unteranspruch 10 (neue Fassung gemäß Hilfsantrag 3 des Antrags auf Änderung des Klagepatents); die Rammspitzen sind in den angegriffenen Ausführungsformen einteilig ausgeführt.

  • g. Die angegriffene Ausführungsformen verwirklichen Unteranspruch 11 (neue Fassung gemäß Hilfsantrag 3 des Antrags auf Änderung des Klagepatents); die Rammspitzen bestehen aus Gusseisen.

    1. Eine Verwirklichung des neugefassten Anspruchs 3 (Erstreckung des Kreisbogens des Kreissegments oder Kreisringsegments über 70° bis 90°) liegt bei den angegriffenen Ausführungsformen offensichtlich nicht vor.

VII. Räumlicher Verbotsumfang

Soweit die Beklagten die Ansicht vertreten haben, dass der räumliche Verbotsumfang auf Deutschland, Österreich und Italien zu beschränken sei, da nur dort angegriffene Ausführungsformen angeboten worden seien, geht diese Ansicht wegen Art. 34 EPGÜ fehl. Die Entscheidungen des Gerichts gelten im Falle eines europäischen Patents für das Hoheitsgebiet derjenigen Vertragsmitgliedsstaaten, für die das europäische Patent Wirkung hat.

VIII. Unverhältnismäßigkeit von Rückruf und Vernichtung

Soweit die Beklagten behaupten, dass ein Rückruf und eine Vernichtung unverhältnismäßig sind, fehlt es an einer diese Behauptung tragenden Begründung.

IX. Urteilsveröffentlichung

Soweit die Beklagten meinen, für eine Urteilsveröffentlichung bestehe kein schutzwürdiges Interesse, da Entscheidungen des EPG ohnehin veröffentlicht würden, folgt das Gericht dem nicht. Mit dieser Begründung würde ein Antrag auf Urteilsveröffentlichung immer abgewiesen werden müssen.

Nicht erkennbar ist, dass eine Veröffentlichung auf ' LinkedIn Kosten verursachen ' kann; es besteht daher keine Notwendigkeit, über die Erstattung zu entscheiden.

X. Zwangsgeld

Welches Zwangsgeld im Einzelfall angemessen und ausreichend ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Um dem Gericht hier den nötigen Spielraum zu geben,

ist in der Entscheidung formuliert, dass im Falle eines Verstoßes ein Zwangsgeld in ' Höhe von bis zu € 50.000,00 zu zahlen' ist.

Im Hinblick auf die in Klageantrag Ziffer 6. enthaltene Frist war der Fristbeginn unter Rückgriff auf Regel 118.8 VerfO zu bestimmen.

XI. Kosten

Die Parteien haben für den Fall des vollständigen Obsiegens einer Partei (Verletzungsklage und Nichtigkeitswiderklage) im Hauptsacheverfahren in erster Instanz eine pauschale Kostenerstattung in Höhe von 120.000 EUR vereinbart. Bei teilweisem Obsiegen sollen die Kosten entsprechend der ausgeurteilten Kostenquote geteilt werden.

Für die Kostenquote gilt Folgendes:

Das Klagepatent erfährt im Rahmen der Nichtigkeitswiderklage eine substantielle Beschränkung in seinem Anspruch 1, welcher letztlich nur durch eine Kombination mit zwei Unteransprüchen aufrechterhalten werden kann. Das Gericht hält insofern eine Unterliegensquote der Klägerin von 30% für gegeben.

Bezogen auf die mit der Verletzungsklage angegriffenen Ausführungsformen wirken sich die im Rahmen der Nichtigkeitswiderklage erfolgten Beschränkungen im Ergebnis zwar nicht aus; auch hier kommt es aber aufgrund des eingeschränkten Schutzumfangs des Patents zu einer im Vergleich mit dem Klageantrag eingeschränkten Verurteilung. Das Gericht sieht die Unterliegensquote der Klägerin hinsichtlich der Verletzungsklage aus den genannten Gründen bei 10%.

Insgesamt ergibt sich damit eine Unterliegensquote von 20%.

Entscheidung

  • I. Das europäische Patent EP 2 839 083 B9 wird mit Wirkung für alle EPGÜVertragsmitgliedsstaaten, in denen das Klagepatent in Kraft steht, für nichtig erklärt, soweit sein Gegenstand über folgende Fassung hinausgeht:
    1. Rammspitze (1) für einen im Wesentlichen rohrförmigen, insbesondere hohlzylindrischen, Rammpfahl (2) mit einer Pfahlseele (3), durch die Beton in den Rammpfahl (2) einbringbar ist, wobei die Rammspitze (1) auf ein Pfahlende (4) des Rammpfahls (2) aufsteckbar ist, wobei an einer Innenwandung (5) der Rammspitze (1) wenigstens ein erster Auflagesteg (6) mit einer ersten Auflagefläche (7) für eine Stirnseite (8) des Pfahlendes (4) angeordnet ist, wobei die Rammspitze (1) ausgehend von der Ebene der ersten Auflagefläche (7) einen sich zumindest teilweise in Einrammrichtung (E) erstreckenden Hohlraum (9) aufweist, in den bei aufgestecktem Rammpfahl (2) durch die Pfahlseele (3) Beton einbringbar ist, wobei wenigstens ein Betonaustrittskanal (10) vorgesehen ist, der den Hohlraum (9) mit einem oberen Rand (11) der Rammspitze (1) verbindet,

dadurch gekennzeichnet, dass der wenigstens eine erste Auflagesteg (6) im Querschnitt zur Einrammrichtung (E) als Kreissegment oder Kreisringsegment ausgebildet ist, und dass sich ein Kreisbogen (12) des Kreissegments oder Kreisringsegments über 40° bis 120° erstreckt.

