3 July, 2025
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Decision
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ORD_32324/2025
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Luxemburg (LU)
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EP2839083
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R. 157 VerfO
R. 265 VerfO
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EPG - Berufungsgericht UPC_CoA_153/2025 APL_8639/2025
ANORDNUNG
des Berufungsgerichts des Einheitlichen Patentgerichts erlassen am 3. Juli 2025 betreffend eine Berufung gegen eine Kostenentscheidung (R. 157 VerfO)
LEITSÄTZE:
-Die Kostenentscheidung nach Rücknahme einer Klage (R. 265 VerfO) erfolgt gemäß den allgemeinen Vorschriften in R. 150 ff. VerfO.
-Im Berufungsverfahren beschränkt sich die rechtliche Überprüfung auf eine marginale Prüfung, ob die Kostenfestsetzung des Berichterstatters dazu führt, dass die obsiegende Partei für die Kosten des Rechtsstreits und sonstige Kosten über das hinaus entschädigt wird, was zumutbar und angemessen ist, oder in anderer Weise von den in R. 150 ff. VerfO konkretisierten Grundsätzen des Art. 69 Abs. 1 EPGÜ abweicht.
BERUFUNGSKLÄGERIN (UND ANTRAGSGEGNERIN IM KOSTENFESTSETZUNGSVERFAHREN VOR DEM GEI)
Tiroler Rohre GmbH, Hall, Österreich (nachstehend als Tiroler Rohre bezeichnet)
vertreten durch: Patentanwalt Florian Robl, Torggler Hofmann, Innsbruck, Österreich, und andere Vertreter dieser Kanzlei
BERUFUNGSBEKLAGTE (UND ANTRAGSTELLERINNEN IM KOSTENFESTSETZUNGSVERFAHREN VOR DEM GEI)
SSAB Swedish Steel GmbH, Düsseldorf, Deutschland
SSAB Europe Oy, Hämeenlinna, Finnland
(nachstehend als SSAB bezeichnet)
vertreten durch: Rechtsanwalt Dr. Christian Meyer, Maiwald, Düsseldorf, Deutschland, und andere Vertreter dieser Kanzlei
STREITPATENT
EP 2 839 083
VERFAHRENSSPRACHE
Deutsch
ENTSCHEIDENDE RICHTERIN
Diese Anordnung wurde erlassen von Ingeborg Simonsson, ständige Richterin.
BEANSTANDETE ANORDNUNG DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
□ Datum: 10. Februar 2025, Lokalkammer München
□ Aktenzeichen des Gerichts erster Instanz: UPC_CFI_640/2024; ACT_59020/2024, ORD_65844/2024/ORD_68941/2024
SACHVERHALT UND ANTRÄGE DER PARTEIEN
Tiroler Rohre beantragte bei der Lokalkammer München die Anordnung einstweiliger Maßnahmen gegen SSAB. In der mündlichen Verhandlung am 6. Mai 2024 hat die Lokalkammer zu erkennen gegeben, dass sie Bedenken hat, die beantragte Anordnung zu erlassen. Am 3. Juni 2024 hat Tiroler Rohre den Antrag zurückgenommen.
Am 24. Oktober 2024 hat die Lokalkammer entschieden (i) die Rücknahme des Antrags auf Erlass einstweiliger Maßnahmen zuzulassen, (ii) das Verfahren für beendet zu erklären, (iii) die Aufnahme der Entscheidung in das Register anzuordnen, und (iv) Tiroler Rohre die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Hinterlegung der Schutzschrift aufzuerlegen.
SSAB hat bei der Lokalkammer einen Antrag auf Festsetzung der Kosten für die erste Instanz gestellt.
Tiroler Rohre beantragte, den Kostenfestsetzungsantrag als unzulässig zurückzuweisen und die Kosten der Tiroler Rohre der SSAB aufzuerlegen. Hilfsweise beantragte Tiroler Rohre, die von SSAB zu tragenden Kosten auf pauschal € 30.000 zu begrenzen.
Nach Ansicht der Tiroler Rohre sei ein gesondertes Verfahren zur Kostenfestsetzung gemäß R. 150.1 VerfO nur möglich, wenn es auf eine Entscheidung in der Hauptsache folgt. Dies sei hier nicht der Fall, da der Antrag auf einstweilige Maßnahmen durch eine Entscheidung gemäß R. 265 VerfO zurückgenommen und beendet wurde. R. 265.2 c) VerfO sehe außerdem vor, dass die Entscheidung über die Rücknahme mit einer Kostenentscheidung nach Teil 1, Kapitel 5 VerfO (also genau nach den R. 150 bis 157 VerfO) zu ergehen hat, was geschehen sei. Die von SSAB beantragte Entscheidung sei somit bereits getroffen worden. Da SSAB in ihrer Antwort auf den Antrag auf Rücknahme keine konkreten Kosten angegeben habe, müsse die Kostenentscheidung zwangsläufig allgemeiner Natur sein.