    1. Rammspitze nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Rammspitze (1) eine im Wesentlichen rotationssymmetrische Außenform aufweist, wobei die Rotationsachse (R) im Wesentlichen in Einrammrichtung (E) verläuft.
    1. Rammspitze nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass sich der Kreisbogen (12) des Kreissegments oder Kreisringsegments über 70° bis 90° erstreckt.
    1. Rammspitze nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass eine Mehrzahl von Betonaustrittskanälen (10), vorzugsweise drei Betonaustrittskanäle (10), vorgesehen ist bzw. sind.
    1. Rammspitze nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass jeweils zwei Betonaustrittskanäle (10) der Mehrzahl von Betonaustrittskanälen (10) im Querschnitt zur Einrammrichtung (E) entlang der Innenwandung (5) der

Rammspitze (1) im Wesentlichen mit gleichen Abständen zueinander angeordnet sind.

    1. Rammspitze nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass an der Innenwandung (5) wenigstens eine radial nach innen ragende Stützvorrichtung (13) zur Zentrierung und/oder lagestabilen Fixierung des Rammpfahls (2) vorgesehen ist.
    1. Rammspitze nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die wenigstens eine radial nach innen ragende Stützvorrichtung (13) als eine Mehrzahl von Stützrippen ausgebildet ist.
    1. Rammspitze nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass an der Innenwandung (5) der Rammspitze (1) wenigstens ein zweiter Auflagesteg (6') mit einer zweiten Auflagefläche (7') für eine Stirnseite (8') eines Pfahlendes (4') angeordnet ist, wobei in Einrammrichtung (E) der Abstand (T') der zweiten Auflagefläche (7') vom Rand (11) der Rammspitze (1) größer ist als der Abstand (T) der ersten Auflagefläche (7) vom Rand (11) der Rammspitze (1).
    1. Rammspitze nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass sich ein Außendurchmesser (D) der Rammspitze (1) in Einrammrichtung (E) im Wesentlichen kontinuierlich verringert.
    1. Rammspitze nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Rammspitze (1) einteilig ausgeführt ist.
    1. Rammspitze nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass die Rammspitze (1) zumindest teilweise, vorzugsweise vollständig, aus Gusseisen besteht.
  • II. Im Übrigen wird die Nichtigkeitswiderklage abgewiesen.

  • III. Die Kanzlei wird angewiesen, nach Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung eine Abschrift dieser Entscheidung an das Europäische Patentamt und an die nationalen Patentämter aller betroffenen Vertragsmitgliedstaaten zu übermitteln.

  • IV. Es wird festgestellt, dass das Herstellen, das Angebot, das Inverkehrbringen, der Gebrauch oder die Einfuhr der Rammspitzen der Beklagten gemäß den angegriffenen Ausführungsformen oder der Besitz solcher Rammspitzen zu diesen Zwecken eine Verletzung von Anspruch 1 der EP 2 839 083 B9 in der Fassung gemäß vorstehender Ziffer I. sowie den auf diese Anspruchsfassung bezogenen Ansprüchen 4, 5, 6, 7, 9, 10 und 11 (in der Fassung gemäß Ziffer I. dieser Entscheidung) begründen.

  • V. Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, in einem oder mehreren der Hoheitsgebiete der Staaten

Deutschland, Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Slowenien und Schweden

Rammspitzen für einen im Wesentlichen rohrförmigen, insbesondere hohlzylindrischen, Rammpfahl mit einer Pfahlseele, durch die Beton in den Rammpfahl einbringbar ist, wobei die Rammspitze auf ein Pfahlende des Rammpfahls aufsteckbar ist, wobei an einer Innenwandung der Rammspitze wenigstens ein erster Auflagesteg mit einer ersten Auflagefläche für eine Stirnseite des Pfahlendes angeordnet ist, wobei die Rammspitze ausgehend von der Ebene der ersten Auflagefläche einen sich zumindest teilweise in Einrammrichtung erstreckenden Hohlraum aufweist, in den bei aufgestecktem Rammpfahl durch die Pfahlseele Beton einbringbar ist, wobei wenigstens ein Betonaustrittskanal vorgesehen ist, der den Hohlraum mit einem oberen Rand der Rammspitze verbindet, dadurch gekennzeichnet, dass der wenigstens eine erste Auflagesteg im Querschnitt zur Einrammrichtung als Kreissegment oder Kreisringsegment ausgebildet ist, und dass sich ein Kreisbogen des Kreissegments oder Kreisringsegments über 40° bis 120° erstreckt.