Der Berichterstatter stellte (zusammenfassend) fest, dass der Antrag auf Kostenfestsetzung fristgerecht gestellt worden war und zulässig war und weder entbehrlich war noch bereits ergangen war. Der Berichterstatter hat gemäß R. 156 VerfO entschieden, dass Tiroler Rohre SSAB die Kosten, die in erster Instanz bis zum 15. März 2025 entstanden sind, in Höhe von insgesamt 84.033,76 € erstatten muss. Die anderen Anträge der Parteien wurden zurückgewiesen.
Tiroler Rohre beantragte die Zulassung der Berufung. Am 7. März 2025 hat die ständige Richterin die Berufung gemäß R. 221.3 VerfO zugelassen.
Tiroler Rohre beantragt den Kostenfestsetzungsantrag als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise die von SSAB zu tragenden Kosten auf pauschal € 30.000 zu begrenzen.
SSAB beantragt die Berufung gegen die Kostenentscheidung zurückzuweisen, und Tiroler Rohre die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen.
VORBRINGEN DER PARTEIEN
Tiroler Rohre (zusammengefasst und soweit relevant)
Gemäß R.265 VerfO habe die Kostenentscheidung gemäß R. 150 bis 157 VerfO zu ergehen. Zweck dieser Regelung sei es, einen zügigen Abschluss des Verfahrens zu ermöglichen. Der Antragsteller reiche die Rücknahme des Verfahrens ein, der Antragsgegner macht seine Kosten geltend (potenziell zusammen mit weiteren Ausführungen) und dann könne das Verfahren unter Festsetzung der Kosten abgeschlossen werden. Genau das sei im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen, weil SSAB in der Stellungnahme vom 12. Juni 2024 zum Rücknahmeantrag ihre Kosten nicht geltend gemacht habe. Es sei daher unmöglich gewesen, einen konkreten Betrag zuzusprechen. Da SSAB es unterlassen habe, rechtzeitig konkret zu ihren Verfahrenskosten vorzutragen und eine Kostenfestsetzung zu beantragen, sollte sie die Konsequenzen dafür tragen und keine konkreten Kosten zugesprochen bekommen.
SSAB bleibe auch nicht auf ihren Kosten sitzen, weil sie dieselben ohne weiteres im Kostenfestsetzungsverfahren zur bereits eingereichten Hauptsacheklage (36096/2024, UPC_CFI_324/2024) geltend machen könne.
Nach Auffassung von Tiroler Rohre stehe selbst wenn der Kostenfestsetzungsantrag zulässig gewesen sei, der zugesprochene Betrag im Widerspruch zu Artikel 69 EPGÜ, wonach die zuzusprechenden Kosten angemessen sein müssten. Schon in Zusammenschau mit ähnlich gelagerten Fällen sei klar, dass der in der beanstandeten Entscheidung zugesprochene Betrag von € 84.033,76 unangemessen sei.
SSAB (zusammengefasst und soweit relevant)
Die Auffassung der Tiroler Rohre, wonach die Entscheidung über die grundsätzliche Pflicht zur Kostentragung zugleich die abschließende Festsetzung der konkreten Beträge enthalten müsse, finde weder in der Verfahrensordnung noch im EPGÜ eine Stütze.
Die Lokalkammer habe die geltend gemachten Kosten bereits im Einzelnen geprüft und im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Kürzungen vorgenommen. Die von der Lokalkammer festgesetzten Beträge seien angemessen. Die tatsächlich entstandenen Kosten übersteigen sogar die geltend gemachten Beträge. Tiroler Rohre habe versäumt, gegen die Entscheidung der Lokalkammer vom 24. Oktober 2024 Berufung einzulegen. Die Entscheidung sei somit rechtskräftig. Die vorliegende Berufung gegen die Kostenentscheidung sei daher kostenpflichtig zurückzuweisen.
GRÜNDE DER ANORDNUNG
Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln 150 ff. VerfO auf die Kostenfestsetzung nach einer Rücknahme
Gemäß Art. 69 Abs. 1 EPGÜ werden die Kosten des Rechtsstreits und sonstige Kosten der obsiegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, bis zu einer gemäß der Verfahrensordnung festgelegten Obergrenze von der unterlegenen Partei getragen, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen.
Für Rücknahmen ist in R. 265.2 VerfO bestimmt, dass das Gericht, wenn die Rücknahme zugelassen wird, (a) eine Entscheidung erlässt, mit der das Verfahren für beendet erklärt wird; (b) eine Anordnung erlässt, dass die Entscheidung in das Register aufgenommen wird und (c) eine Kostenentscheidung gemäß Teil 1, Kapitel 5 erlässt.
Die Überschrift von Teil 1, Kapitel 5 der VerfO lautet 'Kostenfestsetzungsverfahren'. In R. 150 VerfO ist das gesonderte Verfahren zur Kostenfestsetzung geregelt. Im ersten Absatz wird bestimmt, dass eine Kostenfestsetzung Gegenstand eines gesonderten Verfahrens sein kann, das einer Sachentscheidung und gegebenenfalls einer Entscheidung über die Festsetzung von Schadenersatz nachfolgt.
Im Zusammenhang mit der Rücknahme von Klagen gemäß R. 265 VerfO ist der Verweis auf Teil 1, Kapitel 5 VerfO in R. 265.2 VerfO dahingehend zu verstehen, dass das Gericht darüber entscheidet, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat (vgl. in erster Instanz R. 118.5 VerfO und Berufungsverfahren vgl. R. 242 VerfO). Zudem kann ein gesondertes Verfahren über die Kostenfestsetzung eingeleitet werden. Die in Regel 265.2 VerfO genannte Entscheidung, mit der das Verfahren für beendet erklärt wird, entspricht der in Regel 150.1 VerfO genannten Sachentscheidung.
Die Festsetzung der Kosten ist Gegenstand eines gesonderten Verfahrens (R. 150 ff. VerfO), einschließlich eines speziell geregelten Berufungsverfahrens (R. 157 und R. 221 VerfO). Die Zulassung der Berufung ist erforderlich, und wird die Berufung gegen eine Kostenentscheidung zugelassen, entscheidet der ständige Richter über die Berufung (R. 221.4 VerfO).
Dies gilt auch, wenn der Antrag nach einer Entscheidung gestellt wird, mit der das Verfahren nach einer Rücknahme der Klage für beendet erklärt wird. Die Verfahrensordnung sieht für den Fall der Rücknahme einer Klage kein besonderes Verfahren zur Kostenfestsetzung vor. Würde die Entscheidung, mit der das Verfahren nach Rücknahme der Klage für beendet erklärt wird, die Kostenfestsetzung umfassen, gäbe es keine unmittelbar anwendbaren Vorschriften für diese Kostenfestsetzung. Darüber hinaus würde für Berufungen eine andere Regel gelten (R. 220.2(a) VerfO). Eine Zulassung der Berufung wäre nicht erforderlich und der Spruchkörper des Berufungsgerichts würde anstelle des ständigen Richters entscheiden. Dies wäre systemwidrig.
Daher findet auch in diesem Fall das allgemeine Verfahren gemäß R. 150 ff. VerfO Anwendung.
Die Intensität der rechtlichen Überprüfung in Bezug auf die Festsetzung der Kosten in erster Instanz
In der Regel hat der Berichterstatter, der die Entscheidung trifft, den Fall in allen Phasen des Verfahrens Schritt für Schritt bearbeitet. Im Berufungsverfahren beschränkt sich die rechtliche Überprüfung auf eine marginale Prüfung, ob die Kostenfestsetzung des Berichterstatters dazu führt, dass die obsiegende
Partei für die Kosten des Rechtsstreits und sonstigen Kosten über das hinaus entschädigt wird, was zumutbar und angemessen ist, oder in anderer Weise von den in R. 150 ff. VerfO konkretisierten Grundsätzen des Art. 69 Abs. 1 EPGÜ abweicht.
Im vorliegenden Fall geht aus der angefochtenen Entscheidung eindeutig hervor, dass der Berichterstatter eine gründliche und detaillierte Kostenbewertung vorgenommen hat. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Ergebnis dieser Prüfung eindeutig zu einer Entschädigung der obsiegenden Partei für die Kosten des Rechtsstreits und sonstige Kosten führt, die nicht zumutbar und angemessen sind.
Kosten
Selbst wenn eine Partei im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens gemäß R. 150 VerfO erfolgreich ist, muss sie ihre eigenen Kosten tragen, die ihr im Zusammenhang mit dem Kostenverfahren entstanden sind (CoA, Entscheidung vom 6. Juni 2025, UPC_CoA_618/2024, APL_57918/2024, Hanshow gegen Vusiongroup). In der Regel können die Gerichtsgebühren für die Berufung vom Berufungsbeklagten erstattet werden, wenn die Berufung erfolgreich ist. Dies ist hier nicht der Fall.
ANORDNUNG
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Alle übrigen Anträge werden zurückgewiesen.
Erlassen am 3. Juli 2025
Ingeborg Simonsson ständige Richterin
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