(neue Fassung Anspruch 1), insbesondere, wenn eine Mehrzahl von Betonaustrittskanälen, vorzugsweise drei Betonaustrittskanäle, vorgesehen ist oder sind

(neue Fassung Anspruch 4),

insbesondere wenn jeweils zwei Betonaustrittskanäle der Mehrzahl von Betonaustrittskanälen im Querschnitt zur Einrammrichtung entlang der Innenwandung der Rammspitze im Wesentlichen mit gleichen Abständen zueinander angeordnet sind

(neue Fassung Anspruch 5), und/oder an der Innenwandung wenigstens eine radial nach innen ragende Stützvorrichtung zur Zentrierung und/oder lagestabilen Fixierung des Rammpfahls vorgesehen ist

(neue Fassung Anspruch 6), insbesondere wenn die wenigstens eine radial nach innen ragende Stützvorrichtung als eine Mehrzahl von Stützrippen ausgebildet ist

(neue Fassung Anspruch 7), und/oder sich ein Außendurchmesser der Rammspitze in Einrammrichtung im Wesentlichen kontinuierlich verringert

(neue Fassung Anspruch 9)

und/oder die Rammspitzen einteilig ausgeführt sind

(neue Fassung Anspruch 10)

und/oder die Rammspitzen zumindest teilweise, vorzugsweise vollständig, aus Gusseisen bestehen

(neue Fassung Anspruch 11), herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.

  • VI. Die Beklagten werden verurteilt, die verletzenden Rammspitzen gemäß Ziffer V. auf ihre Kosten aus den Vertriebswegen zurückzurufen, endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen und zu vernichten sowie Gussformen und Gusswerkzeuge für die Herstellung der verletzenden Rammspitzen gemäß Ziffer V. auf ihre Kosten zu vernichten, sofern sie geometrische Formen oder Negative davon aufweisen.

  • VII. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über

  • -Ursprung und Vertriebswege der verletzenden Rammspitzen gemäß Ziffer V.,

  • -die erzeugten, hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und bestellten Mengen und die Preise, die für die verletzenden Rammspitzen gemäß Ziffer V. gezahlt wurden, und

  • -die Identität aller an der Herstellung oder dem Vertrieb von verletzenden Rammspitzen gemäß Ziffer V. beteiligten dritten Personen.

  • VIII. Der Klägerin wird gestattet, auf Kosten der Beklagten die Entscheidung ganz oder teilweise in den folgenden öffentlichen Medien bekannt zu machen und zu veröffentlichen:

  • -Österreichische Bauzeitung (Der Wirtschaftsverlag)

  • -SOLID Fachmagazin für Wirtschaft & Technik am Bau (WEKA Industrie Medien)

  • -OiB aktuell Das Fachmagazin für Baurecht und Technik (Österreichisches Institut für Bautechnik)

  • -Zeitschrift GEOTECHNIK (Deutsche Gesellschaft für Geotechnik)

  • IX. Im Übrigen wird die Verletzungsklage abgewiesen.

  • X. Die Beklagten werden verurteilt, für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung Ziffer V. und für jeden Tag der mangelnden oder unrichtigen Erfüllung der Anordnungen nach Ziffern VI. oder VII. nach dem Ablauf einer mit der Mitteilung der Vollstreckungsabsicht gemäß Regel 118.8 VerfO beginnenden zweiwöchigen Frist ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu € 50.000, 00 zu zahlen.

  • XI. Das Urteil ist unmittelbar vollstreckbar.

  • XII. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch das Herstellen, Anbieten, in Verkehr bringen, Gebrauchen oder zu den genannten Zwecken Einführen oder Besitzen entstanden ist oder entstehen wird.

  • XIII. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 20% und die Beklagten 80%.

INFORMATIONEN ZUR BERUFUNG

Gegen die vorliegende Entscheidung kann durch jede Partei, die ganz oder teilweise mit ihren Anträgen erfolglos war, binnen zwei Monaten ab Zustellung der Entscheidung beim Berufungsgericht Berufung eingelegt werden (Art. 73 (1) EPGÜ, R. 220.1 (a), 224.1 (a) VerfO).

INFORMATIONEN ZUR VOLLSTRECKUNG (ART. 82 EPGÜ, ART. ART. 37(2) EPGS, R. 118.8, 158.2, 354, 355.4 VERFO):

Eine beglaubigte Kopie der vollstreckbaren Entscheidung wird vom Hilfskanzler auf Antrag der vollstreckenden Partei ausgestellt, R. 69 RegR.

München, den 6. Juni 2025

Dr. Zigann (Vorsitzender Richter)
Kokke (rechtlich qualifizierte Richterin)
Kretschmann (technisch qualifizierter Richter)
Pichlmaier (rechtlich qualifizierter Richter; Berichterstatter)
Für den Hilfskanzler
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